Protocol of the Session on June 26, 2008

- von Fuchs und Igel - und haben gemeint, dass die Arbeitnehmer, wenn sie in den Betrieb kommen, die Waffen abgeben sollen, die Stacheln würden ihnen schon gezogen werden.

Ich frage mich: Was haben Sie eigentlich für ein Weltbild, wenn Sie davon ausgehen, dass Arbeitnehmer grundsätzlich mit Waffen in den Betrieb kommen?

(Frau Budde, SPD: Ich kenne das nicht!)

Ich glaube, kein Unternehmer hat dieses Weltbild. Deswegen fordert er sie auch nicht auf, sie abzugeben.

(Frau Budde, SPD: Das zeugt von unserer unter- schiedlichen Sozialisation! Wir kennen die Fabel vom Friedenschaffen und von Fuchs und Igel!)

- Ja, das ist der Unterschied; ich führe einen kleinen Betrieb, Sie nicht.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP - Frau Budde, SPD: Er kennt die Fabel nicht!)

Meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik Deutschland wird im nächsten Jahr 60 Jahre alt und die soziale Marktwirtschaft - nähern wir uns dem Thema - darf in diesen Tagen das 60-jährige Jubiläum begehen.

Die soziale Marktwirtschaft bildete die wesentliche Grundlage für die wirtschaftliche und politische Stabilität des neu gegründeten Staates. Sie ermöglichte den Aufstieg Deutschlands aus den Kriegstrümmern zu einer der führenden Wirtschaftsnationen. Sie brachte Wohlstand und sorgte auch für Akzeptanz und Verinnerlichung des demokratischen Systems in der Bevölkerung.

(Beifall bei der FDP)

Heute verliert dieses Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell angeblich zunehmend an Zustimmung in der Bevölkerung; zumindest schreibt die CDU dies in der Begründung zu Ihrem Antrag. Ich bin mir diesbezüglich nicht so sicher.

Die Menschen - dazu zähle ich auch uns Parlamentarier - hinterfragen zu Recht Vorgänge wie bei der Telekom und Ähnliches. Auch die Staatsverschuldung muss kritisch betrachtet werden. Diese Dinge haben aber

nichts mit den grundlegenden Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft zu tun; das sind einzelne Auswüchse.

Meine Damen und Herren! Die konzeptionelle Basis der sozialen Marktwirtschaft stammt aus den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Dort gab es eine Denkschule mehrerer Ökonomen, die sich dem Neoliberalismus verschrieben hatten.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ja!)

Man höre und staune: dem Neoliberalismus. Er ist also kein Trend, der erst mit der Globalisierung auftauchte, und vor allen Dingen ist er kein Teufelszeug, sondern die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft, mit der wir erfolgreich geworden sind.

(Beifall bei der FDP)

Das Ziel dieser Denkschule bestand darin, für die Zeit nach dem Nationalsozialismus und dem verlorenen Krieg eine neue Wirtschaftsordnung zu konzipieren, eine gesteuerte Marktwirtschaft als dritte Form einer Wirtschaftsordnung neben der zentralen Planwirtschaft und der völlig sich selbst überlassenen freien Marktwirtschaft. Der dahinter stehende Grundgedanke war denkbar einfach: Freie Marktwirtschaft ist nur dann wohlstandsmehrend, wenn Wettbewerb herrscht, der durch staatliche Ordnungspolitik gesichert wird. Die wichtigste Aufgabe des Staates besteht dabei demzufolge darin, marktbeherrschende Stellungen wie Monopole und Kartelle zu verhindern.

(Beifall bei der FDP)

Die zentralen Elemente des Systems basieren auf freiheitlichen Elementen sowie auf Rechtssicherheit, als da wären: freie Preisbildung am Markt, Privateigentum an Produktionsmitteln. „Privateigentum an Produktionsmitteln“ heißt nicht, dass ich das Auto kaufe und Sie sagen, wer damit fährt oder wohin man damit fährt, sondern ich als Unternehmer sage dies.

(Zustimmung bei der FDP)

Gewinnstreben als Leistungsanreiz ist ein wichtiger Grundsatz, auch die persönlichen Freiheitsrechte wie Gewerbefreiheit, Konsumfreiheit, Vertragsfreiheit, Berufsfreiheit, Koalitionsfreiheit.

Meine Damen und Herren! Der Erfolg der sozialen Marktwirtschaft liegt in der Teilhabe der breiten Bevölkerung am Wohlstand und nicht in irgendeinem Pauperismus, den Sie hier beschrieben haben. Dahin entwickelt sie sich im Moment auch nicht.

(Beifall bei der FDP)

Der Begriff der sozialen Marktwirtschaft ist in Deutschland untrennbar mit Ludwig Erhard und dem Wirtschaftswunder verbunden und deshalb auch positiv besetzt. Das ist auch der Grund, warum sich heute alle Parteien auf die soziale Marktwirtschaft berufen und versuchen, diesen Begriff im Sinne des jeweils eigenen Parteiprogramms zu interpretieren.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Tatsächlich galt und gilt Ludwig Erhard allerdings als Liberaler in der CDU. Das soll es ja geben, Herr Gürth.

(Frau Budde, SPD: Aber die Liberalen waren da- mals noch sozialer! Das gab es auch!)

Sein Konzept der sozialen Marktwirtschaft basiert schließlich auf liberalen Ideen. Seine Einstellung war,

dass dieses System aus sich heraus, ohne staatliche Einwirkungen sozial ist, weil es die Teilhabe der Bevölkerung als Resultat hervorbringt. Deswegen auch der Begriff der sozialen Marktwirtschaft.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Das ist falsch, Herr Wolpert!)

Das heißt, dass der Staat in diesem System durch aktive Eingriffe in das Marktgeschehen ergänzen kann. Entscheidend ist aber, dass diese Eingriffe marktkonform erfolgen. Die Eingriffe müssen mit der marktwirtschaftlichen Ordnung vereinbar sein. Sie dürfen das Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage auf dem Markt nicht behindern.

Wenn der Staat also um sozialen Ausgleich bemüht ist und über das Steuer- und Abgabesystem Umverteilungen vornimmt, hat er bestimmte Spielregeln zu beachten. Das galt damals für Erhard und muss auch heute gelten. Daher, Herr Gürth, höre ich Ihre Botschaft wohl, aber es fehlt mir der Glaube; schließlich haben Sie die Umsatzsteuererhöhung mitgemacht.

(Zustimmung bei der FDP)

Erhards Warnung, den Steuerbürger nicht zu stark zur Kasse zu bitten, verhallt in Zeiten großer Koalitionen auf Landesebene und Bundesebene ungehört.

Die aktuelle OECD-Studie zeigt: Deutschland hat den dritthöchsten Anteil an Steuern und Abgaben am Arbeitseinkommen in der Welt. Das heißt für jeden Einzelnen konkret: Von 100 € Arbeitseinkommen kommen am Ende im Durchschnitt 47,80 € an. Deshalb wollen wir mehr Netto vom Brutto. Die Nettofrage ist die wahre soziale Frage, nicht die Mindestlohnfrage.

(Beifall bei der FDP)

Unser Bundesvorsitzender Westerwelle hat es drastisch ausgedrückt. Er sagte: Bei dieser Regierung sind alle, die arbeiten, die Deppen der Nation. Ich glaube, er hat fast Recht damit.

(Zustimmung bei der FDP)

Das sind zugegebenermaßen harte Worte; aber sie verdeutlichen, dass Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft bei uns eben nicht mehr belohnt werden. Erhards Forderung, dass wirtschaftlicher Erfolg dort spürbar sein muss, wo er erwirtschaftet wird, lässt sich so jedenfalls nicht erfüllen.

Das zeigt sich auch an Folgendem: Seitdem SchwarzRot an der Macht ist, sind die Steuereinnahmen um 100 Milliarden € gestiegen. Gerade einmal 16 Milliarden € sind netto insgesamt bei den Deutschen angekommen. Der Staat hat also achtmal mehr an konjunktureller Erholung eingefahren als Bürgerinnen und Bürger, die die Steuern erarbeitet haben. Das ist eine Gerechtigkeitslücke. Darin liegt die Ursache für die fehlende Akzeptanz des Systems. Da spüren die Menschen, dass etwas nicht stimmt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die Konsequenzen, die sich aus dieser leistungsfeindlichen Politik ergeben, sind gravierend. Wenn sich Leistung nicht für diejenigen lohnt, die leisten können, dann wird nicht das erwirtschaftet, das wir für diejenigen brauchen, die wirklich bedürftig sind.

Schauen Sie sich einmal um, wie mit uns in unserer Gesellschaft umgegangen wird. Selbständigkeit ist bei uns kein erstrebenswertes Ziel mehr, für die jungen Deutschen schon gar nicht. Die wollen in den öffentlichen Dienst. Da beklagen wir uns in Sachsen-Anhalt, dass wir eine geringe Selbständigenquote haben.

In den Schulbüchern - das hat eine Studie erwiesen - wird die Betriebswirtschaft völlig stiefmütterlich behandelt und fast ausschließlich aus Arbeitnehmersicht dargestellt. Wirtschaftlich Erfolgreiche sehen sich bei uns eher einer Neiddebatte ausgesetzt als einem wohlwollenden Schulterklopfen. Eliten sind in Deutschland suspekt und wandern ab.

(Herr Franke, FDP: Genau so ist das!)

Das ist nicht nur der 65-jährige Arzt, es sind unsere besten Wissenschaftler, die nach Amerika gehen, weil sie dort anders bezahlt und anders behandelt werden.

(Herr Kosmehl, FDP: Und punkten können!)

Deshalb fordern wir Liberale eine Rückbesinnung auf die Ideale Ehrhards und die strikte Einhaltung seiner Prinzipien.

Meine Damen und Herren! In 60 Jahren, die die soziale Marktwirtschaft bereits erlebt hat, haben sich natürlich Rahmenbedingungen geändert. Wir haben inzwischen eine große und manchmal schon etwas zu träge EU. Damit einher geht zwar ein europäischer Binnenmarkt mit freien Märkten, aber - darin gebe ich Ihnen Recht - dort ist der Ansatz für die Demokratisierung.

Im Rahmen der Globalisierung haben wir mit der sozialen Marktwirtschaft erhebliche Probleme. Denn nicht alle Menschen in dieser Welt sind demokratisch vorgebildet oder organisiert. Nicht alle sind also bereit, ein System der sozialen Marktwirtschaft, wie wir es bei uns haben, erst einmal zu akzeptieren. Das heißt, wir müssen Überzeugungsarbeit leisten.