Protocol of the Session on December 9, 2010

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 85. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der fünften Wahlperiode. Dazu möchte ich Sie alle ganz herzlich begrüßen.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest und bin ganz schnell bei den Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung für die 45. Sitzungsperiode.

Herr Minister Dr. Haseloff entschuldigt sich für die heutige Landtagssitzung wegen der Teilnahme an der Wirtschaftsministerkonferenz. Frau Ministerin Professor Dr. Wolff entschuldigt sich ganztägig für die heutige Sitzung wegen der Teilnahme an der Kultusministerkonferenz. Herr Staatsminister Robra bittet seine Abwesenheit am heutigen Tag ab 12.30 Uhr und morgen bis 16 Uhr zu entschuldigen. Er nimmt an einer Beratung zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag in Mainz teil. Das sind die Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung.

Meine Damen und Herren! Ich komme zur Tagesordnung. - Bitte schön, Herr Gürth.

Herr Präsident, es gibt eine Verständigung zwischen den Fraktionen, eine kleine Veränderung der Tagesordnung vorzunehmen. Und zwar sollen die Tagesordnungspunkte 20 und 26 getauscht werden. Der Tagesordnungspunkt 20 könnte auch ohne Debatte durchgeführt werden.

Wenn sich die Fraktionen darauf verständigt haben, dann nehme ich das so auf. Die soeben von Herrn Gürth vorgetragenen Änderungen werden wir in den Ablaufplan aufnehmen.

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren! Ich bitte um Aufmerksamkeit. - Die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion der FDP haben jeweils fristgemäß Themen für die Aktuelle Debatte eingereicht. Die Aktuelle Debatte wird unter Tagesordnungspunkt 30 eingeordnet. Die Behandlung ist vereinbarungsgemäß als erster Tagesordnungspunkt für morgen vorgesehen. Ich möchte darauf hinweisen, dass der Tagesordnungspunkt 24 in der heutigen Sitzung als letzter Tagesordnungspunkt behandelt wird. Ansonsten gelten die von Herrn Gürth gewünschten Änderungen.

Gibt es weitere Vorschläge oder Änderungswünsche? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann bitte ich um Zustimmung zu der so geänderten Tagesordnung. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Damit können wir so verfahren.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Beratung

Entwurf des Fünfzehnten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Fünfzehn- ter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) einschließlich Begründung für den Abschluss des Staatsvertrages

Information der Landesregierung gemäß Nr. II.1 i. V. m. Nr. II.2 LIV vom 27. Oktober 2010 - ADrs. EUR/5/132

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien - Drs. 5/2993

Berichterstatter ist der Abgeordnete Herr Nico Schulz. Es ist eine Zehnminutendebatte dazu vereinbart worden. Bevor ich Herrn Schulz das Wort erteile, darf ich Gäste der Landeszentrale für politische Bildung auf der Tribüne begrüßen. Herzlich willkommen, meine Damen und Herren!

(Beifall im ganzen Hause)

Bitte schön, Herr Schulz.

Herr Schulz, Berichterstatter des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat dem Landtag den Entwurf des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages am 27. Oktober 2010 gemäß Nr. II.1 in Verbindung mit Nr. II.2 der Landtagsinformationsvereinbarung übermittelt und erklärt, eine Stellungnahme des Landestages könne bis zum 13. Dezember 2010 berücksichtigt werden.

Der wesentliche Inhalt dieses 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages ist Ihnen sicherlich bekannt. Das ist der Wechsel unseres Rundfunkgebührenmodells hin zu einer allgemeinen Haushaltsabgabe. Die damit verfolgten Ziele sind zum einen die Auflösung der Konvergenzproblematik durch nur noch eine Abgabe. Zum anderen soll keine höhere Gebührenbelastung für den typischen Privatnutzer entstehen und es soll drittens eine Vereinfachung bei der Datenerhebung und Kontrolle der bereitgehaltenen Geräte durch die Gebühreneinzugszentrale, kurz GEZ, erfolgen.

Die Grundstruktur des neuen Modells ist zum einen ein geräteunabhängiger Rundfunkbeitrag mit Beitragspflicht für jeden Haushalt und jede Betriebsstätte - hier gestaffelt nach Mitarbeitern - und zum anderen der Wegfall der Differenzierung zwischen Grund- und Fernsehgebühr und damit zwischen TV-Geräten, Radios, Handys oder PCs. Die Höhe des Beitrags ist einheitlich berechnet auf der Grundlage der bisherigen vollen Rundfunkgebühr, die zurzeit monatlich 17,98 € beträgt.

Für den privaten Bereich gilt: Es wird ein Beitrag für alle in einer Wohnung lebenden Personen zu zahlen sein; ein ermäßigter Beitrag in Höhe von einem Drittel der Rundfunkgebühr wird bei Zweit- und Ferienwohnungen zu entrichten sein. Für Menschen mit Behinderung, wenn diese leistungsfähig sind, gilt die Drittelregelung für die Rundfunkgebühr, die von diesem Personenkreis zu entrichten ist.

Im nichtprivaten Bereich, also in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst, wird der Beitrag pro Betriebsstätte erhoben und nach der Anzahl der dort regelmäßig Beschäftigten gestaffelt. Die betriebliche Nutzung eines Arbeitszimmers in einer privaten Wohnung entfällt als Gebührentatbestand. Für alle nichtprivaten Pkws ist ein ermäßigter Beitrag in Höhe von einem Drittel der Rundfunkgebühr zu entrichten. Allerdings ist ein Pkw pro Betriebsstätte gebührenfrei.

Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien kam in der 53. Sitzung überein, sich gemäß § 54a der Geschäftsordnung des Landtages mit

dem Entwurf des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages zu befassen und hierzu eine Anhörung durchzuführen. Die Fraktionen verständigten sich darauf, 36 Anzuhörende aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und von verschiedenen Institutionen einzuladen. Zuvor hatte sich der Ausschuss - dieser ergänzende Hinweis sei mir erlaubt -- bereits in der 53. Sitzung mit dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag im Rahmen der Selbstbefassung beschäftigt und sich von der Landesregierung zum Sachstand berichten lassen.

Meine Damen und Herren! Wie wichtig das Thema auch in der öffentlichen Wahrnehmung ist, wird daran deutlich, dass knapp 20 Anzuhörende unserer Einladung gefolgt sind und sich viele andere mit schriftlichen Stellungnahmen an uns gewandt haben. Sogar der Vorsitzende der ARD, Herr Intendant Boudgoust, der Intendant des ZDF Professor Schächter und der Intendant unseres heimischen Fernsehanbieters, des Mitteldeutschen Rundfunks, Professor Dr. Reiter sind unserer Einladung in den Ausschuss gefolgt.

Auch die Tatsache, dass wir diese Thematik unter dem ersten Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung behandeln, zeigt, dass dies ein wichtiges Thema ist, das wirklich sämtliche Bürger und alle Lebensbereiche in unserem Lande berührt.

Die Anhörung wurde dann in der 54. Sitzung des Ausschusses durchgeführt. Sie war öffentlich. Deshalb will ich an dieser Stelle nur einige wenige Anmerkungen machen.

Die wichtigste Erkenntnis dürfte sein, dass keiner der Anzuhörenden der Änderung des Finanzierungsmodells grundsätzlich widersprochen hat. Im Gegenteil: Die Wortmeldungen, die die grundsätzliche Frage berührten, begrüßten den Modellwechsel hin zu einer Haushaltsabgabe. Allerdings wurden zum Teil auch deutlich unterschiedliche Auffassungen bei den einzelnen Modalitäten des neuen Modells offenbar.

Neben den Intendanten der Rundfunkanstalten äußerten sich schriftlich wie mündlich unter anderem Vertreter der privaten Medien, der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, der kommunalen Spitzenverbände, der Verbraucherzentrale, verschiedener Sozialverbände und Wirtschaftsverbände sowie der Landesbeauftragte für den Datenschutz.

Es wurde auch viel Kritik an Einzelregelungen des Staatsvertrages geäußert, auf die ich jetzt im Einzelnen gar nicht eingehen will. Aber beispielhaft hierzu will ich nur nennen, dass gerade aus dem betrieblichen Bereich eine zu starke Belastung von Kleinbetrieben, insbesondere im Filialbereich, geltend gemacht und befürchtet wurde, dass Kfz-intensive Betriebe zu stark benachteiligt werden würden. Aber auch die Einbeziehung leistungsfähiger Behinderter mit der Drittelabgabe wurde im Rahmen der Anhörung kritisiert.

Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung brachten dann die Fraktionen der CDU und der SPD den Entwurf einer Stellungnahme ein und warben für eine interfraktionelle Zustimmung. Ziel dieser Beschlussempfehlung ist, die Einbeziehung von Kfz zu streichen, da diese nicht dem System einer geräteunabhängigen Gebühr entspricht, so wie eigentlich die neue Haushaltsabgabe aufgestellt sein soll. Das würde - wenn dies erreicht werden kann - zu einer Entlastung vieler Betriebe führen.

Die Vertreter der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der FDP erklärten, sie könnten der Beschlussempfeh

lung aufgrund von Vorbehalten gegenüber dem Staatsvertrag an sich nicht zustimmen, sie würden aber auch nicht dagegen votieren. Also enthielten sie sich der Stimme.

Der Ausschuss kam im Anschluss an die Diskussion mit 5 : 0 : 2 Stimmen überein, dem Landtag gemäß § 40 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine Beschlussempfehlung zur Stellungnahme zuzuleiten. Diese liegt Ihnen in der Drs. 5/2993 vor. Der Europaausschuss hätte auch allein eine Stellungnahme beschließen können. Wir hielten aber das Thema für so wichtig und bedeutsam, dass wir eine Debatte im Landtag hierzu angeregt haben.

Dies vorausgeschickt, bitte ich für den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herzlichen Dank dem Abgeordneten Herrn Nico Schulz. - Wir kommen zu dem Redebeitrag der Landesregierung. Herr Staatsminister Robra, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß gar nicht, ob das heute eine Premiere im Landtag ist. Aber zumindest ist es ungewöhnlich, dass wir schon in der Vorbefassungsphase, bevor die Ministerpräsidenten einen Staatsvertrag unterzeichnet haben, nicht nur eine ausführliche Anhörung im Ausschuss durchgeführt haben, sondern darüber hinaus auch eine Debatte im Landtag geführt haben, die aller Voraussicht nach zu einer Entschließung des Landtages führen wird. Aus meiner Sicht zeigt das, dass sowohl die Landesregierung als auch der Landtag den Themenkomplex, der Gegenstand des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages ist, mit Ernst und Sorgfalt begleiten. Das ist wirklich begrüßenswert.

Ich freue mich, dass - Herr Abgeordneter Schulz hat das eben noch einmal hervorgehoben - die Umstellung als solche, die extrem schwierig war und ist, nicht infrage gestellt wird, sondern die Notwendigkeit anerkannt wird und dass auch der Weg, der dafür gewählt worden ist, das heißt der Übergang von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag, die Billigung des Landtages findet. Auch das war ja, wie Sie in der Debatte der vergangenen Jahre verfolgt haben, ein schwieriger Prozess. Insofern können wir, glaube ich, ganz froh sein, dass wir eine Lösung gefunden haben, die jedenfalls dem Grunde nach schlüssig erscheint.

Dass das jetzt, in der Einschleifphase, noch weiterer Klärung bedarf, dass wir Erfahrungen damit sammeln müssen, glaube ich, versteht sich angesichts der Dimension der Aufgabe fast von selbst.

Deswegen wird sich die Landesregierung - das kann ich jetzt schon sagen - für die Evaluierung, die Gegenstand der Ziffer 2 des Beschlussvorschlages ist, in jedem Falle einsetzen. Ich denke, damit wird es auch keine Probleme geben. Es liegt im Interesse aller, möglichst bald verlässlich beurteilen zu können, welche konkreten Auswirkungen die Veränderung des Beitragsschemas, auch der Grundsätze für die Erhebung der Beiträge tatsächlich mit sich bringen wird.

Erfreulich ist auch - ich denke, das findet die Billigung durch den gesamten Landtag -, dass die Beitragsstabilität jedenfalls für die Jahre 2013 bis 2015 zunächst einmal gesichert worden ist.

Ich denke, wir sind uns einig darin, dass insbesondere für die privaten Haushalte die Belastungsgrenzen erreicht sind und dass es im Zusammenhang mit der Umstellung und aller Voraussicht nach auch darüber hinaus jedenfalls zunächst einmal keine höheren Beiträge gibt, sondern dass wir auch die Frage, ob diese 17,98 € möglicherweise über das Jahr 2015 hinaus reichen oder ob der Betrag -ich will da keine Hoffnungen wecken, aber theoretisch ist das natürlich auch möglich - möglicherweise gesenkt werden kann, in die Evaluation einbeziehen werden.

Ein weiterer Konsens besteht dahin gehend - auch das ist ein wichtiger Eckpunkt für die weitere Debatte -, dass die Proportionen zwischen den Privathaushalten, die etwa 90 % des Beitragsaufkommens erbringen, der Wirtschaft und den Sonstigen, insbesondere den Gemeinnützigen, gewahrt bleiben sollen. Das heißt, dass die Wirtschaft auch in Zukunft etwa 8 % bis 9 % des Beitragsaufkommens sichern soll.

Deswegen steht ja auch in Ziffer 1 der Beschlussempfehlung, dass sich die Landesregierung darum bemühen soll, bei einer Befreiung der Firmenfahrzeuge von künftigen Beiträgen das Ganze aufkommensneutral zu erledigen, will sagen, dass die Wirtschaft dadurch nicht zulasten der Privathaushalte entlastet werden soll, sondern dass das entsprechende Beitragsvolumen in dem Regelkreis, wenn man so will, der Wirtschaft aufgebracht werden muss.

Da wird man dann einiges zu rechnen haben. Nach den Zahlen der GEZ, die auch alle vorläufiger Natur sind, wie wir wissen, beläuft sich das Aufkommen aus den fahrzeugbezogenen Beiträgen auf etwa 280 Millionen €. Die werden dann eben in anderer Weise umzuverteilen sein. Das zeigt, dass die Diskussion auch mit den anderen Ländern nicht ganz einfach werden wird. Aber wir werden uns dafür einsetzen.

Ich kann für mich persönlich - mit Dank dafür, dass auch bei der Gestaltung der Tagesordnung darauf Rücksicht genommen worden ist - schon zusagen, das bereits heute Abend in der Rundfunkkommission zu erledigen. Wir treffen uns im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz heute Abend schon auf der Ebene der Chefs der Staats- und Senatskanzleien und werden diese Entwicklung in unserem Landtag sowie manche Anregungen, die aus anderen Parlamenten kommen, in diesem Kreise zu diskutieren haben, um Lösungen dafür zu finden.

Anerkannt worden ist auch - auch das war ja nicht ganz einfach -, dass sich die Rundfunkkommission, dass sich auch die Ministerpräsidenten bei der Formulierung des Entwurfs, der jetzt Gegenstand der Erörterung im Parlament ist, mit Blick auf die Beitragsstaffel in der Wirtschaft, die Betriebsklassengrößen, aber auch bei der Einbeziehung der Rundfunkgeräte in den Fahrzeugen durchaus schon bewegt hatten. Die Eckpunkte gingen seinerzeit ja noch erheblich viel weiter.

Die vielen, vielen Eingaben, die wir aus der Wirtschaft, von den Verbänden des Handwerks und von den Industrie- und Handelskammern, bekommen haben, waren in diesem Diskussionsprozess schon nicht unberücksichtigt geblieben; die Beitragsstaffel war vielmehr so umgestellt

worden, dass 90 % der Betriebe nur ein Drittel, also deutlich weniger als bisher, bzw. eine Gebühr, in aller Regel weniger als bisher, zahlen würden. Bisher mussten sie für jedes Gerät voll zahlen. Da kamen dann erheblich größere Dimensionen zustande. Dass bei den Fahrzeugen pro Niederlassung auch bei dem gegenwärtigen Stand der Diskussion schon ein Fahrzeug freigestellt war, führt zu einer Aufkommensminderung von annähernd 70 Millionen €, also zu einer Entlastung der Wirtschaft in dieser Höhe.