Aber ist nun das, was uns jetzt vorliegt, qualitativ wirklich besser? - Der uns nun vorliegende Gesetzentwurf besteht gerade einmal aus vier Paragrafen. Das muss nicht immer etwas Schlechtes sein. Verschärfend kommt jedoch hinzu, dass die einzige inhaltliche Ausgestaltung in der gesetzlichen Fixierung auf eine Hundehaftpflichtversicherung besteht.
Ich sagte bereits: Das wird sicherlich von allen mitgetragen; auch wir fordern das. Aber das ist doch wieder nur der Schlusspunkt. Eine Haftpflichtversicherung tritt doch erst ein, wenn es zu Beißunfällen gekommen ist. Aber sollte es nicht zuallererst darum gehen, derartige Unfälle überhaupt zu vermeiden? Deshalb muss man präventiv und weitaus früher ansetzen.
Der vorliegende Gesetzentwurf sieht nicht gerade ein Gesetz zur Vorsorge, sondern wiederum ein Gesetz zur Nachsorge vor. Wir benötigen eine gesetzliche Regelung zu Hundehaltung und zu Hundezucht.
Was ist mit all den Forderungen, die im Laufe der Diskussion von Fachleuten geäußert wurden? Ich gehe später noch auf einzelne Punkte ein. Sollen sämtliche inhaltlichen Kriterien ausschließlich auf dem Verordnungswege durch die Landesregierung geregelt werden, also am Parlament vorbei?
Wir halten das für mehr als fragwürdig; denn das bedeutet: Es gibt keine wirkliche inhaltliche Debatte, keine Gestaltungsmöglichkeiten in den Ausschüssen und - das wiegt noch viel schwerer - keine Anhörung mit entsprechenden Konsequenzen und Änderungsvorschlägen zum Gesetzentwurf durch diejenigen, die von Hundehaltung und Hundezucht weitaus mehr verstehen als die meisten von uns.
Gerade weil es ein so kontrovers diskutiertes Problem ist, sollte das Parlament bei der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung nicht außen vor bleiben.
„Immer ist es der Mensch als Züchter oder als Halter von Hunden, der Ausgangspunkt für konkrete Verhaltensweisen bei den Tieren ist.“
Genau an dieser Stelle muss mit bundesweit einheitlichen gesetzlichen Regelungen angesetzt werden. Dazu sollten die Zuchtkontrolle, die Versicherungspflicht für Hundehalter, die im Gesetzentwurf gefordert wird, ein Hundeführerschein und eine Hundekennzeichnung durch Chip oder Tätowierung gehören.
Nun zu den einzelnen Forderungen. Bei Rassehunden ist die Aufzuchtkontrolle gegeben. Problematisch sind die Fälle, in denen sich Menschen Hunde aus unkontrollierter Massenzucht holen, nicht zuletzt auch deswegen,
weil sie billig zu bekommen sind. Eine Massenzucht von Moderassen kann zu genetischen Defekten führen und Welpen werden ohne Sozialprägung erzeugt. Aufgrund der Kennzeichnungspflicht würde man nachvollziehen können, von welchem Züchter der Hund stammt.
Einige Bemerkungen zum Hundeführerschein und zur Hundeschule. Das Verhalten eines Hundes wird im Wesentlichen im Alter von sechs bis zehn Wochen festgelegt. Das heißt, dass in dieser Zeit das Sozialverhalten dem Menschen, anderen Hunden und der Umwelt gegenüber trainiert werden muss. Bereits zu diesem Zeitpunkt sollte der Halter mit dem Hund die Welpenschule besuchen, um darauf aufbauend den Hundeführerschein ablegen zu können, und zwar an einem Ort, an dem mit Sachkunde die sozialisierende Erziehung des Hundes gewährleistet werden kann. Ohne Zuchtkontrolle und positive Erziehung bleibt eine Sicherheitslücke bestehen.
Nicht zuletzt könnte die Hundesteuer von den Gemeinden ordnungspolitisch genutzt werden, zum Beispiel durch Regelungen, die im Falle der Absolvierung einer Hundeausbildung eine Reduzierung der Hundesteuer möglich machen würden. Das wird bereits praktiziert.
Ein weiteres Problem ist: Was passiert mit den Hunden, die den Haltern weggenommen werden müssen? Eine Unterbringung in Tierheimen ist notwendig. Die Tierheime können aber kaum noch weitere Tiere aufnehmen. Wir alle kennen die desolate finanzielle Situation in den Tierheimen, die nicht selten nur mit Spenden aufrechterhalten werden können. Wie soll das ohne zusätzliche finanzielle Mittel gelöst werden?
Was nutzen die ausgefeiltesten gesetzlichen Bestimmungen, wenn deren Vollzug nicht erfolgt, wenn die Ordnungsbehörden auf Hinweise nicht reagieren und Halter bei Auflagenverstößen nicht nachdrücklich zur Rechenschaft gezogen werden? Was ist mit Behindertenbegleit- und Blindenhunden, wenn diese auf der Liste der gefährlichen Hunde auftauchen? - Alles Fragen, die allein mit der Forderung nach einer Haftpflichtversicherung nicht gelöst werden können.
Bei der Klärung all dieser Probleme bieten die Tierschutzvereine, die Tierärzte, der Arbeitskreis der Diensthunde bei der Polizei und viele andere mehr ihre Unterstützung und Mithilfe an. Im Zusammenwirken mit ihnen müssen auch die Fragen geklärt werden, wann und an welchen Orten ein Leinen- und/oder Maulkorbzwang richtig und notwendig ist - zum Beispiel auf Kinderspielplätzen - und wie die Kommunen den Hundebesitzern Alternativen anbieten können, um ihren Hunden freien Auslauf gewähren zu können. - Alles Fragen und Probleme, die uns am heutigen Tag auf der Grundlage des vorliegenden Gesetzentwurfes niemand beantworten kann.
Die Linkspartei.PDS hätte es sich bei dieser sensiblen Problematik gewünscht, dass alle erforderlichen Ge- und Verbote, Fragen der Gefahrenvorsorge und insbesondere präventive Maßnahmen Eingang in einen Gesetzestext gefunden hätten. Der Verordnungsweg ist aus unserer Sicht keine Alternative.
Wir denken, dieses von uns vertretene Anliegen läge im Interesse der Opfer von Beißvorfällen sowie von verantwortungsbewussten Hundehaltern und -züchtern.
Gefahren können gleichermaßen von Hunden wie von Haltern ausgehen. Es bedarf folglich konkreter präventi
ver Maßnahmen und Vorhaben, die beide Seiten betreffen. Es bedarf genereller Regelungen für jeden Hundehalter, und zwar ausschließlich auf dem Boden eines Gesetzes.
Gestatten Sie mir eine Bemerkung, die ich sehr ernst meine, auch wenn sie jetzt vielleicht ein bisschen lächerlich klingt: Fragen Sie einmal einen Postboten, welche Hunderassen er auf die Liste von gefährlichen Kampfhunden setzen würde.
Wir werden der Überweisung des Gesetzentwurfes in die Ausschüsse zustimmen, weil wir damit die Hoffnung verbinden, dass wir trotz des schlechten Gesetzentwurfes darüber debattieren können und inhaltliche Änderungen des Gesetzentwurfes voranbringen können. - Ich danke Ihnen.
Herzlichen Dank, Frau Tiedge. - Als letztem Debattenredner erteile ich dem SPD-Abgeordneten Herrn Rothe das Wort. Bitte schön, Herr Rothe.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren, es freut mich, dass sich nach den vorangegangenen Debattenbeiträgen eine Mehrheit im Landtag für ein Gesetz zum Umgang mit gefährlichen Hunden abzeichnet.
- Das mag Sie erheitern. Aber es ist der Landesregierung und besonders dem Innenminister zu danken, dass ein Gesetzentwurf vorliegt, der es ermöglicht, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung einzuleiten, und zwar sowohl unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr als auch unter dem Aspekt der Gefahrenvorsorge, Herr Kollege Kosmehl.
Der Erlass vom 6. September 2006, auf den Sie Bezug genommen haben, muss sich im Rahmen dessen halten, was an Regelungen zur Gefahrenabwehr vorhanden ist. Das heißt, der Erlass muss sich auf den Umgang mit Hunden beschränken, die bereits auffällig geworden sind. Damit bleibt das Gefahrenpotenzial von noch nicht auffällig gewordenen Hunden völlig unerreicht. Ein solcher Erlass, so wünschenswert er ist - es hat immerhin nach mehreren Jahren wieder das In-Kraft-Treten einer solchen Regelung gegeben -, reicht eben nicht aus.
Unser Land muss eine Rechtslücke schließen; denn Sachsen-Anhalt ist - der Minister hat es bereits gesagt - das einzige Bundesland, welches noch kein so genanntes Kampfhundegesetz hat.
Es passt auch gerade in Ihre Rede. Sie sagten bezogen auf das Beispiel, das Herr Kosmehl genannt hatte, dass es eine solche Regelung in diesem Gesetz geben würde. Ich sehe diese nicht, ich sehe eine Verordnungsermächtigung. Was in der Verordnung steht, weiß allenfalls die „Volkszeitung“ oder die „Volksstimme“, aber wir nicht.
Kollege Wolpert, der Gesetzentwurf enthält eine so genannte Verordnungsermächtigung. Das brauche ich Ihnen als Jurist nicht zu erklären. Die Verordnungsermächtigung ist nach Gegenstand, Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt. Darin kommt zum Beispiel auch das Wort „Rassenliste“ vor. Wenn eine solche Verordnungsermächtigung vorliegt, dann hat der Gesetzgeber selbst die Eckpunkte bestimmt, in deren Rahmen der Innenminister handeln kann.
(Zuruf von Herrn Prof. Dr. Paqué, FDP - Minister Herr Dr. Daehre: Das ist so! - Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)
Herr Rothe, wir kennen Sie als engagierten Kämpfer für die Rechte der Abgeordneten. Sind Sie der Auffassung, dass man eine so umfangreiche Verordnungsermächtigung als Parlament beschließen und sich damit sämtliche Mitwirkungsrechte entziehen sollte?
(Frau Budde, SPD: Herr Kosmehl, dass ich das von Ihnen noch einmal hören darf! Und das im Hinblick auf die letzte Legislaturperiode! - Weitere Zurufe von der SPD)
Wir haben es mit einer Materie zu tun, bei der es wichtig ist, dass wir den Anschluss an die überwältigende Mehrzahl der anderen Bundesländer finden. Dieser Weg ist einer, den das Land Hessen beschritten hat. Andere Länder haben das auch so getan. Man könnte auch ein Vollgesetz machen, wie es in Nordrhein-Westfahlen der Fall ist. Aber gerade dieses Gesetz haben Sie in der letzten Legislaturperiode vehement abgelehnt.
Ich glaube, dass bei der Landesregierung und speziell beim Innenminister, aber auch bei der Frau Landwirtschaftsministerin diese Materie in den bestmöglichen Händen ist.