Protocol of the Session on January 21, 2010

(Beifall bei der CDU)

Wo bleibt denn da die Ehrlichkeit Ihrer Politik?

(Herr Gallert, DIE LINKE, reicht Herrn Tullner, CDU, ein Papier)

- Das ist die Nachausbildungsoffensive, Herr Gallert. Lesen Sie mal Ihren Antrag richtig durch. Da steht nichts von Lehrerinnen und Lehrern. Wo sind denn Ihre 2 000 Lehrerstellen? Nein, da ist nichts drin! Es ist jedenfalls nicht erkennbar. Aber sei es. wie es sei.

(Zurufe von der LINKEN)

Der Ruin hat mit harten Knöcheln an unsere Tür geklopft. Thomas Mann lässt seinen Felix Krull familiäre Erfahrungen reflektieren. In unseren Tagen, wo es um die Beschreibung der Auswirkungen der wirtschaftlichen Lage geht, die sich mit negativen Superlativen nicht ganz falsch beschreiben lassen, geht es nicht um Ruin oder Staatsbankrott, aber es geht um die zukünftige Handlungsfähigkeit des Gemeinwesens, für das wir Verantwortung tragen.

Der heute zu beschließende Etat umfasst die Nettokreditaufnahme - das ist mehrmals angesprochen worden - von 740 Millionen € in 2010 und 541 Millionen € in 2011. Das ist bitter. Wir wähnten uns ja schon auf dem Konsolidierungspfad des Schuldenabbaus, und dann kam die Krise. Der Doppeletat ist aber - das war uns als CDUFraktion wichtig - verfassungsgemäß.

Das ist im Kontext der Diskussion um 20 Milliarden € Altschulden - der Minister ist darauf eingegangen - und knapp 900 Millionen € an Zinszahlungen eine scheinbar theoretische Feststellung. Aber in Zeiten, in denen der Bund fast ein Drittel des Etats durch neue Schulden finanziert, in denen beispiellose Einbrüche im Wirtschaftswachstum zu verzeichnen sind, ist es zugleich ein Zeichen der Hoffnung und der Zuversicht und ein Beleg dafür, dass die Koalitionsfraktionen - Herr Gallert, Sie müssen zuhören - willens und in der Lage sind, den

Pfad der finanzpolitischen Tugend nicht aus dem Auge zu verlieren.

Manch einer - Sie haben es vorhin auch schon angesprochen - hat den heute zu beschließenden Etat in seiner ursprünglichen Fassung als einen der schlechtesten Regierungsentwürfe bezeichnet, die dieses Haus je erreicht haben. Abgesehen davon, dass ich mit der Verwendung von Superlativen vorsichtig bin, will ich zumindest konstatieren, dass dem Hohen Haus viele Problemlagen überantwortet sind. Es sind Problemlagen, die im Etat schlummerten, die nicht die Koalitionsfraktionen produziert haben. Herr Gallert; das sollten Ihnen die Kolleginnen, die im Ausschuss dabei waren, vielleicht noch einmal vergegenwärtigen. Ich erinnere nur an die Schlagworte FAG und Rechenfehler aller Art.

Doch bevor ich mich den konkreten Dingen zuwende, gestatten Sie mir zwei Vorbemerkungen und einen kurzen Exkurs. Zunächst einmal möchte ich mich dem Dank, den die Vorsitzende schon formuliert hat, ausdrücklich anschließen, zunächst einmal an die Ausschussvorsitzende, dann an die Landtagsverwaltung, vor allen Dingen auch an Frau Gaertner, den GBD und die Stenografen, an die Ministerien, die Referenten und all die Helfer, die uns in den Etatberatungen unterstützt haben.

Besonderer Dank gilt auch dem Landesrechnungshof, der manche Problemlagen nicht nur benannt hat, sondern auch konstruktiv an Lösungen mitgewirkt hat. Der Einzelplan 05 kann davon ein Lied singen. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss und natürlich der eigenen Fraktion, die uns dabei tatkräftig unterstützt haben. Insbesondere die Fahrt nach Helfta ist noch einmal eine Erwähnung wert, weil einige doch einige besondere Strapazen mit der Anreise auf sich genommen haben.

Darüber hinaus möchte ich es nicht versäumen, allen Fachausschüssen für die zügige Beratung zu danken. Bedingt durch die Weihnachtspause und aufgrund der verspäteten Einbringung standen effektiv drei bis vier Wochen weniger Beratungszeit zur Verfügung. Einmal mehr hat der Landtag unter Beweis gestellt, dass sich zögerliche Entscheidungsfindungsprozesse in der Exekutive durch stringente Beratungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und vor allem der Zuwendungsempfänger kompensieren lassen.

Gelegentlich wurde aus einigen Fraktionen - wohlgemerkt, nicht aus meiner - mal wieder kolportiert, die Finanzer hätten am Ende wieder eigenmächtig Dinge entschieden. Dazu kann ich nur sagen: Entscheidungsabläufe sind zeitlich so einzutakten, und alle sind eingeladen mitzutun, auch Sie, Herr Gallert, damit Sie beim nächsten Mal einige Missverständnisse und Fehlinformationen nicht haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Föderalismusreformen I und II haben versucht, die konstitutionellen Säulen der Bundesrepublik Deutschland auszutarieren hin zu mehr Transparenz, klarerer Verteilung von Zuständigkeiten und auch zu mehr Eigenverantwortung in den Ländern. Das war zumindest die ursprüngliche Prämisse. Herausgekommen ist ein Kompromiss. Auch wenn dieses Ergebnis eines normalen demokratischen Prozesses ist, bleibt doch zu konstatieren, dass die ursprünglichen Intentionen unerreicht geblieben sind.

Mit Blick auf 2019, wenn der Solidarpakt ausläuft, wenn der Länderfinanzausgleich zur Neuverhandlung ansteht

und auch die EU-Mittel - darauf ist hingewiesen worden - deutlich abgeschmolzen sein werden, müssen wir uns rechtzeitig vorbereiten. Kraftvolle Beiträge aus Nordrhein-Westfalen, aber auch aus Süddeutschland lassen die Interessenlage klar erkennen.

Welchen Grad an Eigenverantwortung und Selbständigkeit halten wir für verantwortbar? Wie viel parlamentarische Kompetenz wollen wir uns selbst zumessen? - Werben wir für rechtzeitige Überlegungen mit der klaren Zielstellung, die Kompetenz des Landtages aufzuwerten. Die finanzpolitische Verantwortung auch auf der Einnahmeseite gehört zu einem lebendigen, selbstbewussten Föderalismus zweifelsohne dazu. Welchen Grad dies erreichen soll. darauf müssen wir uns verständigen. Diese Fragen müssen sorgfältig und grundlegend diskutiert werden, damit wir 2019 bei den Interessenkämpfen vorbereitet sind.

Dazu gehört auf der anderen Seite, dass wir dann weniger Ministerpräsidentenkonferenzen, Finanzministerkonferenzen, Wirtschaftsministerkonferenzen und vor allem weniger Kultusministerkonferenzen brauchen. Das wird bei den Damen und Herren auf den Bänken links und rechts von mir vielleicht nicht auf besonders große Begeisterung stoßen, doch dem Exekutivföderalismus heutiger Prägung haftet ein hohes Maß an Intransparenz und Entscheidungsvorwegnahme an und er wird durch die starken Länder in den besagten Regionen Deutschlands ohnehin hinterfragt.

Deswegen sollten wir uns darauf vorbereiten und unsere parlamentarischen Perspektiven selbstbewusst einspeisen, in dem Wissen, dass im Darwin’schen Sinne nicht die größten und stärksten, sondern die flexiblen und anpassungsfähigen innovativen Strukturen die erfolgreichsten sein werden.

Wer im Übrigen glaubt, dies wäre ein Novum in der Geschichte, dem sei die Entstehungsgeschichte der SteinHardenberg’schen Reformen zur Lektüre empfohlen. Das Ringen um den Abbau von Steuerprivilegien, der Schuldenabbau und die Budgetrechte von Ständeversammlungen sind höchst interessant. So wurde 1828 zum Beispiel die Staatsschuld Preußens von 180 Millionen Talern „auf immer für geschlossen“ erklärt. Neue Kredite durften nur in Ausnahmefällen mit Einwilligung der reichsständischen Versammlung beschlossen werden. Als die dann erstmalig 1847 einberufen wurde, brach die Revolution aus. Daran kann man erkennen, welche großen Entwicklungslinien in solchen systemischen Debatten durchaus ruhen.

Aber jetzt zum Etat. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gallert hat betont, dieser Etat stellt eines der letzten großen Projekte der Koalition bis 2011 dar. Welche Schwerpunkte und Perspektiven setzt er?

Die Kennzahlen bilden drei Perspektiven ab. Erstens. Wirtschaft und Arbeitsmarkt sowie Bildung sind die Triebfedern der Entwicklung in Sachsen-Anhalt. Zweitens. Die Kommunalfinanzen im Systemwechsel des FAG werden ausfinanziert. Drittens. Der Konsolidierungspfad des Etats bleibt zumindest erreichbar.

Nach drei vergleichsweise guten Jahren ohne neue Schulden - eine Forderung der CDU; denn in der ursprünglichen Mipla war das erst für 2010/2011 geplant - stellen wir jedoch fest, dass die Konsolidierungsbemühungen der Landesregierung nicht ehrgeizig genug waren. Das hat der Minister eben auch noch einmal zugegeben. Ich gestatte mir an dieser Stelle einen kleinen

Punkt: Es gab schon mal Zeiten, wo man für diese Aussage zornig angeguckt wurde. Aber heute sind wir, glaube ich, alle einer Meinung, dass wir mehr hätten machen können und nach heutigem Wissen auch mehr hätten machen müssen.

Dass Bayern und Baden-Württemberg andere Kennzahlen haben, ist nachvollziehbar. Dass Sachsen mittlerweile finanzpolitisch in einer anderen Liga spielt, ist bekannt. Dass aber Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2010 ohne neue Schulden auskommt, schmerzt mich auch als ein in Mecklenburg Geborener doch sehr. Die sozioökonomischen Kennzahlen sind dort weiß Gott nicht besser als bei uns. Aber dort sind die finanzpolitischen Zeichen offenbar rechtzeitiger erkannt worden und vor allem auch umgesetzt worden.

Nun wird die Linkspartei einwenden wollen - Herr Gallert hat das vorhin auch gemacht -, dass das eine rot-rote Landesregierung war, die dies maßgeblich mitgestaltet hat.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das hat der Kollege Bullerjahn gemacht, nicht der Kollege Gallert!)

- Aber Sie haben es nicht dementiert, und deswegen nehme ich an, dass Sie sich darin einig sind.

(Heiterkeit)

Aber es ist ja auch richtig. Umso unverständlicher sind dann aber Ihre Forderungen hierzulande zu den Hochschulfinanzen, frühkindlicher Bildung, sozialpolitischen Leistungen, Niedriglohn und Hartz IV usw. usf. In diesem Zusammenhang möchte ich von Nordrhein-Westfalen und Bremen und Ihren programmatischen Aussagen dort noch gar nicht reden.

Herr Gallert, es passt eben nicht zusammen, in Berlin aus der TdL auszusteigen, die Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern finanzpolitisch in die Dinge einzubeziehen und hier die reine Lehre des Guten, Wahren und Schönen zu propagieren, getreu dem Motto: Gute Menschen geben ihr eigenes Geld aus, selbsterklärte Gutmenschen das der anderen.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Gallert, DIE LINKE: Herr Tullner, wer hat denn die Neuver- schuldung erhöht?)

An dieser Stelle beginnt Ihre Position einmal mehr unglaubwürdig zu werden. Dazu muss man Ihre Angst vor einer Programmdebatte oder die Personalquerelen, die Sie gerade als großes Theater aufführen, gar nicht in den Blick zu nehmen. Die Iden des März, landläufig auch als Nacht der langen Messer bezeichnet, finden bei Ihnen jedenfalls schon im Januar statt. Das ist bemerkenswert für eine Partei, die die moralische Latte des Miteinanders sonst gern in schwindelerregende Höhen schraubt.

(Oh! bei der LINKEN)

Auch wir in Sachsen-Anhalt haben im Übrigen kein finanzpolitisches Erkenntnisproblem; denn die Zahlen und Studien liegen auf dem Tisch. Man hat manchmal Probleme, die Strategiepapiere jeweils auseinanderzuhalten. Es muss nur endlich umgesetzt werden. Dass die fetten Jahre vorbei sind, ist hoffentlich bei jedem evident, obwohl ich bei Ihnen, Herr Gallert, angesichts Ihrer Aussagen ein wenig daran zweifle. Das Niveau unserer Ausgaben ist zu hoch, um die eingangs beschriebenen Parameter abbilden zu können.

Wenn davon die Rede ist, dass in dem Zeitraum von 2002 bis 2006 nicht gespart worden sei, dann muss ich sagen, dass die Rahmenbedingungen - egal wer zu diesem Zeitpunkt regiert hat, das möchte ich außen vor lassen - dabei ungleich härter waren als noch vor einigen Jahren. Die Dinge, die wir beschlossen haben, beispielsweise das KiFöG, das Beamtenweihnachtsgeld etc., und die Geschichten, die wir übernommen haben, beispielsweise die Lehrergeldkonten in Höhe von 250 Millionen €, sollten wir ebenfalls in den Blick nehmen.

Wir sollten aufhören - dafür werbe ich -, dem einen rückblickend den Zeigefinger vor die Nase zu halten. Ich glaube, es hat niemand Anlass dafür, dies zu tun, weil jeder weiß, dass er in der einen oder anderen Form in der Mitverantwortung gestanden hat. Herr Gallert, ob man das nun regieren oder tolerieren nennt - - Das kann man sich dann schenken.

Ich erinnere mit Blick auf die Konzeption an die Vorstellungen des Finanzministers vom Frühjahr, die kaum das Licht der Welt erblickten und schon von der eigenen Fraktion weitgehend kassiert wurden. Das hat sich die PDS als großen Erfolg in die Bücher geschrieben.

(Zuruf: DIE LINKE!)

Ich denke, an dieser Stelle müssen wir in den nächsten Jahren intensive und den Tatsachen ins Auge blickende Diskussionen führen.

Deswegen sei mir an dieser Stelle ein Hinweis zum Personalentwicklungskonzept und zur Schulpolitik gestattet. Dass dort eine Differenz zwischen den Aussagen zur Personalpolitik und dem erklärten Ziel Bildungspolitik auszugestalten ist, ist eine Binsenweisheit.

Mich wundert es schon, dass es zu Aufgeregtheiten kommt und dass markige Interviews geführt werden, wenn man diese benennt. Ich denke, das können wir in Ruhe und Gelassenheit klären und dann können wir die Aufregung an dieser Stelle zu den Akten legen. Der Minister hat bereits beschrieben, dass er mit dem Kultusminister im Gespräch ist.

Aber dies bleibt die zentrale Herausforderung der Finanzpolitik in diesem Land. Der Status quo des Ausgabeniveaus kann nicht gehalten werden.

Politik muss deshalb neu konfiguriert werden. Nicht die Höhe der Ausgabeblöcke ist Parameter für eine erfolgreiche Politik, sondern die Erreichung qualitativer Politikziele. Mehr Geld für Bildung und mehr Geld für Infrastruktur - das sind nicht nur uninspirierte Forderungen von Fachinteressen. Diese Forderungen gehen auch an den zentralen und alles entscheidenden Fragestellungen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes vorbei. Diese Fragen lauten beispielhaft: Wie erreichen wir ein hohes Qualifikationsniveau unserer Jugendlichen? Wie erreichen wir eine chancengerechte Entwicklung all unserer Landesteile?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heute zur Beschlussfassung vorliegende Etat hat diese Ansätze der qualitativen Politiksteuerung partiell implementiert. Dies geschah sicherlich zu großen Teilen appellativ, aber wir als CDU betrachten dies als einen wichtigen Schritt, den es zügig weiterzuverfolgen gilt.

Wachstum und Beschäftigung sind neben Bildung die Triebfedern für eine erfolgreiche Entwicklung unseres Landes. Daher liegt auf diesen Politikbereichen auch der

Fokus unserer Betrachtung. Das qualitative Maß des Erfolges unserer Wirtschaftspolitik war unlängst im Dynamik-Rankig der Wirtschaftswoche eindrucksvoll dargestellt. Daran müssen wir anknüpfen mit einer klugen Politik, die Innovation und Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen stärkt und ihnen in noch stärkerem Maße die Verflechtungen des Weltmarktes eröffnet.

Gepaart mit den bekannten Förderinstrumentarien zur Investitionstätigkeit haben wir mit diesem Etat die Grundlage für eine weiterhin erfolgreiche Wirtschaftspolitik gelegt. Die Ressortierung der Fraunhofer-Institute im Einzelplan 08 zeigt bei der anwendungsnahen Forschung ebenso positive Ergebnisse wie die Forschungsstrukturen, die in Buna, Magdeburg und Halle durch die K II-Mittel neu implementiert werden.

Die Robustheit des Arbeitsmarkts - die 13,6 % wurden schon genannt - spiegelt sich einmal mehr in den Zahlen der Agentur für Arbeit wider. Die rote Laterne ist längst abgegeben und das Niveau unserer Beschäftigung ist Bestätigung für unsere Politik.

(Zustimmung bei der CDU)