Das Land möchte also die Verwaltung von 140 Millionen € in private Hände geben, und dabei soll das Parlament wegsehen? - Das ist doch wohl nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden.
(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Herr Gürth, CDU: Stimmt doch gar nicht! Wer soll denn da wegsehen?)
Das Ziel der Privatisierung des Beteiligungsmanagements soll darin liegen, dass unter Wahrung des bisherigen struktur- und technologiepolitischen Ansatzes des Landes die Voraussetzungen zur Einwerbung privaten Kapitals und zur Auflegung privatfinanzierter Beteiligungsfonds zur Eigenkapitalfinanzierung von Unternehmen in Sachsen-Anhalt und angrenzenden Gebieten zu schaffen seien - so heißt es in dem Text der Ausschreibung.
Da entstehen schon solche Fragen, wie nachfolgend genannt, auf die wir in den Ausschüssen gern Antworten erhalten würden.
Erstens. Warum lässt sich nicht, wie jetzt schon praktiziert, privates Kapital künftig gemeinsam mit der IBG als Landesgesellschaft in Unternehmen einbringen? Die in der Ausschreibung genannten 20 Millionen € privates Kapitel, die der Investor beizubringen habe, könnten doch auch auf diesem Weg beschafft werden.
Zweitens. In welchem Zeitraum sollen denn diese 20 Millionen € erbracht werden und welche Deckungslücke ist eigentlich damit zu schließen? In den Berichten des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften, der 80 % aller in Deutschland agierenden Kapitalbeteiligungsgesellschaften vertritt, wird auf folgende Fakten verwiesen:
Im Jahr 2004 wurden in Sachsen-Anhalt von diesen Gesellschaften Bruttoinvestitionen in Höhe von insgesamt 28 Millionen € getätigt, 43 % davon, also 12 Millionen €, von mittelständischen Beteiligungsgesellschaften. Im Jahr 2005 waren es 27,5 Millionen € von diesen Gesellschaften, 38 % davon, also 10,4 Millionen €, von mittelständischen Beteiligungsgesellschaften. Im ersten Halb
jahr 2006 sind knapp 11 Millionen € an Beteiligungskapital nach Sachsen-Anhalt gekommen. Rechnet man etwa 40 % für mittelständische Beteiligungsgesellschaften, so sind es etwa 4,4 Millionen €.
Hochgerechnet können wir auf vielleicht etwa 9 Millionen € für das Jahr 2006 kommen. Das Beteiligungskapital wird also immer weniger. Da sollen für eine Gesellschaft kurzfristig 20 Millionen € zusammenkommen? - Es gilt, diese Frage zu beantworten.
Drittens. Was bedeutet die Aussage, das Anlagevermögen der IBG ist zu einem angemessenen Preis zu übernehmen? Das Anlagevermögen soll 140 Millionen € betragen, das Beteiligungsvolumen 91 Millionen €. Erwartet die Landesregierung eine zusätzliche Einnahme in den Haushalt aus dem Verkauf seiner wirtschaftspolitischen Steuerungsfunktion in diesem Bereich?
Viertens. Warum wird ausführlich darauf verwiesen, dass das gegenwärtige Management der IBG über ein Management-Buy-out die Option erhalten soll, auch künftig diese Leistungen, nur unter einer anderen Rechtsform, zu erbringen? Ist unter diesen Bedingungen überhaupt eine Ausschreibung gewährleistet, die allen Bietern gleiche Chancen einräumt?
Schließlich eine fünfte Frage. Welche Rolle hat denn die Investitionsbank des Landes in den Überlegungen der Landesregierung gespielt, als professioneller Verwalter und Manager dieses Landesvermögens integriert zu werden? Auch die IB wurde mit der Maßgabe gegründet, privates Kapital für die Ausreichung von Darlehen an Unternehmen und Gesellschaften des Landes zu akquirieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Absicht der Landesregierung, das Management der IBG zu privatisieren, ist nach unserer Auffassung ein schwerwiegender Eingriff in die wirtschaftspolitische Steuerung des Landes.
Es ist sehr fraglich, inwieweit die Landespolitik nach der Privatisierung noch den erforderlichen Einfluss auf die IBG haben wird. Vielmehr ist zu befürchten, dass immer mehr der Gewinn und das Fondsgeschäft absolute Priorität erhalten und das ursprüngliche Ziel der IBG, nämlich die Schaffung innovativer Arbeitsplätze und die Einführung neuer Produkte sowie die Wertschöpfung hier in Sachsen-Anhalt, in den Hintergrund gedrängt wird.
Wir haben mehrere Beispiele erlebt, in denen die IBG, offenbar unter dem Druck der Erwirtschaftung von Eigenmitteln, ihre Beteiligung zurücknahm. Darunter waren Firmen, die vorher von der Landespolitik als innovative Unternehmen beispielhaft genannt wurden und Preise erzielten, die öffentliche Würdigung erfahren haben und die schließlich Insolvenz anmelden mussten. Nicht selten wurden dabei vorher die Rechte an Patenten zur Sicherung eventueller Verbindlichkeiten vom Beteiligungsgeber eingefordert.
Als Fazit bleibt dann: Entwicklungen, lukrative Patente oder Erfindungen werden veräußert, um die Rendite der Gesellschaft zu erhöhen. Damit wurden eine Wertschöpfung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Land zu
gunsten einer kurzfristigen Renditeerwartung verhindert. Das kann eigentlich nicht die Geschäftspolitik einer Landesgesellschaft sein, die mit öffentlichen Geldern arbeitet.
Wenn eine Privatisierung erfolgt, ist zu befürchten, dass sich diese Praxis künftig weiter verfestigen wird. Der Branchenfokus der IBG bildet dabei im Wesentlichen die technologischen Kernkompetenzen des Landes ab. Das sind Biotechnologie, Schicht- bzw. Oberflächentechnologie, Chemie, Maschinenbau, Medizintechnik und Umwelttechnik.
„Die Identifikation, Entwicklung und Begleitung aussichtsreicher Unternehmensansätze ist die Hauptaufgabe der Beteiligungsgesellschaft, die bei gutem Erfolg neben einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung der Gesellschaft einen Beitrag zur Schaffung und Stärkung nachhaltig wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstrukturen in ihrer technologischen und geografischen Clusterung im Land Sachsen-Anhalt leistet.“
Wagniskapital in der Frühphase technologischer Entwicklungen einzusetzen, ist immer eine ambivalente Entscheidung. Einerseits kann sie zum Erfolg führen - siehe die Erfolgsstory von Q-Cells in Wolfen-Thalheim - und genau die vorher genannte Zielstellung erfüllen. Andererseits ist auch eine „Feldbereinigung“ mit dem Rückzug aus Fehlentwicklungen eine verständliche Sache. Die Frage ist nur: In welchem Zustand bleibt sich der innovative Unternehmer überlassen?
Ferner gibt es eine Grauzone von Entscheidungen über den Rückzug aus Beteiligungen durch den Verkauf von Anteilen, durch das Drängen zum Verkauf oder die Nichtgewährung weiterer Förderung kurz vor dem Ziel. Diese Grauzone bietet immer wieder eine Spielfläche für Spekulationen. Es sieht so aus, als würde man sich kurz vor der Marktreife interessanten Erfindungen zuwenden, diese bewerten und dann das Verfahren oder gesicherte Patente zum Zwecke des kurzfristigen Renditeerlöses veräußern.
Es bleibt bei einem innovativen Unternehmer, der nach Sachsen-Anhalt kam oder sich hier entwickelte, immer ein bitterer Beigeschmack, wenn sein geistiges Gut in Form von Patenten oder Lizenzrechten zum Gegenstand der Sicherungsübereignung für finanzielle Gegenleistungen wird. Auch gerade unter dem Aspekt, dass jeder Erfinder nicht der geborene Kaufmann ist, sollte eine der Hauptaufgaben der Beteiligungsgesellschaft sein, auf die Unterstützung der kaufmännischen Aktivitäten zu achten.
Deshalb sind wir der Auffassung, dass über die Entwicklung, das Geschäftsgebaren und den Stand der Ausschreibung der IBG im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit sowie mitberatend im Finanzausschuss umgehend diskutiert werden sollte. Zugleich erwarten wir von der Landesregierung die Vorlage eines aktuellen Beteiligungsberichtes, insbesondere detaillierte Angaben zu den vorhandenen Beteiligungsprojekten und den Exiterlösen, das heißt den Verkaufserlösen aus den Beteiligungen in den letzten Jahren.
Ich würde mich freuen, wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen, sich diesem Wunsch anschließen könnten. - Vielen Dank.
Herr Dr. Thiel, nur eine kurze Nachfrage. Eine Reihe der Fragen, die Sie aufgeworfen haben, hat uns zweifellos auch beschäftigt, nachdem die Pressemitteilung herauskam und wir uns noch mehr informiert haben. Aber wir haben daraufhin den Kontakt zur IBG gesucht. Deshalb die Frage: Haben Sie das vielleicht auch versucht?
Vielen Dank. - Bevor ich dem Herrn Minister das Wort gebe, begrüße ich Schülerinnen und Schüler des HegelGymnasiums Magdeburg sowie Damen und Herren der Selbsthilfegruppe von Menschen mit geistig behinderten Angehörigen aus Quedlinburg als Gäste. Herzlich willkommen!
Jetzt hat für die Landesregierung der Minister der Finanzen um das Wort gebeten. Herr Bullerjahn, bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin jetzt ein bisschen ratlos. Nach der Grundsatzdebatte über Wirtschaftspolitik stehe ich hier mit einer Rede, die dem eigentlich wenig entgegenzusetzen hat. Ich glaube, mit Ihrer Aussage, in der Diskussion über die IBG werde vieles infrage gestellt, was mit wirtschaftspolitischen Aktivitäten des Landes zu tun hat, schießen Sie wirklich mit einem sehr großen Kaliber.
Wenn man sich die Summen anschaut, müsste man darüber nachdenken, ob ich gerade dabei bin, die IB zu zerschlagen, aber nicht dabei, über die IBG zu reden. Ja, es wird diese Diskussion geben. Soweit ich unterrichtet bin, wird es auch die Ausschussüberweisung und auch die Beratung geben. Aber wir sollten auch im Interesse der IBG die Dinge dort belassen, wo sie hingehören.
Die IBG - ich habe noch nicht einmal den Einstieg in meine Rede gefunden, so haben Sie mich gleich erwischt - ist ein Teil, ein zusätzliches Instrument der Wirtschaftspolitik, wobei sozusagen das Schlachtschiff der klassischen Wirtschaftsförderung unsere IB ist.
Deswegen will ich gern kurz berichten, was dort jetzt eigentlich läuft. Wenn Sie mit Herrn von der Osten gesprochen haben, dann wundere ich mich eigentlich, dass Sie hier in diesem Ton geredet haben, nicht bezüglich des Engagements, sondern bezüglich der offenen Fragen. Wie ich den Kollegen kenne, bleibt er meist keine Antwort schuldig, wenn man ihn etwas fragt. Er ist sehr engagiert bei diesem Thema.
Ich denke, Professor Paqué, diesbezüglich sind wir dicht beieinander. Dieses Instrument hat sich bewährt. Insbesondere das, was dort jetzt geschieht, ist übrigens auch mit das Gedankengut der IBG. Das heißt, diese Frage, Private Equity zu besorgen, ist keine politische Überlegung von drei Leuten irgendwo im Hinterzimmer des Finanzministeriums, welcher Couleur auch immer; dies ist vielmehr ein Reflex auf den sich entwickelnden Markt, dort privates Kapital mit abzugreifen.
Übrigens will ich etwas vorwegschicken: Risikokapital heißt, Sie haben wirklich einmal einen solchen Kracher wie Q-Cells. Sie haben aber auch ab und zu einen Kracher, der nach hinten losgeht. Sie haben vielleicht ein Unternehmen - ich werde hier nicht über Einzelne reden -, in das Sie drei-, viermal investieren und bei dem es irgendwann vielleicht doch zum Schwur kommt - nicht von den Geschäftsführern, sondern von denen, die in den Aufsichtsgremien sitzen - zu sagen: Jetzt geht es nicht weiter. Das ist übrigens bei einem Risiko öfter der Fall, dass es so oder so ausgeht.
Sie diskutieren natürlich über die Fälle, die kritisch sind. Ich war gestern in Halle, dort haben sie mich auch umgetrieben.
Insofern würde ich bitten, bei dem Thema Risikokapital - ich denke, darin sind Sie ein Fachmann - zu beachten, dass man beide Seiten hat: die absoluten Gewinner und diejenigen, bei denen es wirklich traurig ist, dass sich gute Ideen nicht durchsetzen, weil sie entweder nicht die Marktreife haben oder nicht die Möglichkeit haben, sich zu etablieren.
Jetzt versuche ich trotzdem noch den Einstieg in meine Rede, um Ihnen ein paar Aspekte mitzugeben, die im Hinblick auf die Neuausrichtung fachlich geboten sind.
Mit der Neuausrichtung der IBG, meine Damen und Herren, soll auch in Sachsen-Anhalt künftig eine den Marktbedingungen angepasste Struktur der Trennung von Management und Fondsgesellschaften geschaffen werden. Übrigens - jetzt hören Sie bitte einmal zu - haben diesen Schritt bereits vier der sechs neuen Länder, übrigens auch Berlin, bisher vollzogen. In den alten Bundesländern gibt es keine vergleichbaren, mit EU-Mitteln geförderten Landesgesellschaften. Das ist übrigens ein gutes Novum hier im Osten.
Aber wir haben das Problem, dass die EU-Mittel gerade in solchen risikobehafteten Fonds allmählich auslaufen. Deswegen steht heute schon die Frage, wie ich dem bei einem solchen Fonds mit privatem Kapital allmählich entgegentrete. Denn eines ist klar: Im Jahr 2013 - Sie kennen die N+2-Regelung -, im Jahr 2015 gibt es das nicht mehr. Dafür ist heute schon Vorsorge zu treffen. Übrigens laufen diese beiden Aktivitäten - das dürften Sie wissen - dann parallel.
Feste Vorgaben im Umstrukturierungsverfahren sind: Das Eigentum an den existierenden IBG-Fonds verbleibt beim Land und die Betreuungsqualität für das landeseigene Vermögen bleibt gewährleistet.
Um gleich einem Missverständnis zu begegnen: Das Eingehen von landesseitig finanzierten Beteiligungen, deren Fortführung und gegebenenfalls Verlängerung sowie das Beenden von Engagements verbleibt in der alleinigen Entscheidungsgewalt des Landes. Daran wird sich auch nichts ändern. Das, was sich auf diesem Feld gegebenenfalls ändert, sind Rechtsformanpassungen und vielleicht die Namen der Landesgremien. Aber über die will
ich mich jetzt hier wirklich nicht auslassen. Die Gremien selber in ihrer Struktur bleiben erhalten.