Protocol of the Session on December 10, 2009

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, vielen Dank. - Herr Gallert hat sich zu Wort gemeldet; er möchte Ihnen sicherlich eine Frage stellen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ich möchte als Frakti- onsvorsitzender sprechen!)

Bitte schön, dann sprechen Sie als Fraktionsvorsitzender. Herr Gallert, bitte.

Ich habe vor einigen Tagen gesagt, dass dieses Finanzausgleichsgesetz der entscheidende Fehler des Doppelhaushalts für die Jahre 2010 und 2011 ist. Ich sage ausdrücklich, Herr Böhmer, auch nach Ihrer Rede bleibe ich bei dieser Position.

Sie können zwar einen Vergleich zwischen der Finanzsituation, die wir insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland haben, und den Spielräumen, die wir im Land haben, ziehen. Aber ich glaube, der faire Vergleich ist folgender: Was macht der Staat in der Krise? Wie reagiert er auf die derzeitige Situation, die sich ja nur in finanzieller Hinsicht dadurch ausdrückt, dass die Steuern in dem Maße sinken, wie es derzeit der Fall ist. - Das sind ja Anzeichen, die es in anderen gesellschaftlichen Bereichen gibt.

Es gibt im Wesentlichen zwei Regelungsmechanismen, zwei politische Reaktionen in Bund und Land. Bund und Land sagen beide, wir können der Krise nicht hinterhersparen. Wir müssen versuchen, die gesellschaftlichen Strukturen in dieser Krisenzeit aufrechtzuerhalten.

Deswegen wird es wahrscheinlich einen Bundeshaushalt geben, dessen Volumen infolge der Krise mitnichten sinkt; vielmehr wird das Volumen wahrscheinlich zunehmen. Es wird auf Bundesebene wahrscheinlich eine Neuverschuldung von sage und schreibe 100 Milliarden € geben.

So weit zu der Frage, Herr Stahlknecht: Was machen wir mit den zukünftigen Generationen? Wo geht das Geld hin?

Offensichtlich richtet sich die Frage immer nur an uns. Offensichtlich wird sie nie gestellt, wenn die CDU in der Regierung ist. Da sage ich, Herr Stahlknecht: Gleiche Kriterien für alle.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann kommen wir zum Land. In Sachsen-Anhalt ist für die nächsten beiden Haushaltsjahre eine Neuverschuldung von 1,2 Milliarden € vorgesehen. 1,2 Milliarden € Neuverschuldung! Warum? - Weil wir die Strukturen in der Krise nicht zur Debatte stellen wollen, weil wir auch in der Krise die Strukturen, die das Land finanziert, aufrechterhalten wollen. Ich habe ausdrücklich gesagt: Jawohl, ich stehe dazu.

Es gibt nur eine Ebene, eine einzige Ebene, der wir das nicht zubilligen, und das ist die kommunale Ebene.

(Herr Gürth, CDU: Quatsch!)

Die kommunale Ebene in Sachsen-Anhalt wird mit einem Einnahmenrückgang von etwa 15 % konfrontiert sein. Sie soll - anders als wir und anders als der Bund - jetzt dazu gezwungen sein, der Krise hinterherzusparen, also die Einnahmenverluste über die Reduzierung von Ausgaben zu kompensieren.

Das ist die Unehrlichkeit an dieser Stelle, Herr Böhmer: Wir wissen genau, dass sie das nicht können. Sie werden entweder politisch völlig blödsinnige Sachen machen. Die schönen Förderprogramme, die wir zum Beispiel mit dem Einzelplan 14 noch beschließen werden, werden sie ausschlagen müssen, wenn wirklich so verfahren werden sollte.

Oder aber wir sagen - das ist doch die ehrliche Alternative, liebe Kolleginnen und Kollegen -, die Kommunen sollen sich selbst verschulden. Seien wir doch bitte einmal so ehrlich. Dann geht es auch nicht mehr darum, was wir den künftigen Generationen antun. Die eigentliche Frage ist vielmehr, wer diesen Rückgang durch Neuverschuldung ausgleichen soll. Jetzt machen wir es für die Kommunen nicht, sondern die Kommunen sollen es selbst tun. Dann wird der Umfang der Kassenkredite zunehmen, dann wird die Verschuldung zunehmen.

Angesichts dessen ist die Sache mit der Teilentschuldung wirklich bloß ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir werden am Ende des Haushaltsjahres 2011 trotz dieses Programms viel mehr überschuldete Kommunen haben als heute. Das ist eine Frage der Ehrlichkeit. Es geht nicht darum, ob es mehr Verschuldung gibt oder nicht, sondern die Frage ist, ob sich das Land oder die Kommunen verschulden sollen.

(Herr Gürth, CDU: Das Entscheidende ist, dass Sie keine Lösung haben!)

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass sich die Kommunen für Aufgaben verschulden sollen, die sie im Auftrag des Landes durchführen. Das ist die Unehrlichkeit, und deswegen sind wir gegen diese Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich danke Herrn Gallert. - Herr Kosmehl meldet sich zu Wort. Durch die Rede des Herrn Ministerpräsidenten ist die Debatte neu eröffnet worden. Herr Kosmehl hat das Wort. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will die Gelegenheit, die mir der Ministerpräsident mit seiner Wortmeldung eröffnet hat, natürlich nutzen.

Herr Ministerpräsident, Sie haben vieles Richtige gesagt. Im Ansatz, nämlich bei der Frage, dass man Aufgabenbezogenheit herstellen muss und dass man ein Finanzausgleichsgesetz nicht an einer einzelnen Gemeinde festmachen darf, sondern das gesamte Land in Betracht ziehen muss, sind wir uns einig. Wir unterscheiden uns aber elementar darin, dass wir als FDP sagen - unser Änderungsantrag enthält einen entsprechenden Vorschlag -: Der Bedarf der Kommunen ist höher, als ihn die Landesregierung im Gesetzentwurf festgestellt hat.

Wenn man sich für den Weg entscheidet, bedarfsorientiert und aufgabenbezogen vorzugehen, dann muss man auch so ehrlich sein und zahlen. Anderenfalls müsste man sagen, dass man die aufgabenbezogene Ausstattung nicht will; dann bleibt es bei der Verbundquote. Aber ich gebe Ihnen Brief und Siegel, dass Sie selbst dann, wenn Sie bei der Verbundquote geblieben wären, etwas hätten tun müssen.

Das, was jetzt in den Gemeinden passiert, ist das eigentlich Schwierige, weshalb wir sagen: Der Zeitpunkt, zu dem die Gewerbesteuereinnahmen drastisch zurückgehen, trifft mit der Umstrukturierung des FAG zusammen, und das hat verheerende Folgen. Ich will einmal zwei kommunale Beispiele herausgreifen; das tue ich ganz bewusst.

Ich fange einmal mit dem Ort an, in dem ich zu Hause bin: Bitterfeld-Wolfen. Dort gab es im Jahr 2009 insgesamt Zuweisungen aus Investitionshilfen und allgemeine Zuweisungen von etwa 9 Millionen €. Im nächsten Jahr sollen sie eine Auftragskostenerstattung in Höhe von 2,4 Millionen € bekommen. Das geht einher mit dem Einbruch bei den Gewerbesteuereinnahmen, der sich bei der Gewerbesteuerkraftmesszahl erst in zwei Jahren auswirken wird. Das führt dazu, dass man im Jahr 2010 Gewerbesteuereinnahmen von 15 Millionen € haben wird, aber deutlich mehr im Rahmen der Kreisumlage zahlen muss.

Sie können alle freiwilligen Leistungen der Stadt Bitterfeld-Wolfen streichen; dennoch werden sie die Verluste nicht kompensieren können.

Deshalb ist diese sofortige Umstellung, ohne auch einmal auf die Auswirkungen zu schauen, für die Gemeinden nicht verkraftbar. Ich denke, wir sind alle nah genug bei den kommunalen Vertretungen wie den Stadt- und Gemeinderäten und den Kreistagen, um zu wissen, dass die Anstrengungen,

(Herr Gürth, CDU: Guido, du hast die völlig fal- sche Tabelle genommen! Es ist doch mehr!)

die in den letzten Jahren unternommen worden sind, Herr Gürth, tatsächlich schon Früchte tragen. Aber selbst wenn sie jetzt alle freiwilligen Leistungen streichen, werden sie den neuen Belastungen nicht ohne neue Schulden begegnen können.

Ich will ein zweites Beispiel nennen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Herr Gürth, CDU: Aber diesmal ein richtiges! Das erste war nicht korrekt!)

Die Stadt Gommern wird nach Lage der Dinge im nächsten Jahr nur noch 44,99 % der Zuweisungen dieses Jahres bekommen, also weniger als die Hälfte.

(Herr Gürth, CDU: Das ist doch Quatsch! - Herr Stahlknecht, CDU: So kann man doch nicht rech- nen! - Unruhe)

Die fallen zwar noch unter Ihre tolle 80%-Härtefallregelung, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen - -

(Herr Gürth, CDU: Guido, du musst die richtigen Tabellen nehmen! - Anhaltende Unruhe)

- Herr Kollege Gürth, vielleicht sollten Sie sich melden und mir eine Frage stellen, was Sie gern machen können;

(Herr Gürth, CDU: Nur wenn das Sinn macht!)

aber Ihre unqualifizierten Zwischenrufe sollten Sie künftig überdenken.

(Zustimmung bei der FDP und bei der LINKEN - Herr Miesterfeldt, SPD: Sie sind nicht der Präsi- dent, Herr Kosmehl! - Herr Gürth, CDU: Das ist aber die völlig falsche Zahl!)

Das sage ich Ihnen, Herr Kollege Gürth, ausdrücklich als jemand, der die lebhafte Debatte im Parlament durchaus schätzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mit diesen Beispielen eines deutlich machen: Die Umstellung des FAG gerade unter den jetzigen Einnahmebedingungen bei der Gewerbesteuer, die wir zur Kenntnis nehmen - das wird sich über die nächsten Jahre anpassen bzw. dann werden andere Berechnungen zum Tragen kommen -, stellt die Kommunen im nächsten Jahr vor Herausforderungen, denen sie aus meiner Sicht nicht gewachsen sein können.

Wenn wir den Entwurf so beschließen, dann begeben wir uns sehenden Auges in diese Situation. Ich bitte Sie deshalb noch einmal, unseren Änderungsantrag oder auch - das sage ich ausdrücklich - den Änderungsantrag der LINKEN anzunehmen, der ein Stück des Weges mitgeht, und dadurch eine größere Ausgleichsmasse bereitzustellen, sodass diese Effekte weniger zum Tragen kommen.

Natürlich wird es auch nach der Annahme unseres Änderungsantrages noch Gemeinden geben, die weniger Geld als im Jahr 2009 bekommen werden, weil Sie die Aufgabenbezogenheit nicht hundertprozentig umsetzen. Das bestreite ich überhaupt nicht, aber die Gräben, die wir aufmachen, wären dann nicht mehr so tief. Darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte ich Sie alle herzlich.

Diese Entscheidung über die Kommunalfinanzen hat Auswirkungen auf das, was Sachsen-Anhalt dem Grunde nach zusammenhält, nämlich auf unsere Kommunen. Wenn diese Kommunen vor Ort nichts mehr machen können, dann ist auch das Land Sachsen-Anhalt fast am Ende. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der LINKEN - Frau Fischer, SPD: Das ist aber Schwarzmale- rei, Herr Kollege!)

Herr Kosmehl, es gibt eine Nachfrage von Herrn Gürth.

(Herr Gürth, CDU: Es ist eine Zwischeninterven- tion!)

- Er will also intervenieren. Bitte schön.

Das Erste zu dem Stichwort „unqualifiziert“. Es stellen sich alle hier im Saal die Frage, ob Ihr Vortrag hinreichend qualifiziert war, weil die Zahlen nicht stimmen. Sie haben sich ein paar Zahlen herausgepickt, wobei nicht ganz klar ist, ob das die aktuellen sind oder ob Sie nicht vielmehr Äpfel mit Birnen vergleichen.