Protocol of the Session on March 20, 2009

Herzlichen Dank für die Einführung, Herr Franke. - Ich erteile jetzt der Landesregierung das Wort. Herr Staatsminister Robra wird das nutzen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal freue ich mich, dass das Thema jetzt auch im Landtag aufgegriffen wird. Es wird uns in den nächsten zwei bis drei Jahren sicherlich nicht loslassen.

Herr Franke, „jetzt packen wir es an, nicht kleckern, sondern klotzen“, das habe auch ich beim Breitbandgipfel gesagt. Darin sind wir uns völlig einig. Aber im Ge

gensatz zu Ihnen weiß ich, dass das nicht reicht. In den nächsten Jahren wird erheblich viel mehr auf uns zukommen. Sie haben das eine oder andere bereits angerissen.

(Herr Franke, FDP: 2010 ist der Termin!)

Da ist noch viel Arbeit zu leisten. Erstaunlich ist - lassen Sie mich auch das vorausschicken -, dass ausgerechnet die FDP wissen will, wie die Landesregierung die flächendeckende Breitbandversorgung bis 2010 sicherstellen will.

Gestern lasen wir in der Zeitung, dass der VodafoneChef Joussen die Vollversorgung durch die Wirtschaft bis Ende 2010 garantiert. „Bald gibt es Internet für alle ohne Staatsgeld“, war die Schlagzeile in der „Financial Times“, Herr Franke. Die Voraussetzung sei nur, dass Bund und Länder die richtigen Frequenzen freigeben - darauf komme ich noch zurück - und dass die Regulierung so gestaltet wird, dass die Unternehmen selber investieren. Das sagt Joussen. Wollen wir es ihm glauben?

(Zuruf von der FDP: Wettbewerb!)

Wir haben gestern gelernt, was das ist und dass echte Ordoliberale gar nicht nach dem Staat rufen.

(Beifall bei der CDU)

Bei der Regulierung ist sich die Wirtschaft allerdings noch gar nicht einig. In der Zeitung stand gestern als weitere Überschrift zu lesen: Kabelchefs verbünden sich gegen die Telekom. Auch sie wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Genauso geht es den Satellitenbetreibern. Wenn viel Geld unterwegs ist, werden die Unternehmen phantasievoll.

Doch im Ernst, meine Damen und Herren. Im Land können fast 15 % der Haushalte das Internet nicht nutzen und eine unbestimmte Zahl kann es nur schlecht nutzen. Es besteht Handlungsbedarf - nicht überall in demselben Maße, aber flächendeckend.

Die Vollerschließung des Landes mit Breitbandinternet ist kein Luxus mehr. Sie sichert die gleichberechtigte Teilhabe am Informationszeitalter und sie ist inzwischen notwendiges Produktionsmittel für unseren Mittelstand im weltweiten Wettbewerb. Sie ist Daseinsvorsorge, die der Staat mithilfe der Wirtschaft zu gewährleisten hat, von der wir erwarten, dass sie ihre vollmundigen Versprechen hält.

Damit auch wirtschaftlich weniger attraktive Orte zeitnah angeschlossen werden, muss der Staat helfen, die Wirtschaftlichkeitslücke zu schließen. Dafür gibt es Beihilfen. Die Lücke wird natürlich auch geringer, wenn mehr Menschen das Internet nutzen. Das heißt, wir brauchen angesichts unserer demografischen Situation mehr attraktive Internetangebote für ältere Menschen. Über das Stichwort „Telemedizin“ ist im Landtag schon gesprochen worden.

Außerdem muss der Staat den Prozess steuern, damit die Versorgungslücke - hier Turbo-DSL und dort noch nicht einmal ISDN - nicht immer weiter aufklafft. Wir wollen keine Zweiklassengesellschaft im Internet in Sachsen-Anhalt.

Seit etwas über einem Jahr ist die Breitbandwelt in Bewegung gekommen. Das fing an mit der Weltfunkkonferenz in Genf im November 2007, als man sich auf der europäischen und der weltweiten Ebene verständigt hat,

welche Frequenzen überhaupt für welchen Verwendungszweck zur Verfügung stehen. Daran anschließend hat die EU das Telekom-Paket unter anderem zur digitalen Dividende auf den Weg gebracht. Immer noch wird in Brüssel strittig diskutiert, was dabei am Ende herauskommt.

Vor etwa einem Jahr hat Seehofer in bescheidener Weise die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ für Modellprojekte geöffnet. Darin standen für 2008 bis 2010 deutschlandweit sage und schreibe nur 10 Millionen €. Wir haben uns - unter Verantwortung des Landwirtschaftsministeriums - in diesen Prozess eingeklinkt und in der Tat bei der Umsetzung einige Erfahrungen gewonnen. Ich sage das nur, damit man einmal sieht, auf welchem Level wir das noch bis Ende letzten Jahres diskutiert haben.

Auch bei der Umsetzung der GAK-Mittel haben wir gelernt, dass Insellösungen problematisch sind, dass aber für die jeweils beste Lösung oft noch nicht die notwendige Informationsbasis besteht. In diesem Zusammenhang sage ich Ihnen - das wissen Sie auch, Herr Franke -: Der Breitbandatlas, der zurzeit vorliegt, ist das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt worden ist. Das sind Zufallsinformationen. Es gab noch keine umfassende Erhebung.

Bei unserem Fragebogen, den Sie hier hochgehalten haben, handelt es sich nicht „schon wieder“ um einen Fragebogen, sondern dabei handelt es sich um den ersten - ich sage das ausdrücklich - Versuch, zu einer systematischen Erfassung der Breitbandversorgung im Lande und darüber hinaus der Infrastrukturen, die vorhanden sind, um die Breitbandversorgung verbessern zu können, zu gelangen.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Anfang Februar 2009 gab es das Zukunftsinvestitionsgesetz des Bundes mit dem Schwerpunkt Breitband. Wir haben darauf reagiert, und zwar nicht nur im Einzelplan der Staatskanzlei. Sie waren ja gestern immer wieder auf der Suche nach den Mitteln für die Fachhochschule der Polizei. Hätten Sie auch einmal in anderen Einzelplänen, die dafür infrage kommen, nachgeschaut, dann hätten Sie gesehen, dass bei der Kollegin Wernicke 12 Millionen € für die Breitbandversorgung im ländlichen Raum und beim Kollegen Hövelmann 1,3 Millionen € zur Verfügung stehen.

(Zuruf von der FDP)

- Er hat das alles sehr heruntergemendelt, als seien das - überspitzt formuliert - nur Centbeträge, die dort zur Verfügung gestellt würden.

(Zurufe von der FDP)

Mitte Februar 2009, vor etwa einem Monat, gab es die Einigung zwischen Bund und Ländern zur Nutzung eines Frequenzbandes als digitale Dividende für Funknetze - ausdrücklich mit Priorität für den ländlichen Raum. Schauen Sie sich die Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung - ein schwieriges Wort - an. Auch dort besteht noch das Problem, dass der Rundfunk nicht gestört werden darf. Wer die Modellprojekterfahrungen in Brandenburg und zwei oder drei anderen Bundesländern verfolgt hat, weiß, dass das technisch noch nicht so einfach ist. Aber wir brauchen diese Funkfrequenzen.

Am 18. Februar 2009 gab es die Breitbandinitiative des Bundes mit ihren mittlerweile bekannten vier Säulen.

Seit Anfang März läuft die Initiative der Bundesnetzagentur zur Versteigerung der Frequenzen als ein Beitrag zur Beschleunigung der Breitbandanbindung. Wenn diese wichtige Voraussetzung für die Telekom und natürlich auch für die Länder geschaffen ist, sie loslegen können und wenn der Zuschlag gewährt werden wird, dann wird sich die Welt der Anbieter und auch der Nutzer im positiven Sinne dramatisch verändern. Erst dann können wir mit den Funkfrequenzen arbeiten.

Am 11. März, also in unmittelbarer zeitlicher Abfolge, gab es das, was wir Breitbandgipfel der Landesregierung genannt haben. Aktuell - an dieser Stelle schließt sich der Kreis - unternimmt der Bund Aktivitäten in Brüssel zugunsten der Deregulierung, die Herr Joussen als Voraussetzung für seine Zusage sieht. Ein weiterer Titel der „Financial Times“ von gestern: Berlin trommelt für die Telekom in Brüssel. - Warten wir einmal ab, was dabei herauskommt.

(Herr Franke, FDP: Abwarten, abwarten, abwar- ten!)

Erst dann können wir wirklich abschließend beurteilen, was wir - -

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

- Es hat doch keinen Sinn, jetzt ins Blaue hinein Geld in die Welt zu schicken.

(Herr Wolpert, FDP: Aber Breitbandgipfel! - Zuru- fe von Herrn Kosmehl, FDP, und von Herrn Gal- lert, DIE LINKE)

Wir wollen die jeweils beste und jeweils schnellste - - Herr Gallert, es ist doch aber im Laufe dieses Jahres zu leisten.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Schauen wir mal!)

Wir wissen alle, dass das bis Ende April auch auf den anderen Ebenen geschafft wird. Alle Beteiligten, der Bund, die Bundesnetzagentur, die Länder, die Kommunen, die Telekoms dieser Welt arbeiten jetzt, aber auch erst beginnend - das gilt für alle -, mit Hochdruck an der Abarbeitung dieser Aufgabe.

Wir wollen jedenfalls alle Angebote im Land nutzen, um das ganze Land leistungsfähig an das Internet anzubinden. Wir wollen, dass die weißen Flecken verschwinden und dass mehr Kapazität in den Städten zur Verfügung gestellt wird, vor allem dort, wo vor Jahren das falsche Glasfasermaterial verlegt worden ist. In diesem Fall wissen nicht einmal die Kommunen abschließend, wo das überall der Fall war. Wir wissen es schon gar nicht; das können wir gar nicht.

Wir wollen auch mehr Leistung in den Gewerbegebieten und dabei immer die wirtschaftlichste und die zukunftsfähigste Lösung anstreben, die den weiteren Ausbau für eine Übertragung von 50 Megabit pro Sekunde bis zum Jahr 2014 gewährleistet. Es macht überhaupt keinen Sinn, hier und dort 1 Megabit pro Sekunde zu installieren, und in drei Jahren reißen wir die Kabel wieder heraus, verlegen neue Kabel, um eine Übertragungsrate von 50 Megabit pro Sekunde zu erreichen. Das ist das gemeinsame Ziel von Bund und Ländern - Sie haben es gesagt -: 75 %, 50 Megabit pro Sekunde.

Alle diejenigen, die von Physik und von der erforderlichen Technik ein bisschen Ahnung haben, wissen, worauf sich der Bund, die Länder und die Telekoms dieser

Welt an dieser Stelle eingelassen haben. Es wäre vor zwei Jahren noch utopisch gewesen, eine solche Zielvorgabe in die Welt zu setzen. Machen Sie sich doch nichts vor, Herr Franke! So ist das nun einmal.

Dazu ist es erforderlich, dass wir den Fehlbedarf präzise ermitteln und in einem aussagekräftigen Breitbandatlas des Landes zusammenstellen, und zwar in Kooperation mit der Bundesnetzagentur, die nach der Breitbandstrategie ebenfalls diese Aufgabe vom Bund zugewiesen bekommen hat. Hierfür ist zu erheben und zu erfassen, welche nutzbaren Infrastrukturen bereits vorhanden sind. Das hüten doch alle Partner und alle Unternehmen wie ihren Augapfel. Die Bahn lässt sich nicht hinter die Stirn gucken, wo sie schon Leerrohre hat. Die Gasversorger und die Telekoms auch nicht. All das muss und soll zusammengeführt werden. Auch die internen Netze von Unternehmen, an die man sich in bestimmten Bereichen des Landes anschließen kann, gehören offen gelegt und miteinander verknüpft.

Der Breitbandgipfel diente dazu, die Akteure zusammenzuführen, um die Strategien des Bundes zu vermitteln, um Wissen zu vermitteln, das wirklich notwendig ist, um alle Zugangsoptionen, auch die lokalen, erfassen zu können und auch um die Urteilsfähigkeit gegenüber Anbietern auf der kommunalen Ebene zu stärken; denn auch das ist wichtig.

An den Stellen, an denen so viel Geld im System ist, laufen Nepper, Schnäpper, Bauernfänger herum und versuchen, ihre jeweiligen Insellösungen, die alles andere als die besten sind, die nicht einmal second best sind, zu verkaufen. Das gehört auch zur Wahrheit. Gemeinsam mit den Kommunen müssen wir aufpassen, dass dort nicht in etwas investiert wird, was nicht wirklich zukunftsfähig ist.

Lassen Sie mich zum Finanzvolumen Folgendes sagen: Die Mittel im Zukunftsinvestitionsprogramm habe ich Ihnen noch einmal zusammengestellt. Darüber hinaus gibt es nach wie vor Mittel im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ und im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Dort sind nochmals Mittel in Höhe von 17 Millionen € eingestellt worden.

Außerdem gibt es laut Informationen, wie Sie sie heute in den Nachrichten hören konnten, die Absicht der Europäischen Kommission, in einem noch zu entwickelnden Programm - Herr Franke, auch die schießen das nicht aus der Hüfte heraus - weitere Mittel zur Verfügung zu stellen. Das heißt, wir haben bereits jetzt für die Jahre 2009 und 2010 weit über 50 Millionen €, die wir in dieses Problemfeld investieren können.

Lassen Sie uns also gemeinsam weiter an der Herausforderung arbeiten, bis zum Ende des Jahres 2010 überall im Land eine superschnelle Internetanbindung bis in jedes Haus zu gewährleisten. Wir wollen alle gemeinsam - ich bitte auch Sie darum, das zu tun - die Kommunen dabei unterstützen, die nötigen Informationen vor Ort zusammenzustellen. Das geht nicht immer nur innerhalb der jeweiligen Gemeindegrenzen. Die Physik macht weder an den Gemeindegrenzen noch an Kreisgrenzen halt. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir einen Teil der Probleme lösen können, wenn wir die Problemlösung auch direkt auf die Kreise übertragen und damit auch einen Teil der Mittel für die Kreise verfügbar machen.

Ich bin ebenso fest davon überzeugt, dass das allein nicht ausreicht, sondern dass auch das Land weiterhin Kreisgrenzen übergreifende und sogar Landesgrenzen überschreitende Lösungen fördern und unterstützen muss. Deswegen bin ich nach wie vor dankbar dafür, dass sich die Bundesregierung mit so viel Nachdruck dieses Themas angenommen hat; denn es ist eine nationale Initiative, ja eine europäische Initiative, die weit über die Grenzen des Landes Sachsen-Anhalt hinausreicht und die auch ein Bundesland allein vernünftigerweise gar nicht abschließend steuern kann. Das heißt, wir werden auch auf der länderübergreifenden Ebene weitere Koordinierungsrunden und Absprachen benötigen.

Wenn diese Grundvoraussetzungen flächendeckend geschaffen sein werden, dann wird sich dieser Prozess dynamisch beschleunigen. Dazu müssen wir wissen, welche Fehlbedarfe wir haben, welche Infrastrukturen, an die wir anknüpfen können, bereits vorhanden sind, und welche Mittel zur Verfügung stehen. Dieser Prozess hat begonnen. Er hat auch in Sachsen-Anhalt begonnen. Lassen Sie uns gemeinsam bis Ende des Jahres 2010 an dem Ziel arbeiten. - Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zustim- mung von Minister Herrn Dr. Haseloff)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Gehen Sie nicht weg, Herr Staatsminister. Es gibt eine Nachfrage von Frau Dr. Hüskens.