Protocol of the Session on February 20, 2009

spricht - auch das hat Herr Franke schon gesagt -, das sind Größenordnungen, die uns wachsam werden lassen müssen und die uns veranlassen müssen, uns diesem Problem konsequenter zu nähern und nicht nur aus Anlass einer solchen Debatte.

Die nächste Richtung, aus der ich mich dem Thema nähern möchte, sind die Sozialabgaben. Die Schadenssumme in Höhe von 19,22 Millionen € im Jahr 2005, von 16,2 Millionen € im Jahr 2006 und von 12,82 Millionen € im Jahr 2007 ist zwar rückläufig, aber die Zahlen sind immer noch sehr hoch. Die Verluste für die Rentenversicherung, die daraus resultieren, sind enorm. In den 103 Fällen, die nach Ihrer Antwort bearbeitet wurden, die aber nur einen Bruchteil aller Fälle ausmachen, wurden Beitragsnachforderungen in Höhe von 3,233 Millionen € und Säumniszuschläge in Höhe von 1,057 Millionen € erhoben. Das sind enorme Zahlen.

Ich möchte an dieser Stelle auch sagen: Es geht nicht nur um die Verluste, die den Sozialkassen und dem Fiskus entstehen, sondern es geht auch darum, dass die Arbeitnehmer, die in Schwarzarbeit tätig sind, natürlich nicht sozialversichert sind. Das bedeutet für den Staat, dass er am Ende die Sozialleistungen, also die Rente, die Zahlungen im Krankheitsfall und den Unterhalt für die Familien, allein zahlen muss. Ich denke, das kann nicht sein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Für Schwarzarbeit sind immer zwei Parteien verantwortlich, eine, die schwarzarbeiten lässt, und eine, die schwarzarbeitet. Wenn einer von beiden nicht mitmacht, dann ist Schwarzarbeit auch nicht möglich. Deshalb ist es richtig, beide zur Verantwortung zu ziehen, auch wenn das den Anschein hat, ungerecht zu sein.

Viele Menschen sind in Existenznöten und lassen sich dadurch schneller in rechtswidrige Jobs drängen. Kann man ihnen das vorwerfen? - Nein. Das rechtfertigt aber auch nicht Arbeitsverhältnisse ohne Abgaben für die Sozialversicherung, die Krankenversicherung, die Rentenversicherung und ohne Steuern.

Aus meiner Sicht steht die Zunahme der Schwarzarbeit in direkter Verbindung zur wachsenden Arbeitslosigkeit und zur steigenden Armut. Je größter die Not ist, desto geringer ist die Moral und desto größer ist die Bereitschaft, Arbeit um jeden Preis anzunehmen. Leider gibt es eine Reihe von Unternehmern, die diese Notlage für sich ausnutzen; denn das Angebot zur Schwarzarbeit kommt immer von einem Unternehmer oder Arbeitgeber.

Bei der Umgehung des geltenden Rechts sind neben dem Baugewerbe das Taxi- und Transportgewerbe sowie das Hotel- und Gaststättengewerbe die Schwerpunktbereiche.

Auch wenn es nicht augenfällig ist, wird auch in vielen anderen Branchen schwarzgearbeitet, nur um den Job zu behalten. Im Einzelhandel wird viel Arbeitszeit nicht bezahlt. Zum Beispiel gibt es Arbeitsverträge, in denen sechs Stunden Arbeitszeit vereinbart sind, aber tatsächlich werden acht, zehn und mehr Stunden gearbeitet. Auch die Stunde für die Vor- und Nachbereitung ist, wenn sie nicht bezahlt wird, was auch in anderen Dienstleistungsbereichen der Fall ist, Schwarzarbeit.

Ich will gar nicht von den Scheinselbständigen reden, die für die Betreuung im Banken- und Versicherungsbereich

tätig sind. Glauben Sie mir, ich könnte die Palette der Schwarzarbeit angesichts der Erfahrungen in den letzten Wochen noch erweitern.

Die Existenznöte sind groß, und die Angst, das bisschen Einkommen auch noch zu verlieren, macht Menschen sehr willig, Dinge für den Job zu tun, die nicht rechtens sind.

Noch ein Gedanke von mir: Gestern stand in der „Volksstimme“ zu lesen, dass die Zeitarbeit nach Angaben des IWH eine der in Deutschland am schnellsten wachsenden Branchen sei - trotz der Krise. Ich habe dazu hier schon öfter etwas gesagt. Eigentlich soll sie doch nur Produktionsspitzen abfangen. Ein Grund für den Anstieg sei die Anpassungsfähigkeit dieser Beschäftigungsform, die vor allem Arbeitgeber schätzten. Aus meiner Sicht ist das eine Vorstufe zur Schwarzarbeit. Ich kann Sie von den Koalitionsfraktionen nur auffordern, auch hierbei das geltende Recht umzusetzen.

Meine Damen und Herren! Dass nicht alle Arbeitsverhältnisse unabhängig voneinander agieren, sondern in ein ganzes System eingebunden sind, wissen wir. So muss das Thema auch behandelt werden. Wir können nicht sagen, heute beschäftigen wir uns mit der Schwarzarbeit, morgen mit der Zeitarbeit, übermorgen mit der Teilzeitarbeit, dann mit bezahlter oder unbezahlter Arbeit usw. Die Beschäftigten sind ein wesentlicher Teil der Wirtschaftspolitik und bestimmen nicht unerheblich unsere Wettbewerbsfähigkeit und auch die deutsche Reputation.

Ursachen bekämpfen - ja. Deshalb fordert meine Fraktion zur Durchsetzung von legaler Beschäftigung die Umsetzung von Mindeststandards wie die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns und von Tariftreueregelungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir wollen, dass schriftliche Arbeitsverträge mit Festlegungen zu Mindeststandards wie Arbeitszeit, Tariflohn pro Stunde für die zu leistende Arbeit, zu Überstunden, Urlaub und Wochenarbeitszeit sowie zu freien Tagen zur alltäglichen Norm werden. Dazu gehört auch, dass eine manipulationssichere Zeiterfassung gesetzlich festgeschrieben wird. Das soll insbesondere für das Baugewerbe, für das Hotel- und Gaststättengewerbe, für das Verkehrsgütergewerbe einschließlich Taxen und für weitere Wirtschaftszweige gelten.

Auch wirksame Instrumente für Betriebs- und Personalräte zur Einflussnahme auf die Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern im Unternehmen, von Subunternehmern und von Zeitarbeitsfirmen sind eine wesentliche Voraussetzung für die Verhinderung von Schwarzarbeit.

Lassen Sie mich abschließend eine Bitte äußern: Ich würde den Wirtschaftsausschuss bitten, sich im Rahmen der Selbstbefassung mit diesem Thema zu befassen und über eine Anhörung der beteiligten Institutionen, die in Sachsen-Anhalt tätig sind, nachzudenken, um sich mehr Rechtssicherheit und Informationen zu beschaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank für Ihren Beitrag, Frau Rogée. - Wir kommen zum Debattenbeitrag der CDU. Der Abgeordnete Herr Gürth hat das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit einem Zitat beginnen. Am 29. Januar 2009 verbreitete eine Nachrichtenagentur folgende Nachricht:

„Die weltweite Wirtschaftskrise führt Experten zufolge in diesem Jahr zu einer starken Zunahme der Schwarzarbeit. Das Volumen der Schattenwirtschaft werde 2009 um rund 5 Milliarden €“

- das entspricht der Hälfte unseres Landeshaushaltes -

„gegenüber dem Vorjahr wachsen, geht aus Prognosen des Wirtschaftsexperten Friedrich Schneider von der Universität Linz gemeinsam mit dem Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) hervor. Demnach werde das Verhältnis von Schattenwirtschaft zur offiziellen Wirtschaft 2009 rund 14,6 % betragen. Im Jahr zuvor betrug der Anteil von Schwarzarbeit am gesamtwirtschaftlichen Umsatz in Deutschland 14,2 %.“

Das heißt, es wächst wieder. Was heißt das für uns? - Wir haben schon viele Zahlen gehört. Wenn wir die 349 Milliarden € als Anteil am Bruttosozialprodukt deuten, dann entspricht das ungefähr der Größe des Bruttoinlandsproduktes von Baden-Württemberg, dem wirtschaftlich stärksten Land in Deutschland.

Wenn wir uns die Zahlen anschauen, die dahinter stehen, dann wären das rein rechnerisch drei Millionen Arbeitsplätze - der DGB sagt, es könnten 1,5 Millionen sein, wenn man die Schwarzarbeiter in legale Arbeitsverhältnisse überführen könnte. Selbst das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung meint, man könnte bei entsprechenden Rahmenbedingungen ca. eine Million sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse generieren, wenn illegale Arbeit in legale Arbeit überführt werden könnte.

Dazu nehmen wir einmal einen Berechnungssatz, der nicht im Mindestlohnbereich angesiedelt ist, sondern die Grundlage für diese Berechnungen des DGB und des DIW ist: ein Jahresbruttoarbeitsentgelt von ca. 50 000 €. Für Sachsen-Anhalt entspräche das 25 000 Jobs. Das ist eine ernst zu nehmende Größenordnung.

Schwarzarbeit vernichtet sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse durch eine unehrliche, unsaubere und unerlaubte Konkurrenz. Schwarzarbeit verhindert die Schaffung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze. Schwarzarbeit untergräbt den Wettbewerb und Schwarzarbeit - das müssen wir immer wieder deutlich und laut sagen - ist Steuerhinterziehung und Versicherungsbetrug zulasten aller ehrlichen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

(Zustimmung bei der SPD)

Das größte Problem ist für mich die inzwischen gewachsene und vorhandene gesellschaftliche Akzeptanz für Schwarzarbeit. Vielerorts wird die Schwarzarbeit als Notwehr des kleinen Mannes gegen zu hohe Steuern und Sozialabgaben angesehen.

Wenn man ehrlich ist, muss man sagen: Je mehr Schwarzarbeiter man in seinem eigenen Umfeld kennt und duldet, desto geringer ist die Hemmschwelle, Schwarzarbeit zuzulassen. Wo fängt Nachbarschaftshilfe an und wo hört sie auf? Wo fängt Schwarzarbeit an? Ist es der Tauschhandel: Reparierst du mein Auto, dann pflastere ich deine Auffahrt? Ist es der Lehrer, der

den Nachbarssohn nach Unterrichtsschluss gegen Entgelt durchs Abi bringt?

Es gibt viele Formen der Schattenwirtschaft und der Schwarzarbeit und vieles wird zunehmend geduldet. Deswegen ist es eine allererste Aufgabe, etwas gegen die wachsende gesellschaftliche Akzeptanz zu tun.

Das zweite Problem ist der wirtschaftliche Anreiz. Wir stehen vor der Frage: Was können wir tun, um diesem Phänomen der wachsenden Schattenwirtschaft zu begegnen?

Wir haben in der Antwort auf die Große Anfrage einen interessanten Index als Anlage mit vielen Zahlen bekommen. Den Anlagen ist eine etwa zweieinhalb Seiten lange Auflistung von Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien jüngeren Datums zu entnehmen, die helfen sollen, die Schwarzarbeit noch besser zu bekämpfen. Die Schlussfolgerung, die man aus der erlebten Praxis nunmehr ziehen kann, ist aber: Es ist ein Irrglaube, dass man mit noch mehr Gesetzen die Schwarzarbeit besser bekämpfen könnte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben eine so genannte FKS gegründet. Dafür gab es eine gesetzliche Grundlage, die neu ist. Dort sitzen 7 000 Leute, so genannte VBEs, tariflich ordentlich bezahlt, die bundesweit Schwarzarbeit bekämpfen sollen. Mit der Verabschiedung des Gesetzes sind Einnahmen in Höhe von 1 Milliarde € aus Bußgeldern im Zuge der Aufdeckung von Schwarzarbeit prognostiziert worden.

Das Ergebnis ist: Diese 7 000 Leute haben noch nicht mal ihre Eigenkosten erwirtschaftet. Aber - das will ich auch sagen - es war nicht wirkungslos. Immerhin wurden dadurch 118 000 Strafverfahren eröffnet und der Kontrolldruck hat sich erhöht, was von der Sache her zu begrüßen ist.

Solange ein Handwerker aber fünf Stunden arbeiten muss, um sich einen anderen Handwerker leisten zu können, bleibt die Hauptursache bestehen, nämlich der wirtschaftliche Anreiz oder manchmal sogar die wirtschaftliche Not, Schwarzarbeit oder Schattenwirtschaft zu dulden oder zuzulassen.

Wenn wir die Schere zwischen Brutto und Netto nicht minimieren können, wenn also die Arbeitskosten, wie es in den letzten dreißig Jahren der Fall ist, immer teurer werden und der Arbeitnehmer immer weniger netto frei verfügbar hat, werden wir keine wirksamen Mittel zur Bekämpfung der Schwarzarbeit auf den Weg bringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Gestatten Sie mir, dass ich noch einen Aspekt anspreche, den ich eigentlich gar nicht erwähnen wollte. Es geht um die Frage Mindestlöhne, Bürokratie und dergleichen mehr. Die CDU hat eine sehr klare Position zum Thema Mindestlöhne. Es gibt bereits Mindestlöhne, das sind die tariflichen Mindestlöhne. Es gibt Mindestlöhne, zu denen es eine klare Rechtsprechung gibt, wo illegale Arbeit anfängt, und es gibt andere gesetzliche Maßnahmen, die in Deutschland Mindeststandards vorschreiben wie in keinem anderen Land der Welt.

Ich finde es unehrlich, wenn man hier immer wieder das Thema Mindestlöhne bei allen sich bietenden Gelegenheiten hochzieht als ein Alleinlösungsinstrument für alle sozialen Probleme und Sorgen.

(Zurufe von der LINKEN)

Wenn Sie das Thema Mindestlöhne - das sage ich klar an die Adresse der LINKEN - auf den Tisch packen, dann muss ich deutlich sagen: Mindestlöhne pauschal bekämpfen keine Schwarzarbeit, sondern sind eher geeignet, Schwarzarbeit zusätzlich zu generieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Frau Bud- de, SPD: Das ist falsch! - Zurufe von der LIN- KEN)

Ich kann Ihnen das anhand von wissenschaftlichen Daten belegen. Welche Mindestlöhne nach welchem Modell wollen Sie denn?

(Zuruf von Herrn Dr. Thiel, DIE LINKE)

Nehmen wir das angelsächsische Modell oder das amerikanische Modell gesetzlicher Mindestlöhne? - Da fängt die Unehrlichkeit der LINKEN schon an. Zur Wahrheit: Dieses Modell gesetzlicher Mindestlöhne, bei dem Politiker oder Gremien - wie am Ende der DDR - festlegen, was ein Mindestlohn ist, bedeutet, dass es in einem Gesamtpaket steht. Eine Übernahme des Gesamtpakets nach dem englischen Modell würde bedeuten, dass wir die Hälfte der Sozialstandards in Deutschland über Bord werfen müssten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)