Zu dem Antrag, der uns vorliegt: Es ist ein interessanter Antrag, aber dieser Antrag hat natürlich einen wesentlichen Mangel. Der wesentliche Mangel besteht darin, dass man bei den Debatten über die Finanzmarktkrise und darüber, wie sie sich in sechs Monaten oder in einem Jahr darstellen wird, Kaffeesatzleserei betreiben muss.
Das ist der große Mangel solcher Debatten und solcher Anträge. Wenn Sie jetzt die Prognosen, nur der letzten acht Wochen, in den Wirtschaftsteilen der großen deutschen Tageszeitungen oder in den Wirtschaftsmagazinen lesen, dann stellen Sie fest, dass die großen Manager der Banken und der Wirtschaft aus ganz Europa, die sich dazu zu Wort gemeldet haben, allesamt ihre Aussagen korrigieren mussten.
Ich würde auf die Daten, die jetzt veröffentlicht werden, nicht meine Lebensplanung ausrichten wollen. Die haben genau denselben Wert wie die Auskunft, die Sie erhalten, wenn Sie auf einem Basar in Istanbul eine Wahrsagerin nach den Lottozahlen für Sonntag fragen. Das ist das Problem, wenn wir über die Finanzmarktkrise reden.
Außerdem möchte ich hier für die CDU-Fraktion, an das Parlament und an uns in Sachsen-Anhalt gerichtet, ganz klar sagen: Wir sollten unseren Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland oder gar in Europa nicht überschätzen. Zwei Zahlen: Die Deutsche Bank hat eine Bilanzsumme in Höhe von ca. 2 000 Milliarden €. Die Dresdner Bank hat eine Bilanzsumme in Höhe von 500 Milliarden €. Unseren Landeshaushalt kennen wir ja. Fragen Sie einmal einen Filialleiter dieser Banken in Sachsen-Anhalt, ob in Halle, in Magdeburg, in Eisleben oder wo auch immer,
bis zu welcher Summe er überhaupt entscheiden darf, was Kredite betrifft. Vor Jahren durften die Filialleiter der Privatbanken in Sachsen-Anhalt noch über bis zu zweistellige Millionensummen im D-Mark-Bereich entscheiden - nicht in jeder, aber in einigen in Sachsen-Anhalt. Jetzt liegt die Entscheidungsbefugnis - ich will sie nicht genau beziffern - deutlich darunter.
Jetzt gehen wir einmal dahin, wo wir vielleicht wirklich etwas machen können in der Finanzwelt. Wenn man über politischen Einfluss redet, dann haben wir in diesem Bereich die Landesbank und die Sparkassen. Wir haben Zahlen, die veröffentlicht werden. Unterhalten Sie sich aber einmal mit Ihren Unternehmern vor Ort und unterhalten Sie sich einmal mit den Verwaltungsräten in den Kreissparkassen und befragen Sie sich dann selbst einmal ganz ehrlich, welchen Einfluss ein Verwaltungsrat einer Sparkasse auf die Geschäftspolitik einer Sparkasse hat.
Schauen Sie sich einmal die Landräte an, die wir in Sachsen-Anhalt haben, parteigrenzenübergreifend - wir kennen die Persönlichkeiten alle -, und fragen Sie sich dann selbst einmal, welchen Einfluss die Landräte auf die Geschäftspolitik einer Kreissparkasse tatsächlich haben. Führen Sie dann noch einmal ein paar Gespräche mit Unternehmern in Ihrem Wahlkreis. Das führt zu einer
Die Sparkassen sind in einer besonderen Verantwortung. Ich sage an dieser Stelle: Ich bin mir nicht sicher, ob alle Sparkassen ihrer Verantwortung, was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft, immer ausreichend gerecht werden.
Gehen wir noch einmal zu dem Antrag zurück: Was können wir feststellen? - Die Landesregierung hat gehandelt und uns regelmäßig über die Finanzmarktkrise und die vermeintlichen Auswirkungen auf Sachsen-Anhalt informiert und darüber, was sie zu tun gedenkt.
Ich denke, das ist gut so und dafür verdient die Landesregierung, insbesondere das Wirtschaftsministerium, der Minister Anerkennung. Ich denke, dieser Kurs sollte fortgesetzt werden.
Ich will aber ganz deutlich sagen: Wir sollten hier allesamt nicht in Aktionismus verfallen. Der größte Blödsinn waren diese Gutscheine.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie schenken Ihren Kindern 500 €, aber keiner sagt denen, dass Sie diese 500 € zurückzahlen müssen, über Steuern und alles Mögliche.
Das ist die größte Menschheitsverdummung, die man überhaupt betreiben kann, wenn man das Geld herausschmeißt und so tut, als ob man es selbst hätte.
Das ist absoluter Blödsinn. Es ist auch unverantwortlich. Gehen Sie nur einmal in ein Kaufhaus! Lassen Sie es mich einmal namentlich benennen: Karstadt - ein schönes Kaufhaus, ein gutes Kaufhaus, hier in Magdeburg. Die sind immer froh, wenn Sie da sind. Gehen Sie in die Textilabteilung und gucken Sie sich die Labels an: „Made in...“ - Wo?
Sie werden durch die drei Etagen gehen und lange suchen müssen, um vielleicht noch Trigema zu finden, einen Sporttrikotagenhersteller, der noch in Deutschland produziert. Ansonsten kommen 99 % der verkauften Textilien irgendwo aus Billiglohnländern. Davon hat keiner was in Sachsen-Anhalt, niemand außer Karstadt.
Gehen Sie in die Elektronikabteilung oder machen Sie einmal die Motorhaube selbst Ihres deutschen Autos auf! - Deswegen müssen wir vorsichtig sein mit Aktionismus, mit Gutscheinen und ähnlichen Geschenken. Das ist eher ein Schuss ins Knie; denn wir werden die Rechnung dafür über Steuern, über Zins und Zinseszins teuer zu bezahlen haben.
Zum Handlungsrahmen Sachsen-Anhalts: Wir haben einen Landeshaushalt - das wissen wir rund 100 Abgeordneten - in Höhe von rund 10 Milliarden €. Wir haben uns bei der Steuerdeckungsquote auf knapp über 50 % hochgearbeitet. Der Trend ist richtig.
- Wie viel? - 55, 56 %. Das ist schon wunderbar. Das war schon viel schlechter. Der Trend ist richtig, aber es reicht noch nicht aus. - Das heißt, rund die Hälfte jedes Euros, den wir ausgeben - Lehrer, Polizisten, Investitionen und was wir alles finanzieren -, besorgen wir uns von Dritten, haben wir uns früher über Kredite von Banken besorgt, die wir jetzt zurückzahlen müssen.
Wir haben für die Kredite in Höhe von rund 20 Milliarden €, die wir in den 18 Jahren der Existenz unseres Landes aufgenommen haben, ungefähr 800, 900 Millionen € nur an Zinsen zu zahlen. Darin liegt auch noch ein großes Risiko. Die Zinsen, die wir jetzt zahlen, die in der mittelfristigen Finanzplanung stehen, beinhalten noch eine ganz große Unbekannte. Wenn sich die Zinssätze ändern - die können sich dramatisch ändern -, dann können wir die ganze mittelfristige Finanzplanung über den Haufen werfen.
Deswegen ist auch an dieser Stelle Vorsicht bei Aktionismus geboten. Man muss genau hingucken, ob das, was man machen will, mehr als nur eine politische, rhetorische Erklärung ist, ob es wirklich die gewünschte Wirkung entfaltet und ob es verantwortbar ist.
Abschließend: Was ist zu tun? - Ich denke, wir sind allesamt gut beraten, die gegenwärtige Situation und die Prognosen, die wir für richtig erachten, nicht schönzureden oder nicht eine Katastrophenstimmung herbeizureden. Deswegen ist Rücksichtsnahme auch beim Palavern über die gegenwärtige Situation schon ein guter Beitrag. - Erstens.
Zweitens. Wir sollten die Landesregierung bei ihrem behutsamen, aber guten und vernünftigen Agieren unterstützen. Das hilft auch uns allen.
Drittens. Die Instrumente sind bekannt - Herr Minister Haseloff hat sie vorgetragen -, die über Bürgschaften, über die Programme der Investitionsbank und über verschiedene andere Dinge schon ergriffen worden sind. Ich finde es sehr gut, dass man über das, was man machen kann, schon mit allen Partnern gesprochen hat und die Schritte vereinbart worden sind.
Es gibt noch zwei Dinge, bei denen man in SachsenAnhalt wirklich etwas machen kann. Das ist bei uns in der Investitionsbank und in den Behörden, und zwar dort, wo Unternehmer, die Steuern zahlen, die ausbilden und Arbeitsplätze geschaffen und investiert haben, einen Antrag liegen haben und wir jetzt bei der Verwendungsnachweisprüfung sind. Ich will nicht für das Brechen geltender Gesetze, aber für Behutsamkeit eintreten, dass nicht sofort Rückforderungen kommen für Fördermittel, die jemand für seine Investitionen gekriegt hat, wenn jemand einmal einen Arbeitsplatz weniger als vorgegeben geschaffen hat. Wir können viel tun, ohne Geld ausgeben zu müssen, einfach durch Behutsamkeit und maßvolles und verhältnismäßiges Reagieren. Das Letzte wird wahrscheinlich am meisten bewirken und kostet überhaupt kein Geld.
Wir können hier Investitionsprogramme verabschieden, wie wir wollen - eigenfinanziert, schuldenfinanziert oder wie auch immer.
Wenn Sie aber durch das Land reisen und mit Unternehmern und mit bauwilligen privaten Haushalten sprechen, die sich ein Eigenheim bauen oder ihr Mehrfamilienhaus sanieren wollen usw., dann kommen Sie wieder auf einen Punkt, der kein Geld kostet. Das ist die Praxis des Verhaltungshandelns. Wenn in den Baubehörden
hier und dort bei der Arbeit ein anderer Stil gepflegt würde, dann könnten wir so viele Investitionen anschieben, ohne dass wir dafür Schulden aufnehmen müssen. Bei den Bürgern darf im Genehmigungsverfahren für einen Bauantrag kein Frust entstehen. Darin liegt so viel, was wir tun können.
Herr Gürth, vielen Dank für Ihren Beitrag. Es gibt Nachfragen von Frau Dr. Klein und von Frau Rogée. Möchten Sie die beantworten?
Kollege Gürth, aus meiner Sicht haben Sie jetzt eine gewisse Phantomdiskussion zum Aktionismus gemacht. Wie bewerten Sie denn das Konjunkturprogramm der Bundesregierung, insbesondere die Kfz-Steuer-Befreiung für Autos? Inwieweit kann damit die Konjunktur beschleunigt oder erhalten werden? Das ist für mich zum Beispiel ein Problem.
Das Konjunkturprogramm inklusive Kfz-Steuererleichterung ist ein politisches Signal gewesen, dass man handeln möchte.
dass man angesichts der finanziellen Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und die vielleicht daraus folgenden späteren Steuerlasten mit Behutsamkeit herangegangen ist und nicht gleich Milliarden zusätzlich rausgeschüttet hat. Das war ein erstes Zeichen.
Aber keiner von uns - noch einmal in Bezug auf den Antrag - weiß, was morgen nach dem Gespräch zwischen der Kanzlerin mit den Managern der großen Unternehmen im Kanzleramt Lage ist. Keiner weiß, was nach der Kabinettsklausur im Januar 2009 in Berlin kommt. Keiner weiß, wie die Prognosen der Wirtschaftssachverständigen im Januar 2009 sein werden. Ich denke, es ist eine gute Politik, jetzt abzuwarten, wie was wirkt. So sollte auch fortgefahren werden.
Kollege Gürth, Sie wissen, dass die Kfz-Steuer eine Landessteuer ist, über die ganz kühl entschieden worden ist.