Auch ist es wenig sinnvoll, mögliche Ergebnisse dieser Verhandlungen vorwegzunehmen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass diese Gespräche durch die Landesregierung aufmerksam begleitet werden. Auch werden die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen, sobald sie feststehen, von uns analysiert und auf mögliche Auswirkungen für das Land Sachsen-Anhalt hin beurteilt.
Der Anlass dieser Aktuellen Debatte ist die Bewertung möglicher Auswirkungen der Ergebnisse von Koalitionsverhandlungen auf die geltenden Arbeitnehmerrechte. Konkret werden die Themen Kündigungsschutz und Mindestlöhne angeführt. Für diese inhaltliche Auseinandersetzung sollten wir jedoch noch ein bisschen Geduld aufbringen; denn die Koalitionsverhandlungen haben gerade erst begonnen. Trotzdem möchte ich mich zu den beiden Themen grundsätzlich äußern.
Zunächst zum Kündigungsschutz. Der Kündigungsschutz ist ein wichtiges Element des Arbeitsrechtes in Deutschland. Gegenwärtig gelten die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes für Beschäftigte in Unternehmen mit mehr als zehn Arbeitnehmern. Eine in den Koalitionsverhandlungen seitens der FDP artikulierte Forderung war es, dass das Kündigungsschutzgesetz erst für Beschäftigte in Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern zur Anwendung kommen soll.
Bei einer Einführung der von der FDP vorgeschlagenen Modifizierung des Gesetzes hätte dies, so Herr Haseloff, in Sachsen-Anhalt Auswirkungen für ca. 5 600 Unternehmen, die zwischen zehn und 20 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte angestellt haben. Betroffen von dieser Veränderung wären laut der Statistik der Bundesagentur für Arbeit auch ca. 75 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die dann nicht mehr dem Kündigungsschutz unterliegen würden. Das sind ca. 10 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in unserem Land.
In diesem Zusammenhang gilt es, die Vorteile für die 5 600 Unternehmen mit den persönlichen Risiken für die 75 000 betroffenen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten abzuwägen. Bei der Betrachtung des aus der Lockerung des Kündigungsschutzes resultierenden Gesamteffekts dürfen auch nicht die gegenwärtig Arbeitsuchenden außer Acht gelassen werden. Deren Chancen auf eine Anstellung würden durch einen gelockerten Kündigungsschutz tendenziell eher steigen.
Eine ausführliche Diskussion aller Argumente für und gegen eine Lockerung des Kündigungsschutzes ist aufgrund der damit verbundenen Komplexität in dieser Debatte kaum möglich. In diesem Zusammenhang möchte ich drei Punkte anführen.
Erstens. Ein oft angeführtes Argument für die Lockerung des Kündigungsschutzes ist die zusätzliche Flexibilität der Unternehmen bei der Einstellung von Arbeitskräften. Allerdings haben Unternehmen auch gegenwärtig die Möglichkeit, im Rahmen von atypischer Beschäftigung wie Leiharbeit oder befristeten Anstellungen Arbeitskräfte einzustellen, ohne sich langfristig an sie binden zu müssen. Dieses wird durch den Bedeutungszuwachs atypischer Beschäftigung in den letzten Jahren unterstrichen.
Zweitens. Das Bedürfnis nach Arbeitsplatzsicherheit ist gerade in der gegenwärtig schwierigen wirtschaftlichen Situation aufseiten der Arbeitnehmer sehr groß. An einen sicheren Arbeitsplatz sind oft auch persönliche Entscheidungen gebunden etwa für größere Investitionen, wie den Bau eines Hauses, oder die Gründung einer Familie.
Drittens. Dennoch ist zu fragen, inwieweit den Interessen gegenwärtig atypisch Beschäftigter oder Arbeitsuchender durch einen restriktiven Kündigungsschutz überhaupt Beachtung geschenkt wird. Schließlich werden deren Chancen auf eine Einmündung in normale Arbeitsverhältnisse erschwert. Ebenfalls kann ein Kündigungsschutz dazu führen, dass bestimmte besonders geschützte Gruppen, zum Beispiel Ältere, bei Einstellungen diskriminiert werden, da diese bei verschlechterter Auftragslage schwerer zu entlassen wären.
Letztlich ist eine Entscheidung hinsichtlich des Kündigungsschutzes unter der Abwägung der Pro- und Kontraargumente schwierig. Deshalb ist zu wünschen, dass es zunächst bei der gegenwärtigen Regelung bleibt. Parallel dazu sollten Erfahrungen aus anderen Ländern, beispielsweise aus Dänemark oder den Niederlanden, stärker Eingang in die Diskussionen finden, um möglich Entscheidungen im Hinblick auf die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes auch besser zu fundieren. Das aber liegt in der Zuständigkeit des Bundes.
Ich komme auf die Thematik Mindestlöhne zu sprechen. Wie Sie alle wissen, haben sich sowohl die CDU/CSU als auch die FDP gegen die flächendeckende Einführung von Mindestlöhnen ausgesprochen. Damit ist klar, dass es in der nächsten Legislaturperiode der Bundesregierung keine flächendeckenden Mindestlöhne geben wird.
Das zuständige Ministerium für Wirtschaft und Arbeit geht davon aus, dass die bereits während der Regierungszeit der großen Koalition beschlossene Ausweitung des Entsendegesetzes und damit die Einführung branchenspezifischer Mindestlöhne für die Abfallwirtschaft, für das Wach- und Schließgewerbe, für Wäschereidienstleistungen, für die Bergbauspezialwirtschaft, für den Bereich der Weiterbildung und für das Malerhandwerk auch nach den Koalitionsverhandlungen, wie von der Kanzlerin öffentlich erklärt, umgesetzt wird.
Im Zusammenhang mit dem Thema Mindestlöhne ist ein weiterer Umstand anzuführen. Gemäß den Ergebnissen der vierteljährlichen Verdiensterhebung des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt verdienten im Jahr 2008 2,9 % aller vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer im Land Sachsen-Anhalt in Betrieben mit mehr als zehn Be
schäftigten weniger als 7,50 € pro Stunde. Einen Stundenlohn von weniger als 8 € verdienten 4,6 % aller Vollzeitbeschäftigten. Diese Erhebung zeigt, dass im Land Sachsen-Anhalt nicht so viele Vollzeitbeschäftigte von Niedriglöhnen betroffen sind, wie es oft behauptet wird.
Das Fazit lautet: Es ist gegenwärtig nicht möglich, die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen vorwegzunehmen. Das betrifft auch die Entscheidung über Mindestlöhne und über Kündigungsschutzregelungen. Die Bundeskanzlerin hat erklärt, dass sie am Kündigungsschutz und an den für einzelne Branchen beschlossenen Mindestlöhnen festhalten wolle.
Das Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger soll erhöht werden. Die Kinderfreibeiträge sollen steigen. In spätestens drei Wochen wissen wir, was davon im Koalitionsvertrag verankert wurde. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Minister, ich bin mir sicher, dass Sie mit Ihrem wirtschaftspolitischen Verstand meine Frage auch in Vertretung des Wirtschaftsministers beantworten können.
Ich bemühe mich. - Sind Sie mit mir der Meinung, dass eine Mehrheit der Wähler bei der Bundestagswahl Parteien gewählt hat, die einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn ablehnen, und dass der Wähler diesen Parteien für die Koalitionsverhandlungen somit auch einen eindeutigen Auftrag gegeben hat?
Lieber Herr Kosmehl, das sind die Spielregeln. Mehrheitsverhältnisse konstituieren die Verhältnisse in der Demokratie. Wenn eine Mehrheit gute Gründe geltend macht, auf die Einführung von Mindestlöhnen zu verzichten, und diesen Ansatz auch mithilfe ihrer parlamentarisch errungenen und durch Wahlen legitimierten Handlungsspielräume durchsetzt, dann habe ich das nicht zu beanstanden.
Für mich ist das insofern eine Gratwanderung, als sich die Motive der verschiedenen Parteien im Bundestag wahrscheinlich eher gleichen, nämlich einerseits möglichst viele Menschen in einigermaßen sichere Beschäftigungsverhältnisse zu bekommen. Andererseits sind die Wege, die zu diesem Ziel führen, offensichtlich ganz unterschiedlicher Natur.
Ich bin auch in Sorge - das sage ich Ihnen als wirtschaftspolitischer Experte -, dass durch bestimmte Lockerungen im Kündigungsschutz bzw. durch die Einführung von Mindestlöhnen auch der gegenteilige Effekt eintreten kann, nämlich eine gewisse Scheu der Unternehmen, Arbeitnehmer einzustellen, wenn sie nicht sicher sein können, in Zeiten von Schwankungen in der wirtschaft
lichen Entwicklung über ihren Personalbestand wirtschaftlich einigermaßen sinnvoll disponieren zu können - so unterkühlt das auch klingen mag.
In diesem Sinne würde ich mich schwer tun, mich mal eben auf die eine oder andere Seite zu schlagen, damit es mir gut geht. Das wäre einfach. Vielmehr geht es darum, Wirkungen und Folgen genauestens zu kalkulieren und dabei im Auge zu behalten, dass möglichst viel Beschäftigung entsteht und möglichst wenig Beschäftigungssicherheit, die dazu führt, dass Leute nicht eingestellt werden, weil die Unternehmen die Risiken nicht kalkulieren können.
Danke sehr, Herr Minister Olbertz. - Bevor ich der Abgeordneten Frau Hampel von der SPD-Fraktion das Wort erteile, möchte ich Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums am Thie in Blankenburg bei uns begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Nun hat der Kultusminister der FDP einen Herzenswunsch erfüllt und einmal so richtig - -
- Na gut, Herr Franke. - Aber es muss in dieser Aktuellen Debatte auch erlaubt sein, das Thema zuzuspitzen. Das werden Sie mir an dieser Stelle jetzt sicherlich auch gestatten.
Das von der LINKEN für die Aktuelle Debatte beantragte Thema ist mir fast zu aktuell; denn seit gerade einmal sechs Tagen sitzen CDU und FDP in Berlin am Verhandlungstisch.
Aber bezogen auf das Thema der heutigen Debatte kann ich Ihnen, werte Kollegin Rogée, versichern, dass für die SPD-Fraktion dieses Landtages schon heute feststeht: Sollte sich die FDP mit ihren Vorstellungen zum Kündigungsschutz, zur betrieblichen Mitbestimmung und zu Mindestlöhnen gegenüber der CDU durchsetzen, dann ist die Farbkombination schwarz-gelb nicht mehr nur im Tierreich ein deutliches Gefahrensignal mit abschreckendem Charakter,
nein, dann gehen die Arbeitnehmerrechte, Tarifautonomie und weite Teile der Mitbestimmung den Bach hinunter.
(Herr Scharf, CDU: Um Wahlkampf geht es! - Herr Gürth, CDU: Die Tigerente als Gefahr! - Weitere Zurufe von der CDU und von der FDP)
Worum geht es? - Die FDP will den Kündigungsschutz verwässern - Sie erlauben mir, dass ich polemisiere -, sie will die Tarifautonomie durch den Ausbau betrieblicher Lösungen schleifen, die Mitbestimmung in den Betrieben radikal erschweren und Mindestlöhne wieder zurückdrehen.
(Herr Scharf, CDU: Das wollen die schon 40 Jah- re lang, haben es aber mit der CDU nie hinge- kriegt, weil die CDU immer dagegengehalten hat! - Beifall bei der CDU -Oh! bei der FDP - Un- ruhe)
- Dann hoffen wir, dass das so bleibt. - Die Pläne der FDP stellen einen massiven Angriff auf die soziale Marktwirtschaft dar.
Es bleibt daher zu hoffen - schade, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU gerade den Saal verlässt -, dass Frau Merkel in den Koalitionsverhandlungen nicht umfällt.