Protocol of the Session on December 12, 2008

Auch hierzu haben wir keine andere Auffassung. Denn nach wie vor gilt: Verweigern etwa Journalisten die Herausgabe von Materialien, drohen ihnen Zwangsgeld und Beugehaft. Das schafft ein nicht zu akzeptierendes ZweiKlassen-System unter den Berufsgeheimnisträgern. Und

es stellt sich automatisch die Frage: Sollen hiermit bestimmte Berufsgruppen, wie zum Beispiel Journalisten, an die Kandare genommen werden?

Das BKA-Gesetz ist und bleibt ein rechtsstaatliches Desaster. Das Gesetz müsste, wenn es voraussichtlich am 19. Dezember 2008 wieder in den Bundesrat kommt, durch die Landesregierung von Sachsen-Anhalt konsequenterweise abgelehnt werden. Oder - von mir aus - die Landesregierung müsste sich der Stimme enthalten, wenn das Gespräch zwischen dem Innenminister und dem Ministerpräsidenten zu keinem klaren Ergebnis führen sollte. Genau das erwarten wir von der Landesregierung.

Terroristische Anschläge wird man durch dieses Gesetz nicht verhindern können. Den gläsernen Terroristen gibt es nicht, es gibt nur den Verdächtigen. Wenn jeder jederzeit zu einem Verdächtigen werden kann, schafft das nicht mehr Sicherheit, sondern im Gegenteil ein Klima von Repression und Angst und es schafft den gläsernen Bürger.

Das Ziel einer fortschrittlichen Sicherheitspolitik muss es sein, das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit einzuhalten. Dazu bedarf es zum Beispiel einer Analyse der Notwendigkeiten. Und dazu bedarf es aus unserer Sicht eines sofortigen Moratoriums für die Sicherheitsgesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland.

Einen entsprechenden Antrag hat unsere Bundestagsfraktion bereits im April dieses Jahres eingebracht. Dieser beinhaltet unter anderem:

erstens den Einsatz einer unabhängigen Expertengruppe, in der Bürgerrechts-, Rechtsanwalts-, Journalisten-, Richter- und Datenschutzvereinigungen und -verbände sowie Gewerkschaften vertreten sind,

zweitens die Prüfung bereits beschlossener Gesetze, deren Inhalt eine Einschränkung des Rechts auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme nahelegt, auf die Verträglichkeit mit diesem neuen Grundrecht und

drittens den Verzicht auf die Vorlage neuer Sicherheitsgesetze, die das neue Grundrecht tangieren könnten, und dabei insbesondere den Verzicht auf die Verabschiedung eines neuen BKA-Gesetzes bis zur Veröffentlichung des Abschlussberichtes der Expertengruppe.

Die Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland erwarten zu Recht, dass die vom Gesetzgeber beschlossenen Gesetze im Einklang mit dem Grundgesetz stehen. Genau das garantiert das neue BKA-Gesetz in keiner Weise, denn es stellt einen gravierenden Einschnitt in die Grundrechte dar und ist somit nicht grundgesetzkonform.

Nun geht der Bundesinnenminister mit seinen Vorschlägen und Wünschen sogar so weit, das Grundgesetz und damit die verfassungsrechtlichen Abstimmungsmodalitäten ändern zu wollen und so anzupassen, dass seine undemokratischen Gesetze problemlos den Bundesrat passieren können.

Wie sagte doch Herr Schäuble? - „Deutschland ist ein sicheres Land.“ Vielleicht aber sollte man mittlerweile das Land vor den Sicherheitsvorstellungen dieses Innenministers schützen, damit die Bundesrepublik ein sicheres und freiheitliches Land bleibt.

Wir beantragen, über die Punkte unseres Antrages einzeln abzustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Tiedge. - Ich rufe jetzt den Debattenbeitrag der Landesregierung auf. Der Herr Innenminister hat das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass es in diesem Hohen Hause unstrittig ist, dass wir Sicherheitsgesetze auch anpassen müssen, wenn sich die Welt weiterentwickelt.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Ich hoffe, dass es in diesem Hause unstrittig ist, dass wir auf einen internationalen Terrorismus auch mit der Veränderung unserer Sicherheitsgesetze reagieren müssen, wenn sich der internationale Terrorismus so bewegt, wie er sich bewegt.

Ich hoffe auch, dass es Konsens in diesem Hohen Hause ist, dass wir den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeiten rechtlicher Natur geben, dass sie technisch mit den Kriminellen mithalten können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das macht das überarbeitete BKA-Gesetz. Ich bin mit Sicherheit nicht dafür zuständig, den Kollegen Schäuble hier zu verteidigen. Dass ich hin und wieder auch eine abweichende Position zu seinen Auffassungen vertrete, dazu halte ich mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg. Aber ich finde: An Stellen, wo wir reagieren und unsere Sicherheitsarchitektur in Deutschland neu ausrichten, weil sich die Welt um uns herum verändert hat, muss es auch möglich sein, dass wir die Dinge im Konsens auf den Weg bringen und miteinander verabreden.

Verehrte Frau Tiedge, wenn Sie sagen, die OnlineDurchsuchung würde per se nicht mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vereinbar sein, dann darf ich darauf hinweisen, dass es eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Frühjahr 2008 gibt, in der genau das Gegenteil festgestellt worden ist, genau das Gegenteil.

Und Sie wissen - das habe ich hier vor diesem Hohen Hause gesagt, vor etwas über einem Jahr -, dass ich erst dann bereit bin, über eine gesetzliche Definition der Online-Durchsuchung oder die Aufnahme der OnlineDurchsuchung als Möglichkeit für die Sicherheitsbehörden zu reden und zu entscheiden, wenn das Bundesverfassungsgericht sich dazu geäußert hat.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich zum nordrheinwestfälischen Verfassungsschutzgesetz dahin gehend geäußert, dass Online-Durchsuchungen grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen mit der Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland vereinbar sind. Das nehme ich zur Kenntnis.

Wenn jetzt der Bundesgesetzgeber, der die Zustimmung der Länderkammer braucht, um das BKA-Gesetz zu ändern, sich genau auf dieser Grundlage daran macht, das Gesetz zu definieren und zu formulieren, dann nehme ich das auch zur Kenntnis. Ich kann zumindest nicht feststellen, dass es hierzu einen Dissens mit dem

Grundgesetz und einen Dissens mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gibt.

Sie wissen, dass ich im Vorfeld - Sie haben die Punkte noch einmal korrekterweise genannt - drei Dinge aus der Sicht des Landes Sachsen-Anhalt genannt habe, die ich in dem bisherigen Entwurf für korrekturbedürftig hielt: Das Erste war die Frage der Kompetenzabgrenzungen zwischen den Bundeszuständigkeiten und der Zuständigkeit der Polizeien der Länder. Das Zweite war die Frage des Richtervorbehalts auch in der Eilfallkompetenz, die vorgesehen war für den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, und das Dritte war die unterschiedliche Regelung des absoluten Zeugnisverweigerungsrechts für bestimmte Berufsgruppen.

Ja, zwei von drei Punkten scheinen in unserem Sinne erfüllt zu werden: Es gibt eine klarere Kompetenzregelung und Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern und es ist ein Richtervorbehalt für die OnlineDurchsuchung auch in der Eilfallkompetenz vorgesehen. Zum Punkt des absoluten Zeugnisverweigerungsrechts scheint sich keine andere Regelung abzuzeichnen, als sie im Entwurf bisher enthalten war.

Liebe Frau Tiedge, auch wenn wir kurz vor Weihnachten sind: Ich hätte mir gewünscht, dass ich für zwei Erfolge bei drei Punkten auch mal Lob kriege und nicht immer nur Kritik.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Na ja!)

Das wäre einmal angebracht gewesen. Ich finde wirklich, dass das ein Erfolg ist, weil wir gerade an den beiden Stellen, die wichtig sind, den Entwurf des BKA-Gesetzes besser gemacht haben. Wir haben ihn wirklich besser gemacht.

Das ist nicht nur - auch wenn ich zugebe: das ist es auch - eine parteipolitische Frage. Wenn man über eine klare Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern verhandelt, dann ist das wirklich eine Position, die ein Land gegenüber dem Bund einnehmen muss. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, dazu klare Regelungen zu finden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufgrund der Konflikte, die ich eben dargestellt habe, hat der Bundesrat am 28. November 2008 den ursprünglichen Gesetzentwurf abgelehnt. Auch das Land Sachsen-Anhalt hat dem nicht zugestimmt. Ich hoffe, dass es gelingt, im Vermittlungsverfahren - das ist ja noch nicht abgeschlossen; es liegt ja noch vor uns - die angesprochenen Punkte zu lösen und zu klären.

Ich möchte auch deutlich sagen, dass das Land Sachsen-Anhalt im Bundesrat nicht gegen ein im Prinzip für notwendig erachtetes Gesetz wird stimmen können. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass wir ein überarbeitetes BKA-Gesetz brauchen. Es ist am Ende immer eine Kompromissfindung, wenn man verschiedene Punkte hat, mit deren Formulierung in dem Gesetzentwurf man nicht einverstanden ist. Ich möchte Ihnen sagen, dass ich mit dem BKA-Gesetz, wenn der Kompromiss hierzu so gefunden wird, wie er skizziert worden ist, sehr gut leben kann. Ich gehe davon aus, dass es sich dann auch in der Praxis bewähren wird.

Eines möchte ich ausräumen: Verehrte Frau Tiedge, Sie haben angesprochen, dass die Definition des Begriffs „internationaler Terrorismus“ nicht eindeutig genug ist.

Wer eine klare Definition hierfür braucht, der möge sich die Nachrichtensendungen anschauen und sich ansehen, was in Bombay und anderswo in der Welt los ist. Das ist internationaler Terrorismus.

(Zuruf von der LINKEN - Frau Bull, DIE LINKE: Nein!)

- Doch. Das können Sie ja trotzdem machen, aber ich finde die Reaktion nicht sachgerecht. Das darf ich hier auch sagen.

(Zurufe von Frau Bull, DIE LINKE, und von Herrn Gallert, DIE LINKE)

Ich finde, wir müssen im internationalen Konzert der demokratischen Staaten auf dieser Welt unseren Teil dazu beitragen, dass unsere Sicherheitsgesetze der Gefahrenlage entsprechend angepasst werden. Wir haben heute eine andere Situation als vor zehn Jahren. Und wir haben heute eine andere Situation als vor fünf Jahren. Deshalb ist es richtig, auch beim BKA-Gesetz die neuen Kompetenzen für das Bundeskriminalamt zu definieren.

(Zurufe von Frau Bull, DIE LINKE, und von Frau von Angern, DIE LINKE)

Ich bin mit dem gefundenen Kompromiss, wenn er denn hält, zufrieden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir kommen jetzt zu den Debattenbeiträgen. Als erstem Debattenredner erteile ich Herrn Madl von der Fraktion der CDU das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie sind doch lange genug im Geschäft - und Sie hatten Lob erwartet? Wissen Sie nicht, dass im politischen Geschäft Lob ein Samen ist, der dünn gesät ist, und das auch noch auf magerem Boden?

(Heiterkeit - Zuruf von der CDU: Vor Weihnach- ten hilft das auch nicht viel! - Oh! bei der LIN- KEN)

- Vor Weihnachten hilft das auch nicht viel. Gut.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Sehr wohl hilft das!)

Zum Antrag. Meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, als ich den Antrag gelesen habe, habe ich „Null“ davor geschrieben. Für mich ist es ein Nullantrag, weil ich krampfhaft versucht habe, herauszufinden, was Sie damit inhaltlich eigentlich ausdrücken wollen. Des Weiteren habe ich darunter noch „weltfremd“ geschrieben.

Diese Entwicklung ist nun einmal dynamisch. Dieser dynamischen Entwicklung - egal auf welchem Gebiet - muss man sich anpassen.

(Zustimmung von Herrn Thomas, CDU)

Eines habe ich nicht verstanden, und zwar Punkt 1 Ihres Antrags. Sie haben Ihren Antrag am 2. Dezember 2008 zur Drucksache gemacht. Aber seit dem 28. November 2008 war bereits bekannt, dass dem Gesetz und der