Nun will ich nicht so platt antworten; denn einfach schwarzweiß, nach dem Motto: das eine System schafft es nicht, das andere hätte es vielleicht hinbekommen, funktioniert es ja nicht. Sie sehen, ich habe schon Vertrauen in die Marktwirtschaft und in den Umgang der Politik und der Banken mit dieser Krise, gerade in Deutschland. Das kann sich sehen lassen. Das gehört auch zu dieser Diskussion.
Ich weiß, Wulf Gallert musste sich vor wenigen Wochen über die Verstaatlichung von Krankenhäusern richtig etwas anhören. Man kriegt ja den Mund gar nicht mehr zu. Die Amerikaner verstaatlichen ganze Bankensysteme. Die Franzosen gründen eine Holding.
Mein Gott, es ist doch klar, dass Sie die Aktuelle Debatte machen. Das hätten wir auch gemacht. Aber ich würde Sie schon darum bitten, dass man versucht, so sachlich wie möglich an das Thema heranzugehen. Herrn Tullner will ich übrigens einmal in Schutz nehmen. Er hat gestern nichts weiter gemacht, als das nach der Pressemitteilung von Herrn Steinbrück noch einmal zu unterstützen und zu verstärken. So habe ich ihn verstanden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben gerade in den letzten Tagen und Wochen Unglaubliches. Es funktioniert vieles nicht mehr, was vorher scheinbar reibungslos lief. Ein fast frei drehendes Finanzsystem schockt uns immer wieder. Es werden Entscheidungen getroffen, die politisch überhaupt nicht vorstellbar gewesen wären. Die Amerikaner befinden sich im Wahlkampf; und die Republikaner sagen: Wir verstaatlichen Banken. Ich meine, das kriegt man dann auch schlecht zueinander.
Aber es ist die Not, die letztlich die Staaten dazu treibt, solche relativ weitgehenden Beschlüsse zu fassen. Ich sage am Schluss auch noch einmal etwas dazu; diese ganze gesellschaftliche Debatte steht uns noch bevor. Was bleibt eigentlich, wenn der Nebel aufsteigt? Wie werden sich ganze Systeme verändern? - Denn hier geht es an die Grundfesten von Staatssystemen und deren politische Grundausrichtung.
- Es ist klar, dass die Liberalen mit dem Kopf nicken; denn Sie werden es am schwersten haben. Denn eines ist auch klar: Diese neoliberale Überlegung, den Finanzmärkten ohne Auflagen Freiheiten zu geben, funktioniert nicht mehr. Das ist in den letzten Wochen bewiesen worden.
Ich habe selbst Herrn Westerwelle eines Abends schon sagen hören, dass der Staat endlich einmal richtig herzhaft eingreifen solle. Ich weiß auch nicht, wie er das immer wieder mit sich vereinbart, aber darin kann ich ihm nur Recht geben.
- Ja, ja. - Wir erleben jetzt täglich, dass eine Botschaft, sobald man die Zeitung weggelegt hat und sich den Nachrichtenticker anschaut, schon wieder veraltet ist. Gestern - Sie haben es mitbekommen - ist weltweit eine Stützung zwischen den Notenbanken gelaufen; man hat den Leitzins gesenkt. Heute Nacht haben das einige Länder nachgeholt. Das war vor drei Tagen in der Diskussion; dass es so schnell kommt, war nicht absehbar. Wir finden das aber gut.
Man muss hier als Finanzminister auch ehrlich sagen, dass wir nicht der Verursacher sind, nicht in SachsenAnhalt, nicht in Deutschland und auch nicht in Europa. Aber wir sind natürlich Beteiligte und können uns der ganzen Diskussion nicht entziehen.
Ich weiß, dass dies den Ärger, die Wut und die Angst der Leute an den Kaffeetischen auch in Sachsen-Anhalt natürlich nicht schmälern wird. Wir alle werden dafür in Haftung genommen und natürlich aufgefordert, Lösungen auf den Tisch zu packen, wie das denn mit dieser ganzen Diskussion weitergehen soll.
Ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die mittlerweile zu ihrer Sparkasse gehen und fragen: Ist mein Geld noch sicher? Auch wenn wir das beteuern - ich werde auch dazu noch einiges sagen -, die Angst, die Ungewissheit sind da. Das, was in Amerika läuft - ich habe es angedeutet - ist schon wirklich verrückt. Man könnte fast sagen, in New York gibt es jetzt einen VEB Wallstreet.
Wie weit das noch geht, weiß keiner. Selbst die Briten diskutieren offen über Beteiligungen. Wir hätten es vor Monaten in Deutschland nie machen können. In Deutschland - das sage ich aber auch ganz offen - gibt es zurzeit keinen Anlass dafür, so weitreichende Diskussionen zu führen. Das deutsche Bankensystem ist da besser aufgestellt - das kann ich nicht oft genug wiederholen.
Ich denke, wir in Sachsen-Anhalt sollten wie andere Länder auch versuchen, damit vernünftig umzugehen. - Es wäre gut, wenn wenigstens einer dahintersteht.
Wir Finanzminister haben uns am Montag mit Herrn Steinbrück getroffen, bevor er mit anderen weltweit versucht, einige Dinge zusammenzubringen. Ich habe, damit ich hier nicht die ganze Geschichte der letzten Monate erzählen muss, Ihnen eine aktuelle Tischvorlage vorgelegt. Ich hoffe, Sie haben sie schon einmal in der Hand gehabt.
Ich habe auch an jedem Dienstag versucht, das im Kabinett so aktuell wie möglich zu machen. Zuerst stand „September 2008“ darauf. Dann habe ich den Tag hinzugefügt. Mittlerweile schreibe ich auch die Uhrzeit dazu, damit Sie immer genau einschätzen können, welchen Datenstand ich bei der Bewertung zugrunde lege; denn das ist nicht unwichtig.
Was sind die unmittelbaren Risiken in Sachsen-Anhalt? - Das Hauptcharakteristikum dieser Finanzmarktkrise ist natürlich der erschwerte Zugang zur Liquidität. Darüber ist oft genug diskutiert worden. Ich will jetzt nicht die ganzen Banken aufführen. Dieser Engpass am Kapitalmarkt betrifft auch die öffentliche Hand - in unterschiedlichem Maße.
Das Land Sachsen-Anhalt ist aber im Vergleich zu anderen öffentlichen Emittenten in dieser Krise recht gut aufgestellt. Warum? - Wir stehen auf breiten Füßen. Ich habe gehört, der Kapitalmarktausschuss hat sich in der vorigen Woche getroffen. Oder war es in dieser Woche? - Ich weiß es gar nicht genau. Ich glaube, da ist auch sehr ausführlich über dieses Thema gesprochen worden.
Zum einen betreibt das Land bereits seit dem Jahr 1998 seine Kapitalmarktaktivitäten weltweit. Seit nunmehr zehn Jahren pflegen wir regelmäßig Kontakte zu Investoren im In- und Ausland. Durch Gespräche vor Ort ist es auch gelungen, dass das Land als grundsolider Kreditnehmer angesehen wird. Zum anderen hat das Land vielfältige international bekannte und akzeptierte Finanzierungsinstrumente etabliert, und das über die Wahlperioden hinweg. Ich denke, einige wissen, was ich damit meine.
Darüber hinaus arbeitet das Land - das sage ich auch ganz offensiv - derzeit mit mehr als 40 nationalen und internationalen Banken sehr gut zusammen, um insbesondere institutionelle Investoren für die Kapitalmarktprodukte des Landes zu gewinnen.
Etwas ganz Wichtiges ist gleich am Anfang des Jahres geschehen. Wir haben uns nämlich auf diesem anspruchsvollen Weg bei der Refinanzierung - das haben, glaube ich, die Finanzausschussmitglieder mitbekommen -, als die Frage der Umschuldung anstand, Anfang 2008 mit Liquidität eingedeckt. Wir brauchen pro Jahr Mittel in Höhe von ungefähr 2 Milliarden bis 3,5 Milliarden €.
Ich habe Herrn Kresin mitgebracht. Das hat sich schon ausgezahlt; denn das Vertrauen des Landtages in das Finanzministerium hat es gestärkt. Ich habe Herrn Kresin schon gesagt: Sehen Sie einmal, was Sie für einen Ruf haben; Herr Böhmer und ich wären froh, wenn wir auch so einen hätten. Man braucht sozusagen nur zu erscheinen und der Landtag ist zufrieden.
Aber gerade Leute wie Herr Kresin haben durch ihre Erfahrungen und ihre Verbindungen zum Kapitalmarkt dafür gesorgt, dass das Land Sachsen-Anhalt keine Liquiditätsengpässe hat. Wir haben Geld; wir haben es angelegt. Sie haben vielleicht in den monatlichen Berichten im Finanzausschuss bemerkt, dass wir Anfang 2008 sehr viel Geld aufgenommen haben, obwohl wir im Jahr 2008 - das sage ich Ihnen - eigentlich ohne Neuverschuldung auskommen werden. Aber es ist am Ende eine Zwischenfinanzierung, und zwar eine aus meiner Sicht sehr richtige und vernünftige.
Dies gilt übrigens auch für die NordLB und die Investitionsbank. Beide Banken haben natürlich die Auswirkungen auf ihren Märkten zu spüren bekommen, aber beide Banken stehen auch nach aktueller Bewertung, wie sie zum Beispiel Standard & Poor’s in den letzten Tagen vorgenommen hat, im Rating gut da. Beiden, vor allem der NordLB, wird bescheinigt, dass sie liquide sind. Das können nicht viele Banken von sich sagen, aber ich will es, weil es, glaube ich, für den Landtag wichtig ist, für unsere Banken deutlich aussprechen.
Natürlich haben wir auch Geschäfte miteinander gemacht. Lehman Brothers Holdings, New York - ich habe mir die Zahlen schnell noch geben lassen - hatte ein Geschäftsvolumen von 9 Billionen US-Dollar. Das waren 66 000 Geschäfte. Sechs davon, Derivatgeschäfte, haben wir mit ihnen gemacht; aber die sind rechtzeitig entweder verändert worden, das heißt, die Geschäfte wurden auf andere Geschäftspartner übertragen, oder es wurde gegengerechnet. Das heißt, dort haben wir keine Verluste.
Der zweite Bereich - das steht in dem Papier sehr ausführlich drin, weil ich dabei sehr offen gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit sein will - betraf auch Termingeschäfte, Termingeldeinlagen in Höhe von mehr als 220 Millionen €. Daraus sind keine Ausfälle für das Land zu erwarten. Dort wurde rechtzeitig gegengesteuert.
Dann haben wir noch das Sondervermögen „Altlastensanierung“. Das ist, glaube ich, eine der neuen Fragen von Herrn Henke. Diese kann ich heute schon beantworten; die anderen Fragen würde ich gern dezidiert im Finanzausschuss beantworten. Ansonsten hätten Sie mir die Fragen vorgeben müssen. Ich glaube nicht, dass Sie erwarten - so schnell konnte ich die Fragen nicht einmal mitschreiben, geschweige denn eine Antwort erarbeiten -, dass ich die Fragen heute bis ins Letzte beantworten kann.
Bei dem Sondervermögen ist seit 2001 überwiegend in Staatsanleihen und zu ca. 50 % in Unternehmensanleihen angelegt worden. Hieraus konnte eine Rendite von rund 29 % seit 2001 erwirtschaftet werden, selbst in Jahren, in denen die Zinsen schwach waren.
Die Insolvenz der eben von mir genannten Bank Lehman Brothers verursachte lediglich einen Ausfall in Höhe von nominal 3 Millionen €. Das entspricht einem Marktwert von 2,2 Millionen € und somit einer Renditeminderung der angeführten 29 % um ungefähr 0,25 %. Das halte ich für noch hinnehmbar. Wir haben natürlich den Ehrgeiz, in den nächsten Monaten und Jahren diese 0,25 % wieder aufzuholen, wenn es geht.
Hierbei sollte man allerdings nicht einem gewissen Wahn unterliegen. Wir versuchen immer wieder, ein Optimum hinzukriegen zwischen Sicherheit und Rendite
erwartung. Deswegen kann ich mit solchen Überlegungen wie „Macht doch alles bei der Bundesbank“ natürlich nicht vernünftig umgehen. Irgendwann stellt der Landtag vielleicht auch die Frage: Dabei war doch wohl ein bisschen mehr herauszuholen?
Ich spreche nicht von hochspekulativen Anlagen, sondern von Anlagen mit einem überschaubaren Risiko. Wenn ich mit dreistelligen Millionenbeträgen arbeite oder mit Milliardenbeträgen, dann kommt es schon auf die Zahl nach dem Komma an.
Diese drei Geschäfte - ich habe sie auch im Kabinett offen benannt; sie stehen auch in den Unterlagen - sind die, die uns im Zusammenhang mit der Finanzkrise umgetrieben haben. Ansonsten war es das. Wir sind natürlich nicht frei von den Entwicklungen der nächsten Tage und Wochen.
Was heißt das jetzt für die zukünftigen Risiken? - Jetzt könnte ich sagen: Das haben wir alles im Griff, das weiß ich. Aber ich sage gleich: Kein Banker, kein Finanzminister, kein Guru kann im Moment genau sagen, wie es kommt.
Auf der ersten Seite der heutigen „MZ“ ist das schön nachzuvollziehen: vier Köpfe, vier Fachleute, vier Meinungen. Kopper sagt: Rein als Staat in die Banken! - Dazu fällt einem auch nicht viel ein. Blum sagt: Vorsicht! - Das ist für einen Wissenschaftler immerhin nicht schlecht.
Dann gibt es weitere Hinweise: Der Staat sollte oder müsste viel weiter gehen. Ich weiß es nicht genau. Es wird orakelt über das Wirtschaftswachstum. Ich kann nur sagen, dass wir bei den Termineinlagen eine 100-prozentige Einlagensicherung haben. Ich will es abkürzen: Wenn alles zusammenbrechen würde, dann würde die Einlagensicherung auch nicht mehr helfen.
Dann hätten wir aber auch andere Sorgen. Dann würde ich mit diesem Thema natürlich auch in den Landtag kommen, aber wahrscheinlich würden vorher erst einmal andere Themen abgearbeitet werden müssen. Das heißt, diese theoretische Befassung damit, was passiert, wenn alles ganz schlimm kommt, ist wichtig für die politische Bewertung, aber sie sollte auch nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen; denn sie verstellt doch den Blick auf das, was uns tatsächlich umtreiben muss.
Nun zu den mittelbaren Risiken. Insofern ist der Antrag völlig richtig; er hätte sich vielleicht ein bisschen mehr mit dem Land befassen sollen, auch mit dem Wirtschaftswachstum. Herr Henke, ich würde darum bitten, dass wir die Fakten, die Herr Haseloff, glaube ich, morgen noch einmal auswerten wird - -
Die Fakten sprechen im Moment eine andere Sprache. Für das erste Halbjahr haben wir ein Wachstum von 2,8 % gehabt. Damals gab es in Amerika schon lange die Krise. Sachsen-Anhalt steht in diesem Zusammenhang nicht schlecht da.