Protocol of the Session on March 19, 2010

Geschichte ist eben nicht abgeschlossene Geschichte. Jede Generation muss sich neu entscheiden, wie sie sich ein geordnetes Zusammenleben vorstellt. Ein Vergleich von Systemen kann und darf nicht zu einer undifferenzierten und zu einer unwissenschaftlichen Gleichsetzung führen. Das wird in seriösen Studien auch nicht gemacht.

Es gibt sektorale Mikrovergleiche, bei denen zum Beispiel aktuell die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina in Zeiten staatlicher Diktatur zu DDR-Zeiten mit der Situation im dritten Reich verglichen wird. Diese wertvolle Studie, die die Leopoldina selbst angeregt hat, wird zum Beispiel von der Volkswagenstiftung finanziert.

Meine Damen und Herren! Als Befürworter des Diktaturvergleiches sehe ich in der Vermittlung vertiefter Erkenntnisse über innere Herrschafts- und Strukturmechanismen der NS- und der SED-Herrschaft und deren spezifischen Auswirkungen auf die betroffenen Menschen und ihr Verhalten in der Diktatur ein demokratieförderndes Element, weil ein geschärftes historisches Vorwissen potenzielle Gefährdungen demokratischer Strukturen eventuell leichter abwehren kann.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Eine Vergangenheitsbewältigung im Wortsinne gibt es nicht. Mit zeitlicher Distanz erhöht sich lediglich die Wahrscheinlichkeit einer historischen Analyse jenseits weltanschaulicher Grabenkämpfe.

Nun aber zum Verhalten des Staatssekretärs. Es geht hierbei nicht um echauffieren, sondern es geht um klarstellen. Es kann, meine Damen und Herren, nicht zuge

lassen werden, dass sich Herr Staatssekretär Erben als der Metternich Sachsen-Anhalts aufspielt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es kann und darf sich niemand von der Landesregierung anmaßen, anordnen zu können, welches Geschichtsbild mit welcher Methodik in einem Lehrerfortbildungsseminar vermittelt werden darf.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Übrigen vermute ich einmal, dass Metternichs Fußstapfen doch ein bisschen zu groß sind.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Erben liegt nicht nur wissenschaftlich falsch, er überschreitet auch in einem nicht hinzunehmenden Maße seine Kompetenzen als Stiftungsratsvorsitzender und gegebenenfalls als Stiftungsbeiratsvorsitzender.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Stiftungsrat entscheidet kollegial in allen grundsätzlichen Angelegenheiten der Stiftung. Weder das Gedenkstättenstiftungsgesetz Sachsen-Anhalt noch die Satzung der Stiftung weisen Staatssekretär Erben besondere Befugnisse zu. Ohne eine Ermächtigung durch Stiftungsratsbeschluss war der Staatssekretär somit nicht ermächtigt, Mitarbeitern der Stiftung Gedenkstätten die Teilnahme an der Veranstaltung durch Pressemitteilung des Ministeriums des Innern zu versagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Um es ganz klar zu sagen, wenn wir einmal die Situation rechtlich bewerten: Für ein rechtsstaatliches Einschreiten des Ministeriums fehlt jedenfalls jede rechtliche Grundlage; denn die Rechtsaufsicht des Ministeriums beschränkt sich auf die Verwaltungstätigkeit der Stiftung selbst. Eine Fachaufsicht besteht nicht und damit auch nicht ein Weisungsrecht des Ministeriums gegenüber der Stiftung. Das muss klar bleiben.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich nehme zur Kenntnis, dass sich Herr Staatssekretär Erben bis heute weigert, sich bei der CDU für den Vorwurf zu entschuldigen, dass „die CDU ganz offensichtlich den Versuch unternimmt, unter dem Deckmantel der scheinbaren wissenschaftlichen Objektivität eine Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus zu erreichen“.

Wer meint, sich herausreden zu können: Das ist ein Brief an die SPD-Mitglieder. Aber Herr Harms hat ja gesagt, wie sehr man daran interessiert war, einen Generalvorwurf gegen die gesamte CDU zu erheben, insbesondere gegen die CDU in Sachsen-Anhalt. Das von einem Mitglied der Landesregierung, der unser Koalitionspartner ist - das ist für uns eine schwer auszuhaltende Situation.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Verweigerung der Entschuldigung belastet nachhaltig unsere Zusammenarbeit. Das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber - es ist richtig gesagt worden - wir müssen auch ein Stück weit unsere Gesamtverantwortung wahrnehmen. Deshalb ist für mich die Grundlage des weiteren gemein

samen Handelns weiterhin der Beschluss des Landtages vom 3. März 2005, mit dem alle Fraktionen dieses Hauses gemeinsam feststellten - Zitat -:

„Politischer Extremismus jeder Couleur stellt eine Gefahr für unsere Gesellschaft dar. Auf dieser Grundlage handelt das Netzwerk für Demokratie und Toleranz gegen Extremismus und Gewalt.“

Meine Damen und Herren! Bei aller notwendigen Auseinandersetzung: So soll es auch künftig sein. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Scharf, für den Debattenbeitrag der CDU. - Wir kommen nunmehr zu dem Debattenbeitrag der Fraktion DIE LINKE. Der Abgeordnete Herr Gallert hat das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir sehen ja, dass es offensichtlich doch ganz emotional aufgeladene Debatten in diesem Landtag geben kann. Manchmal sind diese Debatten vielleicht auch wichtig, um die Legitimation dieses Hauses unter Beweis zu stellen. Ich glaube, das kann uns heute Morgen gelingen.

(Lachen bei der CDU)

Es ist länger als zehn Jahre her, dass meine Fraktion eine Große Anfrage zur politischen Bildung in diesem Haus gestellt hat. Wir hatten damals darüber diskutiert. Seitdem ist explizit, zumindest über den Bereich der politischen Bildung, selten so heiß diskutiert worden. Insofern ist es auch erst einmal nicht schlecht, dass wir dies hier tun. Allerdings - das will ich schon sagen - ist der Anlass nicht der günstigste.

Auf der anderen Seite sage ich ganz deutlich - darin unterscheide ich mich wahrscheinlich von meinen Vorrednern -: Der Anlass war eben nicht das Verhalten des Staatssekretärs Erben. Der Anlass für diese Debatte war und ist die Planung einer solchen Lehrerfortbildung, wie sie uns vorgelegen hat.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD)

Professor Roland Roth, der sich als Politikprofessor seit Jahrzehnten intensivst mit dieser Materie beschäftigt hat, hat völlig zu Recht gesagt: Diese Tagung ist und war eine politische Provokation.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Borgwardt, CDU, lacht)

Der Gesamtansatz dieser Tagung ist in seinem Ursprung davon ausgegangen, dass allein die Vertreter des so genannten Extremismusansatzes Professor Jesse, Dr. Lang und Dr. Baron sowie ein Vertreter des Verfassungsschutzes, der interessanterweise übrigens nicht als solcher ausgewiesen worden war,

(Herr Gürth, CDU, lacht)

nämlich Rudolf van Hüllen, für dessen Arbeit der Extremismusansatz im Wesentlichen die ideologische Begründung liefert, dargestellt werden. Das ist übrigens keine Frage der Geheimhaltung. Man kann bei Wikipedia nachlesen, wo er steht. Offensichtlich war es den Veranstaltern nicht bewusst.

Dabei geht es bei dieser Tagung schwerpunktmäßig um den Linksextremismus. Der Rechtsextremismus dient ja im Grunde genommen nur dazu, um Parallelen oder vermeintliche Parallelen aufzeigen zu können. Wer daran zweifelt, sollte sich übrigens einmal die Stellungnahme des Kollegen Ruden durchlesen, der das explizit aufgeführt hat.

Dabei geht es natürlich genau darum, Parallelen aufzuzeigen und zumindest für die politischen Schlussfolgerungen im Wesentlichen ein Gleichheitszeichen zu setzen.

Wer daran ernsthafte Zweifel hat, der sollte sich einmal die Schriften des Kollegen Jesse seit 1990 - ich hätte jetzt beinahe „antun“ gesagt - anschauen. Wir haben es getan. Ich werde Sie mit einigen Dingen daraus konfrontieren.

Von besonderem Interesse bei der Tagung ist natürlich, dass bei der Bekämpfung des - so steht es dort im Klappentext - brutalen Angriffs der Linksextremisten auf den deutschen Verfassungsstaat zwei politische Institutionen mit betrachtet werden. Das ist zum einen meine Partei durch ein Referat des Herrn Dr. Lang und das ist zum anderen die Opferorganisation VVN-BdA, übrigens eine der beiden letzten Opferorganisationen, die sich überhaupt noch zur Mitarbeit in der Gedenkstättenstiftung in Bezug auf den Zeitraum von 1933 bis 1945 bereit erklärt haben. Alle anderen haben ihre Mitarbeit in der Gedenkstättenstiftung bereits verweigert.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Wir wissen, warum! - Herr Borgwardt, CDU: Warum wohl?)

Auch das muss hier noch einmal gesagt werden.

An der Stelle sage ich ganz deutlich: Die Zielstellung dieses Vergleiches oder die Aufnahme meiner Partei wird relativ leicht klar. Herr Dr. Lang hat zusammen mit dem eben genannten Herrn Professor Jesse ein Buch geschrieben, das den Titel trägt: „Die LINKE - der smarte Extremismus einer deutschen Partei“. Deswegen sollen wir als Partei dort eine Rolle spielen.

Herr Kosmehl, wenn Sie Ihre Rede ernst gemeint hätten, dass wir uns hier nicht auseinanderdividieren sollten, indem wir gegenseitig einen Extremismusvorwurf erheben, dann hätte die FDP der erste und schärfste Kritiker dieser Tagung sein müssen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD - Frau Bull, DIE LINKE: Genau!)

Über die VVN-BdA - das ist, wie gesagt, eine der beiden letzten Opferorganisationen in der Gedenkstättenstiftung für die Zeit von 1933 bis 1945 - wird gesagt, sie sei das trojanische Pferd im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Dieser Begriff stammt übrigens von dem von mir genannten Mitglied des Bundesverfassungsschutzes van Hüllen.

Er begründet das in einem gleich lautenden Artikel in der Zeitschrift „Recht und Freiheit“, der im Jahr 2009 dort erschienen ist. Ich bitte Sie, einmal genau zuzuhören, warum van Hüllen meint, dass die VVN-BdA linksextrem und verfassungsfeindlich ist. Er hat sich offensichtlich ein älteres Papier der VVN-BdA herausgenommen und hat in diesem Text folgendes Zitat eingeführt:

„Wenn Rot-Grün Krieg führt, wenn der sozialdemokratische Innenminister sagt, das Boot sei voll, dann kritisieren wir das ebenso wie die