Protocol of the Session on February 20, 2009

Nicht jede Kritik an Ihrer Person ist gleichzeitig eine Kritik an der Arbeit der Polizei.

(Beifall bei der LINKEN und bei der FDP)

An die Adresse der CDU-Fraktion: Leben Sie in einem Vakuum? - Seit Monaten gibt es öffentliche Kritik an der Amtsführung des Innenministers. Da meinen Sie, nicht zu wissen, worüber wir heute reden wollen? - Außerdem sind wir in unserem Antrag ausführlich darauf eingegangen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir hätten eine zehnseitige Begründung schreiben müssen. Das war bisher aber nicht Maßstab in diesem Hause und sollte es auch nicht sein.

Meine Damen und Herren! Kann man ein Ministerium mit einem Orchester vergleichen? - Wir denken schon, wenngleich Vergleiche immer hinken. Beide brauchen einen kompetenten, durchsetzungsfähigen und aufgabenorientierten Dirigenten, der sicherstellt, dass das Ensemble harmonisch zusammenarbeitet und Misstöne ausgeschlossen werden. Davon ist das Innenministerium aber seit Jahren weit entfernt. Da gibt es ein Paar - ich überlasse es Ihrer Phantasie, ob Sie das „Paar“ groß- oder kleinschreiben - erste Geigen, die am Dirigenten vorbei ihre eigene Melodie spielen. Obwohl der Minister von außen die schrägen Töne hört, reagiert er nicht, greift nicht ein, oder er greift oftmals zu spät ein.

(Beifall bei der LINKEN und bei der FDP)

Aber allein der Minister hat den Taktstock zu schwingen und darf sich nicht das Zepter aus der Hand nehmen lassen. Doch Ereignisse in der Vergangenheit sprechen eine andere Sprache.

Bereits im Januar 2006 - ich gebe zu, unter einem anderen Innenminister - gab es auf unseren Antrag hin eine

Aktuelle Debatte in diesem Hause zur besorgniserregenden Situation in der Polizei in Sachsen-Anhalt. Besorgniserregende Ergebnisse traten aufgrund einer Arbeitssituationsanalyse an den Tag wie eine große Unzufriedenheit unter den Polizistinnen und Polizisten, Demotivation, eine Verschlechterung des Klimas untereinander, eine wachsende Flut von zu erledigenden Statistiken und Verwaltungsaufgaben. Die Stimmung der Beamtinnen und Beamten, so wurde eingeschätzt, befand sich bedenklich am Abgrund. Wie sieht es nunmehr im Jahr 2009 aus? - Wir sind einen Schritt weiter.

Trotz aller Missstände und Schwierigkeiten versuchen die Polizistinnen und Polizisten in Sachsen-Anhalt, mit ganzer Kraft und mit ganzem persönlichen Einsatz ihren Aufgaben im Interesse der öffentlichen Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden, für jeden von uns, und das jeden Tag. Hierfür gilt ihnen unser Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei der FDP)

Umso mehr müssen vorhandene Defizite und Mängel angesprochen werden. Es darf nichts bagatellisiert und verharmlost werden. Aber genau das war das Problem der Politik der vergangenen Monate und zeichnete auch die beiden zuletzt gehörten Redebeiträge aus.

Die Mitglieder des Innenausschusses hätten es schon erwartet, dass der Innenminister ohne Aufforderung über den Bericht der Staatsanwaltschaft zur Polizeistrukturreform zeitnah unterrichtet, und dies noch bevor man Details darüber der Presse entnehmen konnte, zumal wir bereits im April 2008 aufgrund der Kritik der Gewerkschaften im Innenausschuss Aufklärung verlangt hatten.

(Beifall bei der LINKEN und bei der FDP)

Damals wurde erklärt, zu grundlegender Kritik an der Polizeistrukturreform bestehe keinerlei Veranlassung. Das liest sich nun in dem Bericht leider ganz anders. Lassen Sie mich nur einige wenige in diesem Bericht aufgeführte Probleme zitieren, um Ihnen die Tragweite zu verdeutlichen: Motivationsverluste auf sämtlichen Ebenen, fehlende Tatortarbeit und Spurensicherung, Kompetenzverluste und fachliche Defizite insbesondere bei Sonderdezernaten, zum Beispiel BTM-Kriminalität, und Aktentennis zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei. Ich könnte fortfahren.

Welch weise Voraussicht: Die Staatsanwaltschaft prognostizierte einen Rückgang der Kriminalität, aber nicht, weil die Bürger dieses Landes rechtstreuer geworden wären, sondern weil zum Beispiel Sachen gar nicht mehr zur Anzeige gebracht werden und Strukturermittlungen wie bei der Betäubungsmittelkriminalität nicht mehr durchgeführt werden können. Diese Weitsicht hat sich auch bei der Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik 2008 am Mittwoch bestätigt. Wir sollten uns aber davor hüten, diesen Rückgang als Erfolg zu feiern.

(Beifall bei der LINKEN und bei der FDP)

Wir hätten erwartet, dass der Innenminister den Bericht der Generalstaatsanwaltschaft zur Chefsache erklärt. Doch weit gefehlt: Zur Berichterstattung im Ausschuss erscheint nur der Staatssekretär; denn der Innenminister - das sei ihm gegönnt - war in seinem wohlverdienten Urlaub. Doch wenn der Innenminister am selben Tag beim Neujahrsempfang erscheint, ist das sicherlich eine Frage seiner Urlaubsgestaltung, aber aus unserer Sicht unsensibel und mehr als fragwürdig.

(Beifall bei der LINKEN und bei der FDP)

Sehr geehrter Herr Minister, wenn es Ihnen wirklich wichtig gewesen wäre, dann hätten Sie trotz Urlaub aufgrund der fachlichen und politischen Brisanz des Problems im Ausschuss persönlich Rede und Antwort stehen müssen.

(Beifall bei der LINKEN und bei der FDP)

In dieser Innenausschusssitzung erklärte der Staatssekretär, dass es bereits einen ersten Zwischenbericht zur Evaluierung der Polizeistrukturreform gebe. Auf Nachfrage in der nächsten Innenausschusssitzung erklärten Sie, Herr Innenminister, dass Sie einen solchen Bericht nicht kennen würden und es diesen Ihrer Meinung nach noch gar nicht gebe. Hü und hott! Wer hält eigentlich die Zügel?

Ich kann aufgrund der vorgegebenen Zeit nicht auf die zahlreichen parlamentarischen Initiativen eingehen, die wir im Zusammenhang mit dem Agieren im Innenministerium gestellt haben. Daher nur noch Folgendes zur Besetzung der Rektorenstelle der Polizeifachhochschule: Hier wird nunmehr auf dem Rücken eines sicher sehr kompetenten Polizeibeamten etwas ausgetragen, was seit Jahren mit der Laufbahnverordnung schief läuft, mal ganz abgesehen davon, dass hier am Gesetz vorbei die Verordnung probeweise verändert wurde.

Ich sage es an dieser Stelle ganz deutlich: Wir nehmen es Ihnen nicht ab, dass der Beamte nur kommissarisch als Rektor eingesetzt wurde. Dagegen spricht alles, was es dazu bisher an Verlautbarungen gab. Selbst die Rektorenkonferenz geht von einer Ernennung aus.

(Beifall bei der LINKEN und bei der FDP)

Noch etwas bereitet uns große Sorgen. Wenn sich Polizeibeamte anonym oder mit der ausdrücklichen Bitte an uns wenden, dass ihr Name nicht genannt wird, dann ist auch das ein beredtes Zeugnis schlechter Führungsarbeit. Ich zitiere aus einem Brief:

„Nur wer die Augen öffnet und die Probleme sehen will, hat die Möglichkeit der Verbesserung. Die Herren im Innenministerium schließen lieber die Augen und möchten mit Erfolgen der Polizei zuallererst ihr eigenes Image aufbessern. - Ein Polizist, der für sich in Anspruch nimmt, seinen Beruf zu mögen, und dessen Engagement ihn dazu bringt, diesen Weg zu wählen - würde er als Überbringer der schlechten Nachricht mit seinem Namen unterschreiben, wüsste er, was passiert.“

Leider sind das genau die Erkenntnisse, die sich auch für uns aus dem Zehnten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Hinblick auf den Umgang mit den drei Staatsschützern ergeben.

(Beifall bei der LINKEN und bei der FDP)

Herr Minister, wenn es Ihnen nicht gelingt, in den nächsten Monaten den Taktstock wieder oder überhaupt in die Hand zu nehmen, dann sind Sie nicht der richtige Dirigent. - Ich bitte um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

(Beifall bei der LINKEN und bei der FDP)

Das war der Beitrag von Frau Tiedge von der Fraktion DIE LINKE. - Jetzt kommen wir zum Beitrag der SPD. Frau Budde, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Guido hat es auch nicht immer leicht.

(Herr Stahlknecht, CDU: Wer?)

- Der Guido. Der Guido hat doch angefangen: Der Holger hat es schwer. Da fange ich einmal genauso an: Der Guido hat es auch nicht immer leicht.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich einmal das niedliche Wortspiel nehme von X und Y, dann sollte es sich die FDP überlegen, ob sie vielleicht manchmal mit dem Y-Chromosom ein Problem hat, wenn ich so an den Anfang der Legislaturperiode denke. So etwas sollten wir bei einem so ernsthaften Thema möglicherweise lassen.

(Beifall bei der SPD - Frau Dr. Hüskens, FDP: Frau Budde, kläglich! - Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

Und um eines gleich voranzustellen: Den Missbilligungsantrag der Opposition lehnen wir ab.

(Beifall bei der SPD)

Das tun wir nicht nur, weil er von der Opposition kommt, sondern weil damit insbesondere die politische Diskussion in der Sache mit der Kritik an der Amtsführung unzulässig verknüpft wird. Bagatellisiert wird ganz sicher nichts von der Regierungskoalition.

(Zuruf von der LINKEN: Na, das sehen wir aber anders! - Weitere Zurufe von der LINKEN - Herr Kosmehl, FDP: Oh!)

Aber es wird angemessen relativiert. Das, was ich hier an Zitaten und unvollständigen Zitaten gehört habe, gleicht schon ein bisschen einer Suggestivaussage.

Es stellt sich auch ein bisschen die Frage, warum die FDP-Fraktion den Antrag auf Missbilligung eingebracht hat. Herr Scharf hat schon etwas dazu gesagt. Vielleicht ist das Motiv ganz einfach. Wir sind alle mal in der Opposition und mal in der Regierung; so ist die Demokratie. Vielleicht haben Sie es uns nicht vergessen, dass wir in der letzten Legislaturperiode als SPD-Fraktion zwei Missbilligungsanträge gegen FDP-Minister gestellt haben. Vielleicht wurmt Sie das noch immer - vielleicht.

Aber wenn es schon eine Missbilligung sein soll, die Sie beantragen, dann sollten Sie sich wirklich mehr Mühe geben; denn Ihr Antrag ist absolut leer.

(Beifall bei der SPD - Frau Dr. Hüskens, FDP: Reden sie doch einmal zum Inhalt, Frau Budde!)

Der ist absolut leer. Und das ist einfach nur beschämend.

DIE LINKE hat sich mehr Mühe gegeben. Das meine ich jetzt nicht einfach nett, sondern das meine ich sehr ernst. In ihrem Änderungsantrag sind Punkte, die offensichtlich problematisch für sie sind, aufgeführt worden. Deshalb will ich auch auf diesen Änderungsantrag eingehen.

(Frau Tiedge, DIE LINKE: Sie sind auch proble- matisch!)

Punkt 1 lehnen wir ab. Das ist klar.