Protocol of the Session on December 12, 2008

Auch wir Liberale sind uns der Besonderheiten bewusst, denen die Zeitarbeit unterliegt. Mit der angestrebten Initiative kommen wir aber dem Ziel, das wir gemeinsam haben, den Menschen ein sicheres Beschäftigungsverhältnis zu geben, sie in Beschäftigung zu bringen, nicht näher. Interessant ist, dass die Fraktion DIE LINKE, von der der ursprüngliche Antrag stammt, und Teile der SPD den Boom der Zeitarbeit geißeln und glauben, hierin einen rechtsfreien Raum ausgemacht zu haben, eine Art Schlupfloch im Arbeitsrecht, das durch Gleichmacherei geschlossen werden muss.

Der Boom der Zeitarbeit wurde insbesondere durch die von Rot-Grün beschlossenen Hartz-Gesetze begünstigt; denn gerade mit Hartz I wurden zahlreiche Verbote aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gelockert. Zugunsten der Leiharbeitnehmer wurde auch der so genannte Gleichstellungsgrundsatz im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verankert.

Dieser besagt, dass Leiharbeitnehmer zu denselben Bedingungen beschäftigt werden müssen wie die Stamm

arbeitnehmer des entleihenden Unternehmens, also die gleiche Arbeitszeit, das gleiche Entgelt und die gleichen Urlaubsansprüche haben müssen. Ein Tarifvertrag kann jedoch abweichende Regelungen zulassen. Das Ganze wird auch insgesamt genutzt; es wird von dieser Regelung Gebrauch gemacht.

Uns stellt sich nun die Frage, was mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE und mit der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit erreicht werden soll. Entweder soll die Zeitarbeit damit gezielt ausgeschaltet werden oder man denkt wirklich so naiv und glaubt, die Wirtschaft laufe in dieser realitätsfernen Weise.

Fakt ist doch, dass die Zeitarbeit und ihr damaliger Boom ein Ergebnis des völlig überregulierten Arbeitsmarktes waren. Unternehmerische Entscheidungsfreiheiten wurden unterbunden. Schnelle und flexible Anpassungen an veränderte Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt gerade bei Auftragsspitzen und Auftragseinbrüchen oder an veränderte Produktionsbedingungen wurden völlig behindert. Die Leiharbeiter waren und sind oft der einzige Ausweg, um Flexibilität zu bekommen.

Fakt ist weiterhin: Leiharbeit war und ist für viele Menschen der einzige Weg aus der Arbeitslosigkeit und bietet oft die Perspektive, eine reguläre Beschäftigung zu finden.

Ich bin Herrn Tögel sehr dankbar dafür, dass er die Zahlen eben noch einmal genannt hat: 30 % der Leiharbeiter werden anschließend von den Unternehmen übernommen. 30 % - das ist ein gewaltiger Anteil. Ich denke, damit wird deutlich, wie erfolgreich die Leiharbeit an dieser Stelle Arbeitslosigkeit beseitigt hat.

Außerdem dient die Leiharbeit der Qualifizierung. Durch den Einsatz in vielen Betrieben erwerben Leiharbeiter ein umfangreiches Wissen, sodass sie zwangsläufig irgendwann für eines der entleihenden Unternehmen interessant werden. Diese Art der Weiterbildung ist praxisnäher als jede Schulung, die von der Arbeitsagentur angeboten wird, und sie muss auch nicht aus den Sozialbeiträgen beglichen werden. Zudem führt sie zu besseren Vermittlungsergebnissen, wie ich es eben schon ausgeführt habe.

Einzig und allein ein flexibles Arbeitsrecht kann die Schaffung und die Sicherheit von Arbeitsplätzen gewährleisten. Sicherheit bedeutet aber nicht Bestandsschutz, sondern die maximale Chance, nach dem Verlust des Arbeitsplatzes in die Beschäftigung zurückzugelangen.

Folge einer neuerlichen Regulierung und der Eindämmung der Zeitarbeit wäre nicht die Zunahme regulärer Beschäftigungsverhältnisse bei den entleihenden Unternehmen, sondern vielmehr die forcierte Reduzierung und Verlagerung der Produktionsstandorte in jene Länder, in denen die Unternehmen nicht von einem rigiden Arbeitsrecht derart in ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit beschnitten werden.

Gerade deshalb dürfen wir keinesfalls durch eine Bundesratsinitiative, die auch noch von Sachsen-Anhalt ausgehen würde, die Beschäftigungsmotoren wie Zeitarbeit oder auch befristete Arbeitsverhältnisse durch weitere Regelungen abwürgen. Die FDP-Fraktion lehnt deshalb die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses ab. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Franke. - Für die SPD-Fraktion spricht nunmehr Herr Miesterfeldt.

Zum Trost: Das letzte Mal. Das liegt nur daran, dass ich kein Kind kriegen kann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sind Leiharbeiter die Verlierer der Krise? Sind sie Beschäftigte zweiter Klasse? - Zwei Fragen, die ich einfach im Raum stehen lassen will. Fakt ist, sie werden schlechter bezahlt, sie haben weniger Mitwirkungsrechte, sie erhalten seltener Weiterbildung und - das kann man jetzt täglich lesen - sie sind die ersten, die, wenn der Abschwung kommt, gehen müssen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich will Zahlen nennen: BMW hat 5 500 Leiharbeiter entlassen. Bei Daimler stehen 2 500 und bei MAN 2 000 Leiharbeiter zur Debatte, VW will sich von 750 Leiharbeitern trennen.

So haben sich die Beschäftigten das hohe Lied auf die Flexibilität - insbesondere ganz rechts hier von mir - nicht vorgestellt. Ich weiß auch noch nicht, ob das in diesem Lied eine Strophe oder der andauernd wiederkehrende Refrain ist.

Ich weiß, dass das von uns beschlossen worden ist. Aber wir sind eine lernende Partei und wir sind auch in der Lage, lernende Gesetze zu erlassen.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von der FDP: Hört, hört! - Frau Dr. Hüskens, FDP: Was ist das denn?)

Wir haben in der Koalition intensiv und - das sage ich hier, weil das manchmal auch gut ist - auch schmerzhaft über die gemeinsame Beschlussvorlage diskutiert und haben ihr letztlich zugestimmt. Das finde ich sehr gut.

Sie erinnern sich vielleicht, dass es Mitte des Jahres in diesem Hause die Antwort auf die Große Anfrage zur prekären Arbeit und Entlohnung in Sachsen-Anhalt gegeben hat. Ich will noch einmal auf einige wenige Punkte, die darin festgehalten worden sind, eingehen.

Im Jahr 2003 waren in Sachsen-Anhalt 8 500 Personen bei Leiharbeitsfirmen beschäftigt. Im Jahr 2007 waren es über 20 000. Die Leiharbeiterquote stieg von 1,1 % auf 2,8 %. Damit liegen wir auch über dem Bundesdurchschnitt, der bei 2,4 % liegt.

Wenn man die Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen zusammenfasst, so ist die Zahl der Verleihfirmen von 411 im Jahr 2000 auf 732 im Jahr 2007 gestiegen.

Leiharbeiter werden scheinbar nicht mehr nur kurzfristig zur Überbrückung von Auftragsspitzen eingesetzt. Das war ja einer der wesentlichen Gründe dafür. Die Dauer der Arbeitsverhältnisse betrug bei mehr als der Hälfte der eingesetzten Arbeiter drei Monate und länger. Übrigens verfügen 74 % aller Leiharbeiter bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme der Leiharbeit über eine abgeschlossene Berufsausbildung, 4,4 % sogar über einen Fach- oder Hochschulabschluss.

Die vorliegende Beschlussempfehlung greift die Bedenken auf, aber - das will ich betonen - sie greift auch auf, dass die Leiharbeit weiterhin ein Instrument der Arbeits

marktpolitik sein kann und sein soll, wenn sie in geordneten und gegebenenfalls in neu zu ordnenden Bahnen verläuft. Ich will einige dieser wichtigen Punkte nennen.

Erstens. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das ist eben nicht eine billige Gleichmacherei. Zwischen der Stammbelegschaft und den Leiharbeitern darf es keine wesentlichen Unterschiede bei der Bezahlung geben. Es kann nicht sein, dass Leiharbeiter für einen Stundenlohn von 5 € vollzeitbeschäftigt werden und anschließend Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen.

(Beifall bei der SPD - Herr Franke, FDP: Es gibt einen Tarifvertrag für Zeitarbeit! - Frau Budde, SPD: Pappel, Pappel!)

- Das ist so. Dann muss er verbessert werden.

(Herr Kley, FDP: Das liegt an den Gewerkschaf- ten! - Widerspruch bei der SPD - Zuruf von Frau Budde, SPD)

- Die ich heute hier nicht schelten, sondern motivieren möchte, gemeinsam mit den Arbeitgebern darüber nachzudenken.

Leiharbeit darf auch nicht dazu führen, dass die Stammbelegschaft durch Leiharbeiter ersetzt wird. Das halte ich auch für einen wichtigen unternehmerischen Aspekt. Durch die Aufhebung der Begrenzung der maximalen Verleihdauer ist es, anders als in den meisten anderen europäischen Ländern, theoretisch möglich, Leiharbeiter unbegrenzt einzusetzen. Das ist nicht im Sinne des Erfinders. Deshalb - damit schließt sich der Kreis - bedarf es einer Überprüfung dieser Regelung und im Einzelfall auch geeigneter Maßnahmen, um die Stammbelegschaft zu schützen.

Wir haben uns mit diesem Thema, wie schon gesagt, im Ausschuss intensiv beschäftigt. Wir werden eine Anhörung zu diesem Thema auf den Weg bringen. Ich bitte Sie deshalb ebenfalls um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Miesterfeldt, möchten Sie eine Frage von Herrn Franke beantworten?

Bitte, Herr Franke.

Herr Miesterfeldt, Sie haben vorhin gesagt, dass bei Flauten in Unternehmen als Erstes die Leiharbeiter entlassen werden, und haben das kritisiert. Mich würde interessieren, wer nach Ihrer Meinung als Erster entlassen werden sollte, wenn es Flauten in den Unternehmen gibt.

(Frau Budde, SPD: Oh!)

Herr Franke, ich habe es nicht kritisiert. Ich habe es festgestellt, und an dieser Feststellung kommt man nicht

vorbei. Das kann man jeden Tag in den einschlägigen Journalen lesen.

(Herr Franke, FDP: Was ist daran schlimm?)

- Was daran schlimm ist? - Dass Menschen ihre Arbeit verlieren. Das ist daran schlimm.

(Zuruf von Herrn Franke, FDP - Frau Budde, SPD: Sie hätten am liebsten sowieso alles offen, ohne Regeln! Das macht überhaupt keinen Sinn!)

- Nehmen Sie doch zur Kenntnis, dass die Zeit der frei agierenden Märkte, die Zeit des dünnen Staates und der niedrigsten Steuern einfach zu Ende ist,

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LIN- KEN)

weil Ihre Akteure in ihrem Größenwahn dieses kaputtgemacht haben.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Miesterfeldt. - Nunmehr erteile ich Frau Rogée das Wort, um für die Fraktion DIE LINKE zu sprechen.