Auf der zweiten Reformstufe haben Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, zu Beginn des Jahres 2008 die Ziele, die Leitbilder und die Leitlinien für eine zukunftsfähige kommunale Ebene des Landes mit dem Ersten Begleitgesetz verabschiedet. Sämtliche hier
gegen erhobenen Verfassungsbeschwerden sind abgewiesen worden. Das Landesverfassungsgericht hält also unsere Vorstellungen von der Gemeindestruktur im Lande Sachsen-Anhalt für verfassungskonform.
Die Mehrzahl der Gemeinden hat es auch so gesehen. Denn in der freiwilligen Phase hat sich die Mehrzahl der Gemeinden bewegt. Zu Beginn der Reform, Mitte des Jahres 2007, hatten wir noch mehr als 1 000, konkret 1 043 kreisangehörige Gemeinden. Insgesamt haben mehr als 830 Gemeinden bei der Reform mitgezogen - manche würden sagen: sie sind mit Druck geschoben worden -
und haben im Interesse ihrer Bürgerschaft rund 390 Gebietsänderungsverträge ausgehandelt. Mit Stand vom 1. Januar 2010 gibt es 365 kreisangehörige Gemeinden in unserem Lande. Per 24. Januar sind es noch 362.
Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Kommunalabteilung sowie die Kolleginnen und Kollegen im Landesverwaltungsamt und in den Kommunalaufsichten der Landkreise haben dabei ein gewaltiges Arbeitspensum absolviert. In den letzten zweieinhalb Jahren haben sie die Gemeinden bei der Vertragsgestaltung beraten, sie haben unzählige Gespräche mit Gemeindevertretern geführt, sie sind vor Ort gewesen und haben in den Räten die Rechtslage und die Gestaltungsmöglichkeiten erläutert. Sie haben die ausgehandelten Gebietsänderungsverträge und die Verbandsgemeindevereinbarungen geprüft und genehmigt.
Das alles war nicht immer ganz einfach; das weiß ich. Teilweise wurde nachts und an den Wochenenden gearbeitet, damit wir unsere doch sehr anspruchsvolle Reformzeitschiene auch einhalten können. Allen Beteiligten möchte ich hier und heute ausdrücklich für ihr großes Engagement und für das hohe Niveau, auf dem gearbeitet wurde und auf dem weiter gearbeitet wird, ganz herzlich danke sagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Ergebnis haben wir seit dem Beginn der freiwilligen Phase rund 85 % der Gemeinden zukunftsfähig gemacht. Das ist - das sage ich mit Stolz - auch im Vergleich zu den Gebietsreformen in anderen Bundesländern ein ausgezeichnetes Ergebnis, über das ich mich freue.
Mein Dank gilt deswegen auch den beteiligten Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern in den Gemeinden. Die Vertragspartner standen vor großen Aufgaben. Diese haben viel Kraft und auch viel zusätzliche Zeit gekostet. Allen Städten und Gemeinden, die freiwillig leitbildgerechte Einheitsgemeinden und Verbandsgemeinden gebildet haben, gratuliere ich zu ihrem Entschluss.
Sie sind den richtigen Schritt für die Zukunftsfähigkeit ihrer Gemeinde gegangen. Denn freiwillige Lösungen, um die kommunalpolitisch teilweise hart gerungen wurde, bilden nicht nur in meinen Augen das beste Fundament für das Zusammenwachsen in den neuen Einheits- und Verbandsgemeinden und für die bürgerschaftliche Beteiligung an der kommunalen Selbstverwaltung.
151 Gemeinden sind diesen Schritt leider nicht mitgegangen. Sie entsprechen noch nicht dem Leitbild der Gemeindereform. Diese Gemeinden müssen jetzt in der
dritten Stufe der Gemeindegebietsreform vom Gesetzgeber neu gegliedert werden. Die Landesregierung legt dazu elf Gemeindeneugliederungsgesetze vor, die jeweils einen Landkreis betreffen.
Wenn das Plenum unseren Neugliederungsvorschlägen folgt, werden die neuen Strukturen bis spätestens 1. Januar 2011 entstehen. In Sachsen-Anhalt wird es dann 219 Gemeinden geben, nämlich 104 Einheitsgemeinden und 18 Verbandsgemeinden mit insgesamt 115 Mitgliedsgemeinden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gemeindeneugliederungsgesetze haben wir umfassend vorbereitet. Unsere Neugliederungsvorschläge entsprechen dem im Gemeindenneugliederungs-Grundsätzegesetz aufgestellten System. Wir haben für jede einzelne aufzulösende Gemeinde den Sachverhalt vollständig ermittelt und der Abwägung zugrunde gelegt.
Wir haben - das ist ganz wesentlich - zu jedem einzelnen Neugliederungsfall alle Betroffenen angehört, also alle aufzulösenden Gemeinden, die jeweils aufnehmenden Gemeinden bzw. die Verbandsgemeinden, die Landkreise, die regionalen Planungsgemeinschaften, die Stadt-Umland-Verbände und selbstredend die kommunalen Spitzenverbände.
Die von der Verfassung vorgeschriebene Anhörung der von der Neugliederung betroffenen Bürgerinnen und Bürger haben wir ebenfalls für den Gesetzgeber vorbereitet und durchgeführt. Allerdings hat uns die Umsetzung der Bürgeranhörung hier und da praktische Schwierigkeiten bereitet.
Die Reformgegner in einigen Gemeindevertretungen haben zumindest versucht, das Verfahren aufzuhalten, indem sie die Anhörungstermine nicht bekannt gemacht haben, zum Boykott aufgerufen haben oder die vorgesehenen Wahllokale einfach nicht geöffnet, in manchen Fällen sogar mit schwerem landwirtschaftlichen Gerät blockiert haben.
In Zusammenarbeit mit den Kommunalaufsichten der Landkreise ist es schnell, teilweise auch sehr einfallsreich und kreativ - unter anderem durch den Einsatz von Bibliotheksbussen als Wahllokale - gelungen, darauf zu reagieren. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, den Kolleginnen und Kollegen in den Landkreisen, bei den Kommunalaufsichten und den Kollegen Landräten sehr herzlich dafür zu danken, dass sie mitgeholfen haben, die Bürgeranhörungen durchzuführen.
In dieser Phase, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat uns die bestätigende Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und des Oberverwaltungsgerichts den Rücken gestärkt und betont, dass bürgerschaftliche Beteiligungsrechte mit Verfassungsrang den betroffenen Gemeindeeinwohnern nicht von den gewählten Gemeindeorganen vorenthalten werden dürfen, auch wenn sie für die Gemeinde als solche die Reform ablehnen.
Also, die erforderliche Anhörung der Bürgerinnen und Bürger für jede gesetzlich vorgesehene Neugliederung hat stattgefunden, leider - das ist dann das Ergebnis des Agierens der Verantwortlichen vor Ort - in einigen Fällen mit einer verschwindend geringen Wahlbeteiligung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erfreulich ist, dass während unseres Anhörungsverfahrens elf noch nicht leitbildgerechte Gemeinden wirksame Gebiets
änderungsverträge abgeschlossen haben und wir die geplanten Eingemeindungen aus den Gesetzentwürfen wieder streichen konnten.
So haben sich im Landkreis Börde die Gemeinde Wackersleben mit der Gemeinde Hötensleben und die Gemeinde Peseckendorf mit der Stadt Oschersleben zusammengeschlossen. Im Landkreis Harz haben die Stadt Derenburg und die Gemeinden Timmenrode, Sargstedt und Danstedt noch freiwillige Zusammenschlüsse realisiert.
Leitbildgerechte Neugliederungen auf freiwilliger Grundlage erfolgten im Landkreis Mansfeld-Südharz bei den Gemeinden Freist, Friedeburg und Heiligenthal, bei der Gemeinde Friedensdorf im Saalekreis und auch bei der Gemeinde Nauendorf bei Seyda im Landkreis Wittenberg.
In den Gemeindeneugliederungsgesetzen zu den Landkreisen Burgenlandkreis, Harz, Stendal und Wittenberg sind wir nach den Ergebnissen der Anhörung und der Abwägung aller vorgetragenen Argumente von den noch in den zur Anhörung freigegebenen Gesetzentwürfen ins Auge gefassten Neugliederungsvorhaben abgewichen.
Dies betrifft zum einen den Entwurf des Gemeindeneugliederungsgesetzes für den Burgenlandkreis. So sollen nun auch die Gemeinden Großkorbetha, Schkortleben und Wengelsdorf in die Stadt Weißenfels eingemeindet werden.
Nach dem Ergebnis der Anhörung und der Auswertung wurde zudem auch der Gesetzentwurf über die Neugliederung der Gemeinden für den Landkreis Harz insoweit geändert, als nun die Gemeinde Westerhausen statt in die Einheitsgemeinde Stadt Quedlinburg gesetzlich in die Stadt Thale eingemeindet werden soll. Dies ist das Ergebnis einer Bürgeranhörung vor Ort.
Hinsichtlich der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode (Harz) sieht der Gesetzentwurf nunmehr vor, dass die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode und Rieder nicht in die Stadt Ballenstedt, sondern in die Stadt Quedlinburg eingemeindet werden sollen.
Eine weitere Änderung wurde beim Entwurf zum Gemeindeneugliederungsgesetz betreffend den Landkreis Stendal bezüglich der Verbandsgemeinde Seehausen vorgenommen. Danach soll die Gemeinde Schönburg der Mitgliedsgemeinde Hansestadt Seehausen (Altmark) zugeordnet werden und nicht der Mitgliedsgemeinde Altmärkische Wische.
Letztlich hat auch der Gesetzentwurf bezüglich des Landkreises Wittenberg eine Änderung erfahren. Hierbei geht es konkret um die Verwaltungsgemeinschaft Elbaue-Fläming. So soll die Gemeinde Gadegast nicht in die Stadt Jessen (Elster) eingemeindet werden, sondern gemäß § 5 Abs. 2 des Gesetzentwurfes an der Neubildung der Einheitsgemeinde Stadt Zahna-Elster teilnehmen. Die erforderliche Bürgeranhörung ist für den 18. April 2010 geplant.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem Kenntnisstand meines Hauses könnte kurzfristig im Saalekreis die gesetzliche Eingemeindung der Gemeinde Braschwitz in die Stadt Landsberg entbehrlich werden. Die Genehmigung des Gebietsänderungsvertrages wird Ausnahmen enthalten, zu denen die Gemeinderäte noch Beitrittsbeschlüsse fassen müssen. Geschieht dies, kann die Gebietsänderung wirksam werden. Dann braucht der Gesetzgeber nicht mehr zu entscheiden. Möglicherweise
lässt sich auch im Landkreis Harz die eben schon angesprochene Gemeinde Westerhausen freiwillig in die Stadt Thale eingemeinden.
Zu den Gemeindeneugliederungsgesetzen möchte zusammenfassend feststellen: Die von einer gesetzlichen Neugliederung betroffenen Gemeinden haben sich bis auf wenige Ausnahmen gegen ihre Auflösung ausgesprochen. Ebenso haben deren Bürgerinnen und Bürger zumeist gegen den Neugliederungsvorschlag votiert.
Beim jeweiligen Landkreis, den aufnehmenden Gemeinden, den regionalen Planungsgemeinschaften und den angehörten Stadt-Umland-Verbänden stießen unsere Neugliederungsvorschläge hingegen überwiegend auf Zustimmung. Insgesamt entsprechen die von uns erarbeiteten gesetzlichen Neugliederungen dem Leitbild zur Gemeindegebietsreform.
Alle Ergebnisse der Anhörungen sind in den Gesetzen umfassend und detailliert dargestellt. Ich denke, sie bieten Ihnen, dem Landtag, eine sehr gute Grundlage für die zu treffende Abwägungsentscheidung in jedem Neugliederungsfall. Selbstverständlich steht es Ihnen frei, auf diese Anhörungsergebnisse zurückzugreifen und sich insbesondere die Ergebnisse der verfassungsrechtlich unverzichtbaren Bürgeranhörungen zu eigen zu machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, noch etwas zum Entwurf des Zweiten Begleitgesetzes auszuführen. Hierzu haben wir die kommunalen Spitzenverbände angehört. Die Kritik an den Ausführungsvorschriften zur Gemeindegebietsreform war verhalten. Wir sind dennoch dem Städte- und Gemeindebund entgegengekommen.
Knackpunkt war, wie wir die Repräsentation der von der Auflösung ihrer Gemeinde betroffenen Bürgerinnen und Bürger bis zur nächsten allgemeinen Kommunalwahl im Jahr 2014 in der neuen Gemeinde gestalten. Das ist auch Gegenstand der Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE.
Ich will es gleich vorweg sagen: Ich bin außerordentlich froh, dass wir eine gangbare Lösung gefunden haben. Der Städte- und Gemeindebund und auch der Landkreistag hatten eine Verletzung des Demokratieprinzips angemahnt, sollte das Zweite Begleitgesetz keine ergänzenden Regelungen zu unserem geltenden wahlrechtlichen System enthalten. In den Gesetzentwurf haben wir deswegen weitere Regelungen aufgenommen, die meines Erachtens jetzt eine gute verfassungsrechtliche Grundlage beinhalten und der besonderen Situation einer das gesamte Land betreffenden Gemeindegebietsreform gerecht werden.
Das Zweite Begleitgesetz ist als Artikelgesetz ausgestaltet. Artikel 1 beinhaltet das Gesetz zur Ausführung der Gemeindegebietsreform, das den einheitlichen Vollzug aller im Zusammenhang mit dem Abschluss der landesweiten Gemeindegebietsreform stehenden Neugliederungsgesetze sicherstellen soll, das heißt gleiche Regeln für alle.
Mit Artikel 2 wird zur Stärkung der Ortschaftsrechte die Gemeindeordnung geändert. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist in der Begründung zu Artikel 1 § 7 die Systematik des Gesetzgebers zur Anordnung einzelner Neuwahlen des Gemeinderates erweitert worden. Der Gesetzgeber ordnet die Neuwahl des Gemeinderates an, wenn statt bisher mehr als der Hälfte nunmehr mehr
Dies gilt sowohl für Einheitsgemeinden als auch für Mitgliedsgemeinden von Verbandsgemeinden und betrifft konkret die Einheitsgemeinden Gardelegen, Annaburg und Gräfenhainichen sowie die Mitgliedsgemeinde Rochau der Verbandsgemeinde Arneburg-Goldbeck.
Übrigens - wenn ich das an dieser Stelle einflechten darf - haben die Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE eine andere Berechnungsmethodik zur Grundlage. Wir haben - ich sage gleich, was die verfassungsrechtliche Grundlage dafür ist - bei der Berechnung, wann die Grenze von einem Drittel der Einwohnerschaft erreicht ist, die Gesamteinwohnerzahl der künftigen Gemeindestruktur zugrunde gelegt. Die Fraktion DIE LINKE legt die Einwohnerzahl ohne die einzugemeindenden Einwohner zugrunde und sagt dann: Wenn mehr dazukommen, soll neu gewählt werden. Das ist also eine andere Herangehensweise.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Forderung des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt nach einer so genannten Bagatellgrenze für anzuordnende Neuwahlen sind wir mit unserem Vorschlag nachgekommen. In diesen Fällen wird zweifelsohne dem Demokratieprinzip Genüge getan.
Im Kern stellen wir darauf ab, ob die jeweilige Eingemeindung nur unwesentliche oder wesentliche Veränderungen - das ist die Rechtsgrundlage - der sozialen, der kulturellen, der wirtschaftlichen und der verwaltungsmäßigen Struktur einer Gemeinde bewirkt. Sind Veränderungen des Gemeindegefüges nämlich unwesentlich, kann nach Rechtsprechung der Rat der aufnehmenden Gemeinde auch den neu hinzutretenden Gemeindeteil repräsentieren. Wesentlich sollen die Veränderungen aber dann sein, wenn mehr als ein Drittel der Bevölkerung hinzukommt.
Damit wird an die gesetzgeberischen Leitlinien zur Gemeindegebietsreform im Grundsätzegesetz angeknüpft und ein in sich geschlossenes System aufgestellt. Denn die Ein-Drittel-Grenze - Sie erinnern sich - ist untersetzt worden mit dem bereits vom Verfassungsgericht gebilligten Prinzip der so genannten doppelten Mehrheit, bei der sich Einheits- und Verbandsgemeinden bilden konnten, wenn die zusammenschließenden Gemeinden neben der Repräsentanz von drei Vierteln der Gemeinden auch zwei Drittel der Bevölkerung der Verwaltungsgemeinschaft stellen. Das „restliche“ Drittel der nicht an der freiwilligen Lösung Beteiligten wird verfassungsgerichtlich unbeanstandet zwangsverwaltet und damit von der freiwillig gebildeten Gemeinde dominiert.
Weil das Verfassungsgericht des Landes SachsenAnhalt diese Herangehensweise des Gesetzgebers vor einem Dreivierteljahr bereits einmal gebilligt hat, kann hieraus der Schluss gezogen werden, dass sich bei Eingemeindungen von bis zu einem Drittel der künftigen Einwohnerzahl die grundlegenden Strukturen für die kommunale Selbstverwaltung in einer Gemeinde nicht wesentlich ändern und deshalb eine Neuwahl des Gemeinderates entbehrlich ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Neu eingefügt worden ist mit § 8 die Einführung der Ortschaftsverfassung für den Rest der Wahlperiode in all denjenigen Gemeinden, die ohne Neuwahl des Gemeinderates in eine Einheitsgemeinde eingemeindet werden. Der Ortschaftsrat ist in diesen Fällen neu zu wählen. Die mit Artikel 2