Protocol of the Session on September 9, 2010

Es gibt unterschiedliche Qualifikationsstandards in der Ausbildung. Am häufigsten sehen wir das im Bereich der medizinischen Berufe. Wenn man einmal das Veterinärwesen nimmt, weiß man, dass es in diesem Bereich eine Reihe von Problemen gibt, was die Anerkennung der Studiengänge betrifft und auch bezüglich der Frage, ob sich hier jemand zum Beispiel als Veterinär selbständig niederlassen kann.

Es ist nicht ganz unumstritten. Wir müssen uns die Standards anschauen. Wir müssen im europäischen Raum zu gemeinsamen vernünftigen Standards kommen und dann müssen wir einen vernünftigen Weg für Sachsen-Anhalt finden.

Dazu gehört zum Beispiel auch die Frage der Zuständigkeit. Die Tierärztekammer beklagt schon seit Jahren, dass sie mit verschiedenen Ressorts gleichzeitig zusammenarbeiten muss. Vom Verbraucherschutz bis hin zu anderen Themen sind sie an mindestens zwei Ministerien gleichzeitig gebunden. Die Frage ist, ob wir eine Zuständigkeitsregelung hinbekommen, nach der ein Ministerium die Gesamtverantwortung hat.

Das Thema Qualitätssicherung ist aber auch ein Thema des Selbstschutzes und des Verbraucherschutzes, weil wir in vielen Bereichen der Sicherheit unseres Lebens und der Gesundheit von der Qualität der Ausbildung und der Ausübung von freien Berufen abhängig sind. Das ist ein Thema, das wir in nächster Zeit noch verstärkt in das Zentrum der Aufmerksamkeit werden rücken müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war auch das Ziel der Großen Anfrage. Es wäre ein Leichtes gewesen, hier die vielen Daten und Fakten vorzutragen, die Sie in der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage vorfinden. Wir wollten Ihre Aufmerksamkeit und die der Öffentlichkeit auf die Situation der freien Berufe lenken. Das Ziel der Anfrage war es, Fakten zu bekommen, auf deren Basis wir handeln können bzw. bei denen wir konkret ansetzen können, um sich abzeichnende Probleme zu lösen.

Ich baue auf einen großen Konsens in diesem Haus und darauf, dass wir das gemeinsam tun werden. Ich danke all denen, die den Mut hatten, von der Ausbildung bis zur Existenzgründung ihren Beruf trotz des härter werdenden Wettbewerbs auszuüben. Ich hoffe, dass sich die freien Berufe auch künftig am Markt so präsent hal

ten können, wie es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank für die Einbringung, Herr Gürth. - Die Landesregierung hat um das Wort gebeten. Wirtschaftsminister Herr Dr. Haseloff, bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine ganze Reihe von Fakten hat Herr Gürth schon vorgetragen. Ich möchte nur einige Ergänzungen vornehmen, was die Eckdaten und die recherchierten Ergebnisse der Antwort auf die Große Anfrage anbelangt. Die wichtige wirtschaftliche Rolle, die die freien Berufe im Lande spielen, brauche ich nicht noch einmal zu betonen. Das ist nicht nur in der Statistik, sondern auch gesellschaftspolitisch überall zu spüren.

Stark ausgeprägt ist die berufliche Selbständigkeit. 11 163 Freiberufler gibt es in unserem Land. Im Jahr 2009 war immerhin ein Anteil von 48,8 % der bei den Kammern und Verbänden gemeldeten Mitglieder selbständig tätig. Zusätzlich sind ebenfalls rund 11 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten - das sind 93 000 Beschäftigte - in diesem Zusammenhang in Arbeit. Somit finden also insgesamt 104 000 Menschen im Bereich der freien Berufe in Sachsen-Anhalt ihre Erwerbstätigkeit.

Die freien Berufe verfügen über eine ausgeprägte Gründungsdynamik mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von jährlich 4 %. Vor allem neue freiberufliche Tätigkeitsfelder wie die Kreativwirtschaft tragen zu dieser positiven Entwicklung bei. Pro Gründung kann man jeweils drei Arbeitsplätze voraussetzen, sodass man den hohen Multiplikationsgrad an dieser Stelle erkennen kann.

Bemerkenswert ist, dass die Niederlassung eines Freiberuflers im Durchschnitt nicht nur drei Arbeitsplätze, sondern auch Ausbildungsplätze schafft. Daran wird deutlich, wie der Mittelstand über kleine Strukturen große volkswirtschaftliche Effekte erzielt; denn aus diesen Gründungen heraus erfolgt in vielen Fällen doch ein erhebliches Wachstum, auch beschäftigungsseitig.

Weiterhin weisen die freien Berufe eine hohe Frauenbeschäftigungsquote auf, insbesondere bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Außerdem ist festzustellen, dass Freiberufler unterdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Hier ist also der Gründungserfolg sehr stark ausgeprägt.

Die Fragen zur allgemeinen Situation der freien Berufe in Sachsen-Anhalt konnten teilweise allerdings nur mit verbalen und qualitativen Aussagen beantworten werden, weil die Zahlen und Statistiken dazu oftmals nicht viel darüber hinaus hergaben. Jedoch konnte die Vielschichtigkeit der Freiberuflichkeit doch sehr transparent gemacht werden.

Eines ist klar: Die freien Berufe unterliegen einer hohen Dynamik, beispielsweise durch die ständige Weiterentwicklung von Berufsbildern und durch das Hinzukommen neuer Berufe. Gerade in diesem Bereich ist die Entwicklung neuer Berufsbilder in den letzten Jahren exemplarisch gewesen. Des Weiteren bedingt dies einen hohen

Veränderungsdruck auch innerhalb der Unternehmen bis hin zum Zertifizierungswesen.

Der Dachverband der Spitzenvereinigungen der freien Berufe hat festgestellt, dass sich die Wirtschafts- und Finanzkrise kaum negativ auf die wirtschaftliche Lage der meisten freien Berufe in Deutschland ausgewirkt hat. Für das Jahr 2010 rechnen die freien Berufe größtenteils mit gleichbleibenden oder leicht steigenden Ergebnissen. Die freiberuflichen Praxen, Kanzleien und Büros in Deutschland gehen von einer stabilen Anzahl von rund drei Millionen Beschäftigten aus. Daraus lässt sich eine leichte Erholung der Lage der rund 1 Million Selbständigen in den freien Berufen in Deutschland ableiten.

Bis zum Jahr 2016 wird sich die Zahl der Personen, die dem Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt zur Verfügung stehen, per saldo um 155 000, also um 13 % reduzieren. Ich bin dankbar, dass der Verband der freien Berufe dem Ausbildungs- bzw. dem Fachkräfte-Sicherungspakt beigetreten ist, ihn unterschrieben hat und die Entwicklung einer ganzen Reihe von Projekten und Modellen angeboten hat, die wir gemeinsam mit den weiteren Partnern in den nächsten Jahren umsetzen werden.

Hier ist also ebenfalls ein ganz klares Engagement zu verzeichnen, auch langfristig die gute Entwicklung der freien Berufe im Lande Sachsen-Anhalt sicherzustellen. Wir kennen die Auswirkungen der demografischen Entwicklung. Diese können jedoch zugleich auch eine Herausforderung und eine Chance für die Beschäftigung in diesen Bereichen sein.

Denn gerade eine älter werdende Bevölkerung stellt neue Bedürfnisse an den Markt und fragt neue Dienstleistungen nach, sodass wir davon ausgehen, dass sich das Beschäftigungsvolumen in diesem Bereich im Gegensatz zu anderen Branchen durchaus positiv entwickeln könnte. - So weit zu dem, was ich an dieser Stelle ergänzen kann.

Herr Gürth hat eine ganze Reihe von Zitaten aus unserer Antwort vorgetragen. Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich danke Ihnen für die Anfrage, weil sie an vielen Stellen dazu gedient hat, dem wichtigen Beitrag der freien Berufe im Land Sachsen-Anhalt Rechnung zu tragen und diesen in der Öffentlichkeit transparent zu machen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir kommen zu den Debattenbeiträgen der Fraktionen. Als erstem Redner erteile ich für die FDP-Fraktion Herrn Franke das Wort.

Bevor Herr Franke das Wort nimmt, möchte ich Schülerinnen und Schüler des Luther-Melanchthon-Gymnasiums Wittenberg begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Franke, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorredner haben eingehend auf die große Bedeutung der freien Berufe für die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt hingewiesen. Ich denke, das brauche ich an dieser Stelle nicht zu wiederholen. Denn die Freiberufler sind neben Gewerbe und Handwerk unbestritten die dritte Säule des Mittelstandes.

Nach langer Zeit beschäftigen wir uns als Landtag wieder mit dieser besonderen Berufsgruppe, angesichts der schon mehrfach betonten Bedeutung der Freiberufler sicherlich zu Recht. Von daher ist die von der CDU-Fraktion eingebrachte Große Anfrage zur richtigen Zeit gekommen. Ich danke der CDU-Fraktion. Ich danke auch dem Verband der Freien Berufe dafür, dass er für die Beantwortung dieser Großen Anfrage Unterstützung gewährt hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Antwort auf die Große Anfrage enthält allerdings wenige überraschende, neue Fakten. Das ist kein Vorwurf, sondern einfach eine Tatsache. Wir haben viele Statistiken und wir kennen die Lage und die Probleme des Mittelstandes im Lande gut. Dass sich die Freiberufler aus den Entwicklungen nicht völlig ausklinken können, war zu erwarten. Auf das Problem des drohenden Fachkräftemangels wird in der Großen Anfrage ebenso eingegangen wie auf die Abwanderung.

Ich finde es schon erschreckend, dass zwei Drittel der hier ausgebildeten Ingenieure das Land nach dem Studium verlassen. Das ist keine neue Erkenntnis, aber diese Zahl führt doch wieder einmal vor Augen, dass noch immer ein beachtlicher Weg vor uns liegt, bis wir uns mit den alten Ländern auf einem Niveau befinden.

Positiv zu vermerken ist die seit 1990 kontinuierlich gestiegene Zahl der Ingenieurstudenten und -absolventen. Hierbei ist eine Schwerpunktsetzung erkennbar, die zu begrüßen ist. Auch der deutliche Rückgang der Zahl der arbeitslosen Ingenieure spricht für sich.

Alles in allem ergibt sich für mich nach dem Lesen der Antworten das Resümee, dass die freien Berufe in Sachsen-Anhalt gut etabliert sind. Sie finden gesellschaftliche Anerkennung, sie haben die Krise gut überstanden und sie sind gut organisiert.

Sie haben auch Probleme oder zumindest Sorgen, so wie jede andere Branche auch. Aber sie sind kein Sorgenkind, über dessen Zukunft dunkle Wolken schweben, sondern sie gehören zu den Erfolgsbranchen im Land.

Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich hat die Antwort auch die eine oder andere Frage offengelassen oder offenlassen müssen. Die eine oder andere Zahl fehlte, weil hierüber keine Statistik erhoben wurde. Dies kann ich verschmerzen; denn ich möchte die Freiberufler nicht mit noch mehr Berichtspflichten überziehen, nur um in jedem Fall auf jede Frage eine Antwort zu bekommen. Im Zweifel pro Bürokratieabbau und gegen Berichtspflichten, damit sich die Freiberufler, die auch Unternehmer sind, auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können.

(Beifall bei der FDP)

Abschließend möchte ich kurz auf eine spezielle Berufsgruppe eingehen: die Restauratoren. Hier zeigt sich in der Antwort der Landesregierung eine kleine Kuriosität. In der Antwort auf Frage 25 stellt die Landesregierung klar, warum sie ein Restauratorengesetz ablehnt. Die Argumente sind Ihnen sicher noch bekannt, da wir im April dieses Jahres über einen entsprechenden Gesetzentwurf der LINKEN beraten haben. Es gibt bislang keine negativen Erfahrungen mit beschädigten Kulturgütern.

(Herr Gürth, CDU: Doch, die gibt es!)

Deshalb brauchen wir auch kein Gesetz, dass die Qualifikation regelt. Die FDP teilt in diesem Punkt die Ansicht

der Regierung. Interessanterweise tut die CDU als regierungstragende Fraktion dies offenbar nicht.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Was?)

Der Antwort auf Frage 26 lässt sich nämlich entnehmen, dass die CDU-Fraktion gemeinsam mit dem Landesverband der Freien Berufe an genau solch einem Gesetzentwurf arbeitet. Dazu, wie das zu bewerten ist, will ich mich nicht äußern. Ich möchte nur festhalten, dass wir laut der vorliegenden Antwort 62 Diplomrestauratoren im Land haben; ich wiederhole: 62.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns im Plenum im April 50 Minuten lang mit der Thematik auseinandergesetzt. Kommen noch Ausschussberatungen und die zweite Lesung hinzu, werden es etliche Stunden sein, die wir Parlamentarier dafür aufgebracht haben. Ein Gesetz kostet Zeit und kostet auch Geld. Dass dem bei einem Gesetz für 62 Restauratoren ein entsprechender Nutzen gegenübersteht, bezweifele ich stark.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Die FDP ist doch sonst nicht gegen Lobbygruppen!)

- Ich könnte etwas zu Enercon und zu Windmühlen sagen; da habe ich gestern bei der Kollegin aus Ihrer Fraktion Lobbyarbeit erlebt. Halten Sie sich an dieser Stelle bitte zurück, Herr Gallert.

(Beifall bei der FDP)

Ein Gesetz zu verabschieden, dass 62 Menschen in diesem Land eine Monopolstellung einräumt, halte ich nicht für die Aufgabe des Landtages.

(Zustimmung von Herrn Wolpert, FDP)

Die Restauratoren arbeiten bislang ohne eine gesetzliche Regelung sehr gut.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die freien Berufe haben eine Vielzahl von staatlichen und staatsnahen Aufgaben übernommen, etwa im Bereich des Gesundheitswesens, der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder der Daseinsfürsorge. Eine umfassende Wahrnehmung dieser Aufgaben bedingt aber eine nachhaltige Anerkennung des freiheitlichen Status dieses Berufsstandes.

Unsere moderne Gesellschaft ist geprägt von Individualisierung und von der Förderung von Selbständigkeit und Eigenverantwortung. Genau an dieser Stelle schließen die freien Berufe an; denn sie repräsentieren Selbständigkeit, Eigenverantwortung und persönliches Engagement. Freiheit ist für wirtschaftlichen Erfolg die wichtigste Voraussetzung.