Protocol of the Session on February 20, 2009

- Bevor Sie klopfen, darf sich Sie darauf aufmerksam machen, dass es Zeiten gab, als Sie im Bund mitregiert haben, zwischen 1968 und 1998, in denen die Mehrwertsteuer von 11 % auf 15 % angehoben wurde - mit Ihrer Stimme.

(Herr Kosmehl, FDP: In 30 Jahren!)

(Herr Wolpert, FDP: In 30 Jahren!)

- Das ist wahr, aber sie wurde trotzdem mit Ihrer Hilfe angehoben. - Es ist eben nicht erwiesen, ob dadurch auch zwischen 1968 und 1998 die Schwarzarbeit überdurchschnittlich zunahm.

Herr Miesterfeldt, Herrn Kosmehl drängt es, eine Frage zu stellen.

Ansonsten sollte er nach draußen gehen, wenn es ihn drängt; aber eine Frage kann er natürlich stellen.

(Heiterkeit)

Dann bitte.

Herr Kollege Miesterfeldt, Sie haben gerade von der Mehrwertsteuererhöhung zwischen 1968 und 1998 gesprochen. Nun hat es ja eine Mehrwertsteuererhöhung gegeben, die die SPD mit beschlossen hat. Können Sie uns mal erklären, wie Sie im Wahlkampf 2005 von null Prozentpunkten - also gegen Merkel-Steuer, gegen Mehrwertsteuererhöhung - auf dann beschlossene drei Prozentpunkte gekommen sind, zumal wenn man sich vor Augen führt, dass die CDU in ihrem Wahlprogramm nur zwei Prozentpunkte gefordert hat? Ist das Ausdruck der Pisa-Studie innerhalb der großen Koalition in Berlin?

(Frau Weiß, CDU: Na, na, na! Was soll denn die- se Frage?)

Ihre Jugend lässt solche Fragen zu.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD)

Ich antworte ganz einfach darauf: Das war das Ergebnis eines Kassensturzes.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

- Auch meiner, ja, wenn Sie das so wollen. - Ich glaube, es war niemand dabei, der das mit Freuden gemacht hätte. Ich glaube nicht, dass es Politiker gibt, egal in welcher Partei, die mit Freuden Steuern erheben. Denn nach meiner Kenntnis zahlen auch alle Politiker Steuern,

(Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

ich jedenfalls in erheblichen Größenordnungen.

(Zurufe von der FDP)

Es ist also überhaupt nicht erwiesen. Ich denke, wer sich diese Fragen einmal angesehen hat - - Auf Seite 38 werden vier Fragen in Reihe gestellt, unter anderem die Frage nach den Steuern, unter anderem die Frage nach Sozialabgaben etc. Ich lese einmal den Satz vor, der dort steht:

„Der Landesregierung liegen keine verifizierbaren Erkenntnisse über die in den Fragen 30 bis 34 angesprochenen Wechselwirkungen vor.“

Dann geht es weiter:

„Es gibt darüber nur Annahmen.“

Wir bewegen uns also nicht im Bereich der Erkenntnisse, sondern im Bereich der Annahmen. Und so müssen wir, bitte schön, dann auch diskutieren.

Zum Mindestlohn. Ich wiederhole mich an dieser Stelle gern. Bei der Diskussion über den Mindestlohn werden zwei Dinge immer außer Acht gelassen: Die Folge ist nicht nur, dass der eine oder andere dann mehr verdient; es kommt auch zu einem faireren Wettbewerb.

Wie viele Unternehmer gehen mit ihrem Unternehmen pleite, weil sie faire Löhne zahlen und von denen, die unfaire Löhne zahlen, ausgebootet werden? - Ich denke, dass der Mindestlohn auch ein Beitrag zu einem fairen Wettbewerb ist. Und ich glaube schon, dass fairer Wettbewerb sich sowohl bei den Mindestlöhnen als auch bei den Mindeststandards bezüglich der Arbeitsbedingun

gen positiv hinsichtlich der Eindämmung der Schwarzarbeit auswirken wird.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Den Freunden der sozialen Marktwirtschaft, aber insbesondere den heimlichen Freunden der freien Marktwirtschaft sage ich: Die Einführung von Mindestlöhnen erhöht die Kaufkraft. Dagegen kann niemand sein, der für die Marktwirtschaft ist.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Gürth, CDU: Er- höht die Schwarzarbeit! - Herr Borgwardt, CDU: Was sagt der Friseur?)

Ich denke, dass in der Vergangenheit sowohl bei der Ursachenforschung als auch bei den Maßnahmen, die man darauf aufgebaut hat, das eine oder andere in die richtige Richtung gegangen ist. Ich würde mir sehr wünschen, dass beispielsweise das Land Sachsen-Anhalt in diese richtige Richtung weiterginge und ein Korruptionsregister einführen würde, um die Unternehmen, die unfair gearbeitet haben, die Schwarzarbeit zugelassen haben, zukünftig von Vergabeverfahren auszuschließen. Das wäre ein sehr griffiger und deutlicher Beitrag in der Auseinandersetzung mit der Schwarzarbeit.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Minister Herrn Dr. Daehre - Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Wenn der Bund das nicht für alle in die Reihe kriegt, dann sollten wir als Land vorbildlich vorangehen.

Ich wünschte mir, dass die Landesregierung in Person des Wirtschaftsministers im Ausschuss berichten wird, mit welchem Erfolg die von ihm vorgestellten Maßnahmen umgesetzt werden. Denn wir sind uns darin einig, weil wir uns in den Auswirkungen einig sind, dass Schwarzarbeit auch künftig bekämpft werden muss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Miesterfeldt. Es gibt noch eine Nachfrage von Herrn Harms. Wollen Sie diese beantworten?

(Frau Budde, SPD: Der hat auch jugendliche An- sichten!)

Bitte schön, Herr Harms, fragen Sie.

Herr Miesterfeldt, ich habe gerade noch einmal nachgesehen. Ihre Aussage, dass die Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozentpunkte aufgrund eines Kassensturzes nötig geworden sei, hat mich etwas verwundert; denn der SPD-Finanzminister hat ja bei der Regierungsumbildung, die damit in Zusammenhang stand, nicht gewechselt. Wie erklären Sie sich denn diesen Erkenntnisgewinn von Herrn Steinbrück bei einem so erfolgten Kassensturz?

(Frau Budde, SPD: Also, das Jugendargument zieht nicht, aber andere!)

Lieber Herr Harms, da wir beide das über unsere Parteien in Berlin gemeinsam durchgezogen haben, sollten wir den anderen jetzt nicht das Schauspiel der Auseinandersetzung liefern.

(Zustimmung bei der SPD - Oh! bei der CDU - Herr Gallert, DIE LINKE: Aber Recht hat er trotzdem!)

Vielen Dank. - Ich sehe keine weiteren Fragen. Wir kommen zum Debattenbeitrag der Fraktion DIE LINKE. Frau Rogée hat das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, dass das Thema Schwarzarbeit ein sehr komplexes Thema ist. Ich bin der FDP wirklich sehr dankbar dafür, dass sie die Große Anfrage gestartet hat; denn das gibt uns Gelegenheit, darüber zu reden. Das sollten wir auch tun; denn das, was Herr Franke hier dargestellt hat, sind Argumente, die wir natürlich nicht mittragen, aber das ist nicht neu. Ich glaube, dass wir über das Thema unbedingt noch einmal im Wirtschaftsausschuss ausführlich diskutieren sollten.

Herr Minister, ich bedanke mich bei Ihnen dafür, dass Sie versucht haben, die Fragen hier noch einmal sehr komplex zu beantworten; denn die schriftliche Antwort auf die Große Anfrage war für mich jedenfalls nicht sehr zufriedenstellend. Ich glaube, man müsste eigentlich viel mehr auf Sachsen-Anhalt bezogen ermitteln, welche Probleme es gibt und wo die Probleme tatsächlich liegen. Das ist, finde ich, viel zu kurz gekommen.

Auch in der Antwort auf die Große Anfrage zur Arbeitsmarktpolitik ist ganz stark auf Bundeszahlen abgehoben worden. Sie haben versucht, das hier zu erklären. Darüber sollten wir ebenfalls noch einmal diskutieren; denn einige meiner Fragen sind nicht beantwortet worden, zum Beispiel: Warum können keine konkreten Analysen gemacht werden? Fehlt das Personal dafür? Werden die statistischen Größen nicht erfasst? Werden in SachsenAnhalt eigentlich systematisch Kontrollen durchgeführt? - Ich weiß, dass es ganz viele Gliederungen gibt. Darauf hätte ich gern noch Antworten.

Man kann sich dem Thema Schwarzarbeit aus ganz verschiedenen Richtungen nähern - das haben Sie vorhin schon angedeutet, Herr Minister -, aus der wirtschaftspolitischen, aus der steuerrechtlichen, aus der sozialpolitischen, aus der arbeitsrechtlichen und auch aus der strafrechtlichen Richtung.

Ich habe mir überlegt, mich dem Thema aus drei Richtungen zu nähern. Die eine ist die wirtschaftspolitische Richtung. Herr Franke hat vorhin schon einige Zahlen genannt. Ich gebe zu, die Zahl 348 Milliarden € - diese beruht natürlich auf Schätzungen, ist aber eine enorme Größe - hat bei mir schon zu der Frage geführt, ob ich das richtig verstanden habe. Das ist eine Größenordnung, die wir - selbst wenn sie auf Schätzungen beruht - bezogen auf das Land Sachsen-Anhalt durchleuchten sollten.

Zehn Millionen nebenberufliche Schwarzarbeiter, die durchschnittlich 400 Stunden pro Jahr tätig sind, was 2,7 Millionen bis zu sechs Millionen Vollzeitstellen ent

spricht - auch das hat Herr Franke schon gesagt -, das sind Größenordnungen, die uns wachsam werden lassen müssen und die uns veranlassen müssen, uns diesem Problem konsequenter zu nähern und nicht nur aus Anlass einer solchen Debatte.