Nach zweieinhalb Jahren großer Koalition können wir jedenfalls feststellen, dass Sachsen-Anhalt in der Tat auf einem guten Weg ist, dass wir natürlich noch viele Probleme zu bewältigen haben, dass wir den Weg weiter gehen werden und dass wir selbstverständlich gern bereit sind, mit der Opposition die Schritte zu besprechen und auch über die richtigen Schritte zu streiten.
Dann hätten wir außer der dauernden Beschwerde, dass alles nicht gut genug sei, dass alles nicht schnell genug gehe, aber gern auch substanzielle inhaltliche Vorschläge. Heute habe ich den Eindruck, dass Sie nicht nur die Uhrzeit, sondern auch das Datum der Einbringung verwechselt haben. Ihre Rede hätte jedenfalls besser zum 11.11. gepasst. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Budde. Gehen Sie noch nicht so schnell weg, Frau Budde. Frau Dr. Hüskens hat noch eine Nachfrage. Wollen Sie diese beantworten? - Natürlich. Bitte, Frau Dr. Hüskens.
Frau Budde, es ist ja im September angekündigt worden, dass nach der Regierungserklärung des Finanzministers noch eine Regierungserklärung zur Halbzeitbilanz kommen sollte. Ich denke, es ist innerhalb des Parlaments Konsens, dass dies üblicherweise zur Halbzeit passiert. Wenn Sie in die letzten Legislaturperioden gucken, dann werden Sie feststellen, dass es immer so um diese Zeit gewesen ist.
Wie würden Sie es als Parlamentarier - Sie können sich wahrscheinlich auch noch an die Zeiten der Opposition erinnern - empfinden, wenn Sie dann feststellen, dass die Regierungserklärung nicht kommt und wenn auf die Nachfrage, wie es damit sei, die Antwort kommt, es komme keine, wenn Sie entgegen der ursprünglichen Ansage ohne Regierungserklärung - ich will nicht sagen „auskommen müssen“; das würde ich wahrscheinlich noch verschmerzen -, wenn keine Regierungserklärung stattfindet? Wie würden Sie das bewerten?
Hier geht es nicht darum, was ich empfinde, sondern hier geht es darum, dass sich im letzten Vierteljahr die Welt dramatisch verändert hat und dass es nicht sinnvoll ist, eine Regierungserklärung zu halten, bevor wir überhaupt wissen, welche Auswirkungen das haben wird. Es wäre im Grunde eine Doppelung dessen, was bei der mittelfristigen Finanzplanung gesagt worden ist. Jetzt müssen wir tatsächlich abwarten, welche Auswirkungen die ganzen Schirmchen, die aufgespannt werden, haben werden. Wir müssen sehen, was wir im Land daraufhin tun müssen, ob wir etwas korrigieren müssen.
Hätte der Ministerpräsident jetzt die Regierungserklärung gehalten, dann hätten Sie ihm vorgeworfen, dass er es in einer Zeit tut, in der er gar nicht sagen kann, wie die zweite Hälfte der Legislaturperiode aussehen wird.
Ich finde, es ist richtig und solide, wie es der Ministerpräsident gesagt hat, abzuwarten, welche Auswirkungen es geben wird, wann überhaupt kalkulierbare Auswirkungen für Sachsen-Anhalt beschrieben werden können, und dann eine Regierungserklärung zu halten, in der auch gesagt wird, wie die Politik in Sachsen-Anhalt, nämlich die Regierungspolitik, darauf antworten wird. Dann können wir als Parlament das Ganze diskutieren und sagen, ob es für uns der richtige Weg ist oder nicht.
In der jetzigen Zeit weiß noch niemand, wie die Auswirkungen auf die einzelnen Bundesländer sein werden. Es gibt noch mehr große Unbekannte. Es gibt noch das Erbschaftsteuerrecht. Es gibt noch die große Unbekannte, was mit der Kfz-Steuer ist, wie sie umgelegt wird und ob es einen Ausgleich für die Länder geben wird oder nicht.
Es ist einfach Quatsch, diese Regierungserklärung zu halten, weil nichts Neues dabei herauskommen könnte. Wir müssen vielmehr warten, bis die ersten Auswirkungen da sind. Ich gehe einmal davon aus, dass man das Anfang des nächsten Jahres durchaus schon einschätzen kann. Dann ist es auch der richtige Zeitpunkt.
Deshalb kommt es überhaupt nicht darauf an, was ich als Parlamentarierin empfinde, sondern darauf, was rational und sachlich notwendig ist, und darauf, wann wir in der Lage sein werden, über neue Strategien zu diskutieren. Zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls geht das noch nicht.
Frau Budde, Frau Dr. Hüskens hatte noch eine Nachfrage. - Sie ziehen sie zurück. - Herzlichen Dank für Ihren Beitrag. Wir kommen dann zu dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Der Abgeordnete Herr Gallert hat das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Die Aktuelle Debatte heute ist im Wesentlichen, zumindest während eines Großteils der Redezeiten, dadurch bestimmt gewesen, dass man darüber diskutiert hat, ob man darüber diskutieren sollte. Ich glaube, das ist weder dem Hohen Haus noch diesem Tagesordnungspunkt wirklich zuträglich.
Natürlich ist es so. Wir haben unsere Sicht der Dinge jeweils einzeln den Vertretern der Medien erzählt. Jetzt haben wir die Gelegenheit und die Chance, es uns auch gegenseitig zu sagen. Aber das ist - darin zumindest kann ich den Kollegen von der FDP-Fraktion folgen - die klassische Funktion eines Parlamentes. Deswegen halte ich diesen Ansatz auch nicht für so wahnsinnig falsch. Ich glaube, wir sollten uns an dieser Stelle nicht in erster Linie darüber Gedanken machen, ob wir darüber reden sollten oder nicht, sondern wir sollten versuchen, ein Stück weit auch in eine inhaltliche Debatte einzutreten.
Ich sage an dieser Stelle auch: Offensichtlich war diese Halbzeitbilanz, also eine Rückschau, uns allen so wichtig, dass wir uns dazu artikuliert haben. Die Landesregierung hat, wie der Ministerpräsident es auf der Presse
konferenz der Landesregierung so bildhaft ausdrückte, einen Pappkarton erstellt. Die Pressesprecherin hört das nicht so gern. Trotz alledem fand ich die Formulierung erst einmal nicht so schlecht.
Es gab Broschüren von Kollegen der CDU-Fraktion. Dazu sage ich ausdrücklich noch einmal: Die Fotos sind beeindruckend.
Wir haben eine Broschüre erstellt und die FDP hat eine Broschüre erstellt. Die SPD hat keine Broschüre erstellt. Sie wird dafür ihre Gründe haben.
Vielleicht können wir darüber auch noch einmal spekulieren. Ich will jetzt gutgläubig sagen: Vielleicht war es die Fraktionskasse. Das könnte man nachvollziehen.
Das Problem - das glaube ich trotz alledem, nachdem ich mir die Dinge im Vergleich noch einmal angeschaut habe - ist, dass unsere Halbzeitbilanz, dass unsere Sicht auf die Akteure, die in diesen letzten zwei Jahren tätig gewesen sind, im Wesentlichen dadurch bestimmt gewesen ist, dass dargelegt wurde, was man selbst getan hat und wie man meint, dass die Dinge von den Menschen in diesem Land gesehen werden müssten.
Ich glaube, wir sollten an dieser Stelle einmal einen anderen Maßstab anlegen. Dieser andere Maßstab ist, wie die Menschen in diesem Land Politik wahrnehmen, wie sie Politik - na ja - kommentieren, welche Problemlösungskompetenz sie uns zutrauen oder eben nicht zutrauen und welches Bild sie von uns als Akteure haben.
Dazu gibt es eine Bilanz, die noch nicht ein Jahr alt ist, und zwar der Sachsen-Anhalt-Monitor, der im letzten Jahr veröffentlicht worden ist. Da sage ich ausdrücklich: Die Menschen in diesem Land sehen uns als Landesparlament, als Landesregierung, als Vertreter der politischen Klasse außerordentlich kritisch. Sie haben relativ wenig Vertrauen in unsere Problemlösungskompetenz. Sie haben eine relativ große Distanz zum Funktionieren dieser Demokratie.
Ich hätte mir gewünscht, dass das in der einen oder anderen Aussage zur Halbzeitbilanz auch einmal von uns als Akteuren stärker reflektiert worden wäre. Das, und nicht so sehr die großen Fotos, meine Damen und Herren, wäre ein Schritt hin zur Glaubwürdigkeit.
Ich will einmal an einige Beispiele herangehen, die ich gerade in dem Pappkarton der Landesregierung gefunden habe, hinsichtlich der Frage: Wie werden Bilanzen von uns gezogen? Wie ziehen wir die Dinge aus unserer Sicht in die Öffentlichkeit?
Da kommt eine der schönsten Aussagen gleich am Anfang: Jawohl, wir haben im ersten Halbjahr 2008 ein Wirtschaftswachstum von 2,8 % in diesem Land Sachsen-Anhalt. Damit stehen wir nach Bayern an zweiter Stelle. Wir sind deutlich über dem Durchschnitt der ostdeutschen Bundesländer, die man, wenn man einen realistischen Vergleich ziehen will, wirklich heranziehen sollte. In den ostdeutschen Bundesländern sind die Ausgangsbedingungen zumindest noch ähnlich. Die Wirkun
gen von verschiedenen externen Faktoren sind auch ähnlich. Insofern ist solch ein Vergleich zulässig.
Dann muss man eben sagen: Jawohl, Sachsen-Anhalt hat im zweiten Halbjahr 2008 im Verhältnis zu den anderen ostdeutschen Bundesländern eine sehr gute Entwicklung gehabt. Aber muss man in gleicher Weise hinzufügen: In den Jahren 2006 und 2007 hat es in Sachsen-Anhalt diese Entwicklung eben nicht gegeben. Die Wirtschaftsentwicklung Sachsen-Anhalts lag in diesen beiden Jahren unter dem Durchschnitt der Wirtschaftsentwicklung der ostdeutschen Länder.
Ich will zur Ehrenrettung der Landesregierung sagen: Auch das ist veröffentlicht worden, allerdings nicht anlässlich der Halbzeitbilanz, sondern in einer kleinen Broschüre des Finanzministeriums, der man auch diese Dinge entnehmen konnte.
Ich sage ausdrücklich: Zu einer ehrlichen Bilanz gehört zu sagen: Wir haben zwei Jahre lang ein deutlich unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum und ein halbes Jahr lang ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum gehabt. Man darf sich nicht nur auf das letzte halbe Jahr berufen, denn nur dann erhält man eine relativ realistische, für die Leute auch nachvollziehbare Bewertung der letzten zweieinhalb Jahre und nicht die Aussage in einer Hochglanzbroschüre, in der man sich selbst lobt und damit weiter eine Differenz zwischen den Menschen in diesem Land und der politischen Klasse schafft.
Ein zweites Beispiel ist die Gesamtbilanz im Maschinenbau. Jawohl, gleich die zweite oder dritte Karteikarte zeigt: hervorragende Entwicklung! Die Beschäftigtenzahlen gehen nach oben, der Umsatz geht nach oben, alles klasse! Es findet sich aber keine einzige Übersicht, aus der hervorgeht, wie sich die Beschäftigtenzahl in Sachsen-Anhalt in dieser Legislaturperiode insgesamt entwickelt hat.
Da muss man einmal deutlich sagen: Die Beschäftigtenzahl in Sachsen-Anhalt hat sich seit Beginn dieser Legislaturperiode erhöht. Aber sie hat sich deutlich weniger erhöht als im Durchschnitt der ostdeutschen Bundesländer. Da ist die Situation schlechter gewesen. Da kommt der Wirtschaftsminister immer und sagt: Das ist trotzdem ein hervorragendes Ergebnis. - Er hat uns schon bei einer Arbeitslosenstatistik erzählt, dass der letzte Platz eigentlich der beste sei.
Das hat er mir auch in einem Gespräch verdeutlicht, indem er sagte, das liege ja nur daran, dass wir so gut dabei sind, den öffentlichen Dienst abzubauen. - Da sage ich: Es steht tatsächlich auf einer solchen Karte, wir hätten im Bereich des öffentlichen Sektors 14 000 Stellen abgebaut. Ich habe beim Statistischen Landesamt nachgefragt: Könnt ihr mir bitte einmal erzählen, woher diese 14 000 Stellen kommen? - Der Chef des Statistischen Landesamts antwortete mir, er könne es nicht sagen und ein anderer könne es auch nicht. Diese Zahlen stammen also nicht von dort.
Daher sage ich ausdrücklich: Auch an dieser Stelle müssen wir die Perspektive ein bisschen ändern. Da müssen wir überlegen: Was bedeutet das eigentlich für die Leu
te, die in diesem Land wohnen? - Für die bedeutet der Abbau einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im öffentlichen Dienst nämlich genau das gleiche negative Signal wie der Abbau einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in der Privatwirtschaft.
Deswegen sage ich ausdrücklich: Wenn wir uns immer hinstellen und sagen, im Maschinenbau geht das alles ganz hervorragend, aber im öffentlichen Dienst werden wir immer weiter abbauen, dann müssen wir wissen, dass bei den Leuten in der Bilanz etwas ganz anderes ankommt, als wir ihnen mit unseren Hochglanzbroschüren signalisieren wollen.
Zudem haben wir die Differenz zwischen der politischen Klasse und den Menschen in diesem Land vergrößert, zumal wir an sie auch das Signal aussenden, dass der Stellenabbau im öffentlichen Dienst grundsätzlich etwas Gutes sei, aber nicht gleichzeitig sagen, dass damit auch Wertschöpfung abgebaut wird, dass damit auch öffentliche Daseinsvorsorge abgebaut wird und sich unter Umständen auch die Lebenssituation der Menschen in diesem Land verschlechtert. - Da machen wir nicht mit, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Eigenartigerweise kommt in all diesen Dingen eines nicht vor, nämlich die Frage: Was kommt eigentlich bei den Leuten an? Wie entwickeln sich die Haushalts- und Arbeitseinkommen in Sachsen-Anhalt? - Da muss man ganz deutlich sagen: Sie entwickeln sich schlechter als in den anderen ostdeutschen Bundesländern; das geht aus den Statistiken klar hervor.
Dann kommen wir zu der zweiten Frage. Das fand ich ja klasse, Herr Wolpert, dass Sie alle Zahlen aus unserer Broschüre vorgelesen haben; Sie hätten sich selbst einmal einige ausrechnen sollen. Natürlich ist es so, dass Sachsen-Anhalt bei der Abwanderung die rote Laterne trägt. Wir haben in den Jahren 2006 und 2007 im Saldo der Wanderungsbewegungen in etwa 1,4 % der Bevölkerung verloren. In den ostdeutschen Bundesländern sind es im Schnitt 0,9 %.