Protocol of the Session on November 12, 2009

Zur versprochenen Aufgabenentlastung. Es heißt: Wir streben an, die paritätisch finanzierten Lohnzusatzkos

ten, die Sozialversicherungsbeiträge unter einem Anteil von 40 % es Lohns zu halten; wir werden dafür sorgen, dass sich Arbeit lohnt und dass den Bürgern mehr Netto vom Bruttoeinkommen bleibt.

Das suggeriert, dass alle Arbeitnehmer entlastet werden sollen. Unser Ministerpräsident hat scharfsinnig und zu Recht erkannt, und zwar auch im „Hamburger Abendblatt“, dass vor allem die Lohnzusatzkosten nicht immer weiter steigen dürften. Daher sei es notwendig und sachgerecht, den Arbeitgeberanteil einzufrieren.

Also: Keine Entlastung, aber Belastung bei den Versicherungsbeiträgen. Wenn Sie die paritätischen Zusatzkosten für die Arbeitgeber deckeln, dann werden die Belastungen von den Arbeitnehmern allein zu schultern sein und somit steigen.

Das geplante Prämiensystem im Gesundheitsbereich ist nichts anderes als die Kopfpauschale der CDU und wird nach Prognosen 22 Milliarden € mehr kosten, die dann der Steuerzahler aufzubringen hätte. Da das angesichts der Haushaltslage nicht möglich sein wird, werden entweder die Leistungen massiv eingeschränkt werden müssen oder dieses muss durch individuelle Zusatzversicherungen aufgefangen werden - natürlich nur bei denen, die es sich leisten können.

(Herr Kosmehl, FDP: Gesundheitsfonds abschaf- fen!)

- Sie können es mir doch widerlegen. Wie gesagt, ich wäre sehr dankbar, wenn es nicht so kommen würde. - Vermutlich wird das alles allerdings erst am Ende aus der Kommissionsberatung herauskommen, wenn die Wahlen in Nordrhein-Westfalen gelaufen sind.

(Zustimmung bei der SPD)

Wenn aber die Mehrheit der Menschen in Sachsen-Anhalt - das sind diejenigen mit kleinen und mittleren Einkommen - am Ende weniger in der Tasche haben werden,

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Die werden mehr in der Tasche haben! Um genau die geht es!)

heißt das folgerichtig: Die Kaufkraft sinkt, die Binnennachfrage sinkt, Einzelhandel, Dienstleistungsbereich, Handwerk verlieren Umsatz und das ist dann insgesamt schlecht für Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Was besonders bitter werden wird, ist der Wegfall des Ausgleichs im Gesundheitsfonds. Die geplante Regionalisierung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung bedeutet nichts anderes als niedrigere Beiträge für strukturstarke und höhere für strukturschwache Länder. Das wird für uns ein Problem hinsichtlich der Versorgung in der Fläche werden, wo wir jetzt schon Probleme haben.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Franke, FDP: Das ist an den Haaren herbeigezogen!)

Der zweite Punkt betrifft die Kommunalfinanzen. Die Koalition plant, die Gewerbesteuer, aus der sich die Städte und Gemeinden mitfinanzieren, abzuschaffen und durch einen Aufschlag auf die Einkommen- und die Körperschaftsteuer zu ersetzen. Davon würden reiche Kommunen profitieren, finanziell wird es aber arme ausbluten. Man weiß, welches Einkommensteueraufkommen wir in unseren Städten und Gemeinden haben. Dieses ist nicht

unbedingt hoch und ein Aufschlag darauf wird uns nicht wirklich weiterhelfen, wenn die anderen Einnahmen wegbrechen.

Zudem ist die Mehrwertsteuer für kommunale Unternehmen auch noch nicht vom Tisch. Da ist eine Hintertür offen.

(Zuruf von Herrn Kley, FDP)

4 Milliarden € sollen in Form von Kindergelderhöhung oder Kinderfreibetrag an Familien weitergegeben werden. Das stellen Sie positiv dar. Auf der anderen Seite wird hochgerechnet, dass der Aufschlag bei der Mehrwertsteuer ungefähr 4 Milliarden € kosten wird, die in erster Linie auch von Familien getragen werden. Somit wäre das ein Nullsummenspiel.

(Zuruf von Herrn Franke, FDP)

Für diejenigen, die alles Geld, das sie einnehmen, ausgeben müssen, wird es dann noch schwieriger werden.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Ganz zum Schluss noch ein Wort zum Thema gerechte Mindestlöhne bzw. Mindestlöhne überhaupt. Das Thema hat vermeintlich nicht viel mit den finanziellen Auswirkungen auf Sachsen-Anhalt zu tun. Real ist das aber doch der Fall.

Sie stellen die Mindestlohnregelung infrage. Sie wollen nach zwei Jahren evaluieren, obwohl das Entsendegesetz fünf Jahre dafür vorsieht, und Sie wollen mit dem Koalitionsvertrag den Niedriglohnsektor ausbauen. Das bedeutet am Ende für die Städte und Gemeinden und die Landkreise höhere Kosten der Unterkunft und damit ein weiteres Problem für die Kommunalfinanzen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Das bestätigt im Übrigen auch der Präsident der Deutschen Rentenversicherung. Das wissen Sie, wenn Sie heute den Beitrag in der Zeitung gelesen haben. Das Anheben der Verdiensthöhe für Minijobs von 400 € auf 600 € wird nach seiner Prognose dazu führen, dass es einen Abbau von normalen Arbeitsverhältnissen und einen Zuwachs in den niedrig bezahlten Arbeitsverhältnissen geben wird. Für Letztere werden dann möglicherweise keine Sozialversicherungsbeiträge mehr gezahlt, was wieder ein Problem für die Rentenversicherung sein wird. Wir wissen, wenn diese nicht mehr finanziert werden kann, wird es auch über Steuern zugeschossen werden oder Sie müssen die Renten kürzen.

(Zuruf von Frau Dirlich, DIE LINKE)

Ich kann nicht alles aus dem Koalitionsvertrag ansprechen - die Arbeit, ja -, dazu reicht die Zeit nicht. Aber wir werden in den nächsten Jahren, wenn es denn so kommt und die Arbeitskreise das bestätigen, was im Koalitionsvertrag angedeutet worden ist, ein richtiges Problem, und zwar im Land selbst haben, diese Steuerausfälle zu kompensieren. Deshalb sage ich heute: Der Koalitionsvertrag, wenn er so umgesetzt wird, ist ein Risiko für die Handlungsfähigkeit und die Entwicklung der Länder und der Kommunen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Frau Abgeordnete Budde, Herr Kosmehl wollte eine Frage stellen.

Nein. Die FDP kann mir das jetzt mal erklären und wir können hinterher diskutieren, was sie nicht machen will.

(Zustimmung bei der SPD - Oh! bei der FDP)

Bitte schön, Herr Kosmehl.

Frau Kollegin Budde, ich will meinem Fraktionsvorsitzenden nicht vorgreifen, er wird Ihnen sicherlich auch ein paar Hinweise geben. Aber eines möchte ich doch für das Hohe Haus in einer Zwischenintervention feststellen: Sie haben mit Ihrem Redebeitrag mal wieder bewiesen, dass Sie Opposition offensichtlich besser können. Ich hoffe, dass Sie bald auch im Land wieder in der Opposition sitzen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP)

Für die Landesregierung hat Ministerpräsident Herr Professor Böhmer um das Wort gebeten, meine Damen und Herren. Herr Professor Böhmer, Sie haben jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war Ende September klar, dass sich auch bei uns manches ändern würde. Ich weiß und wir alle wissen das: Solange wir im Land Sachsen-Anhalt die gleiche Koalitionszusammensetzung hatten wie die Bundesregierung in Berlin, war manches für uns einfacher zu verkraften.

Es war vorhersehbar - ich will nicht sagen, dass es irgendwann einmal kippen wird, das wäre falsch -, dass wir irgendwann einmal wieder in ein bestimmtes Rollenverhalten hineinkommen werden. Ich hätte nicht sagen können, wie schnell das geht, aber es geht jetzt offensichtlich los.

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

Ich habe schon zur Kenntnis genommen, dass die SPDFraktion in den Landtagen, in denen sie in der Opposition ist - in Sachsen, in Nordrhein-Westfalen, in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein -, einen ziemlich gleich lautenden Antrag für die Aktuelle Debatte eingebracht hat. Ziemlich gleich lautend!

(Herr Scharf, CDU: Linienverkehr!)

Wann das bei uns beginnen würde, diesbezüglich war ich unsicher. Erst seitdem dieser Antrag vorliegt, ist das Datum bekannt. Ich erwarte nicht, dass Sie das, wenn Sie in Berlin in der Opposition sind, hier als Koalitionspartner loben werden.

Ich nehme für mich das Recht in Anspruch, meine Einschätzung an dem zu orientieren, was ich aus meiner Sicht für Sachsen-Anhalt für notwendig erachte. Das wird nicht immer öffentliches Gefallen finden, auch nicht in der eigenen Fraktion - damit das klar ist.

(Herr Scharf, CDU: Wir wissen doch noch gar nicht, was Sie sagen werden!)

- Warten Sie es doch mal ab!

(Heiterkeit - Zuruf von Herrn Scharf, CDU)

Verehrter Herr Scharf, ich darf nur daran erinnern: Ich nehme zur Kenntnis, wenn ich am Dienstagnachmittag um 16 Uhr in der eigenen Fraktion kritisiert werde, kann ich das am nächsten Morgen um 6 Uhr in der Zeitung nachlesen. Das gehört mit zu dem Leben, an das ich mich gewöhnt habe.

Nun zu dem Koalitionsvertrag. Es ist die Absicht der Koalition der Bundesregierung, mit diesem Koalitionsvertrag zweierlei zu erreichen: Erstens so schnell wie möglich in Deutschland aus der gegenwärtigen Wirtschaftskrise herauszukommen. Deswegen beabsichtigt sie, einige Dinge so schnell wie möglich in Gesetzestexte umzusetzen, zum Beispiel in diesem Wachstumsbeschleunigungsgesetz.

Der zweite große Teil der Koalitionsvereinbarung beinhaltet, dass die drei Parteien sich verabredet haben, mit aus ihrer Sicht - aus meiner Sicht auch - notwendigen Reformen in Deutschland während dieser Legislaturperiode zu beginnen. Das heißt noch lange nicht, dass sie sich schon über die Ziele geeinigt haben.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Aber sie sind sich darüber einig: Wir brauchen in einigen großen Bereichen Reformen und damit müssen wir jetzt beginnen.