Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hat die Antragsmaschine angeworfen. Nun liegt auch ein Antrag zum Thema Förderung von Exstenzgründungen vor.
Ich will für die CDU-Fraktion sagen: Wir wollen die inhaltliche Schwäche des Antrags nicht nutzen, um ihn auseinanderzunehmen; denn das Verlangen, dass die Landesregierung statistische Kennzahlen oder eine Übersicht über bestehende Fördermöglichkeiten und Beratungsprogramme vorlegen soll, ist in der Tat ein bisschen dünn. Dafür genügt ein Gang in die NordLB; das sind etwa 150 m Luftlinie. Dort liegen alle Programme vor; man bekommt sie kostenfrei. Über das Internet bekommt man die Daten innerhalb von zehn Minuten.
Aber das Thema ist wichtig. Deswegen danken wir Ihnen, dass wir dadurch die Gelegenheit haben, das Thema aufzugreifen. Wir würden gern das Anliegen aufgreifen, Existenzgründungen in Sachsen-Anhalt ein Stück weit grundsätzlicher im Wirtschaftsausschuss zu beraten.
Deswegen werden wir lediglich beantragen, dass der letzte Satz Ihres Antrages gestrichen wird, der da lautet: „Außerdem soll die Berichterstattung eine Evaluierung der Existenzgründungsoffensive ego enthalten.“ Ich denke, mit dieser Streichung ist der Antrag zustimmungsfähig. Ich will dies auch begründen.
Wir haben in den zurückliegenden Monaten eine Reihe von Anträgen zur Evaluierung gehabt. Wenn man sich einmal konkret anguckt, worüber wir reden, nämlich über Kosteneinsparungen, über Effizienz, über den Abbau in der öffentlichen Verwaltung etc.,
dann muss man fairerweise kurz überlegen, was denn Evaluierung eigentlich bedeutet. Eine Evaluierung bedeutet, sofern man es wissenschaftlich und ernst betrachtet, dass dabei Heerscharen von Menschen wirklich alle Daten konkret zusammentragen und wissenschaftlich miteinander abgleichen.
Aber viel wichtiger für uns - das ist ein großer Aufwand - wären andere Dinge. Ich würde mir wünschen, dass wir ein bisschen mehr Geld und Kapazitäten hätten, um Fördermittelanträge und Nachweise, also die Bescheide, noch schneller abzuarbeiten und zu kontrollieren, damit diejenigen, die etwas gefördert bekommen haben, auch endgültig Rechtssicherheit haben, dass die Mittel ordnungsgemäß verwendet worden sind.
Das ist zum Teil eine existenzielle Frage für so manchen Mittelständler, gerade für einen Mittelständler und nicht für ein großes Unternehmen, das wiederum Gesellschaften damit beauftragt.
Für mich und die CDU-Fraktion stellt sich eher die grundsätzliche Frage nach der Kultur der Selbständigkeit in Sachsen-Anhalt. Das ist eigentlich nicht mit Fördermitteln zu begründen oder im Wesentlichen auf den Punkt zu bringen.
Die Kultur der Selbständigkeit ist allumfassend und fängt in der Schule und im Elternhaus an. Es sind die Erfahrungen von Kindern in Elternhäusern, in denen Vater, Mutter oder einer von beiden selbständig sind, die manchmal zwölf, 14, 16 oder mehr Stunden arbeiten, oftmals jahrelang keinen Urlaub haben und voller Neid auf Einkommen im öffentlichen Dienst schauen, die sie selber nicht erwirtschaften können, obwohl sie Steuern zahlen, Leute beschäftigen und härter arbeiten als so manch einer in unserer Gesellschaft. Da steht die Frage: Lohnt sich dieser Aufwand noch?
Die nächste Geschichte ist: Habe ich den Mut, mich selbständig zu machen und ein Risiko einzugehen? - Dazu muss man aber ganz klar sagen: In der Gesellschaft läuft momentan eine Diskussion, die man mit „Neid“ überschreiben kann. Die steht dem Mut diametral gegenüber. Wenn ich es wirklich einmal schaffen sollte, im Wettbewerb mit anderen, bei dem ich Haus und Hof, einfach alles riskieren muss, erfolgreich zu sein, dann haben wir Neidsteuern, Vermögensteuern, Erbschaftsteuern und dergleichen mehr.
Dann kommt der große Umverteilungshammer. Dann kommt DIE LINKE mit der großen Harke und harkt ab, was sie von dem umverteilen will, was andere erwirtschaftet haben.
Da muss man ganz klar sagen: Das gehört mit hinein in die Debatte, wenn wir hier eine Kultur der Selbständigkeit fördern wollen.
Das nächste ist die Schule. Es gibt eine Reihe von Umfragen in den Schulen und in den Hochschulen, die haben alle ungefähr dieselben Daten. In der Oberstufe der allgemeinbildenden Schule sagen die Umfragen, dass bis zu 90 % der befragten Schülerinnen und Schüler für sich die Selbständigkeit als ein Thema, ihr Leben beruflich zu gestalten, gänzlich ausschließen.
Was noch erschreckender ist: Bei den Hochschulen liegt die Neigung, sich selbständig zu machen, unter 5 %. Dort sind aber sozusagen die Leute, die das Wissen und die Ausbildung haben und die Risiken noch besser abschätzen können.
Wenn wir es nicht besser hinkriegen, eine Kultur der Selbständigkeit allgemein gesellschaftlich zu fördern, dann können wir Programme auflegen, so viel wir wollen. So viel Geld werden wir nie im Haushalt haben. Deshalb bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes.
Abschließend will ich noch eines mitteilen: Es gäbe noch viele Fragen. Um etwa die Betriebsgröße oder das Eigenkapital noch zu klären, reicht die Zeit nicht. Aber wir sollten stolz auf das sein, was wir erreicht haben.
Das Entscheidende ist sozusagen nicht nur die Quantitätsfrage, sondern die Qualitätsfrage. Sind die Unternehmen, die sich selbständig machen, etwa die Würstchenbude um die Ecke oder sind das Unternehmen, die ein riesengroßes Wachstumspotenzial haben und aus denen viel werden kann? - Dazu darf ich mit einem Zitat aus einer Erhebung enden, weil ich glaube, dass das die wenigsten wissen:
„Im bundesweiten Entrepreneurship-Ranking der Universität Regensburg belegte die Universität Magdeburg den fünften Platz unter 65 bewerteten Universitäten. Die Universität Halle-Wittenberg und ihre Partner wurden im Jahr 2007 durch die unabhängige OECD-Kommission evaluiert. Im Ergebnis der Untersuchung wird das hallesche Modell der ganzheitlichen Innovations- und Gründungsförderung aufgrund seiner Praxisnähe und interdisziplinären Ausrichtung als Best-PracticeErfolgsbeispiel zur Übernahme durch Hochschulen weltweit empfohlen.“
Das bedeutet: Es gibt noch viel zu tun, aber wir können auch stolz auf Erreichtes sein. Darüber sollten wir im Ausschuss diskutieren, und dazu lade ich ein.
Ich freue mich, dass wir mit dem Antrag doch eine so lebendige Debatte in diesem Hause erreichen konnten.
Gerade die Begründung, die der Kollege Gürth jetzt gebracht hat, zeigt doch, dass wir im Land eine Stimmung brauchen, die zur Selbständigkeit ermuntert.
Dass wir weniger auf die Quantität, sondern mehr Wert auf Qualität legen, wird auch daran deutlich, dass wir mit den vielfältigen Programmen und Maßnahmen auch in der IB-Bank gut aufgestellt sind. Wir sollten auch darüber diskutieren, wie wir über Qualität in den schon vorhandenen Programmen die Stimmung in Bezug auf die Selbständigkeit verbessern können, wie wir Unterstützung bei der Qualifizierung geben können und vielleicht schon im Vorfeld der Gründung, bei der Schaffung der ersten Grundlagen existenzgründungswilligen Studenten und Mitarbeitern aus den Unternehmen, die eine Übernahme von Unternehmen realisieren wollen, Unterstützung und Beratung gewährleisten können.
Herr Tögel, ich habe nichts dagegen, den letzten Satz in unserem Antrag zu streichen. Damit können wir leben. Ich würde mich freuen, wenn wir im Ausschuss noch ausführlich debattieren könnten, und freue mich auf die Beratung.
Danke sehr, Herr Franke. - Damit ist die Debatte beendet. Wir kommen zur Abstimmung über die Drs. 5/1268. Es ist eine Direktabstimmung.
Wir stimmen zunächst über den mündlich vorgetragenen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen ab. Wer diesem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Der Änderungsantrag ist angenommen worden.
Dann stimmen wir über den soeben geänderten Antrag ab. Wer diesem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wiederum alle Fraktionen. Damit ist der Antrag angenommen worden und wir verlassen den Tagesordnungspunkt 12.
Entwicklung der schulischen Integration von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Förderschulsystem ist ins Gerede gekommen. Wenn ich es einmal bildungspolitisch betrachte, finde ich schon, dass es gut und richtig so ist, einfach deshalb, weil eine Debatte, was wir Kindern mit verschiedenen Behinderungen an Bildungsmöglichkeiten gewähren, nötig ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir eine solche intensive Debatte in den letzten Jahren schon einmal hatten. Es ist also überfällig.
Ich will an dieser Stelle aber bewusst nicht noch einmal auf den Beginn und die Art und Weise der Debatte von Anfang Januar eingehen, denn ich denke, das lenkt vom eigentlichen Sachthema ab. Das sollten wir uns ersparen. Ich denke, kontrovers sollte es zugehen, aber möglichst ohne sich auf Nebenschauplätze zu begeben.
In Sachsen-Anhalt werden ca. 95 % der Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen aus der Regelschule ausgegliedert. Sie besuchen eine Förderschule. Wo liegt das Problem? - Das Problem ist, dass in der übergroßen Zahl der Förderschulen, nämlich im Bereich der Förderschulen für Lernbehinderte, diesen Schülerinnen und Schülern nur ein eingeschränktes Lernangebot offen steht. Das hat weniger damit zu tun, dass es ihnen die Lehrkräfte nicht eröffnen, sondern das ist ein administratives Gebot.
Das Problem ist, dass diese Lernangebote vor allem in den Förderschulen für Lernbehinderungen nicht oder nur sehr, sehr wenig kompatibel mit dem Lernangebot in der Regelschule sind. Das Problem ist, dass es die Kinder, die diese Förderschulen besuchen, dann natürlich auch mit abgesenkten, mit geringeren, mit reduzierten Erwartungen zu tun haben. Das hat, denke ich, auch Folgen für das Handeln von Lehrerinnen und Lehrern. Nicht zuletzt wird diesen Schülerinnen und Schülern auch der gemeinsame Schulbesuch mit ihren Altersgefährten verwehrt und damit die gemeinsame Erfahrung. Das Voneinanderlernen, wechselseitige Anregung und Auseinandersetzung finden kaum bzw. nur wenig statt. Das weiß auch jede und jeder. Denn von genau daher kommt das Stigmatisierungspotenzial, jenes Stigmatisierungs
Es ist also das altbekannte Problem. Ein, nach meiner Auffassung, unbestimmbarer Entwicklungsprozess wird vorherbestimmt. Oder - mit anderen Worten -: Kinder werden nach meiner Auffassung zu früh auf ein Gleis gesetzt, von dem sie während ihrer Bildungsbiografie nicht mehr ohne Weiteres herunterkommen.
Die Medaille hat aber auch eine zweite Seite. Das Problem ist nämlich ebenso, dass diese Unterrichtsform in den Förderschulen vielen Schülerinnen und Schülern, vielen Eltern und auch vielen Lehrkräften als die einzig mögliche Form des Unterrichts, als die einzig mögliche, vermeintlich optimale Förderung erscheint. Ich finde, das ist nicht notwendigerweise so; aber es ist die Perspektive von Eltern, von Schülern, von Lehrkräften. Die Begründungen dafür sind sehr unterschiedlich; das will ich gern einräumen. Ich will aber auch sagen: Nicht alle Begründungen sind dabei - immer pädagogisch gesehen - redlich.
Das liegt zum einen an pädagogischen Grundhaltungen, die hierzulande - das muss man einmal selbstkritisch auf den Punkt bringen - eher auf Ausgliedern als auf Integration orientiert sind. Es fehlt uns das integrative Klima an der Regelschule. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass mancherorts nur sehr reduzierte didaktische Vorstellungen im Umgang mit Vielfalt, mit Heterogenität vorhanden sind, dass binnendifferenzierte Lehr- und Lernformen - so will ich es einmal behaupten - hierzulande, in Deutschland, relativ wenig Tradition haben. Ich finde aber auch, dass das mit den Rahmenbedingungen von Schule und Unterricht zu tun hat, die ein integratives Klima eben nicht fördern.
Das Problem ist in der Tat, dass die Förderschule als die letzte Station am vorläufigen Ende einer Bildungsbiografie erscheint, die von Misserfolg, Stigmatisierung und Ausgrenzung geprägt ist. Einmal eben nicht mehr gehänselt zu werden,