Protocol of the Session on November 11, 2010

Sachsen-Anhalt hat das Klimaschutzprogramm des Landes aus dem Jahr 1997 mit neuem Zeithorizont bis zum Jahr 2020 fortgeschrieben. Das von der Landesregierung in diesem Jahr beschlossene Klimaschutzprogramm 2020 beinhaltet mehr als 100 Maßnahmen in vielen Bereichen, in denen weitere Treibhausgasminderungen erzielt werden sollen. Dabei handelt es sich unter anderem um Forschungs- und Pilotprojekte, um Maßnahmen, die zur Energieeffizienz beitragen, sowie um Informations- und Beratungsangebote.

Jeder kann in seinem Lebensalltag zum Klimaschutz beitragen. Trotz aller Anstrengungen beim Klimaschutz ist es erforderlich, auf die unvermeidbare Veränderung des Klimas vorbereitet zu sein. Dass Sachsen-Anhalt erheblich betroffen sein wird, belegt auch die im Auftrag der Landesregierung vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung erarbeitete Vulnerabilitätsstudie, die uns aufzeigt, welche Regionen und Branchen voraussichtlich in welcher Weise betroffen sein werden.

Wir haben eine fach- und ressortübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit der Anpassung an den Klimawandel befasst. Im April 2010 hat die Landesregierung die von der Arbeitsgruppe erarbeitete Anpassungsstrategie für Sachsen-Anhalt und den dazugehörigen Aktionsplan beschlossen. Darin werden die am stärksten betroffenen Sektoren sowie übergreifende Themen untersucht. Darüber hinaus werden Problemfelder sowie weiterer Untersuchungs- und Forschungsbedarf und mögliche Anpassungsmaßnahmen identifiziert.

Meine Damen und Herren! Wir haben die Aufgabe, die Rahmenbedingungen für die Anpassungsmaßnahmen zu schaffen, Forschung und Bildung auf diese Fragen auszurichten und unter anderem durch Modellprojekte die Anpassungsmaßnahmen zu erleichtern.

Die Landesregierung hat Forschungsprojekte zu den ökonomischen Folgen des Klimawandels, eine modellhafte Anpassungsstrategie auf kommunaler Ebene und zu den Grundlagen einer Kommunikationsstrategie gefördert bzw. in Auftrag gegeben. Daneben beteiligt sich das Land Sachsen-Anhalt mit der Region Stendal am Programm Kibex der Universität der Vereinten Nationen. Dieses Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Katastrophenschutz und dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung zu den kritischen Infrastrukturen bei Extremereignissen durchgeführt.

Mein ausdrücklicher Dank gilt dem Landkreis Stendal, der sich bereit erklärt hat, an diesem Projekt mitzuwirken und die notwendigen Daten bereitzustellen. Ziel dieses Projektes ist es, auf mögliche Probleme bei Infrastrukturen wie zum Beispiel Straßen, Bahngleisen, Gewässern, Kommunikation und Elektrizität vorbereitet zu sein und soweit erforderlich bereits jetzt entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Am 6. Dezember 2010 wird eine von meinem Ministerium organisierte Konferenz mit dem Titel „Klimapolitik ist Zukunftspolitik“ in Magdeburg die Fragen der internationalen, der nationalen und der Klimapolitik in SachsenAnhalt beleuchten. Es geht um Klimaschutz und um die

Anpassung an den Klimawandel. Diese Konferenz wird ein weiterer Beitrag zur Aufklärung und Information über diese für uns so wichtigen Fragen sein.

Wir müssen unser klimapolitisches Engagement fortsetzen, meine Damen und Herren. Klimaschutz und Energiepolitik stehen in einem engen Zusammenhang.

Ich komme damit zur zweiten großen Herausforderung der Zukunft: Fossile Energieträger sind endlich und ihre Nutzung belastet die Atmosphäre.

Den Löwenanteil an der Treibhausgasverminderung rechnen die Prognosen dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien im Strom- und Wärmebereich zu. Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat sich in Sachsen-Anhalt im Ländervergleich deutlich überdurchschnittlich entwickelt. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung und am Energieverbrauch ist in Sachsen-Anhalt etwa doppelt so hoch wie im bundesdeutschen Durchschnitt.

Magdeburg ist eines der europäischen Zentren für die Windenergieanlagenproduktion. In Thalheim bei Wolfen ist mit dem Solarvalley ein Photovoltaikstandort von weltweiter Bedeutung entstanden. Wir sind ein führendes Land im Bereich der regenerativen Energien geworden, meine Damen und Herren.

Eine zunehmend größere Rolle spielt die Biomassenutzung. Ich sage es hier ganz deutlich: Auch bei der Nutzung von Biomasse müssen ökologische Fragen berücksichtigt werden. Unsere Bemühungen zur Erhaltung der Biodiversität dürfen nicht durch artenarme Monokulturen für Energiezwecke zunichte gemacht werden. In manchen Regionen Niedersachsens liegt der Maisanteil bei der Anbaufläche schon bei über 50 %. Das wollen wir in Sachsen-Anhalt nicht.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir müssen rechtzeitig reagieren, wenn sich Fehlentwicklungen ergeben. Wir setzen deshalb darauf, dass bei der bevorstehenden Novellierung des EEG an einigen Stellen, insbesondere bei der Biogasförderung, nachreguliert wird.

Dennoch: Die erneuerbaren Energien sind zusammen mit dem Emissionshandel und der Verbesserung der Energieeffizienz die wichtigsten Elemente beim Klimaschutz. Das haben wir auch in unserem neuen Landesklimaschutzprogramm so verankert. Im Landesenergiekonzept haben wir es uns zum Ziel gesetzt, bis 2020 mindestens 20 % unseres Energieverbrauchs regenerativ zu erzeugen.

Die Entwicklung der erneuerbaren Energien stellt uns aber auch vor neue Herausforderungen. Werden die aktuellen politischen Zielvorgaben bis zum Jahr 2020 erfüllt, dann werden sich in Deutschland die Erzeugungskapazitäten und die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien mehr als verdoppeln. Etwa 70 % der so genannten Grünstrom-Erzeugung werden dann aller Voraussicht nach aus Windenergie und Solarstrom, also aus Energiequellen mit unsteter Einspeisung erbracht.

(Zuruf von Herrn Dr. Schrader, FDP)

Diese Verhältnisse haben wir in Sachsen-Anhalt im Wesentlichen schon heute.

Es muss allen Beteiligten klar sein: Wenn wir mittelfristig 50 % Regenerativstrom im deutschen Stromnetz haben wollen, dann brauchen wir ein anderes Energievertei

lungssystem. Dieses System muss nicht nur dezentraler aufgebaut und intelligent verknüpft sein. Alle Beteiligten müssen zusammenwirken und zum Teil auch neue Aufgaben übernehmen. Intelligentes Netzmanagement, Speicherung und vor allem Netzausbau sind Aufgaben, die in der Stromversorgung zu lösen sind.

(Zustimmung von Herrn Wolpert, FDP)

Diesen Aufgaben müssen wir uns in Deutschland schleunigst widmen, wenn wir unsere ehrgeizigen Ziele erreichen wollen.

(Zustimmung bei der CDU)

Sachsen-Anhalt will dazu beitragen. Wir setzen dabei auch auf die Kompetenz und das Engagement unserer Wissenschaftler aus Industrie und Forschung, um die anstehenden Aufgaben der Integration der erneuerbaren Energien in die Versorgungssysteme zu lösen.

Im Februar 2009 wurde das Cluster Erneuerbare Energien in Sachsen-Anhalt gegründet. Ihm gehören sechs Forschungseinrichtungen und 35 Unternehmen an. Es ist ein vielversprechender Zusammenschluss.

Die Erfahrungen, die wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien gewinnen konnten, werden wir in die effiziente Ausgestaltung der zukünftigen Politikinstrumente im nationalen wie im europäischen Rahmen einbringen. Auch hier wird unser Wissen zunehmend zum Exportfaktor.

Meine Damen und Herren! Zu Ehrlichkeit in der Energiedebatte gehört auch Folgendes:

Die Fragen einer stabilen und zukunftsfähigen Energieversorgung lassen sich derzeit nicht allein mit regenerativen Energien lösen. Klimaverträglichkeit, Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit für Verbraucher und Industrie sind im Komplex der Energieversorgung zu berücksichtigen und abzuwägen. Wir liegen bei den Strompreisen in Europa zusammen mit Italien und Dänemark an der Spitze.

Fossile Energieträger werden in naher Zukunft noch eine wichtige energiepolitische Rolle spielen müssen. Auch auf die Kernenergie und die Kohleenergie können wir noch nicht verzichten - dies allein schon deshalb, weil wir bei dem notwendigen Ausbau von Speicherkapazität und Stromnetz einen weiten Weg mit vielen Genehmigungsverfahren vor uns haben. Aber diesen Weg wollen und müssen wir im Interesse unserer Zukunft gehen.

(Beifall bei der CDU)

Kommen wir zu dem dritten genannten Schwerpunkt. Der Verlust der biologischen Vielfalt zählt neben dem Klimawandel zu den dringlichsten globalen Politikfeldern und damit zu den zentralen Herausforderungen unserer Zeit.

Der amerikanische Biologe Edward O. Wilson schätzt, dass weltweit täglich ca. 70 Tier- und Pflanzenarten verloren gehen.

(Herr Henke, DIE LINKE: Das wäre schlecht!)

Man mag sich um die genaue Zahl streiten. Das Ausmaß dieses Prozesses wird daran deutlich.

(Zuruf von Herrn Dr. Schrader, FDP)

Das Jahr 2010 wurde von den Vereinten Nationen zum „Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt“ ausgerufen. Daran knüpft sich die Erwartung, dass das Thema biologische Vielfalt stärker ins Bewusstsein rückt und

Eingang in das politische Handeln findet. Das ist kürzlich in Japan anlässlich der Biodiversitätskonferenz gelungen.

Vor wenigen Wochen haben wir unsere Biodiversitätsstrategie anlässlich einer Konferenz in Wernigerode der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Resonanz war sehr positiv.

Ich danke dem Landtag, den Verbänden und Organisationen, die sich hier engagiert eingebracht haben. Ich danke auch den Kolleginnen und Kollegen der Landesregierung und unserem Ministerpräsidenten Professor Böhmer; denn wir sind das einzige Bundesland, das eine zwischen den Ressorts abgestimmte Biodiversitätsstrategie vorweisen kann. Darauf können wir zu Recht stolz sein.

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Die Aufgabe der Zukunft ist, diese ambitionierte Strategie zielgerichtet umzusetzen. Nur eine sektoren- und ressortübergreifende Zusammenarbeit kann hier zum Erfolg führen. Das ist dringend notwendig; denn Biodiversität ist eine unserer Lebensgrundlagen.

Die Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt ist auch eine ökonomische Notwendigkeit, meine Damen und Herren. Die weltweite Naturzerstörung kostet nach neuen Schätzungen jährlich 6 % des Bruttosozialprodukts unserer Erde. Das sind umgerechnet rund 2 Billionen €. Das geht aus Ergebnissen einer Studie zu den globalen Kosten des Arten- und Lebensraumverlustes hervor.

Wenn es gelingen soll, den Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten, muss jedes Land, jede Region der Welt einen Beitrag dazu leisten. Wir müssen unsere Verantwortung für die Erhaltung der Artenvielfalt hier bei uns im Land ernst nehmen. Das tun wir auch. Und wer etwas Besonderes hat, hat natürlich dafür auch eine besondere Verantwortung.

Sachsen-Anhalt hat eine besondere Verantwortung für die Erhaltung von mindestens 60 Arten der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt, deren deutschlandweite oder weltweite Verbreitungs- oder Vorkommensschwerpunkte in unserem Land liegen. Elbebiber, Feldhamster und Rotmilan seien hier als Beispiele genannt. Einige Pflanzenarten haben in unserem Land sogar ihr deutschlandweit einziges Vorkommen.

Wir haben wertvolle Biotope. Daraus erwächst auch Verantwortung, meine Damen und Herren. Dass entsprechend auf Tiere und Pflanzen Rücksicht genommen wird, ist auch eine Frage des Respekts vor der Schöpfung.

Dass wir beim Biotopschutz in Sachsen-Anhalt gut aufgestellt sind, haben uns im Übrigen bereits Externe bestätigt. Unser Bundesland wurde in der Frage Biotopverbund von der Deutschen Umwelthilfe an vorderster Stelle bewertet und als ein positives Beispiel unter den Ländern benannt.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Eine besondere Rolle bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt spielen unsere Großschutzgebiete. Sie sind Modellregionen für die Verbindung von Schutz und Nutzung unserer Naturreichtümer. Nur durch eine nachhaltige Nutzung kann auf Dauer die biologische Vielfalt der Kulturlandschaften in Europa gesichert werden.

Der frühere Bundesumweltminister Professor Töpfer sprach in diesem Zusammenhang vom Tafelsilber der deutschen Einheit. Ich habe ihm kürzlich gesagt: Wir in Sachsen-Anhalt haben das Tafelsilber geputzt und vermehrt.

(Zuruf von Herrn Czeke, DIE LINKE)