Protocol of the Session on March 19, 2009

Ich möchte am Ende versöhnlich werden. Es gibt sage und schreibe zwei Elemente in diesem Nachtragshaus

halt, die die eigene Handlungsfähigkeit in dieser Krise belegen. Das ist zum einen durch die Ausweitung des Bürgschaftsrahmens von 2,4 Milliarden € auf 3 Milliarden € belegt. Das findet ausdrücklich unsere Zustimmung.

(Herr Tullner, CDU: Das wissen wir doch!)

Zum anderen betrifft es die Einstellung der Mittel in Höhe von 4 Millionen € für die Schülerbeförderung für den Rest des Schuljahres und des Folgejahres. Wir haben diese Forderung seit Beginn dieser Legislaturperiode kontinuierlich aufgestellt. Wir sehen sie zum ersten Mal in diesem Entwurf der Regierung erfüllt. Das erfüllt uns mit Freude. Manchmal dauert es etwas länger, bis unsere Vorstellungen durchkommen,

(Herr Tullner, CDU: Ja, ja, ja! - Zuruf: Oh!)

aber für uns ist das eine positive Aussage in diesem Haushaltsplan.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Tullner, ich merke, Sie freuen sich auch, dass wir uns freuen. Das macht eine gewisse Einigkeit in diesem Haus deutlich.

(Herr Tullner, CDU: Das täuscht!)

Wir wissen nun, warum unser Vorschlag immer abgelehnt wurde. Unser Vorschlag ist immer nach dem Motto abgelehnt worden, wir versuchten, Haushaltsmittel bereitzustellen, ohne dass wir ein Konzept und eine gesetzliche Grundlage hätten. Das war immer das große Argument. Als wir dann eine gesetzliche Grundlage geliefert haben, ist auch diese abgelehnt worden. Nun hat die Landesregierung einen Betrag von 4 Millionen € für dieses Projekt eingestellt, ohne dass eine konzeptionelle Untersetzung oder ein gesetzlicher Aspekt aufgeführt wird.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Dazu sage ich ausdrücklich: Das ist in Ordnung. Wir sind gerne bereit, dies zu liefern und Ihnen dabei Unterstützung zu geben. Ansonsten werden wir unsere Aufgabe als Opposition erfüllen. Ich hoffe, das habe ich klar gemacht. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr Gallert. Es gibt eine Rückfrage von Herrn Wolpert. Diese wollen Sie sicherlich beantworten. - Bitte schön, Herr Wolpert.

Herr Gallert, Sie haben gerade gesagt, die Hypo Real Estate hätte neoliberale Finanzpolitik betrieben.

Doch. Ist Ihnen klar, dass Neoliberalismus in den 20er- und 30er-Jahren entstanden ist, „Marktwirtschaft mit Regeln“ heißt, und sich aus diesem System die soziale Marktwirtschaft entwickelt hat? Wollten Sie sagen, die Finanzpolitik des Neoliberalismus hat die Finanzkrise hervorgerufen?

Über den Begriff des Neoliberalismus gibt es sehr viele verschiedene Deutungsmuster. Ich teile Ihres ausdrücklich nicht. Neoliberalismus heißt für uns im Wesentlichen „Marktwirtschaft ohne Regeln“. Im Gunde genommen ist der gesellschaftliche Mainstream in den vergangenen 20 Jahren wie folgt gewesen: Deregulierung, Abbau von politischer Einflussnahme, nach dem Motto, lass den Markt machen, wir ziehen uns zurück; die Dinge werden sich selber regeln.

(Zurufe von Herrn Kosmehl, FDP, und von Herrn Franke, FDP)

Schauen Sie in die Koalitionsvereinbarung zur Regelung der Finanzmarktpolitik der Bundesregierung aus dem Jahr 2005. Darin finden Sie das genauestens dokumentiert. Ich sage, dass das, was mit der Hypo Real Estate passiert ist, das Ergebnis einer solchen Rücknahme von politischen Regeln im Bereich des Marktgeschehens ist. Das ist die Konsequenz, die sich daraus ergeben hat. Man hat sie machen lassen - das ist Schuld der Politik -, jetzt hat man den Scherbenhaufen und kriegt den Scherbenhaufen von denjenigen vor die Tür gekippt, die ihn verursacht haben.

Die Politik ist insofern daran schuld gewesen, als man den Leuten die Handlungsfreiheit gegeben hat, diesen Scherbenhaufen anzurichten. Dabei bleiben wir. Der Begriff, den wir dafür verwenden, ist Neoliberalismus. Wenn Sie einen eigenen Begriff haben, dann finde ich das gut für Sie. Uns wird das nicht irritieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. Jetzt hat Frau Hüskens noch eine Nachfrage. - Bitte schön, Frau Dr. Hüskens.

Herr Präsident, ich habe keine Nachfrage, sondern möchte eine Intervention machen.

Also, Sie intervenieren.

Der Begriff „Neoliberalismus“ ist in jedem Lexikon - es wird sich auch in Ihrer Fraktion eines finden - eindeutig definiert. Ich sage ganz klar, damit wir das nicht jedes Mal diskutieren müssen: Jemand, der sich gegen Neoliberalismus als Wirtschaftsform richtet, richtet sich gegen unser Grundgesetz.

(Zustimmung bei der FDP - Zuruf von der LIN- KEN)

- Herr Gallert, informieren Sie sich einmal. Man kann versuchen, Begriffe als Kampfbegriff zu verwenden, die einem Spaß machen, weil sie schön klingen. Der Begriff „Neoliberalismus“ ist der wissenschaftliche Begriff für die soziale Marktwirtschaft.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Nein! - Frau Bull, DIE LINKE: Stimmt nicht!)

Ich gehe davon aus, dass Sie nicht vorhaben, sich gegen die soziale Marktwirtschaft zu richten. Ich denke, es

ist eine Klarstellung erforderlich. Vielleicht formulieren Sie es noch einmal aus Ihrer Sicht.

(Beifall bei der FDP)

Frau Hüskens, diese Diskussion belegt wieder einmal meine These, dass sich die Gesellschaft in Parallelwelten aufteilt, zumindest was den sprachlichen Gebrauch solcher Begriffe betrifft.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Nein!)

Frau Hüskens, wenn Sie sagen, wer den Begriff des Neoliberalismus ablehne, sei Gegner unseres Grundgesetzes, dann zeigen Sie mit bitte den Begriff des Neoliberalismus im Grundgesetz, auf den wir im Grundgesetz verpflichtet werden. Meines Wissens ist dieser Begriff nicht im Grundgesetz enthalten. Zeigen Sie mir, wo steht, die Wirtschaftsordnung dieser Bundesrepublik Deutschland ist die des Neoliberalismus. Dann können wir gern weiter darüber diskutieren. Ich kenne den Begriff nicht aus dem Grundgesetz.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. Herr Harms hat noch eine Nachfrage. - Bevor Herr Harms das Wort nimmt, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Gorki-Sekundarschule Schönebeck auf der Tribüne. Herzlichen willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Jetzt kann Herr Harms seine Frage stellen.

Herr Gallert, wie erklären Sie sich das wirtschaftliche Ende der DDR?

Herr Harms, ich sage es jetzt einmal so: Die Redner nach mir haben ein Recht darauf, ein aufmerksames Publikum vor sich zu haben, und: Hunger macht böse.

(Unruhe - Zuruf von Frau Dr. Paschke, DIE LIN- KE - Herr Miesterfeldt, SPD, lacht)

Das Ende der DDR hat viele Ursachen, aber ganz bestimmt nicht das System des Neoliberalismus. Darüber besteht möglicherweise unter uns Konsens.

(Heiterkeit - Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Das Ende der DDR war Ausdruck einer politischen und ökonomischen Fehlstrukturierung dieses Systems,

(Herr Kosmehl, FDP: Das System ist falsch!)

und zwar von seinen Grundlagen her. Es war deswegen letztlich zum Scheitern verurteilt.

Das Problem ist nur: Es gibt einen Volksmund, der da sagt: Das Gegenteil eines Fehlers ist immer wieder ein Fehler. Sie werden diese Gesellschaft nicht dadurch legitimieren können, dass all das, was das Gegenteil dessen auszumachen scheint, was die DDR ausgemacht hat, jetzt richtig ist, Herr Harms. So einfach sind gesellschaftliche Zusammenhänge nicht.

(Starker Beifall bei der LINKEN - Herr Dr. Schra- der, FDP: Schlimmer geht’s ja kaum noch!)

Ich sage Ihnen, Herr Harms, noch eines: Meine Position bei der vergleichenden Betrachtung beider Gesellschaftssysteme ist inzwischen, dass es mehr Parallelen gibt, als sich das viele von uns eingestehen wollen.

(Starker Beifall bei der LINKEN)