Gerade im Bereich der hohen Energiebedarfsträger im Energiesektor und in der Industrie haben wir - Gott sei es gedankt -, auch dank einer klugen Politik, allein in den letzten Jahren erstaunliche Ansiedlungen und Firmenerweiterungen hinbekommen.
- Ich komme noch darauf, verehrter Herr Kollege Kley. - Das bedeutet aber, wenn Sie hier Energiestrompreise als Thema aufmachen und über Standortgefährdung sprechen, dann dürfen Sie nicht über Haushaltskunden diskutieren, sondern Sie müssen sich einmal ganz genau die Industriestromkunden anschauen.
Wir kommen zu einem nächsten Punkt, der genauso mit zu betrachten ist, nämlich die Nachhaltigkeit. Wir haben bei dem Thema der Energieversorgung und der Energiekosten das Thema der Nachhaltigkeit mit zu bedenken. Denn wir haben, anders als vor zehn Jahren, das Kyoto-Protokoll, wir haben die Folgekonferenz, wir haben in der EU CO2-Vermeidungsziele festgelegt und Deutschland hat sich dazu verpflichtet.
Wir haben gleichzeitig, einhergehend mit diesen CO2Vermeidungszielen, auch den Zertifikatehandel für CO2Emissionen ins Leben gerufen, ein marktwirtschaftliches Instrument der Umweltpolitik, das vom Prinzip her richtig ist. Man muss sich einmal anschauen, welche Auswirkungen das auf die Primärenergieträger und die Energieumwandlung hat.
Ein ganz wichtiger Aspekt für uns in Deutschland, den ich sehr kritisch betrachte, ist gar nicht angesprochen worden. Wir müssen die CO2-Emissionen verringern. Dazu haben wir uns verpflichtet. Wenn wir aber bei der Braunkohle die Benchmark so gestalten, dass die Braunkohle als einziger subventionsfreier Primärenergieträger in Deutschland faktisch vor das Aus gestellt wird, dann haben wir ein Riesenproblem. Das ist heutzutage aber angesagt. Dann stellt sich die Frage, wie wir dann die Kapazitäten in der Grundlast künftig sicherstellen. Das ist eine Standortfrage, viel wichtiger als manches andere, was diskutiert wurde.
Der nächste Punkt, die Versorgungssicherheit, hat damit auch etwas zu tun, aber mit anderen Themen auch. Für die nächsten 20 Jahre wird für die EU ein dramatischer Anstieg der Energieimportabhängigkeit prognostiziert. Bei den Primärenergieträgern sind wir jetzt schon in einem hohen Maße von Energieimporten aus Regionen abhängig, die als alles andere als politisch stabil gelten. Die Importe der EU aus Krisenregionen werden sich bis zum Jahr 2030 auf fast 95 % steigern. Das kann man nicht einfach hinnehmen; man muss Vorsorge treffen. Beim Gas werden die Importe von 56 % auf 84 % ansteigen. Bei der Kohle werden die Importe von 40 % auf 63 % ansteigen, weil wir einerseits die Benchmark der einheimischen Braunkohle haben - die PDS möchte aus der Braunkohleverstromung in Deutschland komplett aussteigen -
Zum Schluss sind wir noch einmal bei dem Thema Energiepreise. Alle Redner vor mir haben heute den Musterkunden angesprochen und sind bei dem Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 3 000 bis 3 500 Kilowattstunden pro Jahr verblieben. Wenn man wegen des kalten Winters bei 4 000 Kilowattstunden pro Jahr bleibt, wird man wegen der angekündigten Strompreiserhöhungen als Haushaltskunde ungefähr 46 € pro Jahr drauflegen müssen. Das sind rund 4 € im Monat. Das entspricht noch nicht einmal einer Schachtel Zigaretten. Das ist nicht schön - das ist ganz richtig -, aber das kann auch nicht dramatisch sein. Für uns als Industrienation sind ganz andere Dinge viel entscheidender und von größerer Bedeutung.
Schauen wir uns einmal die Rohstoffkosten und die Erzeugungskosten an, warum sie so hoch sind. Die Erzeugungskosten in Deutschland sind deshalb besonders hoch, weil auch die Auflagen für Stromerzeugung und Energieumwandlung höher sind als in anderen Ländern: Umweltstandards, Genehmigungsverfahren und vieles andere mehr - gut begründet.
Dann geht es auch um Steuern und Abgaben. Auch für deren Erhebung gab es Gründe. Man mag sie gut finden oder kritisieren. Das hängt von der subjektiven Haltung, von politischen Einstellungen und von anderem ab.
Wir haben in Deutschland ein sehr umfangreiches System aus Steuern und Abgaben: von der Ökosteuer über die Umsatzsteuer bis hin zur EEG- und KWK-Umlage und vielen anderen Dinge mehr.
Ich will in diesem Zusammenhang auf einen Punkt hinweisen: Wir sind für erneuerbare Energien. Wir brauchen einen höheren Anteil von erneuerbaren Energien. Dieser Anteil wird auch bewusst gesteigert, aber wir müssen das mit Augenmerk,
mit Aufmerksamkeit betrachten. Wir müssen genau hinschauen, ob die Instrumente von gestern auch heute noch angezeigt sind oder nachjustiert werden müssen.
Ich möchte auf einen Punkt hinweisen: Allein nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz sind im Jahr 2009 Vergütungen für die Einspeisung von erneuerbaren Energien in einem Umfang von 74,9 Terawattstunden gezahlt worden. Das entspricht, in Euro umgerechnet, fast 11 Milliarden €, die die Gemeinschaft aller Energieabnehmer an diejenigen bezahlt hat, die aufgrund der gesetzlichen Grundlagen Solarpanels oder Windkraftanlagen installiert haben oder in anderen Bereichen die Erzeugung und Umwandlung regenerativer Energien betreiben. Das ist eine Summe, die von jedem bezahlt wird, von der Verkäuferin bei Aldi über den Polizisten mit einem nicht so hohen Einkommen bis hin zu anderen. Jeder zahlt mit.
Hinzu kommt noch ein Punkt. Die Dena-II-Studie wurde erwähnt: In der Dena-II-Studie wurde festgestellt, was nach neuesten Berechnungen an zusätzlichen Leitungsinvestitionen nötig ist. In Kilometer umgerechnet entspricht das 3 600 km Höchstspannungsleitung, die noch gelegt werden müssen. Das ist bei Weitem aber noch nicht alles.
Damit sind wir bei dem letzten Punkt, den man noch ansprechen muss. Das wird Kosten erzeugen. Das ist ein wichtiges Argument, das heute auch schon gefallen ist. Das Prinzip der Kostenverlagerung ist sozusagen die Mutter, die Grundlage aller Gesetze. Es kommt von Herrn Rexrodt; Gott lass ihn selig ruhen. Der hat damals als Wirtschaftsminister die Grundlage gelegt, nämlich in Form des Stromeinspeisungsgesetzes.
Man muss aber bedenken, dass nicht nur die Kostenfrage, sondern eine viel größere Frage ansteht, nämlich die Akzeptanzfrage. Wenn wir Stuttgart 21 zum Modell für Deutschland 21 machen, dann werden wir über erneuerbare Energien nicht mehr wegen der Kosten oder wegen anderer Dinge diskutieren, sondern dann werden wir aus Akzeptanzgründen einen Flaschenhals in der Energieversorgung bekommen, den wir allesamt bitterböse bezahlen werden.
Deswegen weise ich auf das Thema der Akzeptanz der Energieumwandelung hin. Dazu gehören Trassen und Kraftwerke. Das ist überlebenswichtig.
Zum Abschluss, liebe Kolleginnen und Kollegen in der FDP-Fraktion und in den anderen Fraktionen: Ich behaupte hier, wenn sich jemand hinstellt und preiswerte Energie verspricht, und das einhergehend mit der Aussage, es könne derzeit - ich rede von den nächsten zehn, 15 Jahren - ohne Kohleverstromung und ohne Kernkraft gehen, dann hat der entweder Physik abgewählt oder keine Ahnung oder ist böswillig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, wenn Sie hier beklagen, wir müssten im Bundesrat noch aktiver werden, um die hohen Kosten des Netzausbaus für erneuerbare Energien onshore auf die Gemeinschaft aller Verbraucher umzulegen, wie es bei Offshore-Anlagen der Fall ist, dann appelliere ich wirklich mit Herzblut und Vehemenz an alle Liberalen in dieser Republik: Nehmen Sie Einfluss auf Ihre FDP-Freunde in Bayern, in BadenWürttemberg, in Nordrhein-Westfalen - gut, dort regieren Sie nicht mehr mit -, also dort, wo Sie noch dran sind. Dort hat man sich im Bundesrat gegen unsere Bundesratsinitiativen gesperrt, diese Kosten auf alle umzulegen, was gerecht wäre.
Vielen Dank, Herr Gürth, für Ihren Beitrag. Es gibt zwei Nachfragen, diesmal in umgekehrter Reihenfolge. Der Abgeordnete Herr Dr. Schrader hat eine Nachfrage und der Abgeordnete Herr Kley. Wollen Sie die Fragen beantworten? - Das wollen Sie. Dann bitte schön, Herr Dr. Schrader.
Herr Kollege Gürth, Sie haben über die Themen Nachhaltigkeit - in Klammern: CO2 -, Preisstabilität oder gute Preise und Versorgungssicherheit bei Energie gesprochen. Wie bewerten Sie es, dass das Thema Atomkraft in europäischen Nachbarländern, aber insbesondere auch weltweit anscheinend eine Renaissance erfährt? - Wir haben kürzlich erfahren, dass es in Südkorea ein sehr großes Projekt gibt. Aber auch viele Länder in EU
Für die deutsche Industrie geht es darum, wie sich die Industrieenergiepreise in Deutschland im Vergleich zu Nachbarländern in Europa und im weltweiten Maßstab entwickelt haben. Das ist tatsächlich ein Standortthema unabhängig von Sachsen-Anhalt für den deutschen Standort insgesamt.
Keine schlechte Frage. - Wenn man sich mit der Energiepolitik beschäftigt und weiß, dass keine Nation in Europa ihre Energieversorgung isoliert sichern kann - keine einzige! - und dass wir ein europäisches Energieverbundsystem haben, das noch weiter verflochten werden muss - daran arbeiten ja alle -, dann muss man feststellen - ich will das gar nicht bewerten, sondern nur neutral feststellen -, dass nach Kyoto, nach Kopenhagen und nach der Brüsseler CO2-Vermeidungsstrategie die schon vorbereitete Ausweitung der Sicherung der Energieversorgung durch Kernkraft in Europa zugenommen hat.
Ich habe mir Schweden anschaut. Schweden war eines der ersten Länder, welches den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen hat. Als man dort so weit war, wurde der Ausstieg aus der Kernenergie schon so definiert, dass alle Standorte Bestandskraft haben, dass an den bestehenden Standorten quasi ein Repowering erlaubt ist, alte Blöcke werden abgeschaltet und neue, leistungsfähigere werden an denselben Kernkraftwerksstandorten installiert.
Schweden hat außerdem, anders als wir, viel sachlicher und unaufgeregter die Frage der Endlagerung ernsthaft angepackt. Die bauen ein Endlager. Bei uns ist das durch Demonstrationen und eine politisch und ideologisch motivierte Öffentlichkeitsarbeit über Jahrzehnte verhindert worden, schon die Untersuchung der Möglichkeiten. Wenn man das weiß, dann ist das ein wichtiger Punkt.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist auch mit zu betrachten: Es sind nicht nur Finnland oder Schweden, sondern auch andere Nachbarländer, die Kernkraftwerke betreiben und zusätzlich neue bauen. In Frankreich leistet die Kernkraft fast 90 % der Stromversorgung. In Osteuropa werden weitere Kernkraftwerksbauten geplant. Eines der neuesten Kernkraftwerke, das gebaut wurde und, würde ich behaupten, mit Sicherheit nicht das sicherste ist, befindet sich in der Slowakei.
In einer Industrienation wie Deutschland mit einer energieintensiven Industrie wie Maschinenbau, Automotive und Chemieindustrie muss man schon überlegen, wie man die Energieversorgung ohne Kernkraft sicherstellt. Wir können unsere Kraftwerke abschalten. Darüber muss man als Politiker entscheiden und dann muss man auch die Folgen tragen. Unsere Kraftwerke abzuschalten, bedeutet aber nicht, dass keine Kernkraftwerke mehr existieren. Wir hätten damit vielleicht ein politisches und vielleicht auch ein Umweltproblem in Deutschland ein Stück weit öffentlich negiert, aber nicht beseitigt, weil die Kernkraft als Energieträger nach wie vor da ist.
Ich kann nur mahnen, die Frage der Energieversorgung ernst zu nehmen und die ideologischen Scheuklappen in allen Fraktionen und in allen politischen Lagern herunterzunehmen. Es ist nicht die Zeit, über das Thema hier allumfassend zu diskutieren.
Wenn wir glauben, wir könnten damit Politik machen, indem wir den Leuten Angst machen oder für eine bestimmte Klientel eintreten, dann werden wir der großen Verantwortung, die wir für eine vernünftige Energieversorgung in Deutschland haben, nicht gerecht.
Vielen Dank. Herr Kley hat ebenfalls eine Frage. Diese möchten Sie beantworten. - Herr Kley, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Gürth, mir hat sich Ihre Rede nicht ganz erschlossen. Sie haben am Anfang vermeldet, dass unsere Aussage, dass hohe Strompreise eine Gefährdung darstellen könnten, völlig übertrieben sei; denn dies sei nicht der Fall. Dann haben Sie acht Minuten lang darüber referiert, dass die Strompreise in Deutschland ob zukünftiger Einflüsse steigen und dass dies gefährlich sei. Sind Sie der Meinung, dass die Energiepreise die Wirtschaftsansiedlung gefährden? Oder sind Sie der Meinung, dass das alles nur herbeigeredet wird?
Ich bin erstens der Meinung, dass die Aktuelle Debatte, die die FDP-Fraktion beantragt hat, in Bezug auf den Text, die Begründung und die Redebeiträge dem Thema nicht gerecht wird.
Ich bin zweitens der Meinung, dass eine Gefährdung des Industriestandortes nicht allein von den Stromkosten abhängt, sondern dass hierbei Energiekosten und andere Faktoren insgesamt zu berücksichtigen sind. Auf die Prozesswärme bin ich eingegangen; darauf sind Sie überhaupt nicht eingegangen. Auch auf andere Themen sind Sie nicht eingegangen.
Ich komme zum nächsten Punkt: Strompreise. Lesen Sie das noch einmal nach. Zum Thema Strompreise wurde hier über die Haushaltsstromkosten und deren Erhöhung umfassend diskutiert, nicht aber über die Industriestromkosten.