Protocol of the Session on July 7, 2006

Damit ist die Debatte beendet. Wir treten ein in das Abstimmungsverfahren zu der Drs. 5/106 und zu der Drs. 5/143.

Wir stimmen zunächst über den Antrag in der Drs. 5/106 ab, der von der Fraktion der Linkspartei.PDS vorgelegt wurde. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist die Linkspartei.PDS. Wer ist dagegen? - Das sind die übrigen Fraktionen. Der Antrag ist abgelehnt worden.

Wir stimmen jetzt über den Alternativantrag in der Drs. 5/143 ab. Wer dem Alternativantrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die FDP, die CDU und die SPD. Wer ist dagegen? - Das ist die Linkspartei.PDS. Damit ist der Antrag in der Drs. 5/143 angenommen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 16.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Beratung

Ärzte im Lande halten

Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 5/90

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Kley von der FDPFraktion. Bitte schön, Herr Kley, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einem Land, das leider über keine Konzernzentrale verfügt, in einem Land, in dem es schwierig ist, die Wirtschaft aufzubauen, weil traditionelle Branchen weggebrochen sind bzw. sich ihre Weiterentwicklung nur geringfügig auf den Arbeitsmarkt auswirkt, ist es dringend notwendig - das habe ich bisher auch bei allen Fraktionen vernommen -, aus dem Bereich Wissenschaft und Forschung neue Potenziale zu entwickeln, um Arbeitsplätze zu schaffen, Wissen zu akkumulieren und unserer Jugend auch zukünftig eine Chance zu geben.

Die Verhandlungen zwischen den Bundesländern - meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, es ist auch dringend geboten, klar zu machen, dass die Bundesländer als Tarifpartner verhandelt haben und dass die Politik mit am Tisch gesessen hat, was einige Minister dieser Landesregierung offensichtlich immer noch registriert haben - auf der einen Seite und dem Marburger Bund auf der anderen Seite endeten mit dem Ergebnis, dass man zu unser aller Erstaunen - obwohl man bundesweit bereits bezüglich des Bereiches der niedergelassenen Ärzte darüber diskutiert, dass die Ärztegehälter angepasst werden müssen - bezüglich des Krankenhausbereiches der Meinung ist, hier müssten die enormen Gehaltsunterschiede langfristig zementiert werden.

Für uns stellt sich die Frage, welchen Sinn das haben soll. Sind doch die Krankenkassenbeiträge, die im We

sentlichen zur Finanzierung von Kliniken dienen, in der gesamten Bundesrepublik gleich hoch. Sie werden in Kürze dank der umfänglichen Beschlüsse der großen Koalition zur Gesundheitsreform erhöht. Die Begründung, die der Ministerpräsident unseres Landes im Rundfunk abgegeben hat, lautete - ich zitiere -:

„Es gibt Leute, die wollen, dass die Ärzte mehr Geld bekommen. Das muss auch irgendwo bezahlt werden.“

Offensichtlich besteht ein Zusammenhang zwischen den Beschlüssen der großen Koalition und den Gehältern, die die Ärzte in den Kliniken zukünftig bekommen werden.

Es muss auch noch einmal deutlich gesagt werden, dass dieser Tarifvertrag nicht heißt, dass sich prinzipiell die Gesamtvergütung für die Ärzte enorm nach oben bewegt, wie es in einigen Diskussionen so dargestellt wird. Vielmehr geht es darum, eine klare Rechtslage zu schaffen und den Patientinnen und Patienten Sicherheit zu geben, indem zum einen die Arbeitszeit der Ärzte begrenzt wird - wer möchte sich schon gern operieren lassen, nachdem der jeweilige Mediziner drei Tage lang in Bereitschaft, wie das so schön umschrieben wird, gearbeitet hat? - und zum anderen eine vernünftige Entlohnung, die sich im tariflichen Bereich bewegt, gewährt wird, sodass nennenswerte Einkommen künftig nicht nur über Zusatzvergütungen, Überstunden und Ähnliches erzielt werden können.

Es ist also insgesamt eine Entwicklung zu verzeichnen, die zu begrüßen ist und die offenkundig auch notwendig war, die aber in ihrem Ergebnis nachteilige Folgen für das Land als Wissenschafts- und Hochschulstandort haben wird. Denn wir reden hier nicht über irgendwelche Krankenhäuser, wir reden über unsere Universitätskliniken. Es ist notwendig, dort die besten Köpfe zu haben bzw. auch zu halten, den jungen Ärzten eine Perspektive zu geben, die Ihnen klar macht, dass sie in SachsenAnhalt willkommen sind, und die Schwerpunkte auch zukünftig weiter auszubauen.

Das Signal ist ein umgekehrtes; es heißt: Der Grundlohn ist geringer, dementsprechend sind auch die Zuschläge geringer. Also werden junge Menschen, die vor der Entscheidung stehen, wo sie sich niederlassen, mit Sicherheit nach anderen Möglichkeiten suchen.

Der Markt ist auch nicht mehr so wie noch vor einigen Jahren, dass man meinen könnte: Es gibt genug Mediziner, irgendeiner wird schon kommen. Die Situation ist eher so, dass junge Ärzte gesucht werden, dass man international um sie wirbt und dass wir uns dem internationalen Wettbewerb stellen müssen.

Das betrifft zum einen natürlich die Frage der Arbeitsbedingungen. Da hat das Land Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren sehr viel getan. Moderne Universitätsklinika sind gebaut worden, Rahmenverträge sind geschlossen worden, neue Formen der Organisation der Klinika wurden aufgebaut, die langfristig eine Profilierung und den Bestand sichern.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, neben den äußeren Rahmenbedingungen bedarf es eben auch einer finanziellen Perspektive, die gerade dann, wenn man nach einem sehr langen Studium in den Beruf eintritt, auch den Aufbau einer jungen Familie ermöglicht. In dieser Hinsicht stehen wir in Konkurrenz zu anderen Universitätsklinika. Ich glaube, die Folge wird sein, dass

die Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt zukünftig als unattraktiv eingeschätzt werden.

Wir haben jetzt die Möglichkeit, ohne dass nun der Tarifvertrag verlassen werden müsste, über die jeweiligen Haustarifverträge, die in den Anstalten des öffentlichen Rechts, in den beiden Klinika angeboten werden, den Ärzten hier eine Perspektive anzubieten und ihnen klar zu machen, dass sie bei uns willkommen sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schauen Sie sich die Tarifstrukturen in den freien Krankenhäusern an, die einen Haustarifvertrag haben. Hier hat man schon vor längerer Zeit reagiert und den jungen Ärzten eine Vergütung angeboten, die konkurrenzfähig ist und die dafür sorgt, dass man die besten Köpfe für längere Zeit an sich binden kann.

Es geht nicht - das möchte ich noch einmal betonen - um die Diskussion, die Gehälter mit Steuergeldern zu finanzieren, sondern um Klinika, die sich aus den Kassenbeiträgen finanzieren. Wer sich einmal anschaut, wie die Bedingungen bei den DRGs gegenwärtig sind, der wird feststellen, dass auch in Sachsen-Anhalt damit auskömmlich gewirtschaftet werden kann. Unter diesen Bedingungen muss man auch eine klare Perspektive eröffnen. Es geht also nicht darum, zusätzlich Steuergelder zu zahlen, sondern darum, die Klinika dazu ertüchtigen, für die jungen Ärzte Perspektiven aufzutun und dies auch finanziell abzusichern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer sich einmal anschaut, wie andere Kliniken gegenwärtig wirtschaften - die Universitätsklinik Dresden hat gestern die Zahlen für das Vorjahr veröffentlicht; sie hat einen Überschuss von 2,6 Millionen € erzielt -, der sieht, dass es offenkundig möglich ist, im Bereich der Krankenhäuser zu wirtschaften, dass man den Angestellten vernünftige Gehälter zahlen kann.

Es ist natürlich eine Frage der inneren Organisation, der Schwerpunktbildung und auch der Gewinnung von neuen Patientenstrukturen außerhalb des Landes. Denn das Land Sachsen-Anhalt reicht allein nicht aus, um den Patientenbestand für zwei derart hoch spezialisierte Kliniken zu sichern. Wir müssen auch aus umliegenden Ländern Patienten gewinnen. Vielleicht gelingt es über internationale Kompetenzzentren auch, Finanzen aus dem Privatbereich anderer Länder dieser Erde zu sichern. Universitätskliniken in England oder in den Niederlanden machen uns seit langem vor, wie man mit arabischen Patienten oder Patienten aus anderen Ländern dieser Erde sein Budget aufstocken kann.

Aber das gelingt nur, wenn die medizinische Versorgung, die Forschung und die Lehre eine Qualität erreichen, die einen internationalen Ruf begründet und die uns dementsprechend diese Märkt aufschließt. Wer von vornherein sagt: „Bei uns werden geringere Löhne gezahlt; offensichtlich sind unsere Kliniken nicht so viel wert, weil wir nicht mehr zahlen wollen.“, der setzt ein Signal für junge Menschen und zeigt ihnen, dass es anderswo besser möglich ist, sich zu verwirklichen.

Ich betrachte dies auch als eine ungünstige Tendenz und habe kein Verständnis dafür, dass innerhalb Deutschlands langfristig ein Unterschied gemacht werden soll, der besagt: Dort ist die Arbeit eine gute und hier ist die Arbeit eine schlechtere.

Zu der Frage der Grundlohnsumme, die vorhin aufgekommen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist

zu sagen: Auch in den Ländern der Altbundesrepublik gibt es massive Einkommensunterschiede. Es ist mir aber nicht bekannt, dass in Bremen andere Gehälter gezahlt werden als in Bayern, obwohl wir hier fast 100 % Gehaltsunterschied haben. Dort gibt es diese Begründung nicht. Aber hier ist man offenkundig der Meinung, in den neuen Bundesländern müsse man versuchen, auf diese Weise den Haushalt zu sanieren. Da gibt es andere Möglichkeiten.

(Zuruf von Frau Rogée, Linkspartei.PDS)

- Ja, natürlich. Der Finanzminister soll nachher sprechen; denn es ist ein Problem, das ich nicht verstehe, weil es um Universitätsklinika geht, die sich, wie gesagt, aus Krankenkassenbeiträgen finanzieren.

Aber hier hat man offenkundig eine andere Sicht. Man ist der Meinung, dass der öffentliche Dienst, der öffentliche Sektor gefragt wäre. Vielleicht eröffnet der heutige Antrag die Möglichkeit, sich innerhalb der Landesregierung über die Konstruktion der Anstalten öffentlichen Rechts klar zu werden, über die Eigentümerschaft, über die Frage der Verantwortung und auch über die Frage einer zukünftigen langfristigen Finanzierung, die dringend geboten ist.

Universitätskliniken, die am Tropf hängen, können in diesem Wettbewerb langfristig nicht bestehen. Allerdings muss ich sagen: Die Zahlungen für Forschung und Lehre sind davon ausgenommen und sind unbenommen. Sie sind auch notwendig. Aber der normale Klinikbetrieb muss aus Krankenkassenbeiträgen finanzierbar werden. Da hilft uns auch die Diskussion über die Dienstleistungsrichtlinie im Rahmen der EU und die Frage der Daseinfürsorge nicht. Man wird darüber debattieren. Universitätsklinika in den Händen freier Träger, die sich mittlerweile in Deutschland angesiedelt haben, werden diese Diskussion über staatliche Zuschüsse neu aufmachen.

Ich glaube also, es ist dringend geboten, dieses Thema intensiv zu behandeln und aus einer vernünftigen Sicht zu betrachten. Ich hätte mich gefreut, wenn nachher für die Landesregierung der Wissenschaftsminister einiges dazu gesagt hätte, wie er sich die Zukunft unserer medizinischen Forschung vorstellt. Stattdessen wird wohl der Finanzminister das Zahlenwerk vortragen.

(Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Das ist die falsche Sicht, meine sehr geehrten Damen und Herren. Aber dazu können wir vielleicht später noch kommen.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Lesen Sie den An- trag!)

Da offensichtlich noch einige Fragen bestehen, möchte ich die mir zustehende Redezeit nicht voll ausschöpfen, sondern den Kolleginnen und Kollegen frühzeitig die Möglichkeit geben, ihre Beiträge mit einzuspeisen.

(Zustimmung bei der FDP)

Herr Kley, vielen Dank. Es gibt zwei Fragen, zum einen von Frau Dr. Klein von der Fraktion der Linkspartei.PDS und zum anderen von Herrn Gürth von der CDU-Fraktion. Sind Sie bereit, die Fragen zu beantworten?

Bitte, Frau Dr. Klein.

Herr Kley, Ihr Antrag hat bei uns ziemliche Verwirrung hervorgerufen. Ich muss sagen, dass es nach Ihrem Beitrag nicht leichter geworden ist. Es gab nun ein Hochschulmedizingesetz, das unter Ihrer Mitwirkung in der Regierung verabschiedet worden ist. Darin ist festgelegt worden, dass die Universitätsklinika ab sofort Anstalten öffentlichen Rechts sind. Es gibt einige Ärzte - das ist unterschiedlich, ich hoffe, ich kriege das richtig hin -, die noch an den Fakultäten arbeiten. Sie sprechen jetzt - das nehme ich an - über die Universitätsklinika, die Anstalten öffentlichen Rechts sind.

Wer führt dort die Tarifverhandlungen? - Im Augenblick gilt dort noch der BAT. Es haben aber, so glaube ich, Tarifverhandlungen begonnen. Wer führt dort die Tarifverhandlungen? - Meines Erachtens dürfte das Land, da es eine Anstalt öffentlichen Rechts ist, maximal in Person des Ministers im Aufsichtsrat sitzen, auf jeden Fall aber keine Tarifverhandlungen führen. Wir haben ein richtiges Verständnisproblem. Vielleicht könnten Sie mich diesbezüglich mal aufklären. Das war die erste Frage.

Zweitens. Wenn jetzt dort ein Tarifvertrag entstünde - ich gehe noch nicht auf das Ost-West-Problem ein, ich meine die technische Seite - und dann den Ärzten, die noch an der Fakultät sind, der Übertritt ermöglicht werden sollte, hieße das, dass der Tarifvertrag, der vom Marburger Bund mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder abgeschlossen wurde, im Prinzip gebrochen würde und dass es uns passieren könnte, dass Sachsen-Anhalt aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ausgeschlossen würde. Ist das so?

Herr Kley, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Dr. Klein, es ist richtig, dass ein Teil der Ärzte an den Fakultäten verblieben ist - an den Standorten Halle und Magdeburg wurden dazu unterschiedliche Modelle gewählt - und ein Teil arbeitet in der Anstalt des öffentlichen Rechts. In dieser Anstalt öffentlichen Rechts ist zunächst einmal das Land SachsenAnhalt nach wie vor Eigentümer - das muss man so klar sagen - und hat dementsprechend bei allen Beschlüssen, die im Aufsichtsrat gefasst werden, das Sagen.

(Zuruf von Frau Bull, Linkspartei.PDS)

Wenn Sie sich das anschauen, sehen Sie: Die Struktur ist so, dass die drei Ministerinnen und Minister, die im Aufsichtsrat sitzen, nicht überstimmt werden dürfen. Das heißt, der Abschluss dieser Tarifverhandlungen wird letztlich im Aufsichtsrat beschlossen, und zwar unter maßgeblicher Mitwirkung der Kabinettsmitglieder. Jetzt zu sagen, es gehe einen nichts an, wäre falsch.