Protocol of the Session on September 4, 2009

sen-Anhalt wegen der abschmelzenden Mittel des Solidarpakts und von der EU mit einem insgesamt sinkenden Haushaltsvolumen zu kämpfen, wodurch sich diese Diskrepanz zwischen öffentlichen Ausgaben und Aufgaben auf der einen und den dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen auf der anderen Seite immer weiter zuspitzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir über die Perspektiven für dieses Land reden wollen, dann müssen wir diese Aufgabe lösen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist das Problem, um das es geht.

Das bedeutet in der Konsequenz, wenn wir diese Aufgabe ernst nehmen wollen, die nicht nur die Trägerlandschaft formuliert hat, sondern die sich die Landesregierung zum Beispiel in dem sozialpolitischen Gesamtkonzept selbst gestellt hat, wenn wir die Aufgabe des Bildungslandes Sachsen-Anhalt ernst nehmen wollen, wenn wir die Aufgabe ernst nehmen wollen, dieses Land in der Perspektive für die Menschen sicher zu gestalten, dann müssen wir klar die Position vertreten, mehr Mittel in die öffentlichen Kassen hereinzuholen und nicht weniger, wie es in der steuerpolitischen Diskussionen zurzeit nahegelegt wird. Das ist unsere Position.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Zahlen sprechen eine ganz deutliche Sprache: Wir brauchen für diese öffentlichen Aufgaben mehr öffentliche Mittel. Die Träger haben uns ein Problem eröffnet, das wir auch in anderen Zusammenhängen haben. Ich sage ausdrücklich: Gerade die Diskussion, die auch heute wieder die entsprechenden Zeitungen beherrscht, nämlich in Bezug auf die Prävention im Polizeibereich, hat natürlich etwas damit zu tun, wie wir die Ressourcen in diesem Bereich einsetzen und welche Ressourcen wir dafür zur Verfügung haben.

Dazu muss man ganz deutlich sagen: Wer hier sagt: „Weniger Steuern, weniger Staat!“, der sagt nicht nur: „Weniger Geld für die entsprechenden Träger!“, sondern auch: „Weniger Geld für Personal!“, der sagt auch: „Weniger Geld für Bildung!“. Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Die Entscheidungen darüber fallen zum Teil in den nächsten Wochen. Deswegen ist es ganz klar: Wer diese Aufgaben, die in dem Aufruf formuliert sind, inhaltlich politisch vertritt, der muss für mehr Einnahmen des Staates, für einen kräftigen Staat eintreten - das ist die Perspektive, um die es geht -,

(Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei der FDP)

aber nicht um eines konservativen Staatsverständnisses willen, sondern um die öffentlichen Aufgaben, die dahinter stehen und die in dem Aufruf der Träger formuliert sind, wirklich erfüllen zu können. Das ist das Problem, vor dem wir stehen.

(Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

Wir haben die Aktuelle Debatte dieses Mal vor den Haushaltsberatungen beantragt, weil es in den Haushaltsberatungen darum gehen wird, wie wir mit dieser Situation umgehen. Der Aufruf der Träger bringt uns aber das Problem nahe, dass wir die Rahmenbedingungen, innerhalb deren das Land Sachsen-Anhalt zu handeln hat, wirklich infrage stellen müssen.

Diese Rahmenbedingungen werden sich in absehbarer Zeit so zuspitzen, dass wir sie verändern müssen. Dafür

brauchen wir ein anderes steuerpolitisches Konzept, aber nicht die völlig inhaltsleere Versprechung, man könne Steuersenkungen realisieren - das wird überhaupt nicht funktionieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will auf zwei weitere Probleme hinweisen. Wenn wir uns in einer Situation wie dieser befinden, in der es haushaltspolitische Notlagen gibt, in der es möglicherweise auch das Problem gibt, Strukturen anders anpacken zu müssen, dann können wir eines nicht tun: Wir können nicht diejenigen, die als Träger mit ehrenamtlichen Strukturen im Sinne der Subsidiarität solche Aufgaben übernommen haben, dann, wenn es um die Lösung solcher Probleme geht, völlig außen vor lassen. Unser Vorwurf ist, dass die Landesregierung genau das getan hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie hat die Bescheide hinausgeschickt, ohne überhaupt mit den Leuten zu reden. Sie hat ehrenamtliche Strukturen an dieser Stelle völlig ignoriert und ehrenamtliches Engagement dadurch sinnentleert. Dann braucht man sich am nächsten Sonntag nicht hinzusetzen und über ehrenamtliches Engagement und über Subsidiarität zu reden. Man hat dies schwer beschädigt durch die Art und Weise, in der man mit diesen Trägern umgegangen ist. Das verdient ausdrücklich Kritik. Das ist ein obrigkeitsstaatliches Staatsverständnis. Das hat nichts mit Partizipation zu tun. Das hat nichts mit Zivilgesellschaft zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Unser Problem ist, dass dieser Versuch nicht unternommen worden ist.

Ich will ein weiteres Problem nennen. Dieses Problem gründet sich darauf, dass wir es bei dieser Trägerstruktur natürlich mit politischen Institutionen zu tun haben, die fachpolitische Interessen vertreten. Es sind politische Institutionen dabei wie der BUND im Umweltbereich, der Kinder- und Jugendring im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik oder der Landesfrauenrat. Deren Aufgabe ist es natürlich, politische Positionen gegenüber dieser Landesregierung zu formulieren, politische Positionen gegenüber dieser Landesregierung zu vertreten, ja, sie auch zu kritisieren, wenn aus ihrer Sicht fachpolitische Fehler gemacht werden.

Wir haben inzwischen, übrigens nicht erst in der jetzigen Phase, den Eindruck gewonnen, dass diese Diskussion über fachpolitische Zielstellungen seitens der Landesregierung nicht mit Argumenten, sondern mit Fördermittelbescheiden ausgefochten wird. Dazu sagen wir ganz deutlich: Das ist ein ganz radikaler Verstoß gegen das Gebot eines vernünftigen Umgangs mit diesen Institutionen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man in diesem Land Angst haben muss, eine kritische Position zu formulieren, weil danach der Fördermittelbescheid gestrichen wird - dieser Eindruck ist bei manchen inzwischen massiv entstanden -, dann sind wir hier falsch. Dann haben wir eine politische Situation, die wir als Landtagsabgeordnete und als Fraktionen uns nicht auf die Fahnen schreiben dürfen. Dann müssen wir ganz klar sagen: Gegen ein solches Staatsverständnis gehen wir vor. Inhaltliche Diskussionen werden mit Inhalten geführt, aber nicht mit Fördermittelbescheiden

- nicht von dieser Regierung und auch von keiner anderen.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Borgwardt, CDU: Geben Sie doch einmal ein Beispiel!)

Ich sage ausdrücklich: Das trifft nicht nur auf diese Landesregierung zu. Das hat schon eine längere Tradition, aber eine Tradition, mit der es gerade jetzt und endgültig zu brechen gilt.

Wir werden unter diesem Haushaltsdruck keinerlei vernünftige Diskussion über Strukturveränderungen hinbekommen. Man kann nicht sagen: Wir kürzen radikal die Mittel, und ihr guckt dann einmal, was ihr mit dem Rest hinbekommt.

Wir werden natürlich strukturelle Veränderungen in der Trägerlandschaft haben müssen. Darüber müssen wir in den nächsten Jahren aber inhaltlich diskutieren. Das kann man eben nicht unter der Vorgabe, innerhalb kürzester Zeit massiv Mittel zu streichen. Wir brauchen eine Perspektive. Wir brauchen eine Perspektive für dieses Land durch mehr öffentliche Einnahmen. Wir brauchen eine Perspektive für dieses Land durch eine ehrliche Diskussion mit den betroffenen Trägern. Und wir brauchen eine Perspektive im Hinblick auf eine politische Interessenvertretung in diesem Land gerade für diejenigen, die ansonsten keine Lobby haben. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Gallert. Es gibt eine Nachfrage von Frau Dr. Hüskens. Wollen Sie die Nachfrage beantworten?

Aber natürlich.

Bitte.

Herr Gallert, ich bin aufgrund der Flughöhe, in der Sie das Thema behandelt haben, nicht ganz sicher, was die Position der Fraktion DIE LINKE ist.

(Herr Gürth, CDU: Ein bisschen Meckerei!)

Sie haben gesagt, dass die Einnahmen des Landes zu niedrig seien und dass dies das Hauptproblem sei.

Wir reden über 250 000 € im Sozialhaushalt. Ganz kurz einmal die Frage: Ich kann schon davon ausgehen, dass die Fraktion DIE LINKE auch ohne eine Förderrechtsänderung in Berlin die Bemühungen der FDP im Finanzausschuss unterstützen wird, diese Mittel in Höhe von 250 000 € wieder zur Verfügung zu stellen?

(Lachen bei der CDU)

Frau Hüskens, Sie haben unsere volle Unterstützung oder - um einmal die Größenordnungen in diesem Haus

klarzustellen - wir haben Ihre Unterstützung - um das einmal so deutlich zu formulieren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Frau Hüskens, natürlich kenne ich diese Diskussion auch. Sie wird von den Trägern nicht ganz zu Unrecht geführt. Wir werden mit diesen Kürzungen, die hier sozusagen medial zur Diskussion stehen, den Landeshaushalt nicht retten können. Das ist klar. Man kann diese Kürzungen auch verhindern, ohne insgesamt aufzugeben.

Ich sage aber auch: Ein Defizit in diesem Landeshaushalt kann man natürlich nicht allein dadurch auflösen, dass man sagt, dies seien Peanuts und jenes seien Peanuts. Viele Peanuts ergeben nachher einen großen Erdnusshaufen und viele große Erdnusshaufen bedeuten große Defizite. Deswegen würde ich diese Diskussion nicht an erster Stelle führen.

Jawohl, eines stimmt: Das, was hier zurzeit bei den betroffenen Trägern passiert, ist nicht nur Ausdruck der Haushaltssituation des Landes Sachsen-Anhalt, sondern auch eines falschen Politikverständnisses, sehr wohl.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eben auch Ausdruck der Haushaltssituation des Landes SachsenAnhalt und der mittelfristigen Finanzperspektive. Deswegen sage ich hier ausdrücklich, dass wir es hier mit zwei Baustellen zu tun haben. Das, was hier passiert, ist auch ein politischer Fehler dessen, was in der Landesregierung passiert ist. Aber dieser politische Fehler ist überhaupt erst möglich geworden, weil die realen Rahmenbedingungen des Landes Sachsen-Anhalt so sind wie sie sind. So ehrlich muss man sein.

Es gibt zwei Seiten einer Medaille. Es gibt zwei Fehler. Das eine ist die Position des Landes auch auf der Bundesratsebene zu solchen Fragen wie Schuldenbremse und Steuersenkungen. Das andere Problem ist, wie hier konkret mit den Leuten umgegangen wird. Beides ist falsch. Ich habe versucht, das deutlich zu machen. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Weitere Fragesteller melden sich nicht zu Wort. Wir kommen zum Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Bullerjahn, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Gallert, könnte es sein, dass ein vor uns stehendes Ereignis die Debatte ein bisschen beeinflusst hat? Denn - -

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ach nee!)