Protocol of the Session on November 14, 2008

Das ist ein klar formulierter Grundsatz seitens der kommunalen Spitzenverbände. Ich bin aber bei dem bisherigen Stand der Diskussion nicht davon überzeugt, dass dies eine Mehrheit des Parlamentes so akzeptiert. Sehr deutlich macht sich das bei der Frage der überörtlichen Sozialhilfe, aber auch bei anderen Aufgaben fest.

Wenn die Spitzenverbände in der kommenden Zeit intensiv daran arbeiten, ihre zweifelsfrei auch vorhandene Aufgabenkompetenz deutlicher darzustellen, wäre dies aus unserer Sicht ein notwendiger und förderlicher Beitrag zum Gesamtprojekt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Antrag lässt hinsichtlich seiner Einschätzung eigentlich keine alternative Interpretation zu. Deshalb werbe ich um Zustimmung.

Lassen Sie mich eines noch am Schluss erwähnen. Es gab einmal eine Zeit, in der ich angenommen habe, in das zweite Funktionalreformgesetz würde die Landesregierung ausschließlich solche - in Anführungszeichen - weitreichenden Aufgaben wie die Zulassung und Kontrolle der Mofa-Ausbildung hineinschreiben. Nunmehr entwickelt sich die Sache etwas anders. Die Landesregierung wird höchstwahrscheinlich gegen den erbitterten Widerstand einiger Fachminister und Fachministerinnen und auch einiger Parlamentarier sehr strittige Aufgabenkomplexe in den Gesetzentwurf aufnehmen. Ich bin mir dessen bis heute nicht sicher; denn der Unterrichtung habe ich das nicht eindeutig entnehmen können.

Vielleicht tut die Landesregierung dies in der festen Überzeugung, dass das Parlament nicht mehr viel davon übrig lassen wird. Wenn das die unausgesprochene Absicht ist, so kann diese bei der ganzen Herangehensweise durchaus von Erfolg gekrönt sein. Sie entbindet die Fachminister und Fachministerinnen aber nicht davon, die Kommunalisierung ihrer betroffenen Aufgabenkomplexe vor dem Parlament als Vorhaben der Landesregierung zu verteidigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es würde einen großen Flurschaden anrichten, wenn zum Schluss doch nur die Zulassung für die Mofa-Ausbildung herauskommt, weil die Kommunalisierung politisch nicht gewollt ist und handwerklich schlecht gemacht wurde. - Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Dr. Paschke, vielen Dank für die Einbringung. - Bevor ich dem Staatsminister Herrn Robra das Wort erteile, begrüße ich Seniorinnen und Senioren des Vereins Volkssolidarität Hergisdorf und Kreisfeld auf der Südtribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Dr. Paschke, ich kann verstehen, dass Sie ungeduldig werden. Ich bin in Fragen der Funktionalreform auch ungeduldig. Diese Gemütsverfassung eint uns.

Wir müssen allerdings zur Kenntnis nehmen, dass es eine der schwierigsten Materien überhaupt ist, mit der sich das Parlament beschäftigen kann und mit der sich das Parlament und die Landesregierung seit nunmehr 16 Jahren beschäftigen. Der erste Denkanstoß kam aus der Denkschrift der kommunalen Spitzenverbände vom September 1992, an der der frühere FDP-Innenminister Gross beteiligt war, in der eine Neuordnung der Aufgabenverteilung auf die einzelnen Ebenen in Richtung einer weitestgehenden Dezentralisierung angemahnt wurde.

Mit der Begleitentschließung zum ersten Kreisgebietsreformgesetz hat der Landtag zum Ausdruck gebracht, dass er von der Arbeit der in diesem Zusammenhang eingesetzten Enquetekommission „Verwaltungsreform“ wichtige Anregungen und Hinweise für notwendige Schritte erwartet,

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

die auch vor scheinbar ehernen Grundsätzen der Verwaltung nicht halt machen dürfen, dass Bedürfnisse und Erwartungen des Bürgers nach guten, möglichst bürgernahen und wirtschaftlichen Verwaltungsleistungen am Beginn der Überlegungen stehen müssen und dass klare und einfache Verwaltung auch heißt, dass staatliche Sonderbehörden auf allen Ebenen nur in besonderen Ausnahmefällen bestehen bleiben dürfen. Sie seien in die kommunale oder staatliche Instanz der jeweiligen Stufe einzuordnen.

Mit einer fast schon prophetischen Gabe hat der damalige Oppositionsführer Höppner in der Debatte über diese Entschließung des Landtages - die seinerzeit übrigens auch auf Betreiben der FDP angesetzt worden war - zum Ausdruck gebracht:

„Ich bin der Überzeugung, dass es an dieser Stelle schrittweise vorangehen muss.“

Ging es ja auch; das erste Funktionalreformgesetz liegt schon einige Zeit zurück.

„Wir werden einige Regelungen über die Aufgabenverteilung relativ bald treffen müssen, und es wird sicherlich auch Dinge geben müssen, von denen man sagt, es braucht einen Prozess von zehn bis 15 Jahren, ehe es den Idealvorstellungen,“

- das wäre vielleicht zu viel, sagt er selbst -

„ehe es den optimalen Vorstellungen entspricht, die wir darin entwickelt haben.“

Gemessen an diesem im Jahr 1993 in Aussicht genommenen Zeithorizont sind wir durchaus noch im Plan. Für alle diejenigen, die seinerzeit optimistischer waren, mag das ein vielleicht zu langfristig angelegtes Projekt gewesen sein. Aber die Dinge sind so schwierig.

Bemerkenswert ist auch die Bemerkung des Fraktionsvorsitzenden der damaligen PDS, Gallert, der schon damals zum Ausdruck brachte, es sei für ihn das Allernatürlichste der Welt, dass ein Behördenchef erst einmal nicht so wahnsinnig daran interessiert ist, dass Kompetenzen aus seiner Behörde abgezogen werden. Dann hat er hinzugefügt, Ihre Fraktion, Frau Dr. Paschke, würde die Diskussion - damals stand man ja noch relativ kurz vor der Landtagswahl und rechnete damit, möglicherweise an einer Regierung beteiligt zu sein - auch sehr viel vorsichtiger führen, wenn sie denn einmal Regierungsverantwortung hätte.

Die haben Sie bis heute nicht und es fehlen eigentlich uns allen bis heute einmal klare Vorstellungen auch Ihrerseits. Sie mahnen immer die Vorstellungen der anderen an, aber was DIE LINKE heute im Zusammenhang mit der Funktionalreform vorhat, darüber lassen Sie uns alle im Ungewissen.

Meine Damen und Herren! Mir liegt daran, in dieser Diskussion noch einmal deutlich zu machen, dass die Kreisverwaltungen bei uns im Lande auf vielen, auch schwierigen Gebieten, auch im übertragenen Wirkungskreis bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben, eine gute und verantwortungsvolle Arbeit leisten. Sie machen die gesamte Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch XII, organisieren den öffentlichen Personennahverkehr, richten Natur- und Landschaftsschutzgebiete ein und pflegen sie. Sie sorgen für die Abfallbeseitigung, sie sind verantwortlich für das Rettungswesen und den Brand- und Katastrophenschutz, das Gesundheitswesen, die

Lebensmittelüberwachung und das Veterinärwesen, für das Führerscheinwesen, die Kraftfahrzeugzulassung, den Bau und die Unterhaltung von Kreisstraßen, berufsbildende Schulen, Sonderschulen, Bauämter - ein großes Aufgabenspektrum. Teils sind es übergemeindliche Aufgaben, teils auch staatliche Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis, deren Wahrnehmung in herausragender, vorzüglicher Weise gesichert ist, die uns erwarten lässt, dass sie auch anderen Aufgaben auf der kreislichen Ebene gerecht zu werden vermögen.

Ich unterstreiche in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit der sachgerechten Wahrnehmung der Aufsicht, auch der Fachaufsicht über diese Aufgaben, die ein unverzichtbares Instrument des Rechtstaats ist, das natürlich auch in Zukunft bei der Übertragung von Aufgaben auf die Landkreise zu gewährleisten ist.

Meine Damen und Herren! Ich bitte darum, bei diesem Prozess der Funktionalreform auch immer im Blick zu behalten, dass wir durch den Konzentrationsprozess in der Landesverwaltung, der unausweichlich war und auch in Zukunft unausweichlich sein wird, in erheblicher Weise qualifiziertes Fachpersonal aus der Fläche herausgenommen haben. Ich habe mir einmal aufschreiben lassen, wie die Proportionen sind.

Wenn man weiß, dass wir im Jahr 1999 noch 44 000 Landesbeschäftigte im ländlichen Raum hatten und jetzt nur noch 33 000 - unter Einschluss von Lehrern, Polizisten und aller Berufsgruppen -, dann kann man in etwa nachempfinden, wie dieser Konzentrationsprozess auch dazu beigetragen hat, dass qualifizierte Verwaltungsarbeitsplätze der staatlichen Verwaltung im ländlichen Raum, in unseren Mittelzentren nicht mehr in dem Maße vorhanden sind, wie das früher der Fall gewesen ist.

Insofern trägt die Funktionalreform sicherlich auch dazu bei, qualifizierte Arbeitsplätze wieder zurückzuverlagern in unsere Kreisverwaltungen und damit in unsere Kreisstädte. Das ist ein übergeordneter Gedanke, den man bei alledem, was an fachlichen Einwänden allenthalben diskutiert wird - dabei waren schon im Jahr 2002 insbesondere die Agrarverwaltung, die Gewerbeaufsicht und die Schulaufsicht streitig -, mit bedenken muss.

Über die Möglichkeiten der Kommunalisierung - das war von uns mit dem Beschluss vom 14. Dezember 2007 bis zum Ende des dritten Quartals 2008 erwartet worden - sind Sie mit unserem Bericht vom 13. Oktober 2008 unterrichtet worden - natürlich noch nicht in allen Details. Es war von vornherein klar, dass das - und auch der Gegenstand des Beschlusses - noch nicht abgeschlossen sein kann. Ich sage ganz offen: Das wird auch erst abgeschlossen sein, wenn der Gesetzentwurf den Landtag in zweiter Lesung verlassen haben wird.

Natürlich sind die Dinge auch im parlamentarischen Raum dereinst weiterhin im Fluss, so wie sie auch heute noch im Fluss sind. Ich bitte um Verständnis, dass die Landesregierung zunächst einmal die abschließende Meinungsbildung mit den Fraktionen vorantreibt, die uns - Artikel 48 der Landesverfassung - stützen und die das gewonnene Ergebnis mittragen müssen. Diese Meinungsbildung steht vor dem Abschluss.

Die Nichtbeteiligung der parlamentarischen Opposition an diesem Prozess der internen Meinungsbildung zwischen der Landesregierung und den sie stützenden Koalitionsfraktionen entspricht der der Opposition in der Verfassung zugewiesenen Rolle. Ihre Stunde, meine Da

men und Herren von der LINKEN und von der FDP, wird noch kommen im parlamentarischen Prozess.

Wir halten daran fest, dass der Gesetzentwurf Anfang 2009 vorgelegt werden wird und dann natürlich unter Einbeziehung der Oppositionsfraktionen lang und intensiv im Detail beraten werden wird und in diesem Zusammenhang natürlich auch mit all den Analysen zur Wirtschaftlichkeit, die auch aus unserer Sicht ein integraler Bestandteil dieses Gesetzgebungsprozesses sind.

Mit Blick auf die heutige Debatte zur Enquetekommission füge ich gerne hinzu, dass auch mir daran liegt, dass wir uns nach Abschluss der Debatten zur Funktionalreform wieder der Aufgabenkritik widmen können und der Entlastung der Verwaltung von Überorganisation und Überreglementierung, wie das früher auch schon häufiger hier im Parlament erörtert worden ist.

Ein letztes Wort meinerseits. Ich bin in einem jedenfalls fest überzeugt - dabei, glaube ich, teile ich die Meinung der absoluten Mehrheit hier im Hause -: Wenn wir diesen Prozess, der uns jetzt zum zweiten Funktionalreformgesetz führen wird, abgeschlossen haben werden, dann wird das Thema der Funktionalreform, dann wird die Meinungsbildung zur Funktionalreform auf Jahre abgeschlossen sein. In dieser Zuversicht danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Herr Tullner, CDU: Wollen wir das Beste hoffen!)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Es gibt eine Nachfrage. Frau Dr. Paschke hat um das Wort gebeten. - Bitte, Frau Dr. Paschke.

Herr Staatsminister, ich habe Sie jetzt so verstanden, dass Sie der Auffassung sind, dass der Landtagsbeschluss vom 14. Dezember 2007 mit der Unterrichtung vom 13. Oktober 2008 erfüllt ist. Herr Staatsminister, wir sind dazu grundsätzlich anderer Auffassung. Ich möchte Sie fragen, ob Sie sich erinnern: Wir beide haben im Innenausschuss genau zu dieser Frage darüber debattiert, was mit den Kommunalisierungsmöglichkeiten und der Verbindlichkeit ihrer Darstellung gemeint ist.

Ich habe Sie im Innenausschuss ganz eindeutig gefragt, ob auch Sie unter „Verbindlichkeit“ und „Kommunalisierungsmöglichkeiten“ das verstehen, was wir darunter verstehen, dass wir nämlich erst die Aufgabenkomplexe verbindlich dargestellt bekommen und dass es erst danach in Gesetzesform gegossen wird. Dort haben Sie mir darin zugestimmt, dass das genau so zu verstehen ist. Jetzt versuchen Sie, in Ihrer Darstellung hier sozusagen zu sagen: Ja, es ist möglich, es ist vielleicht aber auch nicht möglich. Ich meine dazu: Das ist ein bisschen unfair. Sie retten sich hier ein bisschen aus der Klemme.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort. Bitte.

Sehen Sie es mir bitte nach, aber das sehe ich durchaus nicht so. Es ist vielmehr so: Wir haben Ihnen in dem Bericht verbindlich dargestellt, was im Korb der Maßnah

men für die Funktionalreform ist. Das ist verbindlich. Wir haben aber niemals in Aussicht gestellt, den Gesetzentwurf schon bis zum Ende des dritten Quartals vorzulegen.

Diesbezüglich bitte ich darum, sich einmal in unsere Lage hineinzuversetzen. Wenn die Meinungsbildung final abgeschlossen wäre, gar nichts mehr in Bewegung wäre, dann könnten wir Ihnen den Gesetzentwurf vorlegen. Zwischen der abschließenden Meinungsbildung, also dem, was aus den verbindlich für eine Kommunalisierung als möglich erachteten Maßnahmen dann am Ende hier zu debattieren sein wird, und der Formulierung des Gesetzes besteht kein so entscheidender Unterschied mehr. Wir hätten den Gesetzentwurf schon, wenn all das, was aus der Sicht der Landesregierung als möglich für die Kommunalisierung angesehen wird, schon endgültig in den Kommunalisierungsprozess eingebracht worden wäre. In diesem Sinne „verbindlich“ und „Kommunalisierungsmöglichkeiten“, wie ich es schon gesagt habe.

Vielen Dank für die Beantwortung der Frage. - Wir kommen zu den Debattenbeiträgen der Fraktionen. Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Herr Reichert das Wort. Bitte schön, Herr Reichert.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dr. Paschke, eines muss ich Ihnen zugestehen: Für die Zähigkeit und die Beharrlichkeit, mit der Sie das Thema der Funktionalreform hier behandeln,

(Zuruf von Herrn Dr. Eckert, DIE LINKE)

gebührt Ihnen schon Respekt und Anerkennung, das muss ich schon sagen.