Protocol of the Session on July 6, 2006

Sehr geehrte Damen und Herren! Aufgrund der im Jahr 2003 abgeschlossenen langfristig laufenden Verträge herrscht Planungssicherheit für alle Beteiligten. Darauf waren wir im Jahr 2003 sehr stolz. Die Kehrseite ist, dass die Möglichkeiten, durch neuerliche Ausschreibungen mehr Wettbewerb zuzulassen und damit für das Land Kostensenkungen zu generieren, in Sachsen-Anhalt nicht ausgeschöpft sind. Gleichwohl kann man die Möglichkeit eines Nachverhandelns in Anbetracht der veränderten Umstände in Erwägung ziehen, damit der Schienenpersonennahverkehr in Sachsen-Anhalt in der Fläche zu annehmbaren Bedingungen aufrechterhalten bleibt.

Ich erwarte mit Spannung die Ausführungen des Verkehrsministers dazu, an welcher Schraube gedreht wird, und bedanke mich im Moment für Ihre Aufmerksamkeit. - Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Danke sehr, Herr Wolpert. - Für die Landesregierung hat Minister Herr Dr. Daehre um das Wort gebeten.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen von der FDP, dass ich eine gewisse Sympathie für die Liberalen hatte, habe und für die Zukunft vielleicht auch noch haben will, entbindet mich nicht davon, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass wir jetzt in einer neuen Koalition sind. Ich will dieses vorwegschicken. Deswegen wundert mich schon einiges in Ihren Ausführungen. Dass Sie jetzt einen neuen verkehrspolitischen Sprecher haben, der sich erst einarbeiten muss, das verstehe ich ja.

(Zustimmung bei der CDU)

- Nein, ich will das einmal ganz ernsthaft sagen. Ich hätte es mir leicht machen und den Redebeitrag vorlesen können, den der Vertreter der FDP in der vergangenen Legislaturperiode gehalten hat, als wir über das Thema Regionalisierungsmittel gesprochen haben. Da sollte man noch einmal hineinschauen, wenn man davon spricht, dass man ein leistungsfähiges Netz in SachsenAnhalt erhalten will, was unser aller Anliegen ist.

Die FDP war immer der Meinung, wir müssen richtig abbestellen, damit wir dann auf die Busse umsteigen. Ich habe jetzt in der Rede nicht ein Wort von Bussen gehört. Ich wollte das nur andeuten.

Ich denke, wir sollten uns hier in diesem Hohen Haus eines klar machen: Wir können uns über Regionalisierungsmittel und über die schmerzhaften Einschnitte - das will ich gern zugestehen - unterhalten und wir müssen uns auch darüber unterhalten. Das ist aber ein Stück eines Gesamtpakets. Ich kann die Regionalisierungsmittel nicht losgelöst sehen, sondern muss sie im Zusammenhang mit der Diskussion über die Erhöhung der Mehrwertsteuer sehen. Das war ja die eigentliche Stoßrichtung.

(Herr Wolpert, FDP, winkt ab)

- Doch, Herr Kollege. Nun haben Sie die Regionalisierungsmittel genommen, um wieder auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu kommen. Sie dürfen mir schon glauben, dass mir die Einsparungen bei den Regionalisierungsmitteln nicht passen. Aber wenn wir überall die Diskussion so führen, dass wir zwar sparen müssen, aber wenn es an einer Stelle anfängt, dann sind wir immer dagegen, dann wird das nicht funktionieren. Ich denke, das brauche ich Ihnen nicht zu sagen.

Ich hoffe nur, dass Sie Ihrer Klientel auch einmal empfehlen, den Nahverkehr zu benutzen.

(Zustimmung bei der CDU - Unruhe bei der FDP - Herr Kley, FDP: Jeden Tag!)

Herr Kollege Wolpert, wenn Sie meinen, dass wir auf Klimaanlagen und auf den einen oder anderen Standard bei der Ausschreibung verzichten sollten, dann sage ich Ihnen, dass kaum noch jemand mitfährt, wenn die Bedingungen so sind. Das heißt, wir brauchen Attraktivität. Wir waren uns immer einig darüber, dass wir moderne, neue Züge in diesem Bereich brauchen. Wenn wir wieder auf den DDR-Standard zurückgehen - das können wir machen -, dann wird alles billiger.

Aber zurück zu dem eigentlichen Thema. Fakt ist, dass wir mit der Situation leben müssen, dass das Land Sachsen-Anhalt - Herr Wolpert, Sie haben die Zahlen richtig genannt - 5,67 Millionen € in diesem Jahr und 26 Millionen € im nächsten Jahr einsparen muss.

Dann müssen wir mit den Spekulationen erst einmal Schluss machen, weil Bundesfinanzminister Peer Steinbrück im Bundesrat zum Ausdruck gebracht hat, dass die Länder 500 Millionen € kriegen. Das heißt, wir brauchen nicht 2,3 Milliarden €, sondern „nur“ 1,8 Milliarden € an Kürzungen hinzunehmen.

Die Situation ist die - das muss ich heute vor dem Hohen Haus sagen -, dass wir überhaupt noch nicht wissen, was im Jahr 2008 an Einsparungen auf uns zukommt. Dass es nicht mehr werden wird, darüber sind wir uns einig. Aber wie die Zahlen für das Jahr 2008 konkret aussehen, das können wir zum heutigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

Nun müssen wir uns darauf einstellen. Ich sage eines: Die Kürzungen für das Jahr 2006, die jetzt angedacht sind, werden wir verkraften. Das Jahr 2007, meine Damen und Herren, wird aber schon spannend werden.

Herr Kollege Wolpert, weil Sie fragten, wo das Geld herkommen soll: Wir haben in den vergangenen Jahren Teile der Schülerbeförderung nach § 45a aus Regionalisierungsmitteln des Bundes finanziert und dadurch Landesmittel gespart. Wir haben in den Haushaltsplan für das Jahr 2007 eine entsprechende Summe an Landesmitteln eingestellt.

Das ist im Moment die Lösung für das Jahr 2007. Wir werden aber um eines nicht umhinkommen, nämlich dass wir uns in diesem Hohen Haus in den Ausschüssen gemeinsam darüber verständigen, welche Strecken in der Zukunft - das hat mit der Kürzung der Mittel erst einmal nichts zu tun, denn das hätten wir sowieso gemacht - noch rentabel sind und welche nicht rentabel sind und bei welchen wir vom Zug auf den Bus umsteigen müssen.

Wir haben die neuen Vorgaben. Bei der Revision wird es heißen: 1 000 Fahrgäste in 24 Stunden - 1 000 Fahrgäste, meine Damen und Herren. Wenn wir uns das Streckennetz in Sachsen-Anhalt anschauen, dann stellen wir fest, dass wir davon noch weit entfernt sind. Das wird unsere Aufgabe sein. Das heißt, wir müssen sehen, dass wir die Leute in den Nahverkehr hineinbekommen, dass wir zusätzliche Fahrgäste haben. Wenn wir das nicht schaffen, dann ist das Thema Schienennetz nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern in allen Flächenländern ein riesiges Problem. Das ist der erste Punkt.

Zweitens müssen wir fragen - das ist eine spannende Frage, wofür ich den Koalitionsfraktionen dankbar bin -, ob der Nahverkehr eine Subvention oder eine Daseinsvorsorge ist. Das ist die Frage, die zu klären ist. Wenn es eine Subvention sein sollte, dann kann man immer wieder kürzen. Ich bin der Meinung, dass es eine Daseinsvorsorge ist, auf die wir uns einstellen müssen. Wenn es eine Daseinsvorsorge sein sollte, dann muss Schluss sein mit weiteren Kürzungen. Das ist unsere Aufgabe und dafür werbe ich. Ich denke, dass der Antrag vor dem Hintergrund gestellt worden ist, das deutlich zu machen.

Ich habe in diesem Hohen Hause schon mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass es überhaupt nichts nützt, wenn wir den Tatbestand bejammern und anschließend

in das Auto steigen und nicht den Nahverkehr nutzen. Wenn nur 7 % der arbeitenden Bevölkerung den Nahverkehr nutzen - das Land Sachsen-Anhalt liegt dabei im guten Mittelfeld; es gibt Flächenländer, in denen nur 5 % der arbeitenden Bevölkerung den Nahverkehr nutzen -, dann ist diese Ausgabe, die wir tagtäglich leisten, unverhältnismäßig hoch. Deshalb müssen wir gemeinsam versuchen, nach Lösungen zu suchen.

Ich nenne einmal ein Beispiel: Wenn wir die Kreisgebietsreform durchgeführt haben, dann haben wir einen Salzlandkreis mit Bernburg als Kreisstadt. Dann kommt schon die Frage, ob wir es uns leisten können, zwischen Bernburg, Calbe, Schönebeck und Magdeburg keinen Nahverkehr mehr anzubieten. Die Strecke ist in einem katastrophalen Zustand. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt teilweise 30 km/h. Sie können niemandem zumuten, dass er auf dieser Strecke den ÖPNV nutzt. Deshalb sind die Fahrgastzahlen auch weit unten.

Wenn wir diese Strecken aber abbestellen sollten, meine Damen und Herren, dann gehen wir an den Nerv des Nahverkehrs. Wenn wir es nicht mehr schaffen, zwischen den Zentren in Sachsen-Anhalt einen Nahverkehr zu organisieren, dann sind wir am Ende.

Ich möchte in diesem Hohen Haus - da bin ich ganz dicht bei liberalem Denken, bei Ihrer Vorstellung, Herr Wolpert - die Politik vertreten, gemeinsam zu versuchen, den Nahverkehr zwischen den Zentren aufrechtzuerhalten und dort, wo es nicht mehr geht, auf den Busverkehr umzusteigen. Ferner muss man auch der Bundesregierung deutlich machen, dass an dieser Stelle keine unendliche Sparbüchse vorhanden ist. Auch das gehört dazu.

Wir haben das jetzt noch einmal verkraftet bzw. müssen es verkraften - nicht weil wir es wollten, sondern weil es ein Gesamtpaket war mit vielen Stellschrauben. Nun hat es den Nahverkehr getroffen.

Meine große Sorge ist, wie sich das auf die Investitionen auswirkt. Wir werden die Verträge einhalten; das ist unbestritten. Es hat auch schon Gespräche zwischen mir und Herrn Mehdorn sowie mit Herrn Tiefensee gegeben, inwieweit wir über die Verkehrsverträge Stellschrauben haben, um Kosten einzusparen. Das ist schwierig, weil auch andere Wettbewerber in diesem Bereich tätig sind.

Auch darüber müssen wir uns im Ausschuss unterhalten, ob Sie alle mitgehen. Dazu brauche ich Ihre Unterstützung. Aber ich denke, es ist eine ganze Reihe von Möglichkeiten vorhanden.

Der zweite Punkt ist: Wo können wir noch Investitionen tätigen? Die Bahn wird kommen und sagen: Jawohl, wir investieren, aber dann brauchen wir eine 15- bis 20-jährige Bestellgarantie. Diese zu geben ist nicht einfach. Die Bahn sagt sich, wenn wir investieren, dann wollen wir auch für die nächsten 15 bis 20 Jahre die Garantie. Damit bin ich wieder bei dem Punkt, dass es sehr wichtig ist, dass wir uns darüber verständigen, neue und moderne Züge einsetzen.

Meine Damen und Herren, noch eine letzte Anmerkung. Wir haben noch ein Netz, das auszuschreiben ist, nämlich das S-Bahn-Netz Halle/Leipzig. Das ist ein Milliardengeschäft für denjenigen, der den Zuschlag bekommt. Hierbei werden wir sehr hart verhandeln müssen, weil dabei Ballungsgebiete miteinander verbunden werden. Das hängt aber mit der Fertigstellung des Tunnels in Leipzig zusammen. Deshalb können wir noch nicht genau sagen, wann der Verkehr aufgenommen wird.

Ferner müssen wir uns in der Fläche anschauen, wo es sinnvoll ist, Busse einzusetzen. Ich sage dazu immer eines: Es gibt auch Orte, in denen die Bürger froh sind, dass die Busse kommen, weil die Busse in den Ort hineinfahren und die Bürger nicht zum Bahnhof gehen müssen. Deshalb ist es wichtig, dass wir niemanden, der es will, vom öffentliche Personennahverkehr abschneiden. Es bedarf deshalb großer Anstrengungen.

Ich bin der Letzte, der sich hier hinstellt und sagt, dass all das, was Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, berechtigterweise angesprochen haben, keine Sorgen bereitet. Das können wir nicht alles mit links in den Skat drücken. Das wird uns in den Haushaltsberatungen, wenn wir gemeinsam kämpfen, noch hart treffen. Aber die Zielstellung muss klar sein, nämlich die Zielstellung, dass nicht nur das Land, sondern auch die Züge weiterhin unter Dampf sind, so wie Sie alle heute in dieser Debatte. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke, Herr Minister. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Doege.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit ihrem Antrag fordert die FDP-Fraktion die Berichterstattung über die Auswirkungen der Kürzung der Regionalisierungsmittel für das Land Sachsen-Anhalt.

Meine Damen und Herren! Ich habe es im Vorfeld vermieden zu sagen, aber der Redebeitrag von Herrn Wolpert hat mich noch bestärkt, dass es letztendlich relativ wenig um die inhaltliche Auseinandersetzung geht, sondern dass mehr eine verkappte Debatte über die Mehrwertsteuererhöhung geführt worden ist.

(Herr Kosmehl, FDP: Ein Satz! - Zuruf von Herrn Kley, FDP)

Wenn es Ihnen tatsächlich um die inhaltliche Debatte ginge, dann hätten wir auch im Rahmen der Selbstbefassung im Fachausschuss dieses Thema aufgreifen können.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Da es aber den Koalitionsfraktionen um das Thema geht, haben wir das Anliegen der FDP-Fraktion aufgegriffen und es mit unserem Änderungsantrag versucht zu ergänzen.

Wir erwarten neben der eigentlichen Berichterstattung über die Auswirkungen, die zum Teil vom Minister heute schon dargestellt worden sind, dass wir uns auch über eine Strategie des Landes Sachsen-Anhalt bezüglich der in Zukunft anstehenden Revision des Regionalisierungsgesetzes verständigen. Mit der Bahnstrukturreform wurde für den SPNV die Grundlage für eine sichere, zukunftsfähige Gestaltung gelegt.

Im Regionalisierungsgesetz - darauf möchte ich hinweisen - sind die Prämissen festgeschrieben worden, dass die Mittel insbesondere für den SPNV zu verwenden sind und dass die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Leistungen des ÖPNV eine öffentliche Daseinsvorsorge ist.

Der ÖPNV ist unverzichtbar in der Bedienung zwischen den Ballungsräumen, aber auch in den Ballungsräumen

selbst. Wir wissen allerdings, dass die Ballungsräume im Land Sachsen-Anhalt doch sehr spärlich gesät sind, was zu besagten Problemen beiträgt.

Im Zuge der Diskussion über den Subventionsabbau wurde von Koch/Steinbrück ein Papier entwickelt, das unter anderem die Kürzung der so genannten Subvention der Regionalisierungsmittel beinhaltete. Nach jüngster Auffassung der Bundesregierung verwenden die Länder lediglich 5 bis 5,5 Milliarden € und der Bund 7 Milliarden € für die Bestellung von SPNV-Leistungen. Aus der Sicht des Bundes erfolgt eine Verwendung der Regionalisierungsmittel zweckwidrig unter anderem für den Schülerverkehr, den der Bund als klassische Landesaufgabe ansieht und der demzufolge mit Landesmitteln darzustellen wäre. Auch die Overhead-Kosten erscheinen aus der Sicht des Bundes zu hoch.

In den jüngsten Beratungen über die im Bundeshaushalt 2006 vorgeschlagenen Kürzungen bei den Regionalisierungsmitteln konnte von den Ländern noch einmal eine verminderte Kürzung durchgesetzt werden. Allerdings gibt es einen weiteren Aspekt in dieser Debatte, der heute überhaupt noch nicht zur Sprache kam. Das sind die Vorstellungen einiger Bundesländer, die auf eine völlige Neuverteilung der Regionalisierungsmittel drängen. Wenn sich dieses durchsetzen würde, hätte das für das Land Sachsen-Anhalt zur Folge, dass es zu drastischen Einbußen und in der Folge logischerweise zu massiven Streckenstilllegungen kommen würde.

Insofern sind wir insgesamt als Landespolitiker gefordert, dieser Diskussion, die derzeit zwar abgewendet, aber sicherlich nur aufgeschoben worden ist, frühzeitig zu begegnen und nach Mehrheiten zu suchen, um dieses Ansinnen, das in der Zukunft sicherlich noch einmal vorgebracht werden wird, so früh wie möglich abzuwehren.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist der Aspekt, den wir mit dem Änderungsantrag eingebracht haben, nämlich die stärkere Berücksichtigung der Daseinsvorsorge, ein aus unserer Sicht sehr wichtiger Punkt. Es muss darum gehen, im Zweifel nicht nur leere Züge durch das Land fahren zu lassen, sondern die spärlichen Haushaltsmittel effizient einzusetzen und neben dem SPNV gegebenenfalls Busverbindungen oder aber flexible Bedienformen, die es an verschiedenen Stellen im Land schon gibt, mit zu berücksichtigen.

Ich danke Ihnen an dieser Stelle für Ihre Aufmerksamkeit. Ich freue mich auf die Diskussion, die wir im Verkehrsausschuss und auch im Finanzausschuss haben werden. Dort können wir die weiteren Fragen, die noch anstehen, vertiefend beraten. - Schönen Dank.