Protocol of the Session on April 30, 2010

Der vorliegende Antrag der LINKEN greift also ein emotionales und sehr sensibles Thema auf. Der Antrag selbst dagegen ist recht dünn.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir als FDP-Fraktion werden den Antrag ablehnen, nicht weil er so dünn ist, sondern weil wir ihn inhaltlich so nicht mittragen können. Wir Liberalen bekennen uns eindeutig zur Braunkohle in Sachsen-Anhalt. Wir alle wissen, dass Sachsen-Anhalt noch große Vorräte besitzt. Damit kann perspektivisch noch für einen langen Zeitraum die Primärenergieversorgung sichergestellt werden.

Darauf zu verzichten ist energiepolitischer Unsinn. Darauf läuft im Endeffekt Ihr Antrag hinaus; denn Sie wollen neue unnötige Hürden für jeglichen Rohstoffabbau einführen.

(Zustimmung bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren! Nach meiner Auffassung ist das Bundesberggesetz in seiner jetzigen Fassung völlig ausreichend. Schauen Sie sich beispielsweise die §§ 77 bis 90 an. Hier finden sich bereits Regelungen für die Grundabtretung und für entsprechende Entschädigungsleistungen. Ebenso ist auf die §§ 107 bis 109 zu verweisen; dort geht es um die Baubeschränkungen und um daraus resultierende Entschädigungsleistungen.

Es gibt ja nicht nur das Bundesberggesetz. Hinzu kommt noch eine Vielzahl von weiteren Gesetzen und Verordnungen, zum Beispiel das Gesetz zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen, die allgemeine Bundesbergverordnung, die Verordnung über die Verleihung von Bergwerkseigentum, die Bergwerksverordnung über vermessungstechnische und sicherheitstechnische Unterlagen oder die Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben, um nur einige bundesrechtliche Regelungen zu nennen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auf Landesebene geht es ebenso weiter. Im Landesentwicklungsplan heißt es, dass bei der Festlegung von Vorranggebieten für die Rohstoffgewinnung wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Erfordernissen Rechnung getragen werden muss. Es gibt den Runderlass betreffend die Richtlinie über das Verfahren zur Erteilung von Erlaubnissen und Bewilligungen nach dem Bundesberggesetz vom 29. Januar 1993 und noch einige weitere Verwaltungsvorschriften, die ich hier nicht alle aufzählen will.

Wer also glaubt, hier eine Regelungslücke ausgemacht zu haben, hat sich entweder mit dem Thema nicht beschäftigt oder will bewusst den weiteren Abbau von wertvollen Bodenschätzen verhindern.

(Zustimmung bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Ich will abschließend ein kleines Beispiel anbringen, das verdeutlicht, dass die Hürden bereits hoch sind und dass eben nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden wird. Westlich von Burgstetten ist der Abbau von Hartgestein geplant. Wer es nicht weiß: Das liegt bei Petersburg im Saalekreis.

(Minister Herr Hövelmann: Petersberg!)

- Petersberg; danke.

(Minister Herr Hövelmann: Das heißt dann Sankt Petersburg!)

- Ja, das stimmt. Das heißt dann Sankt Petersburg.

Bereits im Jahr 1997 wurde ein Raumordnungsverfahren durchgeführt mit dem Ergebnis, dass dieses Vorhaben mit den Erfordernissen der Raumordnung vereinbar ist, wenn bestimmte Maßnahmen umgesetzt werden. Im Jahr 2001 wurde dann das Planfeststellungsverfahren eröffnet. Das Verfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Ein Grund liegt darin, dass das beantragende Unternehmen aufgefordert wurde, seinen Betriebsplan zu überarbeiten aufgrund der Stellungnahmen, die eingegangen sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wer gibt denn im Planfeststellungsverfahren seine Stellungnahmen ab? - Neben den Behörden sind dies natürlich die Betroffenen, die Menschen vor Ort und die Bürgerinitiativen. Aufgrund dessen wird abgewogen, bevor ein Planfeststellungsbeschluss ergeht. Deshalb brauchen wir auch keine Aufnahme weiterer Kriterien, wie es die LINKEN in dem Antrag fordern. - Danke.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Franke, für Ihren Beitrag. - Wir hören jetzt den Beitrag der CDU-Fraktion. Der Abgeordnete Herr Gürth erhält das Wort. Bitte, Herr Gürth.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Land, das nicht wie vor 10 000 Jahren leben will, sondern als moderne Industriegesellschaft, als modernes Land im Wettbewerb mit anderen steht, wird die Gewinnung von Rohstoffen immer brauchen, immer benötigen.

(Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre)

Das bedeutet, dass der Rohstoffgewinnung - das war schon immer so, aber das ist natürlich noch mehr und verstärkt im Bewusstsein der Bevölkerung angekommen - eine Interessenabwägung mit anderen Gütern vorausgeht. Fakt ist auch, ohne Rohstoffgewinnung geht es nicht.

In Sachsen-Anhalt sind ca. 6 000 Menschen direkt im Bergbau betroffen. Das ist ein Bruchteil der Zehntausenden, die bis 1990 dort beschäftigt waren, aber es sind 6 000 Familien. Zu den 6 000 Familien kommen allein im Bereich der Glasindustrie noch einmal Tausende Beschäftigte, die den Quarzsand und das Soda verarbeiten. Dahinter gibt es wiederum eine Kette von Industrien, von Beschäftigten und von Wertschöpfung bei uns im Land. Das weiß man.

Ich will einen zweiten Aspekt nennen. Es gibt in den nächsten Tagen eine Ausschusssitzung zu einem nicht ganz neuen Thema. Da geht es um die Ortsumgehung Gröbers. Dort sind die Menschen von Lärm aus der Luft und von Straße und Schiene betroffen. Man wünscht sich dort eine ortsferne Ortsumgehung, womit noch mehr Landschaft verbraucht wird, die Einwohner jedoch ein wenig vom Verkehrslärm entlastet werden. Es wird Bürgerinitiativen für diese längere, größere, teurere, umfangreichere Ortsumgehung geben.

Ebenso schnell wird es Bürgerinitiativen geben, die diese Ortsumgehung zwar wollen, jedoch nicht möchten, dass die zu verarbeitenden Kiese, die Sande für den Beton, die Rohstoffe und alles, was benötigt wird, vor der eigenen Haustür abgebaut werden.

(Zustimmung von der Regierungsbank)

Diesen Dauerkonflikt müssen wir aushalten. Wer dort als Politiker oder Entscheidungsträger verantwortlich handelt, muss den Menschen deutlich sagen, dass es immer eine Interessenabwägung geben muss und dass deren Ergebnis nicht immer zur Zufriedenheit aller sein kann.

Entscheidend sind die Rechtsgrundlagen. Heute gibt es nach dem geltenden Bergrecht, nach anderen Rechtsnormen, beispielsweise nach der EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung und anderen Normen, die in nationales Recht umgesetzt wurden, bereits Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfungen. Es gibt wasserrechtliche Erlaubnisverfahren, Betriebspläne müssen ausgelegt werden. Wenn mindestens 300 Personen betroffen sind bzw. die Zahl der Betroffenen nicht abschätzbar ist, ist eine rechtzeitige öffentliche Auslegung der Planunterlagen und eine Einbeziehung der Bevölkerung, von Behörden und zuständigen Institutionen zwingend vorgeschrieben.

Ich komme aus Aschersleben. In Sichtweite sind Königsaue, Nachterstedt und Schadeleben. Ich kann mich gut daran erinnern, dass Nachbarn, Freunde und Verwandte 1963/1964 überhaupt nicht gefragt wurden, als sie ihre Schecken packen und das Dorf aufgegeben mussten. Das haben sie - schon damals nicht - nicht freiwillig getan. Aber sie hatten gar keine Chance, ihre Rechte geltend zu machen.

Heute geht das, heute gibt es Rechtsnormen. Heute gibt es rechtsstaatliche Möglichkeiten, und es gibt ein Verfahren, das absichert, dass jeder seine Belange - pro oder kontra - bei der Gewinnung von Rohstoffen einbringt, und dann muss im öffentlichen Interesse abgewogen werden. Das bedeutet aber auch: Es kann eine Entscheidung für oder wider die Rohstoffgewinnung getroffen werden.

Bei uns in Sachsen-Anhalt gibt es einige wenige Rohstoffe. Das sind Vorkommen, die wir nutzen und auch weiterhin nutzen müssen. Dazu gehört ganz klar die Braunkohle - aus der Sicht der CDU-Fraktion gehört die Braunkohle dazu -, aber es gehören auch Steine, Kiese, Sande und vielleicht zukünftig auch andere Rohstoffe dazu - auf jeden Fall Kali.

Das bedeutet, dass Menschen, die wollen, dass sich die Industrie in diesem Lande weiterentwickelt, Menschen, die auf die Arbeitsplätze in der Gewinnung der Rohstoffe angewiesen sind, die keinen Arbeitsplatz haben bzw. gern einen Arbeitsplatz hätten, Beschäftigung finden. Diejenigen, die das zu entscheiden haben, müssen abwägen. Bis jetzt ist das aus meiner Sicht immer verantwortlich getan worden.

Das bedeutet, wir können hier nicht populistisch auftreten und jedem alles versprechen. Die CDU-Fraktion wird genau darauf achten, ob sich einzelne Parteien oder Fraktionen gleichzeitig in Bürgerinitiativen für Ortsumgehungen und in Bürgerinitiativen gegen den Abbau der Rohstoffe engagieren, die für die Ortsumgehung benötigt werden.

(Zustimmung von der Regierungsbank)

Das ist unehrlich und zeugt von Regierungsunfähigkeit.

(Zustimmung bei der CDU und von der Regie- rungsbank)

Danke für den Beitrag der CDU. - Jetzt hätte Herr Lüderitz noch einmal die Gelegenheit zur Äußerung. Das steht Ihnen zu. Bitte.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Herr Franke, wenn Sie schon das Bundesberggesetz zitieren, dann sollte man der Ehrlichkeit halber auch alle Dinge zitieren und - weil ich gerade zu Frau Dr. Hüskens blicke - über die Finanzen nachdenken, denn: Im Bundesberggesetz gibt es die §§ 30 und 31, die vorgeben, Feldes- und Förderabgaben zu erheben. Auch das war schon Thema im Finanzausschuss. Das sollte man der Ehrlichkeit halber dazu sagen, wenn man sich auf dieses Bundesberggesetz beruft.

Ich bin der Auffassung, dass das Bundesberggesetz in seiner jetzigen Fassung überholungsbedürftig ist, weil es bestimmte Dinge unzureichend abhandelt. Der Herr Minister hat die Möglichkeit der in der Zukunft erfolgenden Anpassung angesprochen. Ich denke, das sollte nicht in die Zukunft verschoben werden, sondern sehr zeitnah erfolgen, weil in diesem Bundesberggesetz eben nicht beide Seiten ausreichend Berücksichtigung finden.

Ich habe den Antrag gemeinsam mit meiner Fraktion bewusst sehr offen gestaltet, weil genau diese sozialen und ökologischen Kriterien, die meines Erachtens nach wie vor - außer beim Planfeststellungsverfahren - in diesem Bundesberggesetz unzureichend verankert sind, dringend überarbeitungsbedürftig sind. Man sollte es auch ergebnisoffen tun und nicht schon jetzt Vermutungen anstellen, Kollege Gürth, dass es sich hierbei um eine Verhinderungspolitik handelt.

Ich erinnere daran: Ich habe vorhin in meiner Einbringung abschließend recht deutlich gemacht, dass ich mir vorstellen kann, dass mit einer Modernisierung des Bundesberggesetzes beide Seiten - die der Industrie wie die der betroffenen Bürgerinnen und Bürger - zukünftig mehr Berücksichtigung finden können und es auch zu mehr Verständnis führen könnte.

Auch ich habe in meinem Wahlkreis sehr viele Probleme; ich nenne nur die Rehköpfe in Ballenstedt; das ist nicht weit weg von Aschersleben. Es ist durchaus zweiseitig. Auch ich habe im regionalen Entwicklungsplan das Vorranggebiet Rehköpfe unter anderem mitbeschlossen.

Unabhängig davon bin ich der Auffassung, dass dieses Bundesberggesetz eine Modernisierung nötig hat. Das fordern wir ein. Ich hoffe, dass auch die Koalitionsfraktionen diesbezüglich mitgehen, damit wir das zumindest in den Ausschüssen besprechen können. - Danke.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank. - Es gibt eine Wortmeldung von Herrn Gürth.

Ich möchte noch darauf hinweisen - ich habe es wohl nicht erwähnt -, dass die CDU-Fraktion für eine Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Wirtschaft sowie in den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr plädiert.

Vielen Dank. - Gibt es dazu weitere Fragen oder Beiträge? - Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Bevor ich abstimmen lasse, begrüße ich Damen und Herren des AlbertSchweitzer-Bildungszentrums in Aschersleben auf der Südtribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Der Abgeordnete Herr Lüderitz hat in seiner Einbringungsrede - Herr Gürth hat das eben unterstützt - einen Antrag auf Überweisung in den Wirtschaftsausschuss zur federführenden Beratung und in den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr zur Mitberatung gestellt.

(Zuruf von der LINKEN: Wir haben beantragt, den Antrag zur federführenden Beratung in den Um- weltausschuss und zur Mitberatung in den Aus- schuss für Wirtschaft und in den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr zu überweisen!)

- In den Umweltausschuss? Gut.