Einfache gesetzliche Diskriminierungsverbote haben die Situation der Betroffenen sehr wohl verändert. Aber, meine Damen und Herren, was fehlt, ist ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot aufgrund sexueller Orientierung im Grundgesetz,
um die Frage der Diskriminierung oder Nicht-Diskriminierung der Beliebigkeit zu entziehen und einen klaren grundgesetzlichen Bezug zu schaffen. Das ist notwendig, um klare Verhältnisse zu schaffen, um bei künftigen Gesetzgebungen auch klare Maßgaben für den Gesetzgeber zu schaffen.
Dies wird im Übrigen unterstützt von der CDU in Hamburg, von der SPD in Berlin und Bremen und von den LINKEN und den GRÜNEN, die sich damit ohnehin nicht wahnsinnig herumquälen.
Insofern mein Appell an Sie, verehrte Kollegen: Zeigen Sie sich aufgeklärt, springen Sie über Ihren Schatten! Wir sind bereit, einer Ausschussüberweisung zuzustimmen. Ich denke, man kann durchaus im Ausschuss noch einmal darüber reden, um dann zu einer vernünftigen und zeitgemäßen modernen Regelung zu kommen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Bull, für die Einbringung. - Für die Landesregierung erteile ich jetzt Ministerin Frau Dr. Kuppe das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Der vorliegende Antrag betrifft das Thema Antidiskriminierung, das auch mir ein besonders Anliegen ist. Ich will in diesem Zusammenhang darauf verweisen, dass wir in Deutschland seit August 2006 mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, dem AGG, den Schutz vor Diskriminierung bundeseinheitlich gesetzlich geregelt haben. Spätestens seit dem Inkrafttre
ten dieses Gesetzes ist die Benachteiligung wegen der sexuellen Identität in Deutschland in wesentlichen Lebensbereichen gesetzlich verboten.
Diskriminierung wegen der sexuellen Identität findet aber - vielleicht sogar hauptsächlich - in Bereichen statt, die gesetzlichen Regelungen kaum zugänglich sind. Damit meine ich nicht nur den sprichwörtlichen Stammtisch, sondern ich erinnere aktuell zum Beispiel an den Tatbestand, dass bei der jüngsten Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Berlin auf dem Rücken einer jungen Frau eine mediale Schlacht zum Thema Intersexualität angezettelt wurde, die die Würde der Betroffenen in erheblichem Maße verletzt hat. Es bleibt noch viel zu tun, damit aus dem gesetzlichen Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Identität ein allgemeines und alltägliches diskriminierungsfreies Miteinander erwächst.
Das Benachteiligungsverbot wegen der sexuellen Identität auch in Artikel 3 des Grundgesetzes zu verankern könnte in diesem Zusammenhang sinnvoll sein. Eine entsprechende Ergänzung des Grundgesetzes würde sicherlich in die Gesellschaft hinein wirken, würde das Bewusstsein dafür schärfen, dass Diskriminierung wegen der sexuellen Identität auch im Alltagsleben nicht tolerabel ist.
Die Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen haben einen entsprechenden Gesetzentwurf vorbereitet. Sobald dieser Gesetzentwurf im Plenum des Bundesrates zur Beratung ansteht, wird sich die Landesregierung zum Stimmverhalten des Landes Sachsen-Anhalt verständigen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Wir kommen zu den Debattenbeiträgen der Fraktionen. Jetzt hat Frau Schmidt von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat hat die SPD - in diesem Falle Frau Christel Riemann-Hanewinckel - im Jahr 1994 für die Erweiterung von Artikel 3 des Grundgesetzes um diesen Punkt gestimmt. Es gab damals keine Mehrheit. Die CDU war dagegen, die FDP hat sich der Stimme enthalten.
Es wird ein neuer Versuch unternommen. Berlin, Hamburg und Bremen bringen eine Bundesratsinitiative auf den Weg, die am 16. Oktober 2009 an die Ausschüsse überwiesen werden soll. Dabei geht es nicht nur um Lesben und Schwule - das ist hier schon gesagt worden -, sondern es geht um die gesamte Brandbreite der Diskriminierung nach sexuellen Dingen, und zwar geht es um Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender.
Die Ministerin hat eben auf einen Fall hingewiesen, den ich fast schon wieder vergessen hatte, gerade diese Sache, die bei der Olympiade passiert ist. Das ist auch so ein Problem. Da werden Menschen geboren, deren Geschlecht einfach nicht feststeht. Das ist eine Tatsache und es müssen sich auch einmal Leute damit beschäftigen, die meinen, die Welt sei heil und bestehe nur aus Männlein und Weiblein und das in gerader Form.
Andere Menschen, erwachsene Menschen bestimmen dann, welches Geschlecht diejenigen nun eigentlich ha
ben sollen. Und da gibt es natürlich - ganz natürlich, würde ich sagen - im Erwachsenenalter Probleme.
Es ist heute schon auf das AGG mit der einfachen gesetzlichen Regelung hingewiesen worden. Selbstverständlich gibt es dabei schon viele Verbesserungen, auch im Arbeitsrecht. Aber trotzdem sind viele Dinge einzuklagen gewesen.
So hat zum Beispiel in Berlin ein Gericht in einem Fall entscheiden müssen, bei dem es um Hinterbliebenenhilfe für berufständische Kammern ging. Da hat das Gericht deutlich entschieden: Lesben und Schwule können aufgrund ihrer sexuellen Identität gar nicht zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft wählen. Sie können nur eine Lebenspartnerschaft eingehen. Also ist für sie diese Hinterbliebenenregelung genauso anzuwenden wie für klassische Ehen.
Die Initiative, die jetzt eingebracht wird, halte ich für sehr wohl zustimmungsfähig, ich halte sie sogar für zustimmungspflichtig. Wir wissen allerdings, dass es in unserem Haus immer noch Kolleginnen und Kollegen gibt, die Homosexualität für eine Art Krankheit oder dergleichen halten.
Viel schlimmer sind solche Entgleisungen, dass Homosexualität in der Jugendphase als Verhaltensstörung eingestuft wird und dass deshalb eine erhöhte Selbstmordrate bei den Jugendlichen existiert, die sich erst einmal selbst erkennen müssen und die vielleicht auch erst einmal einen Schreck bekommen, weil sie anders sind. Das auf eine Verhaltensgestörtheit zurückzuführen, finde ich, gelinde gesagt, sehr daneben. Dagegen nützt auch kein AGG. Auch für solche Fälle muss die Erweiterung des Grundgesetzes erfolgen.
Dadurch haben wir vielleicht auch in Sachsen-Anhalt dann endlich die Grundlage geschaffen, dass die letzten Gesetze wirklich geändert werden müssen und alle zukünftigen Gesetze erst gar nicht anders geschrieben werden. Trotzdem ist es tatsächlich so, dass noch nicht alle dieser Meinung sind.
Darum beantrage ich eine Überweisung des Antrags an den Sozialausschuss, um noch einmal über die Problematik zu reden und vielleicht auch die letzten Zweifler davon zu überzeugen, dass es eine Notwendigkeit ist. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank für Ihren Beitrag, Frau Schmidt. - Wir kommen zum Debattenbeitrag der FDP. Der Abgeordnete Herr Kosmehl hat das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Bundesrat liegt für seine Sitzung am 16. Oktober 2009, also am nächsten Freitag, ein Antrag in der Drs. 741/09 vor, in dem einige Länder einen Vorstoß zur Änderung des Grundgesetzes, im Besonderen des Artikel 3 Abs. 3, vorschlagen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht darf ich zu Beginn einmal die Gesetzesgrundlage verlesen. Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes lautet wie folgt:
„Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, sei
ner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist der Kontext, in den jetzt auch das Merkmal sexuelle Identität eingefügt werden soll.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unabhängig von der sozialpolitischen Betrachtung bedarf es aus der Sicht eines Juristen noch einmal des Hinweises - diesen möchte ich gern vortragen -, dass das Grundgesetz in seiner Gesamtheit die Würde des Menschen und die Persönlichkeitsrechte eines jeden einzelnen Menschen schützt. Dabei kommt es auf kein Merkmal an.
Ich halte es für sehr schwierig, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir versuchen, nicht nur an diesem Beispiel, sondern auch bei vielen anderen Vorschlägen - das will ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen -, etwa den Sport ins Grundgesetz aufzunehmen, die deutsche Sprache im Grundgesetz zu verankern, die Kinderrechte in das Grundgesetz zu schreiben - -
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Grundgesetz geht von einem Menschenbild aus, und der Mensch ist Kind genauso wie er Erwachsener ist. Er ist auch genau der gleiche Mensch, und zwar unteilbar der gleiche Mensch, egal welche sexuelle Identität er verfolgt bzw. welche sexuelle Identität ihn in seinem Leben antreibt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal etwas genauer mit dem Antrag beschäftigt, weil es auch für mich ein Thema ist, bei dem ich die Unterscheidungen, die dabei offensichtlich geführt werden, nicht sofort parat hatte. Ich will Ihnen kurz nennen, um welche Menschen es geht. Diese Unterteilung habe nicht ich vorgenommen, sondern die Antragsteller, die den Bundesrat damit erreichen wollten. Es geht um Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, transsexuelle und intersexuelle Menschen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich will niemandem - das meine ich wirklich ernst - zu nahe treten: Für mich sind die Angehörigen jeder dieser Gruppen Menschen und sie haben ein gleiches Anrecht auf die Mitwirkung in unserer Gesellschaft
und ein gleiches Anrecht auf die Anerkennung ihrer Leistungen und ihres tagtäglichen Handelns, meine sehr geehrten Damen und Herren. An den Stellen, an denen es in bestimmten Bereichen eine klare Zuständigkeit gibt, Benachteiligung explizit aufzurufen, hat der Gesetzgeber dies eben nicht im Grundgesetz festgeschrieben, sondern Gesetze erlassen, mit denen er auf diese Bereiche eingegangen ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Folgendes hat mich ein Stück weit verwirrt: Der Ausgangspunkt für die Begründung dieses Antrages war unter anderem das Beispiel, dass der Strafbarkeitsparagraf „Unzucht zwischen Männern“ erst im Jahr 1969 abgeschafft wurde. Diese Strafbarkeit wurde im Jahr 1935 eingeführt. Und deshalb hat man gesagt: Obwohl das Grundgesetz schon galt, hat es über Jahre hinweg diese Strafbarkeit gegeben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das zeigt aber auch, dass der Gesetzgeber jederzeit reagieren kann, wenn in einer einfachgesetzlichen Regelung eine Benachteiligung festgeschrieben ist - die Benachteiligung war ja nicht in der Verfassung festgeschrieben worden. Der Gesetzgeber ist in diesem Fall aufgefordert, auf die tatsächlichen Entwicklungen bzw. auf die tatsächlichen Gegebenheiten in der Gesellschaft und im Zusammenleben der Menschen zu reagieren.
Wir als Liberale haben ein Vertrauen darauf, dass die Gesellschaft als solche jeden Menschen anerkennt, egal ob er sich das Merkmal lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, intersexuell oder heterosexuell für seine Lebensweise ausgesucht hat. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kosmehl. Es gibt zwei Nachfragen von Frau Bull und von Herrn Gallert. Möchten Sie diese beantworten?
Herr Kosmehl, Sie haben Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes vorgelesen: Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse usw.
Sie sagten, an dieser Stelle solle das eingebunden werden, aber dabei sei zu beachten, dass das Grundgesetz ohnehin einen generellen Diskriminierungsschutz sicherstelle und dass deswegen nicht im Einzelnen unter anderem das Problem der sexuellen Identität aufgenommen werden müsse.