Protocol of the Session on November 13, 2008

Dann kommen wir zu der zweiten Frage. Das fand ich ja klasse, Herr Wolpert, dass Sie alle Zahlen aus unserer Broschüre vorgelesen haben; Sie hätten sich selbst einmal einige ausrechnen sollen. Natürlich ist es so, dass Sachsen-Anhalt bei der Abwanderung die rote Laterne trägt. Wir haben in den Jahren 2006 und 2007 im Saldo der Wanderungsbewegungen in etwa 1,4 % der Bevölkerung verloren. In den ostdeutschen Bundesländern sind es im Schnitt 0,9 %.

Da muss man die Frage stellen, warum das der Fall ist. Da sage ich Ihnen ganz deutlich: Das hat etwas mit dem Niedriglohn in Sachsen-Anhalt zu tun, das hat etwas mit der im Vergleich mit den anderen Bundesländern noch schlechteren Entwicklung der Arbeits- und Haushaltseinkommen zu tun. Natürlich ist der Teil der Bevölkerung, der am mobilsten ist, nämlich der, der sich im Arbeitsprozess befindet, auch derjenige, der zuerst bereit ist, aus diesem Land abzuwandern.

Ich frage die Landesregierung: Wie haben Sie hier gehandelt? Wie haben Sie entschieden? Wie haben Sie in der Mindestlohnfrage agiert, die für Sachsen-Anhalt ganz entscheidend ist?

Man muss deutlich sagen: Die Landesregierung hat nicht agiert, weil sie sich nicht positionieren kann, weil an dieser Stelle wieder ganz klar wird, dass die Positionen von CDU und SPD nicht vereinbar sind und die Landesregierung deswegen an dieser Stelle handlungsunfähig ist. Das werden wir auch so sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU: Das glaubt doch keiner außer Ihnen!)

Noch kurz zum internen Verhältnis in der Koalition. Ich will das alles nicht noch einmal aufzählen: Gebietsreform, die Frage der Ganztagsbetreuung, die Fragen zum Nicht

raucherschutz. Wenn sich eine Koalitionsfraktion nach einer Niederlage des eigenen Gesetzes vor dem Landesverfassungsgericht darüber freut, dass dieses Gesetz vor dem Landesverfassungsgericht eine Niederlage erlitten hat, und möglicherweise gleich noch in der Presse steht: Na ja, und wenn das bei der Gebietsreform in ähnlicher Art und Weise käme, würden sich gewisse Teile bei uns in der CDU-Fraktion auch darüber freuen, dann muss man, meine ich, über die innere Verfassung der Koalition nicht mehr viel sagen. Da nehmen Sie uns als Opposition, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, schon fast die Arbeit ab.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Dann wissen wir: Diese Koalition ist keine Koalition des inhaltlichen Konsenses, gerade im Bildungsbereich nicht. Warum ist denn der Bildungskonvent gegründet worden? - Weil man sich an dieser Stelle in der Koalition nicht verständigen kann.

Deswegen sagen wir noch einmal ausdrücklich und eindringlich: Diese Koalition ist eine Koalition, die vom Willen zur Macht zusammengehalten wird und nicht auf einer inhaltlichen Gestaltungskonzeption, nicht auf einem inhaltlichen Konsens fußt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage ausdrücklich: Jawohl, wir haben Konzepte dagegengestellt, wir haben ein Konzept zur Demokratieentwicklung und zur Bekämpfung des Rechtsextremismus mit einem komplexen Ansatz entwickelt. Wir haben unsere Schwerpunkte zur Haushaltspolitik, und zwar unter den Bedingungen der Haushaltspolitik dieses Landes Sachsen-Anhalt, definiert.

(Zuruf von der CDU)

Wir haben ein Konzept zur räumlichen Gliederung der öffentlichen Daseinsvorsorge beschlossen, das schon Einfluss auf die Vorlagen der Landesregierung gehabt hat; das haben wir deutlich registrieren können. Auch an dieser Stelle sagt man: Es ist für die Opposition auch einmal schön zu sehen, dass die Landesregierung auch einmal das macht, was wir, die Opposition, wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber - das sage ich abschließend, Herr Präsident, - wir als Oppositionsfraktion werden Ihrem Wunsch trotzdem nicht nachkommen, die Regierung dahin zu drängen, ihren eigenen Koalitionsvertrag umzusetzen. Es kann sein, dass wir das einmal tun müssen, nämlich dann, wenn diejenigen, deren Aufgabe dies eigentlich ist, nämlich die Koalitionsfraktionen, sie nicht erfüllen. Dann kann es einmal sein, dass wir, wenn im Koalitionsvertrag etwas Vernünftiges steht, diese Dinge mit voranbringen werden. Im Normalfall aber werden wir immer unsere politischen Alternativen dazu darstellen und in der Öffentlichkeit ganz klar sagen, dass wir handlungsfähige politische Alternativen aufstellen, die für das Land Sachsen-Anhalt besser sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Abschließend: Die Halbzeitbilanz wird von Politikern erstellt, die Endbilanz dieser Legislaturperiode von den Wählerinnern und Wählern in diesem Land. Ich glaube, wir alle sollten nicht überrascht sein, wenn deren Urteil etwas anders ausfällt als die Darstellung in unseren Broschüren. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Gallert, für Ihren Beitrag. - Wir kommen zum Debattenbeitrag der CDU. Bevor ich Herrn Scharf das Wort erteile, begrüße ich junge Leute aus Stendal, die Damen und Herren der Interessenvereinigung Jugendweihe e. V. in Stendal. Herzlich willkommen!

(Beifall bei der LINKEN und bei der CDU - Zuruf von der CDU: Wenn die LINKE Herrn Ackermann erst einmal verhaftet hat, dann geht es voran! - Herr Gallert, DIE LINKE: Herr Miesterfeldt hatte sich gemeldet!)

- Entschuldigung. - Herr Miesterfeldt, Sie haben das Wort.

Wenn Herr Gallert mir verspricht, dass es kein langer politischer Vortrag wird - vielleicht nur drei Sätze -, hätte ich gern einmal von ihm gewusst, wie man ohne den politischen Willen zur Macht regieren soll.

Dass ich bei Ihnen ein Vakuum statt Regierungswillen verortet hätte, ist natürlich völlig falsch angekommen. Nein, man braucht den Willen zur Macht, aber man braucht, um eine Regierungskonzeption aufzustellen, schon etwas mehr. Man braucht eine inhaltliche Vorstellung und auch einen inhaltlichen Konsens zwischen den Koalitionspartnern. Der ist nicht zu erkennen, und darin - das sage ich ausdrücklich - liegt unsere Kritik.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir registrieren ja mit einer gewissen Genugtuung, Herr Miesterfeldt, dass der nicht zu erkennen ist. - Danke.

Weitere Fragen sehe ich nicht. Dann erteile ich zum Schluss der Debatte Herrn Scharf das Wort. Bitte schön, Herr Scharf.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich vermute, zu den Sternstunden des Parlaments wird diese Aktuelle Debatte nicht gehören.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Gallert, DIE LIN- KE: Wenn Sie schon so anfangen, Herr Scharf!)

- Was gesagt werden muss, soll auch gesagt werden.

Ich habe ein bisschen überlegt, als Herr Wolpert die Aktuelle Debatte hier einbrachte und wir die Idee zur Kenntnis genommen haben. Ich glaube, Herr Wolpert, wenn man morgens unter der Dusche steht und eine gute Idee hat, ist sie nicht immer so gut, dass man sie gleich aufschreiben muss.

Ich möchte Sie nicht daran erinnern; es gab einmal einen Fraktionsvorsitzenden der FDP in der ersten Legislaturperiode, der sich in einem Fall auch auf Nachfrage geweigert hat zu sagen, was ein Antrag auf eine Aktuelle Debatte bedeuten sollte. Das haben Sie nicht gemacht.

Aber in den rhetorischen Grundseminaren bekommt man eigentlich vermittelt, dass es nicht so gut überlegt

ist, wenn man erklären muss, was man vortragen will. Ich denke, an dieser Stelle könnte die FDP ihre Oppositionsqualität durchaus noch ein bisschen steigern. Aber wir sind ja alle lernfähig und lernwillig.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU, und von Herrn Kurze, CDU)

Was aber wichtig ist und was in diesem Zusammenhang im Plenarsaal heute gesagt werden muss - das will ich ganz klar sagen, weil es meine politische Überzeugung ist -, ist Folgendes: Große Koalitionen werden in Deutschland häufig zerredet und es wird so hingestellt, als ob sie Notlösungen wären, als ob sie nichts zustande brächten und als ob sie sich über die Zeit quälten.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Ist doch auch so!)

- Die kleinen Parteien müssen das natürlich vermuten, weil sie bei einer großen Koalition wahrscheinlich nie dabei sind.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD, und von Herrn Bischoff, SPD - Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Aber die Geschichte des Parlamentarismus in Deutschland zeigt durchaus, dass große Koalitionen durchaus Großes geleistet haben, dass große Koalitionen notwendig gewesen sind

(Herr Kosmehl, FDP: Es gab erst zwei!)

und tatsächlich in der Lage gewesen sind, gesellschaftliche Entwicklungen einzuleiten und durchzuhalten, die uns über Jahre und Jahrzehnte geprägt haben.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass nach vielem Gezänk, das wir auch in diesem Landtag hinter uns haben, die große Koalition in Sachsen-Anhalt die Chance hat, in den fünf Jahren, für die wir den Koalitionsvertrag geschlossen haben, wichtige politische Weichenstellungen umzusetzen sowie für Stabilität und Perspektive in diesem Land zu sorgen.

Daran, meine Damen und Herren, arbeiten wir beide, CDU und SPD, kontinuierlich weiter. Das bleibt so. Das ist unsere Ausgangsposition.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Natürlich ist es klar - das will ich an dieser Stelle auch aus pädagogischen Gründen noch einmal wiederholen -, dass CDU und SPD in so manchen Fragen ziemlich unterschiedliche Grundauffassungen haben.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Dort kommt man nun einmal her. Das ist auch in dieser Koalition immer einmal wieder zu sehen gewesen, da wir unsere Grundüberzeugungen, nur weil wir uns zur Zusammenarbeit verpflichtet haben, nicht ablegen. Dazu gehört natürlich die Frage der Investitionsförderung. Aber an dieser Stelle haben wir uns als CDU ganz gut durchgesetzt, indem wir weiterhin für die gleichmäßige Landesentwicklung stehen, und wir setzen die Investitionsförderung gemeinsam mit der SPD auch vernünftig um. Ich kann dabei keinen Substanzverlust erkennen.

Nehmen wir einmal das Thema Schule. Das wird uns heute, vermutlich auch noch viele weitere Male im Landtag beschäftigen. Dass wir in dieser Legislaturperiode eindeutig bei den Schulstrukturen geblieben sind, die wir als vernünftig erachten, die im Wesentlichen ein

zweigliedriges Schulsystem darstellen, halte ich für eine große Errungenschaft.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)