Protocol of the Session on November 12, 2009

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 66. Sitzung des Landtags von Sachsen-Anhalt der fünften Wahlperiode.

Seit der letzten Sitzung des Landtages hat es eine Mandatsänderung gegeben. Der Abgeordnete Herr Jürgen Stadelmann aus der CDU-Fraktion hat gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 des Wahlgesetzes wegen seiner Ernennung zum Staatssekretär im Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt den Verzicht auf das Abgeordnetenmandat erklärt. Der Landeswahlleiter hat mir mit Schreiben vom 10. November 2009 erklärt, der Sitz sei auf den Herrn Eduard Jantos, CDU, übergegangen und Herr Jantos habe die Wahl angenommen. Ich darf Sie auf die Unterrichtung in den Drs. 5/2231 und 5/2280 verweisen.

Werter Herr Jantos, im Namen des Hohen Hauses begrüße ich Sie als neues Mitglied des Landtages und wünsche Ihnen viel Kraft, viel Mut und auch viel Freude bei unserer gemeinsamen Arbeit.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Ich darf Ihnen Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung mitteilen. Für die 35. Sitzungsperiode liegen folgende Entschuldigungen vor:

Herr Staatsminister Robra entschuldigt sich für beide Tage. Er befindet sich auf der Europaministerkonferenz in Berlin.

Herr Minister Bullerjahn entschuldigt sich für heute ab 14 Uhr sowie für morgen ganztägig. Er nimmt an dem SPD-Bundesparteitag in Dresden teil.

Herr Minister Professor Dr. Olbertz ist heute ganztägig abwesend. Er leitet eine Sitzung der Verwaltungskommission des Wissenschaftsrates.

Herr Minister Dr. Aeikens entschuldigt sich für die morgige Sitzung.

Herr Ministerpräsident Professor Böhmer wird morgen ab 13 Uhr nicht anwesend sein.

Das sind, meine Damen und Herren, die Entschuldigungen der Mitglieder der Landesregierung.

Ich komme zur Tagesordnung und frage, ob es zur Tagesordnung etwas anzumerken gibt. - Bitte schön, Herr Gürth.

Verehrter Herr Präsident, ich möchte zwei Änderungen zur vorliegenden Tagesordnung beantragen. Das betrifft erstens den Tagesordnungspunkt 10 - Entwurf eines Spielbankgesetzes. Diesen möchten wir von der Tagesordnung herunternehmen. Wir müssten darüber befinden.

Die zweite Änderung betrifft lediglich den Tausch der Reihenfolge der Behandlung zweier Tagesordnungspunkte, und zwar des Tagesordnungspunktes 7 - Änderung umweltrechtlicher Vorschriften - und des Tagesordnungspunktes 12 - Entwurf eines Gesetzes zur Verbes

serung des Kinderschutzes -, sodass wir die Beratung zum Kinderschutz vorziehen.

Meine Damen und Herren! Gibt es Widerspruch? - Den sehe ich nicht. Dann sollten wir so verfahren. Gibt es weitere Fragen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall.

Ich bitte um Abstimmung. Wer der Tagesordnung in der so geänderten Form zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Damit ist der Tagesordnung zugestimmt worden und wir können entsprechend verfahren.

Zum zeitlichen Ablauf, meine Damen und Herren. Wir werden unsere Sitzung gegen 20 Uhr beenden und haben ab 20.30 Uhr Gelegenheit, an der parlamentarischen Begegnung teilzunehmen. Das ist mit den Einladenden abgestimmt worden. - So viel zu dem heutigen Ablauf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf den Tagesordnungspunkt 1 aufrufen:

Vereidigung eines Mitglieds der Landesregierung

Herr Ministerpräsident Professor Dr. Böhmer hat mich mit Schreiben vom 21. Oktober 2009 darüber informiert, dass er gemäß Artikel 65 Abs. 3 der Verfassung unseres Landes Herrn Dr. Hermann Onko Aeikens am 13. Oktober 2009 zum Minister für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt ernannt habe. Dazu liegt Ihnen, meine Damen und Herren, eine Unterrichtung in der Drs. 5/2233 vor.

Bevor ich zur Vereidigung komme, meine Damen und Herren, möchte ich Frau Ministerin Petra Wernicke für die von ihr geleistete Arbeit noch einmal ganz herzlich danken.

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Wernicke ist Mitglied unseres Landtages seit der ersten Stunde und musste krankheitsbedingt aus dem Ministeramt ausscheiden. Wir wünschen ihr von hier aus gute Genesung und hoffen und wünschen, dass sie das durchstehen möge, was sie jetzt erleben muss. In diesem Sinne wünsche ich ihr alles Gute im Namen des Hohen Hauses.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Nach Artikel 66 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt ist vor dem Landtag der Amtseid zu leisten. Ich bitte Herrn Dr. Aeikens, zu mir zu kommen, und möchte Sie, verehrte Damen und Herren, bitten, sich von den Plätzen zu erheben.

Herr Dr. Aeikens, ich darf Sie bitten, zur Ablegung des Amtseides die rechte Hand zu erheben und den Amtseid zu leisten.

Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, Verfassung und Gesetz wahren, meine

Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde, so wahr mir Gott helfe.

Ihnen, Herr Dr. Aeikens, ein ganz herzliches Dankeschön. Ich wünsche Ihnen viel Glück, immer eine glückliche Hand und auch viel Freude bei der Ausübung Ihres Amtes. In diesem Sinne ein Glückwunsch des gesamten Hauses.

Herzlichen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich bitte Sie, wieder Platz zu nehmen.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 a auf:

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Prof. Dr. Böhmer zum Thema: „Zur Freiheit befreit“

Erlauben Sie mir, meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor ich dem Herrn Ministerpräsidenten das Wort erteile, das Wort an Sie zu richten.

Am Montag jährte sich zum 20. Mal die Öffnung der innerdeutschen Grenze; viel ist darüber in den vergangenen Monaten geschrieben, gesprochen und berichtet worden. Die Mitglieder des Ältestenrates nahmen aus diesem Anlass an einem Treffen mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus Niedersachsen in Helmstedt teil. Am Abend des 9. November waren wir Zeugen der Veranstaltung am ehemaligen Grenzübergang Marienborn und konnten die Reden des Herrn Ministerpräsidenten Professor Böhmer und seines niedersächsischen Kollegen Herrn Wulff hören. Ich selbst stehe noch unter dem Eindruck dieser außergewöhnlichen und beeindruckenden Veranstaltung.

In der Tat: Der 9. November 1989 ragt positiv aus der jüngeren deutschen Geschichte heraus. Denn es waren die Menschen der DDR, die der Demokratie zum Durchbruch verhalfen und Grenzen ins Wanken brachten, noch bevor Mauerspechte die Mauer in Berlin mit ihren Werkzeugen dann wirklich beseitigten.

Mir persönlich wird der Ruf „Wir sind das Volk!“, der im Herbst 1989 überall im Lande erschallte, immer in Erinnerung bleiben. Er mahnt uns, das Erbe der friedlichen Revolution zu bewahren und die Errungenschaften Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat dauerhaft für die nächsten Generationen zu sichern.

Meine Damen und Herren! Das Datum des 9. November ruft uns aber zugleich eines der düsteren Kapitel der Geschichte unseres Volkes in Erinnerung: die Pogrome gegen unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger im Jahr 1938. Der NS-Terror strebte damals seinem Höhepunkt entgegen und das millionenfache Morden begann. Unser deutsches Vaterland wurde anschließend nach Krieg und moralischem Niedergang für Jahrzehnte durch Mauer und Stacheldraht geteilt.

Es ist deshalb eine Gnade der Geschichte, dass unser Land heute wieder vereinigt und Teil der großen euro

päischen Friedens- und Wertegemeinschaft ist. Ich wünsche uns und unseren Kindern, dass sich das Tor für Demokratie und Freiheit, das die Bürgerinnen und Bürger der DDR im Herbst 1989 aufgestoßen haben, nie wieder schließt und dass wir die Sicherung demokratischer Strukturen als ständige Aufgabe begreifen, die niemals abgeschlossen sein kann.

In diesem Sinne wünsche ich unserer heutigen Beratung mit der Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten Professor Dr. Böhmer einen guten Verlauf und darf den Ministerpräsidenten nun bitten, seine Regierungserklärung abzugeben.

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben uns eben, Herr Präsident, daran erinnert, welche Bedeutung der 9. November in der und für die deutsche Geschichte hat. Wir alle wissen, dazu hätte man noch viel mehr sagen und noch viel weiter ausholen können. Ich will mich heute nur auf den 9. November 1989 beschränken, jenes Datum, das die meisten von uns miterlebt haben und von dem wir gespürt haben, dass sich an diesem Tag die Welt verändert hat. Alle, die sich daran erinnern, ahnten dies, ohne die Folgen auch nur abschätzen zu können.

Jetzt, aus einem Abstand von 20 Jahren und mit der Kenntnis der weiteren Entwicklung wissen wir, dass es ein historisches Ereignis war, das die Welt nachhaltig verändert hat. Deshalb ist es für uns und mehr noch für zukünftige Generationen wichtig, uns immer wieder daran zu erinnern. Dabei soll es heute bewusst nicht um die Ergebnisse von 19 Jahren Vereinigungspolitik in Deutschland gehen, sondern um die Probleme eines selbstbestimmten Lebens in der vor 20 Jahren gewonnenen Freiheit.

Der 9. November 1989 ist für viele zum Synonym für den Triumph der Freiheit über die Diktatur eines vormundschaftlichen Staates geworden. Er hat uns die Möglichkeit eröffnet, in freier Selbstbestimmung die Teilung Deutschlands zu überwinden. Dadurch konnte auch die Teilung Europas überwunden werden.

Deshalb wurde an dieses Ereignis nicht nur in Deutschland feierlich erinnert, sondern in mehreren europäischen Staaten. In vielen Reden und im Beisein vieler internationaler Gäste wurde die geschichtsverändernde historische Bedeutung dieses Tages bereits gewürdigt. Das alles ist schon häufig gesagt worden.

Deshalb habe ich mir vorgenommen, heute an jene Probleme zu erinnern, die die unverhofft gewonnene Freiheit für uns, die betroffene Generation in diesem Teil Deutschlands, an Chancen und Risiken bedeutet. Gemessen an den Folgen war das erinnerungswürdige Ereignis fast banal. Der diensthabende Oberstleutnant der Passkontrollstelle in der Bornholmer Straße in Berlin konnte sich der anstürmenden Menge an Menschen nicht mehr erwehren, die im Radio und im Fernsehen gehört hatten, dass ab sofort freie Reisemöglichkeiten gewährt werden sollen. Übergeordnete Vorgesetzte waren für ihn nicht mehr erreichbar. Gegen 23.30 Uhr gab er mit den Worten „Wir fluten jetzt“ den Befehl, den Schlagbaum zu öffnen. Die Einzelheiten dieses Abends sind ausführlich dokumentiert und mehrfach veröffentlicht worden.

Damit ist eine Grenze geöffnet worden, deren Sicherungsanlagen mehr als 1,8 Milliarden Mark der DDR gekostet hatten und deren Sicherung mehr als 28 Jahre lang täglich 1,47 Millionen Mark der DDR gekostet hat. Sie wurde uns - manche werden sich daran noch erinnern - als antifaschistischer Schutzwall erläutert und war doch nichts anderes als eine Mauer der Mächtigen gegen das Weglaufen der in einer Diktatur Ohnmächtigen.