Protocol of the Session on June 18, 2010

(Beifall bei der SPD)

Das sage ich ganz nüchtern. Das tut uns weh; denn wir werden ohnehin niedrige Rentensätze haben. Manche können es gar nicht erwarten, mit ihrer Rentenberechnung an die Westberechnungssysteme angepasst zu werden, weil sie nicht nachgerechnet haben, dass sie sich dann deutlich verschlechtern. Wenn dann das alles mit Grundsicherung abgefangen werden muss, belastet das unsere Kommunen, vor allen Dingen die Kreise.

(Frau Fischer, SPD: Richtig! Das ist ja das Schlimme!)

Deswegen ist das ein Thema. Es gibt jetzt bei der Bundesregierung eine Kommission zur Regulierung der Kommunalfinanzen. Wir versuchen, dort deutlich zu machen, dass solche Belastungen wie auch immer abgefangen werden müssen. Aber ich bin nicht sehr hoffnungsvoll, dass das zu einem Ergebnis führen wird, das uns befriedigt; denn irgendwo muss das Geld wieder herkommen. Jetzt bekomme ich mit, dass sie schon mit großer Mühe versucht haben, diesen Einspareffekt von reichlich 10 Milliarden € bei dem großen Bundeshaushalt hinzubekommen.

Dann komme ich zu dem Begriff der Steuererhöhung. Ich will das ganz deutlich wenigstens für mich sagen. Wenn Leute, die mehr als 150 000 € im Jahr verdienen, einen höheren Steuersatz bezahlen müssten, würde mir das wirklich nicht wehtun. Das sage ich ganz schlicht und einfach. Da hätte ich überhaupt keine Bedenken.

(Beifall bei der CDU und bei der LINKEN)

Aber die Leute, die bisher gerechnet haben, sagen, ihr dürft nicht denken, dass die paar Namen, die aus der Zeitung bekannt sind, die Haushaltskasse auffüllen werden. Die Einkommensteuerverteilung - diese Zahl muss man sich mal klar machen - ist so etwas von asymmetrisch. Die unteren 20 % der Einkommensteuerpflichtigen - nicht alle sind einkommensteuerpflichtig, darunter gibt es Teile, die gar nicht einkommensteuerpflichtig sind - erbringen 0,3 % des Aufkommens der Einkommensteuer. Aber die oberen 10 % erbringen 54,4 % des Aufkommens der Einkommensteuer. Das heißt, wenn man daran drehen will, muss man wahrscheinlich ganz woanders anfangen zu drehen.

Dann gibt es den so genannten Mittelstandsbauch. Ich bin auch dafür, dass man den wegmacht, weil das eine asymmetrische Belastung bedeutet. Aber dann muss man das Anheben der Sätze - das ist nachgerechnet worden - bei denen beginnen, die heute etwa 40 % oder mehr Einkommensteuer zahlen, also wesentlich tiefer als bei den so genannten Spitzenverdienern.

(Frau Fischer, SPD: 40 000 €!)

- Nein, 40 %. Der Satz des früheren Finanzministers Helmut Schmidt, dass Masse nur aus der Masse kommt, trifft eben auf die Einkommensteuer in ganz besonderer Weise zu. Deswegen ist es vernünftig, da mit einer gewissen Vorsicht heranzugehen.

Aber ich sage auch - das ist auch CDU-Meinung bis in die Bundesregierung hinein -, dass eine asymmetrische Belastung sozial schwer vermittelbar ist. Deswegen besteht an dieser Stelle auch aus meiner Sicht Entscheidungsbedarf, aber natürlich - das gilt für jede Koalitionsregierung - nur in dem Maße, in dem man dafür eine Mehrheit organisieren kann.

Da kann ich nur eines sagen: Es wird bis Ende des Jahres noch richtig spannend bleiben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Ministerpräsident. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Scharf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, mich ein bisschen kürzer zu fassen als sonst, obwohl dieses Thema einen ganzen Tag füllen könnte.

Wir müssen uns daran erinnern, dass die Finanzmarktkrise eine Wirtschaftskrise hervorgebracht hat und die Ursachen insbesondere in Amerika lagen. Dort hat man in einer ganz besonderen Art und Weise versucht, Wirtschaftsförderung zu betreiben. Man hat nämlich versucht, vielen Menschen, die eigentlich nicht kreditfähig waren, durch ungesicherte Kredite die Bildung von Wohneigentum zu ermöglichen. Man hat damit gleichzeitig auch die Binnennachfrage zu stärken versucht.

Wir haben in diesem Hause schon oft darüber gesprochen, was an diesen ganzen Vorgängen falsch lief, was verwerflich war, was ein Erkenntnisdefizit war, wo echt gezockt wurde oder wo man sich auch einfach über die Planbarkeit gesellschaftlicher Entwicklungen Illusionen gemacht hat.

Fakt ist, meine Damen und Herren, es ist unendlich viel Geld schon jetzt verloren gegangen. Man merkt das leider am täglichen Verhalten der Menschen noch nicht. Auch so manche Regierung und so mancher Parlamentarier merkt nicht richtig, in welcher Krise wir uns tatsächlich befinden.

Ich glaube aber, zum Glück ist eine Erkenntnis eine allgemeine Erkenntnis geworden, nämlich dass es falsch gewesen wäre, wie in den Jahren 1929/1930 in die Krise hinein auch noch mit Notverordnungen oder anderen Vorschriften sparen zu wollen. Wir haben mit Konjunkturprogrammen agiert. Diese Konjunkturprogramme haben uns auch geholfen, dass aus der weltweiten Finanzkrise keine Wirtschaftskrise oder vielleicht sogar eine Wirtschaftskatastrophe in Deutschland geworden ist. Wir sind bisher ganz gut durch die Krise gekommen.

Wir haben sogar erstaunlicherweise in diesem Jahr eine geringere Arbeitslosenquote als im Jahr davor. Das hätte vor Kurzem auch noch niemand erwartet. Aber wir müssen auch wissen, dass der Einbruch beim Bruttoinlandsprodukt immerhin 5 % betrug. Wir werden, wenn alles gut geht, uns dann im Jahr 2012 oder 2013 wieder auf dem Niveau des Jahres 2008 bewegen. Diesen Einschnitt müssen wir in den öffentlichen Haushalten aufarbeiten.

Die Bundesregierung macht das jetzt. Wir haben damit schon angefangen. Aber wir werden auch in diesem Hause noch viele quälende Runden hinsichtlich dieser Frage vor uns haben.

Ich will ganz deutlich sagen, dass ich die Maßnahmen der Bundesregierung im Großen und Ganzen für richtig erachtet habe. Auch das Hilfspaket für Griechenland war in meinen Augen alternativlos. Es ist natürlich mit Auflagen verbunden worden. Ich hoffe sehr, dass diese Auflagen auch umgesetzt werden. Ich hoffe auch sehr, dass

Griechenland den Konsolidierungskurs durchhält, meine Damen und Herren.

Das so genannte Sparpaket der Bundesregierung ist ein Gesamtpaket. Es muss auch mindestens dieses Volumen kommen. Nun kann man natürlich jede einzelne Maßnahme kritisieren. Man kann sich auch andere vorstellen. Ich könnte mir auch andere vorstellen. Wenn ich jetzt zur FDP gucke, dann muss ich sagen, dass das Maßnahmenpaket wahrscheinlich etwas anders aussehen würde, wenn im Moment in Berlin eine andere Regierung wäre. Aber ich möchte ganz deutlich sagen, dass keiner die Illusion verbreiten sollte, dass man um das Gesamtvolumen herum käme.

Wenn Frau Dr. Klein dieses gemacht hätte - - Ihren Ausführungen habe ich entnommen, dass man dieses Paket eigentlich gar nicht braucht und dass es menschenfeindlich, konjunkturschädlich und überflüssig sei. Also, ich gehöre nicht zu denjenigen, die sich einer Tendenz anschließen werden, dass man jede einzelne Maßnahme so lange problematisiert und zerredet, bis sie vom Tisch ist, und hinterher merken wir, dass wir nicht gespart haben.

Wenn wir nicht sparen, meine Damen und Herren, dann versündigen wir uns an der Zukunft; denn wenn eine Situation entstehen sollte, in der Deutschland insgesamt instabil wird, weil wir nicht der Lage sind, unsere Haushalte in Ordnung zu bringen, dann haben wir überhaupt nichts gekonnt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU - Herr Gürth, CDU: Das wol- len doch die Linken!)

Ich will auch auf etwas hinweisen, was so manchem nicht bewusst ist. Im Jahr 1980 betrug der Anteil der Sozialausgaben im Bundeshaushalt ca. 16 %. Im Jahr 1990 betrug der Anteil wegen der durch die Wiedervereinigung hervorgerufenen Sonderbedingungen ca. 30 %. Heute liegen wir bei 54 %. Da gibt es Leute, die behaupten, wir bauen den Sozialstaat ab, wir fahren die sozialen Leistungen ständig zurück.

Ein Staat, der heute schon 54 % für Sozialausgaben ausgibt, der läuft natürlich Gefahr, dass er die Ausgaben für die Zukunftsinvestitionen nicht mehr tätigen kann. Der läuft natürlich auch Gefahr, dass er auf Dauer eben nicht das erfüllt, was man von staatlichem Handeln tatsächlich erwarten muss.

(Beifall bei der CDU)

Wir leben, meine Damen und Herren, von der Substanz. Wir können noch so viele kluge Reden darüber halten - wir leben von der Substanz. Das wird auf Dauer nicht gehen. Wenn wir die Kurve jetzt nicht kriegen, dann werden uns unsere Kinder und Enkel für dieses Politikversagen zu Recht zur Rechenschaft ziehen. Wir kommen vielleicht ganz gut durch die nächste Wahlkampfveranstaltung, wenn wir das ignorieren. Aber wir versündigen uns an unseren Kindern, meine Damen und Herren. Deshalb werde ich die Maßnahmen nicht zerreden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich werde aber auch ganz deutlich sagen, weil wir heute über einen anderen Antrag abstimmen, dass ich für eine Finanztransaktionssteuer bin. Ich sehe überhaupt keine Behinderung in Deutschland. Ich sehe zwar Schwierigkeiten, weil es keinen Sinn macht, auf einer Insel so eine Steuer einzuführen, und andere machen in ihren Oasen weiter ihr Ding.

Aber wenn wir die Mentalität überall verbreiten würden, dass wir immer auf den Letzten warten müssen, dann dürften wir kein Kyoto-Protokoll unterzeichnet haben, dann dürften wir in der EU keinen CO2-Zertifikatehandel anfangen. Dann müssten wir immer warten, bis alle Länder mitmachen. Nein, wir müssen es schaffen, einen weltweiten Druck auch auf die Länder auszuüben, die bis jetzt noch meinen, sie können sich diesen Regulierungsmechanismen entziehen. Das darf von uns nicht auf Dauer zugelassen werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Wenn jemand meint - vielleicht gucke ich mal absichtlich in diese Richtung -, wir würden dadurch das freie Handeln von Wirtschaftssubjekten einschränken, dann sage ich, dass wir diese Einschränkung brauchen, weil die Finanztransaktionssteuer die Transaktion belastet. Wer sich ganz ordentlich ab und zu Aktien kauft und ab und zu umschichtet, dem passiert das ab und zu mal. Aber den Zocker, der innerhalb von Sekunden zehn-, 20-, 30- oder mit dem Computer tausendmal umschichten will, trifft das hart. Aber den trifft das zu Recht, meine Damen und Herren, weil das mit geplantem, vernünftigem wirtschaftlichen Handeln nichts zu tun hat.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich dafür.

Ich will vielleicht noch eine Sache sagen, die einige im Hause ärgern wird. Aber ich denke, die sollte man kurz erwähnen. Ich finde es auch gut, dass wir uns als CDU dafür einsetzen, dass wir uns mit verlängerten Laufzeiten für Atomkraftwerke und mit einer speziellen Abgabe

(Minister Herr Dr. Daehre: Ja!)

für diese Energieversorgungsunternehmen Geld und Zeit kaufen, um den ökologischen Umbau unserer Wirtschaft tatsächlich finanzieren zu können. Wer uns jedes einzelne Finanzierungsinstrument aus der Hand schlägt und hinterher darüber jammert, dass wir den ökologischen Umbau der Gesellschaft nicht hinbekommen mit einer Ausweitung des Anteils der regenerativen Energien, der macht auch keine seriöse Politik, meine Damen und Herren. Deshalb bin ich dafür.

(Frau Bull, DIE LINKE: Dann müssen Sie es zweckgebunden einsetzen! - Frau Fischer, SPD: Ja! - Frau Bull, DIE LINKE: So wird es umgelegt auf die Preise!)

- Also Professor Böhmer hat doch gesagt, es gibt noch gar kein Gesetz. Eine Abgabe - -

(Frau Bull, DIE LINKE: Sie wissen es doch offen- bar schon!)

- Moment. Nein, ich kenne auch nur die Eckpunkte. Eine Abgabe, Frau Bull, wäre zweckgebunden. Eine Steuer wäre frei verwendbar. Aber über diese Einzelheiten diskutieren wir doch jetzt gar nicht in der Aktuellen Debatte.

(Frau Bull, DIE LINKE: Sie haben angefangen!)

- Ich habe doch nur gesagt, dass ich es vom Prinzip her richtig finde, meine Damen und Herren.

Ich komme zum viel diskutierten Thema des Elterngeldes. An dieser Stelle möchte ich sagen, dass ich sehr hoffe und auch darauf baue, dass wir im Herbst gleichzeitig mit der Umsetzung des Urteils des Bundesverfas

sungsgerichts hierbei zu einer neuen, vernünftigen und akzeptablen Lösung kommen.

Abschließend will ich einen Satz sagen. Die eigentliche Krux liegt in meinen Augen darin, dass wir in unserer Gesellschaft immer noch nicht bereit sind, ehrlich über Kinderkosten zu sprechen. Wenn wir nämlich diese Diskussion richtig und ehrlich führen würden, dann würden wir auch über neue Verteilungen nachdenken.

(Beifall bei der CDU - Frau Feußner, CDU: Das ist wohl wahr!)