Protocol of the Session on July 6, 2006

Die eine Ausnahme betrifft die heute zur Diskussion stehende Stadt-Umland-Problematik. Dazu haben wir die Vereinbarung getroffen, dass bis zum In-Kraft-Treten der Kreisgebietsreform zum 1. Juli 2007 auf der Grundlage des Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetzes über notwendige gesetzliche Eingemeindungen entschieden wird.

Die andere Ausnahme betrifft den Raum Zerbst. Am 16. Juli 2006 werden die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Zerbst entscheiden, ob sie nicht, wie vom Gesetz vorgesehen, zum künftigen Landkreis Anhalt-Jerichow, sondern zu dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld gehören wollen. Am 13. August 2006 werden die Umlandgemeinden von Zerbst diese Entscheidung treffen. Ich hoffe, dass mit den Bürgervoten auch in dieser Region Akzeptanz für die Kreisneugliederung geschaffen werden kann.

Mit der Neugliederung der Landkreise legt das Land die Grundlage für eine Übertragung von Aufgaben vom Land auf die Landkreise und damit für mehr Bürgernähe und Effizienz.

Die Grundlage für die nächste Stufe der Funktionalreform, die Übertragung von Aufgaben auf die Städte und Gemeinden, schaffen wir mit der Bildung von Einheitsgemeinden. Die Koalitionspartner haben sich für eine breit angelegte freiwillige Phase für die flächendeckende Einführung von Einheitsgemeinden entschieden. Wir gehen also gerade nicht mit dem Kopf durch die Wand, sondern wir wollen die Gemeinden auf dem Weg zu zukunftsfähigen Strukturen mitnehmen.

Bis zum Ende dieses Jahres werde ich dem Kabinett die Eckwerte des Leitbildes zur Einheitsgemeinde vorlegen. Bis Mitte des Jahres 2007 sollten wir die Diskussion über das Leitbild abgeschlossen haben, damit ausreichend Zeit für die Umsetzung in der Freiwilligkeitsphase bis zur Kommunalwahl im Jahr 2009 bleibt. Erst danach werden die bis dahin nicht beteiligten Gemeinden durch Gesetz bis zum 1. Juli 2011 in Einheitsgemeinden überführt.

Ich will es ganz deutlich sagen: Die öffentlich wahrnehmbaren Differenzen auch innerhalb der Regierungskoalition müssen schnell geklärt werden; die Menschen in diesem Lande, auch die für Kommunalpolitik Verantwortlichen, brauchen Klarheit.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Dr. Pasch- ke, Linkspartei.PDS)

Ich denke, die Koalitionsvereinbarung ist an dieser Stelle von solcher Klarheit geprägt. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, dies in den nächsten Tagen noch einmal miteinander klarzustellen.

Mir ist die Beteiligung vieler an der Leitbilddiskussion wichtig; denn ich will die Betroffenen zu Beteiligten machen. Es ist meine feste Überzeugung, dass die besten Lösungen nicht im stillen Kämmerlein, sondern im Diskurs entstehen. Deshalb werden wir begleitend zur Erstellung des Leitbildes den Dialog mit den kommunalen Spitzenverbänden, mit den Betroffenen vor Ort und nicht zuletzt, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit den Abgeordneten des Landtages führen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir kommen nun zur vereinbarten Fünfminutendebatte. Als erster Debattenredner hat der CDU-Abgeordnete Herr Madl das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie können in der Begründung zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS auf Seite 14 im dritten Absatz lesen:

„Das freiwillige Entstehen sowohl von verbands- als auch von gebietskörperschaftlichen Kooperationslösungen bedarf eigentlich einer langjährigen vertrauensbildenden Zusammenarbeit der Kommunen unterschiedlicher Größe, Ausstattung und Leistungskraft mit erlebbaren positiven Effekten für alle Beteiligten.“

Dies ist in der Region Halle nicht gegeben.

Meine Damen und Herren! Wissen Sie, warum das nicht gegeben ist? - Das ist nicht gegeben, weil eine solche Aussage, wie sie Dr. Köck eben wieder gemacht hat, nämlich der Saalkreis sei das Problem, nicht zutrifft. Die Eingemeindungsbestrebungen der Stadt Halle sind über Jahre praktiziert worden, ohne dass Kooperationsverhandlungen mit dem Saalkreis angestrebt worden wären. Das hat natürlich zur Verhärtung der Fronten insgesamt geführt. Es kann nicht das Ziel dieser Landesregierung sein, das weiterhin zu propagieren und diesen Weg weiterhin zu gehen.

(Beifall bei der CDU)

Sie können sich alle daran erinnern, dass wir dieses Thema öfter auf der Tagesordnung hatten. Trotz der Ver

härtung werden 35 Aufgaben von der Stadt Halle und dem Saalkreis gemeinsam wahrgenommen. Ich erinnere nur daran, dass die Leitstelle der Stadt Halle auch für den Saalkreis mit zuständig ist. Das funktioniert seit Jahren ganz hervorragend. Übrigens ist dies die einzige gemeinsame Leitstelle im Land Sachsen-Anhalt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Versuch, ein Gesetz auf diese Art einzubringen, ist löblich, das Ergebnis aber ist unbefriedigend. Ich könnte es mir leicht machen und meine Rede nach den Ausführungen des Innenministers und unter Hinweis auf das Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetz und das Kreisgebietsreformgesetz an dieser Stelle eigentlich schon beenden.

Aber ich will auf die von der Fraktion der Linkspartei.PDS in der Begründung ausgebrachten Ziele eingehen. Die Linkspartei.PDS verzichtet, wie in der Begründung ausgeführt wird, auf den Begriff des Regionalkreises. Das ist auch verständlich, denn dieses Modell ist weder ein Regionalkreis noch ein klassischer Landkreis. Die Stadt Halle ist trotz ihrer Sonderaufgaben in § 6 und des Versuches der finanziellen Ausstattung in § 4 auch keine kreisfreie Stadt mehr.

Laut der einbringenden Fraktion soll der vorliegende Gesetzentwurf

a) die Rahmenbedingungen für einen Vorteils-LastenAusgleich zwischen den Städten und Gemeinden innerhalb der Region schaffen,

b) die kommunale Verwaltung auf die Region ausrichten,

c) den Wirtschaftsraum, den Verflechtungsraum und den Verwaltungsraum in Übereinstimmung bringen,

d) die Voraussetzungen für eine neutral agierende Kommunalaufsicht schaffen und

e) die gemeinsame Flächennutzungsplanung optimieren.

Schauen wir uns die Ziele im Einzelnen an.

Zu Punkt a: Die Rahmenbedingungen für einen VorteilsLasten-Ausgleich zwischen den Städten und den Gemeinden innerhalb der Region zu schaffen, ist ein löbliches Ziel und trifft sicherlich auch den Kern dessen, was hinlänglich als Stadt-Umland-Problematik beschrieben wird: Einer hat die Lasten zu tragen und der andere, der daraus Vorteile zieht und sich nicht an den Kosten beteiligt, soll nun daran beteiligt werden.

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Linkspartei.PDS, können Sie aber letztlich nicht ausschließlich auf die in § 4 - kommunaler Finanzausgleich - verankerte Regelung reduzieren, nämlich dass die Stadt Halle so lange nach dem Finanzausgleichsgesetz als kreisfreie Stadt gilt, wie eine Neuverteilung der Zuweisungen durch ein Gesetz nicht erfolgt ist.

Noch etwas schärfer wird es in § 4 Abs. 2. Dort heißt es, dass der Übergang von Aufgaben des eigenen und des übertragenen Wirkungskreises sowie von freiwilligen Aufgaben der kreisfreien Stadt Halle auf den Landkreis Region Halle-Merseburg beim Finanzausgleich, bei der Festlegung der Kreisumlage und sonstigen Umlagen zu beachten sei. Damit reduzieren Sie das gesamte Problem zu fast 100 % allein auf eine Regelung im FAG. Das kann es ja wohl nicht sein.

Dann brauchen wir das Gesetz nicht; dann hätten Sie auch sagen können: Wir müssen das FAG so ändern, dass wir jeweils eine Lösung für die kreisfreie Stadt

Magdeburg, für die kreisfreie Stadt Dessau, für die Landkreise, für die kreisangehörigen Gemeinden und eine Sonderlösung für die Region Merseburg-Halle und die quasi nicht mehr kreisfreie Stadt Halle finden.

Zu Punkt b - die kommunale Verwaltung auf die Region ausrichten -: Sie richten nichts aus, wenn Sie in § 4 in Verbindung mit § 6 und unter Bezug auf die §§ 7, 8 und 10 keine klare Aufgabenzuordnung und keine Kompetenzbereiche festlegen, sondern die Vielfalt der Regelungen so zulassen, wie Sie es in den Paragrafen beschreiben. Es reicht eben nicht, dass Sie in § 2 Abs. 1 und 2 sagen, dass alle Aufgaben eines Landkreises der Landkreis machen müsse, auch wenn sie jetzt noch die Stadt Halle als kreisfreie Stadt wahrnehme, und in § 6 festlegen, dass die originären Aufgaben, die der Landkreis zu erfüllen habe, als besondere Aufgaben der Stadt Halle überlassen würden. Das führt zu Doppelfunktionen, zu Doppelverwaltungen und zu Kompetenzstreitigkeiten insgesamt.

Zu Punkt c, dem Vorhaben, den Wirtschaftsraum, den Verflechtungsraum und den Verwaltungsraum in Übereinstimmung zu bringen: Beim Lesen dieser Paragrafen habe ich mich an meine Studienzeit in Ilmenau erinnert, als wir im Fach EDV so genannte Paps schreiben mussten. Die meisten von Ihnen wissen, was Paps sind - Programmablaufpläne. Dort wurde mit den Optionen „und“ oder „oder“ gearbeitet, sodass man zum Schluss zu irgendeinem Ergebnis kam. Wenn man es dann in den Rechner R 300 eingegeben hatte, kam meistens nach einigen Tagen die Mitteilung „Error“. Genau so funktioniert das System, das Sie hier aufgeschrieben haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter, wir haben auch gleich einen Error. Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Ja, ich weiß. Bitte erlauben Sie noch zwei Sätze. Ich verkürze die ganze Geschichte.

Zu Punkt d, zu den neutral agierenden Kommunalaufsichten, habe ich leider im Gesetz nichts gefunden.

Zu Punkt e - die gemeinsame Flächennutzungsplanung optimieren - möchte ich nur einen Satz sagen: Wenn Sie optimieren wollen, dann müssen Sie die Flächennutzungsplanung auch komplett auf den Aufgabenträger übertragen. Sie dürfen dann nicht zulassen, dass gemäß § 7 Abs. 3 einzelne Aufgaben durch die lokalen Akteure vereinbart werden können und andere nicht, und parallel dazu in Absatz 5 schreiben, dass die Flächennutzungsplanungen, die nicht gemeinschaftlich erledigt würden, durch die Gemeinden einzeln erledigt würden. Damit schaffen Sie einen Verwaltungsaufwand, der dann auch nachrichtlich in den großen Plan übernommen werden soll und der gar nicht vertretbar ist. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Madl. - Ich erteile nun der FDP das Wort. Abgeordneter Herr Wolpert, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem sich der Innenminister nur wenig mit

diesem Gesetzentwurf beschäftigt und nur versucht hat, seinen Koalitionspartner auf die Zwangseingemeindung einzuschwören, finde ich es doch sehr löblich, dass sich zumindest Herr Madl sehr eingehend damit beschäftigt hat. Ich werde es auch versuchen.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Der vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS ist wahrlich keine neue Initiative. Die Idee eines Regionalkreises Halle tauchte zuletzt in der Diskussion über die Kreisgebietsreform in der vergangenen Legislaturperiode auf. Auch dieser Gesetzentwurf erschien in kaum abgewandelter Form im Plenum.

Für die FDP-Fraktion kann ich in diesem Zusammenhang nur feststellen, dass sich unsere Haltung auch in der fünften Legislaturperiode nicht geändert hat. Die Strukturierung des Landes auf kreislicher Ebene mit fünf Regionalkreisen wird von uns weiterhin abgelehnt.

Die Schaffung eines einzelnen Regionalkreises in etwas kleinerer Form ist genauso wenig akzeptabel. Es ist insoweit eher verwunderlich, dass die Linkspartei.PDS glaubt, durch ein immer wieder neues Einbringen desselben Antrages würden sich die Mehrheitsverhältnisse im Landtag von Sachsen-Anhalt ändern.

Die Koalition von CDU und SPD hat sich darauf festgelegt, dass die Kreisgebietsreform nicht wieder neu erfunden wird, sondern die in der vierten Legislaturperiode beschlossene Struktur beibehalten wird, abgesehen von den zwei Ausnahmen, die der Innenminister vorgetragen hat, die aber auch von der FDP kritisch gesehen werden. Damit kann die FDP aber trotzdem gut leben, hat sie doch maßgeblich an den Strukturen mitgestaltet. Die FDP ist auch nicht dadurch von der Richtigkeit der Argumente der Linkspartei.PDS überzeugt, dass sie diese nunmehr zum x-ten Male hört.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es bleibt für die FDP weiterhin bei den Leitsätzen für jegliche Strukturveränderungen im Land, wonach Effizienz und Bürgernähe die zu beachtenden Prämissen sind. Diese Grundsätze haben zu den jetzt gewählten Strukturen geführt, wonach die Richtgröße von 150 000 Einwohnern und die Flächengröße mit flexiblen Ansätzen Bürgernähe auf der einen Seite und Effizienz auf der anderen Seite für die Kreise im Land gewährleisten.

Ein Regionalkreis Halle würde allerdings diesen Prämissen nicht gerecht werden. Zum einen ist es offensichtlich, dass in großen Strukturen das bürgerliche Engagement zurückgedrängt wird. Weniger ehrenamtliches Engagement führt zu weniger Bürgerbeteiligung und schadet grundsätzlich dem Demokratiegedanken. Das führt nach unserer Auffassung zu weniger Bürgernähe. Zum anderen ist allerdings auch nicht sichergestellt, dass mit einem Regionalkreis die Verwaltungsstrukturen tatsächlich effizienter funktionieren.

Die Vermischung der Struktur einer kreisfreien Stadt mit dem Status der Kreisangehörigkeit wirft mehr Probleme auf als sie Nutzen bringt. Die Diskrepanz hat die Linkspartei.PDS selbst erkannt und will nun innerhalb des Verteilungsschlüssels des Finanzausgleichsgesetzes die Stadt Halle weiterhin so behandeln, als ob sie eine kreisfreie Stadt wäre. Auch soll die Stadt Halle weiterhin als kreisangehörige Stadt die Aufgaben wahrnehmen, welche eine kreisfreie Stadt übernimmt.