Protocol of the Session on October 10, 2008

Meine Damen und Herren! Diese Punkte sind sicherlich die vordringlichsten. Aber das Gesetz hat auch in einer ganzen Reihe von anderen Punkten zu - ich sage es einmal so - unerwünschten Nebenwirkungen geführt.

Ich denke zum Beispiel an den außerordentlich unwürdigen Eindruck, den so manche Behörde macht. Taxifahrer haben inzwischen schon den flapsigen Spruch geprägt: Eine Behörde findet man heute in Sachsen-Anhalt ganz einfach; man muss nur gucken, wo die Raucher stehen und wo die Kippen auf der Straße liegen.

Auch das ist sicherlich Anlass, einmal intensiv darüber nachzudenken, ob wir mit dem Gesetz über das Ziel, das wir erreichen wollten, nämlich die Nichtraucher zu schützen, nicht doch deutlich hinausgeschossen sind. Ich glaube, das Parlament ist auch aus eigener Erfahrung inzwischen klug genug, um zu wissen, dass man eben nicht jedem Programm hinterherlaufen muss.

Abschließend noch ein Satz zu den Gastronomen. Wenn Sie die „Magdeburger Volksstimme“ lesen, haben Sie sicherlich festgestellt, dass es inzwischen eine sehr bunte Mischung von Angeboten gibt. Eine ganze Reihe von Gastronomen trägt vor, dass sie erhebliche wirtschaft

liche Nachteile hätten. Das halte ich durchaus für nachvollziehbar. Rechtsunsicherheit greift um sich. Einige Wirte haben die Aschenbecher wieder ganz offen hingestellt, andere haben Investitionen getätigt, um dem Gesetz Rechnung zu tragen.

Deshalb möchte ich abschließend noch einmal an Sie appellieren. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Sie es nicht besonders eilig damit haben, das Gesetz anzupassen. Wir wussten eigentlich schon vor der Sommerpause, wohin es gehen wird. Es gibt eine Reihe von anderen Ländern, die Änderungen vorgenommen haben. Es liegen auch schon Urteile des Bundesverfassungsgerichts vor. Obgleich bei uns der endgültige Text noch nicht vorliegt, wissen wir doch, wohin das Ganze gehen wird.

Deshalb bitte ich Sie: Warten Sie nicht so lange, bis Sie die absolute Gewissheit haben, dass es so werden wird wie in allen anderen Bundesländern und wie wir es eigentlich prognostizieren können. Es besteht Handlungsbedarf, um die Rechtssicherheit im Land und um die Angemessenheit des Gesetzes herzustellen.

Ich denke, dass Sie schon heute damit beginnen sollten, die Gespräche zu führen, die Sie innerhalb der Koalition sicherlich dazu führen müssen, wenn das nicht längst der Fall ist. Aber den Eindruck habe ich nicht. Wir sollten wenigstens bis zum Jahresende allen betroffenen Personengruppen eine Lösung präsentieren können, die rechtssicher und verfassungskonform ist. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Dr. Hüskens, für die Einbringung. - Für die Landesregierung erteile ich jetzt Ministerin Frau Dr. Kuppe das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen Abgeordneten! Das Landesverfassungsgericht beabsichtigt, am 22. Oktober 2008 in der Sache über das Nichtraucherschutzgesetz in Sachsen-Anhalt zu entscheiden. Bis dahin setzt die Exekutive den Beschluss des Landesverfassungsgerichts vom 28. August 2008 um.

An diesem Tag hat das Landesverfassungsgericht von Sachsen-Anhalt den ursprünglichen Antrag auf eine einstweilige Anordnung, der von Diskothekenbetreibern und Betreibern von Einraumgaststätten gestellt wurde, aufgegriffen und unter Abänderung seines ursprünglichen Beschlusses vom 30. Juli 2008 die Anwendung des Nichtraucherschutzgesetzes einstweilig ausgesetzt,

erstens sofern es sich auf Diskothekenbetreiber erstreckt, die Personen vor Vollendung des 18. Lebensjahres den Zutritt verwehren und Raucherräume einrichten, in denen das Tanzen untersagt ist und die den Anforderungen des § 4 des Nichtraucherschutzgesetzes entsprechen, und

zweitens sofern es sich auf Einraumgaststätten mit einer Gastfläche von maximal 75 m² erstreckt, die als Schankwirtschaft gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gaststättengesetzes betrieben werden, die im Eingangsbereich deutlich

als Rauchergaststätte gekennzeichnet werden und zu denen Personen unter 18 Jahren der Zutritt verwehrt wird. - Soweit die Vorgaben des Landesverfassungsgerichts.

Ein entsprechender Erlass an das Landesverwaltungsamt zur Information der Kommunen ist am 29. August 2008 ergangen. Von den Ordnungsämtern wird diese vorläufige Entscheidung des Landesverfassungsgerichts umgesetzt.

Sie wissen: Vor dieser einstweiligen Anordnung unseres Landesverfassungsgerichts stand die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Nichtraucherschutzgesetzen aus Baden-Württemberg und Berlin. Das Bundesverfassungsgericht hat ein grundsätzliches und absolutes Rauchverbot für verfassungsgemäß erklärt. Allerdings hat es gesagt, dass die Ausnahmeregelungen teilweise inkonsequent seien. Deswegen hat es in Bezug auf Diskotheken und Einraumgaststätten von der Möglichkeit der Festlegung einer Übergangsregelung nach § 35 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gebrauch gemacht.

Ferner wurde mit Beschluss vom 6. August 2008 zur Frage der Einrichtung von Raucherklubs, die das bayerische Nichtraucherschutzgesetz vorsieht, nochmals festgestellt, dass das absolute Rauchverbot verfassungsgemäß sei und die bayerische Regelung zu den Raucherklubs keine verfassungswidrige Benachteiligung darstelle.

Wesentlich erscheint mir der von den Verfassungsgerichten eindeutig hervorgehobene Jugendschutz. In beiden Fällen, sowohl bei den Einraumgaststätten als auch bei den Diskotheken, muss der Zutritt für Personen unter 18 Jahren verwehrt werden.

Ferner darf es sich bei den Einraumgaststätten wirklich nur um Schankgaststätten und nicht um Speisegaststätten handeln. Auch das ist noch einmal klargestellt worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich teile nicht die Auffassung von Frau Hüskens, die sie jetzt noch einmal dargelegt hat, dass unser Gesetz gravierende handwerkliche Fehler aufweist. Es gibt keine rechtlichen Unklarheiten und in anderen Landesgesetzen wurden vergleichbare Regelungen bzw. sogar identische Regelungen von den Landtagen verabschiedet.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Sie werden in den Ländern praktiziert und sind dort bisher nicht beanstandet worden. Es gibt auch bei uns bisher keine rechtlichen Fragen, die das derart als Problem aufwerfen, wie Sie es getan haben.

Ich teile auch nicht Ihre Auffassung, dass wir einfach jetzt so handeln sollten, weil im Prinzip schon klar sei, wie das Landesverfassungsgericht am 22. Oktober urteilen werde. Ich denke, die Achtung vor dem Landesverfassungsgericht von Sachsen-Anhalt gebietet es, dass wir das Urteil dieses Gerichtes abwarten.

Am 22. Oktober 2008 wissen wir mehr und dann werden wir - Landesregierung und Koalitionsfraktionen gemeinsam - darüber diskutieren, auf welchem Weg das Urteil des Landesverfassungsgerichts umgesetzt werden kann. Das werden wir dann auch tun.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Scharf, CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Es gibt eine Nachfrage. - Herr Wolpert, bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Ministerin, Sie sprachen gerade davon, dass Sie aus Achtung vor dem Gericht abwarten wollen und erst dann eine Gesetzesinitiative einreichen wollen. Könnte es auch sein, dass Sie sich hinter dem Gericht verstecken?

Das ist nicht der Fall. Aber wir haben ein Landesverfassungsgericht in Sachsen-Anhalt. Dort sind Klagen anhängig. Das Landesverfassungsgericht hat Ende August mitgeteilt, dass es am 22. Oktober 2008 in der Sache entscheiden wird.

Ich halte es einfach für gerechtfertigt, dass wir dieses Urteil abwarten und dann prüfen, auf welchem Weg dieses Urteil umgesetzt wird. Es steht überhaupt nicht zur Debatte, dass wir es nicht umsetzen werden. Wir werden es umsetzen, aber auf welchem Wege, das hängt davon ab, was uns das Gericht ins Stammbuch schreiben wird. Deswegen werden wir dieses Urteil abwarten.

Frau Ministerin, es gibt noch eine Nachfrage von Herrn Wolpert; Frau Dr. Hüskens hat sich ebenfalls gemeldet. Ich würde darum bitten, die Fragerunde dann abzuschließen. - Herr Wolpert, bitte.

Herr Präsident, ich glaube nicht, dass es der Sinn des Präsidiums ist, die Abgeordneten dazu anzuhalten, die Fragen abzukürzen. Aber ich werde versuchen, mich kurz zu fassen.

Frau Ministerin, glauben Sie nicht auch, dass in dem Gerichtsurteil nur Teilaspekte des Gesetzes behandelt werden, weil auch nur Teilaspekte des Gesetzes angegriffen werden? - Das heißt, Ihre Taktik ist also, dass Sie nur das umsetzen, was vor dem Gericht verhandelt wird, und nicht das, was vielleicht notwendig wäre?

Wir werden natürlich den Auftrag erledigen, den das Landesverfassungsgericht der Exekutive und insbesondere der Legislative erteilen wird. Das ist die erste Aufgabe.

Mir sind bisher auch aus dem Vollzug im Land in den verschiedenen Kategorien, die das Nichtraucherschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt beschreibt, solche dramatischen Mängel, wie sie Frau Dr. Hüskens hier dargestellt hat, nicht bekannt. Wir werden selbstverständlich noch Gespräche führen und prüfen, ob an der einen oder anderen Stelle noch eine kleine Änderung erforderlich ist. Aber ich sehe derzeit keinen signifikanten Änderungsbedarf bei dem Nichtraucherschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, abgesehen von der Aufgabe, die das Landesverfassungsgericht der Legislative und der Exekutive stellen wird.

Frau Dr. Hüskens hat dann das Wort. Bitte schön.

Frau Kuppe, habe ich das jetzt richtig verstanden: Sie haben nicht vor, die Probleme, die sich in den Heimen ergeben, zu beheben? - Ich habe vorgetragen - ich glaube, das können Sie auch nicht bestreiten -, dass sich in der Praxis das Gegenteil von dem tut, was die Mehrheit des Landtages beschlossen hat - das ist der eine Punkt - und - das ist der andere Punkt - dass in den Heimen im Augenblick mit sehr vielen Ausnahmegenehmigungen quasi für jeden eine Realität geschaffen werden muss, die einigermaßen erträglich ist.

Wäre es nicht einfacher, den Mut aufzubringen und zu sagen: Bei den Heimen haben wir überzogen; wir streichen sie und gehen davon aus, dass wie vorher - das wurde auch in der Anhörung gesagt - in zivilrechtlichen Verträgen geregelt wird, dass Raucher und Nichtraucher einander nicht belästigen?

Dieses Problem ist in den Ausschüssen des Landtages intensiv erörtert worden, insbesondere im Sozialausschuss. Es hat eine Anhörung dazu gegeben mit der Empfehlung, die dann von den Koalitionsfraktionen aufgenommen worden ist. Mir sind derzeit solche Probleme, wie Sie sie jetzt schildern, aus den Heimen nicht bekannt.

Es gibt Ausnahmeregelungen. Dafür haben wir aber extra den § 5 in das Gesetz aufgenommen. Damit sollen Ausnahmen geregelt werden. Dafür haben wir die entsprechenden Regelungen. Die §§ 4 und 5 werden ordentlich umgesetzt. Es gibt damit nach meiner Kenntnis keine Schwierigkeiten im Vollzug.

Frau Ministerin, Frau Dr. Hüskens hat noch eine Nachfrage. - Bitte schön, Frau Dr. Hüskens.

Frau Dr. Kuppe, zum einen haben Sie in den Ausschussberatungen die verfassungsrechtlichen Bedenken, die Ihr Ministerium dann im Nachhinein offensichtlich hatte, gar nicht geäußert. Das halte ich auch den Regierungsfraktionen zugute. Es kam aus dem Ministerium nie das Signal: Das, was ihr jetzt macht, geht eigentlich nicht, weil ihr in den Privatbereich nicht eingreifen könnt.

Zum anderen stellt sich die Frage: Sind Sie wirklich der Meinung, dass Ausnahmegenehmigungen dafür da sind, im Endeffekt für alle eine Ausnahme zu kreieren? - Wenn Sie so denken, dann ist es keine Ausnahmegenehmigung mehr, sondern Sie unterlaufen damit das Gesetz.

Es gilt doch auch § 4 Abs. 1. Dort sind die grundsätzlichen Regelungen beschrieben. Wenn davon abgewichen wird, gilt § 5 mit den Ausnahmeregelungen.

(Herr Wolpert, FDP: Das zielt aber darauf ab, dass der Grundsatz aufgehoben ist!)

Ich sehe nicht, dass jemand den Wunsch hat, der Frau Ministerin noch eine Frage zu stellen. - Wir kommen dann zu den Debattenbeiträgen. Als erstem Debattenredner erteile ich dem Abgeordneten Herrn Kurze von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heutigen Debattenbeitrag zum Nichtraucherschutzgesetz versucht die FDP nun, das Gesetz in eine Ecke zu rücken, in die es eigentlich nicht gehört. Auch wir als Unionsfraktion sind der Meinung, dass wir mit diesem Nichtraucherschutzgesetz versucht haben, den Nichtraucherschutz im Land zu regeln. Sicherlich gibt es in dieser Frage unterschiedliche Meinungen. Aber wir gehen davon aus, dass unser Gesetz nicht rechtswidrig und auch nicht völlig fehlerhaft ist.

Die Ministerin hat schon sehr vieles ausgeführt. Deshalb möchte ich in die Geschichte zurückgehen und unsere unterschiedlichen Meinungen auch innerhalb der Koalition etwas näher beleuchten. Wir als Union standen Seite an Seite mit unserem Koalitionspartner, was den Nichtraucherschutz im öffentlichen Raum betraf.

(Oh! und Zustimmung bei der LINKEN)

- Ich freue mich, dass Sie sich so gut an die alten Slogans erinnern. Aber ich wollte eigentlich keine - -

(Herr Gallert, DIE LINKE: Hier lachen immer alle an der falschen Stelle!)