Protocol of the Session on February 19, 2010

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 72. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der fünften Wahlperiode und begrüße Sie alle herzlich.

Zunächst gibt es etwas besonders Erfreuliches, meine Damen und Herren: Herr Minister Dr. Haseloff hat heute Geburtstag.

(Beifall im ganzen Hause)

Dazu gratuliere ich Ihnen, Herr Minister, im Namen des Hohen Hauses und natürlich auch ganz persönlich. Herzlichen Glückwunsch!

(Herr Scharf, CDU, überreicht Minister Herrn Dr. Haseloff einen Blumenstrauß - Minister Herr Dr. Haseloff: Vielen Dank! - Lebhafter Beifall im ganzen Hause)

- Dieser Strauß hat zumindest große Aufmerksamkeit erregt.

Meine Damen und Herren! Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Wir setzen nunmehr die 38. Sitzungsperiode fort. Wir beginnen die heutige Beratung, wie gestern auch schon vereinbart und angekündigt, mit dem Tagesordnungspunkt 11.

(Frau Take, CDU: Können Sie etwas lauter spre- chen? Wir verstehen nichts!)

Danach folgen die Tagesordnungspunkte 14 und 15.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Zweite Beratung

Konzept für eine interkommunale Funktionalreform in Sachsen-Anhalt vorlegen

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/1704

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres - Drs. 5/2415

Ich bitte den Abgeordneten Herrn Stahlknecht, als Berichterstatter des Ausschusses für Inneres das Wort zu nehmen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 5/1704 in der 51. Sitzung am 22. Januar 2009 zur Beratung an den Ausschuss für Inneres überwiesen.

Mit dem Antrag verfolgt die Fraktion DIE LINKE das Ziel, den Landtag dazu aufzufordern, sich zum Grundsatz der Subsidiarität zu bekennen und für bürgerfreundliche Verwaltungsstrukturen in Sachsen-Anhalt auszusprechen. Darüber hinaus soll der Landtag die Landesregierung auffordern, ihre Vorstellungen für eine interkommunale Funktionalreform auf der Grundlage des Vorschlages des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt zur Aufgabenverlagerung als Konzept vorzulegen.

Der Ausschuss für Inneres befasste sich in der 48. Sitzung am 12. Februar 2009 mit diesem Antrag und beschloss, die Beratung am 5. März 2009 fortzusetzen und hierzu die kommunalen Spitzenverbände Sachsen-Anhalts einzuladen.

Im Vorfeld dieser Beratung erhielt der Ausschuss für Inneres vom Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt mit Schreiben vom 2. März 2009 eine Stellungnahme, der Vorschläge zur interkommunalen Aufgabenverlagerung beilagen. Auch der Landkreistag Sachsen-Anhalt schickte dem Innenausschuss mit Schreiben vom 5. März 2009 eine Stellungnahme.

Wie bereits erwähnt, stand der Antrag ein weiteres Mal auf der Tagesordnung der 49. Sitzung des Innenausschusses am 5. März 2009. Im Ergebnis der Beratung wurde der Landkreistag Sachsen-Anhalt gebeten, zu den Vorschlägen des Städte- und Gemeindebundes zur Aufgabenverlagerung mit Stand vom 26. September 2008 in einem angemessenen Zeitrahmen Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme erreichte den Innenausschuss mit Schreiben vom 22. Juni 2009.

In der 66. Sitzung am 4. Februar 2010 befasste sich der Innenausschuss abschließend mit dem vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE. Er wurde nach einer ausführlichen Debatte bei 4 : 8 : 0 Stimmen abgelehnt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen des Ausschusses für Inneres bitte ich um Ihre Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. Sie liegt Ihnen in der Drs. 5/2415 vor. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank für diesen Bericht, Herr Stahlknecht. - Nun hören wir dazu die Debattenbeiträge der Fraktionen. Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kosmehl. Bitte schön, Herr Kosmehl.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich ermuntere Sie ausdrücklich, Herr Minister Hövelmann, nach dem Ende der Redebeiträge der Fraktionen noch einmal an das Pult zu treten. Das eröffnet uns dann auch eine zweite Runde. Ich denke, Sie werden zu diesem Thema einiges für die Landesregierung zu sagen haben, weil das Thema Funktionalreform ein wichtiges Thema ist.

Der Ministerpräsident hat das Jahr 2009 - oder war es sogar das Jahr 2008 - zum Jahr der Funktionalreform ausgerufen. Herr Ministerpräsident, Sie haben den Fokus sicherlich in erster Linie auf die Funktionalreform auf der Ebene des Landes und der Landkreise gelegt. Aber wir haben immer auch von der interkommunalen Funktionalreform gesprochen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heute vorliegende Beschlussempfehlung des Ausschusses ist vielleicht so etwas wie der Schlusspunkt in dieser Legislaturperiode zum Thema Funktionalreform. Ich möchte Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, ein Zitat vorhalten, an das Sie sich hoffentlich noch erinnern. Es lautet:

„Für die Koalitionspartner ist die erfolgreiche Durchführung einer Funktionalreform in der

nächsten Legislaturperiode eine der wichtigsten anstehenden Herausforderungen. Nach Ansicht der Koalitionspartner soll eine substanzielle Aufgabenverlagerung vom Landesverwaltungsamt und den staatlichen Fachbehörden zu den kreisfreien Städten und Landkreisen stattfinden, die die Bündelungsfunktion stärkt. Hinzu kommt eine interkommunale Funktionalreform. Bei allen Aufgabenübertragungen bekennen sich die Koalitionspartner zur strikten Einhaltung des Konnexitätsprinzips.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, Sie kennen das sicherlich auswendig. Das steht auf Seite 36 der Koalitionsvereinbarung aus dem Jahr 2006. Diese gilt immerhin noch für die nächsten 13 Monate, dann haben Sie es geschafft.

Sie haben es allerdings nicht geschafft, diese Koalitionsvereinbarung tatsächlich umzusetzen. Daran sind Sie gescheitert. Sie sind an der substanziellen Aufgabenverlagerung vom Landesverwaltungsamt in die Landkreise gescheitert. Das wissen wir schon. Sie scheitern auch daran, eine interkommunale Funktionalreform auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von der CDU, hat Sie 13 Monate vor dem Ende der Legislaturperiode schon der Mut verlassen?

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Aber sicher!)

Diesen Eindruck hat man bei den Ausschussberatungen gewinnen können. Dabei haben Sie sich sogar hinter den das Einvernehmen nicht herstellenden kommunalen Spitzenverbänden versteckt. Sie haben gesagt: Die kommunalen Spitzenverbände haben sich nicht einigen können, deshalb beobachten wir das weiter; aber wir werden nicht mehr tätig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, dass es natürlich einfacher wäre, wenn man einen abgestimmten Vorschlag hätte, den man dann umsetzen könnte. Dann macht man sich keine Arbeit. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, Regierungsverantwortung heißt eben auch - dies gilt auch für die Parlamentsfraktionen der CDU und der SPD -, Entscheidungen zu treffen, wenn sich die entsprechenden Partner nicht einigen.

(Herr Gürth, CDU: Wir haben auf die Vorschläge von der FDP gewartet! - Minister Herr Hövel- mann: Diese Rede hätte ich gern zur Gemeinde- gebietsreform gehört!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist doch ganz klar, dass diejenigen, die Aufgaben abgeben sollen, nicht immer damit einverstanden sind, weil sie diese Aufgaben gern erledigen würden. Außerdem ist klar, dass diejenigen, die neue Aufgaben bekommen sollen, gern mehr neue Aufgaben erhalten würden. Ich sage Ihnen: Das gehört dazu.

(Herr Scharf, CDU: Was ist neu an dieser Er- kenntnis?)

- Sehr geehrter Herr Scharf, wenn diese Erkenntnis bei Ihnen vorhanden wäre, dann würden Sie auch eine Entscheidung treffen. Dann würden Sie nämlich abwägen,

was für unser Land und unsere Kommunen gut ist und von wem welche Aufgaben wahrgenommen werden sollen.

(Herr Gürth, CDU: Drei konkrete Beispiele bitte!)

Wenn Sie der Meinung sind, dass es notwendig ist, einzelne Aufgaben auf die Gemeindeebene zu verlagern, dann kann man das auch mit den Landkreisen besprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben eine Gemeindegebietsreform auf den Weg gebracht mit dem Ziel, in Sachsen-Anhalt leistungsstärkere und größere Gemeinden zu bilden. Was sollen diese größeren und leistungsstärkeren Gemeinden denn zukünftig tun? - Nach Ihrer Ansicht sollen sie nicht mehr tun als bisher. Ich sage Ihnen, dass es Aufgaben gibt, die eben nicht auf Landkreisebene erledigt werden müssen, weil sie auch in den Städten und Gemeinden erledigt werden können. Sie wissen, dass der Vorschlagskatalog der kommunalen Spitzenverbände sehr lang ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hat sich sehr intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Wir haben sehr genau hinterfragt, ob bestimmte Vorschläge, zum Beispiel des Städte- und Gemeindebundes, unsere Zustimmung finden können bzw. ob sie unterstützenswert sind.

Wir sind zum Beispiel der Meinung, dass es nicht notwendig ist, in Sachsen-Anhalt eine neue Zwischenebene einzuziehen, das heißt einzelne Aufgaben auf die Gemeindeebene zu verlagern, aber nur dann, wenn die Gemeinde mehr als 20 000 Einwohner hat. Wir haben gesagt, dass wir das nicht richtig finden. Wenn man Aufgaben vom Landkreis auf die Gemeinden verlagert, dann sollte man die Zuständigkeit nicht so splitten, dass einzelne Gemeinden davon ausgenommen werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die interkommunale Funktionalreform ist auf unserer Sicht notwendig, weil Aufgaben effizient und bürgernah auf der Ebene wahrgenommen werden müssen, auf der Bürgernähe tatsächlich spürbar ist. Wir glauben, dass es eine Reihe von Aufgaben gibt, die auf der Gemeindeebene besser aufgehoben sind als auf der Landkreisebene. Deshalb werden wir uns auch zukünftig für eine interkommunale Funktionalreform einsetzen.

Mit der heutigen Beschlussempfehlung wollen Sie, sehr geehrte Kollegen von der CDU und der SPD, diese Diskussion für diese Legislaturperiode beenden. Ich weiß, dass Sie in diesem Hohen Hause eine Mehrheit haben. Dieses Thema wird Sie trotzdem nicht loslassen; es wird Sie weiter verfolgen.

Insbesondere Sie, sehr geehrter Minister Herr Hövelmann, der Sie den Gemeinden per Zwang neue Strukturen zugewiesen haben, sollten daran interessiert sein, dass diese von Ihnen propagierten neuen leistungsstärkeren Kommunen tatsächlich neue Aufgaben aufgrund ihrer Leistungsstärke erledigen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden die Beschlussempfehlung des Ausschusses ablehnen, weil wir der Meinung sind, dass wir eine interkommunale Funktionalreform brauchen. - Herzlichen Dank.