Protocol of the Session on October 9, 2008

Ohnehin auffallend ist: Hilfspakete gibt es immer nur für Banken. Wo bleiben die Hilfen für verschuldete Kreditnehmer?

(Beifall bei der LINKEN)

Nachdem das Finanzkasino nur noch Verlierer kennt und alle nach dem Staat schreien, muss doch das Vertrauen der privaten Haushalte und der privaten Investoren in Sachanlagen wieder belebt werden. Es geht doch um die reale Wirtschaft.

(Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

Hier hat der Staat tätig zu werden. Hier muss ein Umdenken erfolgen. Nicht Zinssenkungen und Abbau der Staatsschulden sind das Gebot der Stunde.

Zum Reizwort Inflation: Die US-Regierung mobilisiert zurzeit Geld vom Kapitalmarkt und internationalisiert so ihre Probleme. Es könnte die Versuchung übermächtig werden, diese exorbitante US-Schuldenlast durch eine Dollarabwertung - natürlich nach der Präsidentenwahl - zu senken. Zwar ist Finanzpolitik heutzutage auch Geopolitik, aber mit konkreten Auswirkungen. Denn genau diese Logik, bei inneren Schwierigkeiten auf die Welt abzulenken, lässt einen neuen Krieg auch im Nahen und Mittleren Osten befürchten.

Die Rettungspläne sind kaum das Produkt strategischer Überlegungen, eher das Produkt purer Angst vor einer neuen großen Depression wie 1929. Reichskanzler Brüning hielt damals an seiner Haushaltskonsolidierung fest. Die Regierungen heute haben gelernt - aber nicht genug. Die gestrige Leitzinssenkung dient den Banken. Ob diese den Vorteil an die Realwirtschaft weiterleiten, ist nicht sicher.

Die Erfahrung aus dem Desaster von 1929 hatte Franklin Roosevelt seinerzeit dazu bewogen, den New Deal

auf den Weg zu bringen. Mit dieser Neujustierung des Verhältnisses von Markt und Staat ging er in die Geschichte ein. Es wird Zeit für einen würdigen Nachfolger.

(Unruhe)

Die Forderung nach einer Managerhaftung ist populär geworden. Aber gab es nicht einen Gesetzentwurf, der angesichts des laufenden Mannesmann-Prozesses wegen Untreuevorwürfen gegen die Managerelite auf Eis gelegt wurde? - Damit gibt es, und zwar vorsätzlich, keine Rechtsgrundlage, die es erlaubt, Manager in die Haftung zu nehmen. Stattdessen gibt es wohltönende Sprüche für das Volk.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun zu den Auswirkungen auf Sachsen-Anhalt.

Erstens. Cross-Border-Leasing für Kommunen.

(Zuruf von der SPD: Notstand!)

Nunmehr sollen die kommunalen Unternehmen bei finanziellen Problemen die Ausfallbürgschaften ihrer überseeischen Partner übernehmen.

Zweitens. Der Koalitionsvertrag weist mehrfach auf PPPProjekte hin. Welche Konsequenzen gibt es für neue Verträge?

Drittens. Die Gewährträgerhaftung und Anstaltslast der Länder und Kommunen für Sparkasseneinlagen vor Juli 2005.

Viertens. Staatliche Einlagen für die heftig beworbene private Altersvorsorge, Riester, Rürup, VWL. Wer hilft jenen, die zu einem so ungünstigen Zeitpunkt wie jetzt an ihre Erträge heran müssen? Soll so die sichere Altersversorgung der Zukunft aussehen?

Fünftes. Welche Auswirkungen gibt es auf verkaufte oder verbriefte Kredite der kommunalen oder genossenschaftlichen Wohnungsvermieter?

Sechstens. Wie steht es um die Zukunft der öffentlichen Banken? Dient die Krise erneuten Angriffen auf Sparkassen und Landesbanken?

(Herr Tullner, CDU: Sagen Sie nur Halberstadt! - Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

- Halberstadt ist eine Konsequenz der Deregulierung; Sie haben völlig Recht.

Siebtens. Die nachlassende Wachstumsdynamik verringert die deutschen Importe. In der erfolgsverwöhnten sachsen-anhaltischen Automobilzulieferindustrie ist inzwischen Kurzarbeit angesagt. Wie wird geholfen?

Achtens. Es drohen Kreditklemmen, Zinsverteuerungen und Nachbesicherungen für gewerbliche Investoren, KMU und Handwerksbetriebe. Wie werden die realen Auswirkungen gemildert? Wann werden diese Bankkunden unterstützt?

Neuntens. Zu den Kreditaufnahmen des Landes Sachsen-Anhalt und zu dem Sondervermögen wird sicherlich der Herr Finanzminister sprechen. Ich sehe, Herr Kresin ist hier. Ich bin da ganz zuversichtlich.

Darum, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich mit einem Zitat des wirtschaftspolitischen Sprechers der Fraktion DIE LINKE enden. Frank Thiel beklagte am 30. September 2008 mit sehr bitterer Ironie:

„Im Sozialismus wurden Betriebe erst nationalisiert und dann ruiniert. Heute werden Betriebe erst ruiniert und dann verstaatlicht.“

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Wol- pert, FDP)

Während die soziale Idee alle am Reichtum teilhaben lassen wollte, bürdet die herrschende Elite in der ehemals sozialen Marktwirtschaft nunmehr den Armen die Schulden der Reichen auf. Das ist eine Pervertierung jeder Sozialisierungsidee.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit Blick auf die begrenzte Redezeit möchte ich am Ende meiner Rede den Koalitionsfraktionen meinen Dank für die Wahl Ihres Themas zur morgigen Regierungsbefragung aussprechen. Sie gaben uns damit unerwartet die Gelegenheit zu einer grundsätzlichen Stellungnahme zu diesem Thema. Wir werden die noch ungenannten Teile unseres Fragenkatalogs dann morgen einbringen. Für Ihre Unterstützung danken wir ausdrücklich.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Henke, der Abgeordnete Herr Graner hat eine Frage. Würden Sie die beantworten wollen?

Aber sicher.

Bevor ich Herrn Graner das Wort gebe, begrüße ich Damen und Herren der Krankenpflegeschule der Kreisklinik Aschersleben auf der Südtribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Graner, bitte stellen Sie Ihre Frage.

Herr Henke, meine Frage ist folgende: In dem Antrag zur Aktuellen Debatte steht: „Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf Sachsen-Anhalt“. Darf ich Sie fragen, warum Sie „auf Sachsen-Anhalt“ geschrieben haben, wenn Sie in Ihrer Rede zwar zu 98 % auf die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise und die Ansicht der Fraktion der LINKEN, auf die Situation in SachsenAnhalt aber nur ganz am Rande eingehen?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Herr Gal- lert, DIE LINKE: Das gehört dazu, Herr Graner!)

Herr Graner, ich hatte auf die Situation der Menschen, der Realwirtschaft und auf künftiges Regierungshandeln hingewiesen. Ich denke, das betrifft uns.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann hatte ich konkret neun Punkte aufgezählt, die in Sachsen-Anhalt wirklich geklärt werden können und müssen. Damit unterscheidet sich die Auffassung meiner Fraktion von der eingangs erwähnten Presseerklä

rung von Herrn Tullner, der nun weltweit Bankenregeln aufstellen will. Das ist Sache des Bundestages.

(Zuruf von Minister Herrn Bullerjahn)

Das ist Sache der Europäischen Union. Wir bleiben bei dem, was uns betrifft und was wir beeinflussen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir kommen dann zu dem Beitrag der Landesregierung. Ich erteile jetzt Minister Herrn Bullerjahn das Wort. Er hat mir signalisiert, dass er wegen der Wichtigkeit des Themas seine Redezeit ein bisschen überziehen wird. Das würden wir ihm auch gestatten. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mir vorstellen, dass das für DIE LINKE ein innerer Vorbeimarsch war. Man hat Ihnen auch angemerkt, dass diese Rede auch auf einem Parteitag hätte gehalten werden können. Aber ich sage einmal: Wir müssen natürlich aufpassen, dass wir nicht überziehen, Herr Henke.

Ich weiß nicht, ob die Staatsbank der DDR jemals in die Verlegenheit gekommen wäre, 50 Milliarden € zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, die Frage hätte sich vorher schon erledigt.

(Herr Gürth, CDU: Das hätte nicht einmal Strauß zur Verfügung stellen können!)