Protocol of the Session on June 26, 2008

Wir alle - das kann ich für die Landesregierung sagen - wollen und fördern eine lebendige Bürgerdemokratie. Das, was wir in der Antwort auf die Große Anfrage dargestellt haben, ist das, was wir auf die Fragen, so wie die Fragen eben gestellt waren, antworten konnten. Wenn Sie eine Debatte wünschen, die sich etwas stärker an dem orientiert, Frau Knöfler, was Sie im Landtag vorgetragen haben, was aber nicht unbedingt das war, was in der Großen Anfrage stand, dann stellen Sie eine entsprechende Anfrage. Dann können wir das auch gern tun. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Robra. - Wir kommen jetzt zu den Debattenbeiträgen. Als erstem Redner erteile ich Herrn Geisthardt von der Fraktion der CDU das Wort. Sie haben zwölf Minuten Redezeit. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, in diesem Hohen Hause sitzen nur noch ganz wenige, die in der ersten Wahlperiode dabei gewesen sind. Ich gehöre zu denen, die damals schon Mitglied des Petitionsausschusses und des Verfassungs

ausschusses waren, wie auch der Kollege Fikentscher. Der Verfassungsausschuss hat unter den Co-Vorsitzenden Becker und Höppner die Verantwortung für die Schaffung der Landesverfassung gehabt.

Erlauben Sie mir deswegen, ein klein bisschen von dem abzugehen, was Herr Robra gesagt hat, und mich ein wenig mehr mit dem zu beschäftigen, was den Landtag direkt betrifft. Wie haben wir denn damals überhaupt angefangen? Wer noch in der letzten Volkskammer war, der weiß, dass es dort einen Ausschuss für Bitten und Beschwerden gab. Der hatte zwar nicht unbedingt eine verfassungsrechtliche Legitimation. Aber die Leute hatten auch andere Sorgen. Es ging um die Einführung der D-Mark. Es ging um die Wiedervereinigung. Es ging um die Auflösung der Stasi und viele andere Dinge.

Viele kannten noch die Verfahrensweise der DDR. Wenn man ein Problem hatte, dann schrieb man an Honecker oder an Mielke. Die ganz Mutigen haben gesagt, wir gehen nicht zur Wahl. Wenn das Problem gelöst wurde, dann ging es par ordre du mufti. Das hatte mit Recht und Gesetz relativ wenig zu tun. Das hat aber vielfach noch nachgewirkt. Es gibt auch heute noch Leute, die schreiben an „die da oben“ und meinen, damit wäre das Problem lösbar. So ist es einfach nicht mehr.

Seit dem 3. Oktober 1990 gilt das Grundgesetz in ganz Deutschland und damit auch das verfassungsmäßig verbriefte Recht zur Petition. Da wir ein föderaler Staat sind, brauchten wir eine eigene Verfassung und damit auch dieses Recht zur Petition. Das ist in sehr großer Einmütigkeit geregelt worden. Alle Parteien haben dieses Recht der in dem Lande wohnenden Menschen, sich mit Bitten und Beschwerden an die Volksvertretungen und die Regierung zu wenden, als ein großes und wichtiges Freiheitsrecht der Gesellschaft angesehen.

Ich habe ganz bewusst gesagt: der im Lande lebenden Menschen, weil man ein bisschen unterscheiden muss. Das Petitionsrecht ist kein Bürgerrecht, sondern ein Jedermannsrecht. Deswegen heißt es in Artikel 19 der Verfassung:

„Jeder hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten und Beschwerden an den Landtag, die Vertretungen des Volkes in den Kommunen und an die zuständigen Stellen zu wenden. In angemessener Frist ist Bescheid zu erteilen.“

Damit differenziert die Verfassung auch sehr eindeutig, wer für welche Petitionen zuständig ist. Für nach Artikel 19 der Landesverfassung oder nach Artikel 17 des Grundgesetzes an den Landtag gerichtete Petitionen ist nach Artikel 61 Abs. 1 der Landesverfassung der Petitionsausschuss zuständig.

Damit entscheidet natürlich der Petent selbst, an wen er sich wendet. Diesbezüglich hat es in den vergangenen Jahren eine deutliche Verbesserung der Kenntnisse gegeben. Der Rückgang der Zahl der Petitionen an den Landtag ist auch darauf zurückzuführen, dass die Leute ein bisschen besser wissen, an wen sie sich im konkreten Fall wenden müssen. Ich denke, diesbezüglich hat auch die Arbeit der Abgeordneten in diesem Ausschuss in den ganzen Jahren eine große Rolle gespielt und sehr viel zur Entwicklung von demokratischer Kultur beigetragen.

Die Menschen erwarten von uns klare Regelungen, wenn sie unumgänglich nötig sind, eine unverzügliche

Befassung mit den Problemen und eine Antwort, die auch in verständlicher Sprache abgefasst ist. Die muss erklären, warum gerade so und nicht anders entschieden worden ist. Als Leitlinie könnte eine Maxime des österreichischen Königs Franz-Joseph darüber stehen - Sie sehen, ich gehe nicht bis ins Altertum zurück, sondern nur etwa 100 Jahre -, der sagte: Ein Gesetz muss so formuliert sein, dass es auch ein Schweinehirt in der Bukovina beim ersten Lesen versteht.

Ich denke, wenn wir das als Grundlage unserer Gesetzgebung nehmen - nur für dieses Hohe Haus kann man an dieser Stelle reden -, dann wäre schon viel getan für die Verständlichkeit von Politik in unserem Lande.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich ist es nicht schädlich - wahrscheinlich hat der Ausschuss dann erheblich mehr Arbeit -, wenn die Bürger sich generell an den Petitionsausschuss wenden. Das ist überhaupt kein Problem. Das können alle machen. Aber wer an den Ministerpräsidenten oder an eine Volksvertretung in der Kommune schreibt, der macht das nach freiem Willen und freier Entscheidung. Aber dann muss auch der Ministerpräsident oder die Kommunalversammlung darauf antworten und nicht der Landtag. Auch das ist ein Grund für den Rückgang der Anzahl der Petitionen und nicht eine Abnahme der Demokratie in diesem Lande.

Natürlich müssen wir den Leuten ein bisschen mehr erklären, wie Politik funktioniert. Der Ministerpräsident hat es auch einmal gesagt: transparenter machen und besser erklären. Aber Statistikmonster und Berichtspflichten, wie sie die Kollegen der LINKEN haben möchten, bewirken wohl eher das Gegenteil. Ich denke, dazu hat Herr Robra einiges ausgeführt. Ich sage für unsere Fraktion klar: Mit solchen Dingen wird das Petitionsrecht nicht gestärkt, sondern eigentlich eher ausgehöhlt.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage es noch einmal, Frau Knöfler - es tut mir leid, dass ich Ihnen das als langjähriger Kollegin sagen muss -: Nicht die Menge der Klagen macht Demokratie aus, sondern die Art und Weise, wie man mit den Problemen der Bevölkerung und mit den Problemen der Petenten umgeht. Das ist eigentlich das, worum wir uns kümmern sollten.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben eine bewährte Regelung im Ausschuss. Wir können der Landesregierung Petitionen in einem gestuften Verfahren überweisen. Das geht bis zur Überweisung zur Berücksichtigung. Es kann natürlich auch sein, dass bei der Landesregierung Petitionen auftreten, bei denen die Landesregierung sagt, das könnte auch für den Landtag interessant sein. Warum soll die Landesregierung denn das nicht auch einmal zu uns herüberschieben? Aber darüber entscheidet natürlich immer der Adressat, entweder die Landesregierung oder der Landtag. Da soll man keinem reinreden. Dazu bedarf es auch keiner extra Statistiken. Ich denke, das ist auch entbehrlich.

Natürlich - das ergibt sich aus Artikel 41 Abs. 1 - gibt es keine unmittelbare Berichtspflicht der Landesregierung. Das schließt aber nicht aus - Herr Robra hat es angedeutet -, dass es durchaus Informationsmöglichkeiten gibt. Wir sind frei, zu fragen und uns zu informieren. Ich habe bis jetzt nicht den Eindruck gehabt, dass man mir

Informationen vorenthalten hat. Wer den Altkollegen Tschiche noch kennt, der weiß, dass er manchmal sehr kritisch war und sehr viele Fragen gestellt hat. Aber auch er hätte eine solche Art und Weise der Berichterstattung der Landesregierung mit Sicherheit nicht gefordert.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Unsere langjährige Erfahrung in diesem Ausschuss bestätigt, dass wir sehr gut daran tun, Petitionen ernst zu nehmen. Ausnahmen sind natürlich die berühmten Spaßpetitionen wie die, die die Abschaffung des Weihnachtsmannes forderte, oder die 99. Beschwerde eines Strafgefangenen über das angeblich schlechte Essen, weil der gute Mann Langeweile hat und Landtag und Landesregierung vermutlich ein bisschen auf Trab halten möchte.

Der Petitionsausschuss ist Seismograf für Probleme, die wir in der Gesellschaft haben. Gehäufte Petitionen können immer auf Defizite oder nicht erkannte Schwierigkeiten hinweisen. Insofern sind wir sehr daran interessiert und gehalten, aufmerksam zu sein. Dieses Recht auf Einreichung von Petitionen ist damit auch eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit der demokratischen Teilhabe.

Aber das, was Frau Knöfler dargestellt hat - das muss ich an dieser Stelle mal ganz deutlich sagen -, ist ein Zerrbild dieses Landes, und das hat dieses Land nicht verdient.

(Zustimmung bei der CDU, von Herrn Dr. Fikent- scher, SPD, und bei der FDP)

Ich bin allerdings der Fraktion DIE LINKE für die Große Anfrage dankbar; denn damit ist es zum ersten Mal möglich, ein bisschen darzustellen, wie es eigentlich mit dem Petitionsrecht in unserem Lande läuft. Aber es wird auch deutlich, dass es Ihnen weniger um die Art und Weise der bürgerlichen Teilhabe ging als vielmehr um die Beschäftigung der Regierung; denn sie musste sich das nun auch erarbeiten. Außerdem haben Sie diese Fragen schon mehrfach gestellt. Sie haben sie der Bundesregierung gestellt, Sie haben sie in verschiedenen Landesparlamenten gestellt und haben jedes Mal dieselbe Antwort bekommen.

(Herr Tullner, CDU: Ach!)

Das kommt mir ebenso vor wie das, was manche Leute mit uns machen, die an alle Landesparlamente dieselbe Petition verschicken und dann erwarten, dass jedes Landesparlament sich mit viel Aufwand um denselben Sachverhalt kümmert.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Was sollen denn Statistiken und Ordnungsänderungen verbessern? - Wir lesen als Berichterstatter alle Akten, manchmal sind das richtige Ordner. In anderen Bundesländern läuft das zum Teil nicht so, das wissen wir. Da werden die Akten von der Verwaltung gelesen, dann gibt es kleine Zettelchen und danach sollen sich die Abgeordneten richten. Das läuft bei uns nicht so. Wir machen das alles selbst.

Die Zuarbeiten der Ministerien sind in aller Regel korrekt und vernünftig. Ein Mauern - das können Sie, denke ich, bestätigen - gibt es eigentlich nicht. Wenn es Mitarbeiter gab, die sich im Ausschuss uns gegenüber nicht vernünftig benommen haben, wurde das sehr, sehr schnell abgestellt. Ich denke, das sind die Dinge, die dort auch vernünftig gelaufen sind.

Natürlich gibt es politische Differenzen in der Beurteilung von Sachverhalten. Aber was es nicht gegeben hat, ist ein kleinliches Gezänk, und das ist auch Ausdruck der Tatsache, dass wir in diesem Ausschuss eine sehr vernünftige Arbeit leisten. Das wissen Sie eigentlich alles. Deswegen, liebe Kollegen von der LINKEN: Warum soll denn dann dieses Prozedere hier stattfinden?

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Petitionsausschuss hat sich in all diesen Jahren als Bürgeranwalt und politischer Seismograf bewährt und er sorgt mit seiner Arbeit für Vertrauen und Verlässlichkeit. Gefälligkeitsentscheidungen gibt es hier nicht. Weil das Petitionsrecht eines der Rechte ist, die sehr wichtig sind, werden hohe Anforderungen an die Arbeit dieses Ausschusses gestellt. Das, was wir in all den Jahren an Verfahrensgrundsätzen hatten und haben, hat sich bewährt, und wir sehen keine Notwendigkeit für grundsätzliche Änderungen.

Wir sind als Fraktion der CDU überzeugt, dass die unparteiische Arbeit des Ausschusses einen nicht geringen Anteil an der Entwicklung der demokratischen Kultur in unserem Land hat und dass sie in einer bewährten Form weitergeführt werden soll. Wir werden uns als Fraktion auch weiterhin vehement dafür einsetzen, dass dem Anliegen der Bürger angemessene Beachtung geschenkt wird. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank für Ihren Beitrag, Herr Geisthardt. - Ich erteile jetzt für die FPD-Fraktion dem Abgeordneten Herrn Kosmehl das Wort. Bitte schön, Herr Kosmehl, Sie haben fünf Minuten Redezeit.

Herr Präsident, ich glaube, ich werde meine fünf Minuten Redezeit nicht ausschöpfen müssen.

Frau Knöfler, zu der Frage, wie Ihre Anfrage zustande gekommen ist, haben die Vorredner schon Stellung bezogen. Es ist natürlich jederzeit Ihr gutes Recht, solche Anfragen in den verschiedenen Landesparlamenten und im Bundestag zu wiederholen. Was mich allerdings ein Stück weit verwundert hat, war Ihr heutiger Redebeitrag, weil Sie in keiner Weise - dazu sollte eine Aussprache zur Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage eigentlich dienen - auf die Beantwortung eingegangen sind. Sie haben nicht ein einziges Mal etwas dazu gesagt, was die Landesregierung in der Antwort auf Ihre Anfrage zum Ausdruck gebracht hat.

(Zustimmung von Herrn Franke, FDP, und von Frau Weiß, CDU)

Sind Sie zufrieden mit der Art der Beantwortung? War es ausreichend, war es umfänglich? Was schließen Sie aus den Antworten? - Nichts, gar nichts. Sie haben wieder einmal - dafür sind Sie sicherlich als ehemalige langjährige Vorsitzende des Petitionsausschusses prädestiniert - über das Petitionsrecht referiert. Aber zu Ihrer Anfrage und zur Antwort der Landregierung haben Sie leider nichts gesagt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus der Sicht der FDP-Fraktion sind zu dieser Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage nur zwei Bemerkungen zu machen:

Erstens. Die Fragen sind etwas schwierig gestellt, und ich will mit der Landesregierung darin im Einklang sein, dass es nicht sinnvoll ist, jetzt solche Statistiken im Wege von Eingang und Aufarbeitung zu führen. Das ist nicht Sinn und Zweck und das würde auch mehr Bürokratie bringen, als dass tatsächlich ablesbar wäre, was mit Petitionen geschehen ist.

(Zustimmung von Herrn Weigelt, CDU)

Zweitens will ich aber auch kritisch anmerken - das haben wir in der Fraktion auch so besprochen -, dass sich aus der Beantwortung schon ablesen lässt, wie im Allgemeinen in den unterschiedlichen Häusern mit dem Petitionsrecht oder mit der Beantwortung von Petitionen umgegangen wird: mal ein bisschen kürzer, mal ein bisschen umfangreicher, mal etwas genauer, mal etwas ungenauer, und so spiegelt sich das leider auch in der Beantwortung der Großen Anfrage seitens der Landesregierung wider. Das stellt man bei einzelnen Fragen fest.

Teilweise haben mich Antworten auf die Fragen verwundert, wie zum Beispiel die Notwendigkeit, noch einmal extra zu betonen, dass auch die Integrationsbeauftragte der Landesregierung die Auffassung vertritt, dass sich die Einrichtung der Härtefallkommission bewährt hat. Da Sie in der vorangehenden Frage - das ist Nr. 3 am Ende - bereits gesagt haben, dass die Landesregierung dieser Auffassung ist, hätte es dieser Klarstellung nicht bedurft - es sei denn, Sie gingen davon aus, dass es Zweifel daran gibt, dass sie sich bewährt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine letzte Bemerkung, die ich nur machen kann, weil Sie, sehr verehrter Herr Staatsminister, darauf eingegangen sind, zu dem Portal der Landesregierung „Einmischen“. Das ist ein sehr interessantes Portal. Ich habe gerade noch einmal nachgeschaut. Da interessiert uns auch immer diese neue - auch über die Presse so dargestellte - Möglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger, sich zu Gesetzentwürfen frühzeitig zu äußern.

Dort haben Sie derzeit folgende Gesetze eingestellt: den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schiedsstellen- und Schlichtungsgesetzes und anderer Gesetze, das Gesetz zur Änderung des Ingenieurgesetzes, das Zweite Gesetz zur Änderung des Architektengesetzes und den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von Kindern und zur Förderung der frühkindlichen Bildung. Diese haben Sie gerade eingestellt. Jeder kann das nachher noch einmal nachprüfen und anklicken: keine einzige Stellungnahme dazu.