Protocol of the Session on May 29, 2008

Das Zwischenergebnis war logischerweise, dass eine Hürde eingeschoben werden musste. Jetzt müssen Betriebspläne, Unternehmenskonzepte und Ähnliches vorgelegt werden. Man darf es nicht zu leicht machen, weil man ansonsten den Gründungswilligen keinen Gefallen täte, weil die Insolvenzgefahr anstiege, wenn man nur nach den Zahlen schaute.

Wir haben also in diesen Jahren richtiggehend gepowert. Trotzdem ist ein nachhaltiger Effekt auch nach Umsteuerung der Bundesagentur, die viele tausend Existenzgründungen gefördert hat, eingetreten: Auch in den letzten Jahren hatten wir bei den Gewerbean- und -abmeldungen immer einen positiven Saldo. Es bleibt immer ein Plus. Logischerweise kann dieses Delta nicht mehr so groß sein wie in den Jahren, in denen richtiggehend auf Masse gearbeitet wurde, um einfach einmal eine neue Tendenz zu erreichen.

Die Selbständigenquote ist hinsichtlich der Dynamik der letzten Jahre schwierig zu interpretieren. Natürlich ist ein Quervergleich zwischen den Bundesländern möglich. Aber wenn zum Beispiel die Zahl der Erwerbspersonen in Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren angestiegen ist - wir haben vor einem Jahr erstmalig die Schallmauer von einer Million durchbrochen -, dann wird logischerweise der Nenner in diesem Quotienten größer. Bei einer konstanten Zahl von Selbständigen ist so die Selbständigenquote leicht gesunken oder hat stagniert.

Man muss, wenn man Statistiken interpretiert, diese Effekte mit betrachten, um, wie Sie es zu Recht gefordert haben, durch Evaluierung zu den Botschaften zu kommen, die uns nach vorne zu steuern helfen. Denn wir sind in einer neuen operationellen Förderperiode. Wir wollen schlicht und einfach auf dem Erreichten aufsetzen, aber auch die Instrumente fortentwickeln. Das, was sich nicht bewährt hat oder ausgeschöpft ist, wollen wir zur Seite legen und das tun, was die immer noch vorhandenen Defizite abzubauen hilft.

Ein Defizit liegt darin, dass wir immer noch zu wenige Innovations- und FuE-getriebene Unternehmen haben. Ihr Anteil an der Gesamtunternehmenslandschaft ist einfach zu gering. Der Transfer aus den Hochschulen reicht noch nicht aus, ist aber auf einem guten Weg. Die von

Ihnen genannten Transferstellen Univations und Impuls sind sogar international evaluiert worden. Sie sind anschließend als „Best case“ benannt und zur internationalen Nachahmung empfohlen worden, ganz konkret zum Beispiel das Univations-Netzwerk an der Martin-LutherUniversität, wo diese Evaluierung stattgefunden hat.

Trotzdem bin ich mit dem, was in den letzten Jahren geschaffen wurde, nicht zufrieden. Wir brauchen die nächste Stufe, weil sich auch die Gesamtlandschaft verändert hat. Da nützt es mir nichts, wenn unsere Universitäten im Ranking ganz gut laufen. Entscheidend ist: Bis 2013 stehen neue Herausforderungen an.

Deswegen haben wir das Förderprogramm verändert. Wir haben von der Pauschalförderung ohne Eingrenzung der Förderfähigen Abstand genommen. Wir haben neu ausgeschrieben und die Strukturen an die neuen Landkreisgrenzen angepasst. Wir haben uns ein Minimum von 150 Existenzgründungen pro Landkreis und Jahr und 200 Existenzgründungen pro kreisfreier Stadt und Jahr gesetzt, und zwar in den Bereichen, wo besonders innovationsgetriebene Geschäftsideen die Gründungsbasis darstellen sollen.

Die Maßnahmenträger sind entsprechend ausgewählt worden. Es sind Regionalbeiräte geschaffen worden, sodass eine Vorfilterung unter Einbeziehung von Kammern, Verbänden und Banken, die letztlich die Kapitalbereitstellung mit sicherzustellen haben, vorgenommen wird. Durch diesen Vorfilter wird in einen Kanal hinein gefördert, der im Hinblick auf die vorhandenen Defizite den Output zu verbessern hilft. Ich denke, das ist auch in Ihrem Interesse.

Wir haben erstmals nicht reine ESF-Programme gestaltet, sondern sie mit den Möglichkeiten des EFRE kombiniert, sodass die ESF-Personalförderung greift und über den EFRE auf Darlehensbasis die Kapitalbereitstellung für die ersten Gründungsaktivitäten ermöglicht wird. Ein solches Sandwich-Verfahren hatten wir bisher nicht. Von ihm verspreche ich mir in den nächsten Monaten und Jahren sehr viel. Auf diese Weise soll besonders anspruchsvollen Geschäfts- und Gründungsideen zum Durchbruch verholfen werden.

Unter dem Strich sehe ich den ständigen Fortentwicklungsbedarf wie Sie. Nur bei der Interpretation der Gesamtstatistik gibt es Differenzen; ich schätze die Entwicklung als belastbar positiv und nachhaltig ein.

Ich würde mich freuen, wenn wir auf der Basis der vorliegenden Evaluierungsergebnisse die Instrumente, die in Teilen noch gestaltbar sind, weil sie gerade neu ausgeschrieben bzw. regional anpassbar sind, gemeinsam gestalten und im Ausschuss die entsprechenden Weichenstellungen mit begleiten; Exekutive und Legislative können hier sehr eng zusammenarbeiten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Minister. - Ich habe nun die Freude, Seniorinnen und Senioren aus dem Landkreis Wittenberg bei uns begrüßen zu können. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Wir treten jetzt in die Debattenbeiträge der Fraktionen ein. Der erste Debattenredner wird Herr Tögel für die SPD sein.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Franke, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie in Ihrer Rede noch ein paar inhaltliche Dinge zu dem sehr dünnen und sehr oberflächlichen Antrag, den Sie uns hier vorgelegt haben, nachgeschoben haben. Denn das, was in dem Antrag steht, kann man sich ruckzuck selber erfragen. Das könnten wir im Rahmen der Selbstbefassung beschließen; das Thema an sich können wir auch ohne solche Anträge im Wirtschaftsausschuss behandeln.

(Zuruf von Herrn Franke, FDP)

- Herr Franke, Sie waren ab und zu in Vertretung von Herrn Professor Paqué im Wirtschaftsausschuss. Wir haben im Wirtschaftsausschuss im Rahmen der Möglichkeiten der Selbstbefassung immer alle Wünsche der Fraktionen, auch der Oppositionsfraktionen, berücksichtigt. Wir haben uns immer über das Verfahren geeinigt und die Themen auf die Tagesordnung gesetzt. Deswegen hat es mich schon gewundert, dass dieser relativ dünne Antrag hier im Landtag erschienen ist.

Aber Sie haben ja Recht: Das ist ein wichtiges Thema. Wir sollten uns damit beschäftigen. Das ist überhaupt keine Frage. Es geht um einen wichtigen Bereich, der die wirtschaftliche Entwicklung des Landes SachsenAnhalt beeinflusst.

Wir haben da immer noch strukturelle Probleme. Das ist völlig klar. Die Selbständigenquote liegt noch immer deutlich unter dem gesamtdeutschen Schnitt. Auch lässt die Dynamik leider etwas nach. Die Existenzgründungen entwickeln sich nicht so positiv, wie wir es uns wünschen würden.

Wir haben dazu allerdings noch keine Ergebnisse aus den letzten eineinhalb Jahren vorliegen, in denen der gesamtwirtschaftliche Aufschwung in der Bundesrepublik und in Europa uns in diesem Bereich viele Hoffnung machende Signale gesendet hat.

Wir haben uns im Landtag vor reichlich eineinhalb Jahren aufgrund eines Antrages der LINKEN mit dieser Problematik beschäftigt. Da ging es um zusätzliche Förderinstrumente eines revolvierenden Mikrodarlehens mit Mitteln des ESF. Der Landtag hat diesen Antrag damals auch mit den Stimmen der FDP abgelehnt. Professor Paqué wies damals darauf hin, dass - ich zitiere - „die Investitionsbank mit ihren Produkten, die sie anbietet, gut aufgestellt“ ist.

Ich glaube, so viel Wesentliches hat sich an der Situation der Investitionsbank seitdem nicht verändert. Trotzdem soll sich der Wirtschaftsausschuss mit Ihrem Antrag beschäftigen. Das ist gar keine Frage. Der Minister hat ja auch schon seine Bereitschaft dazu signalisiert.

Herr Franke, Sie haben auch eine Kleine Anfrage gestellt. Die Daten aus der Antwort auf die Kleine Anfrage werden wir natürlich in die Beratung einbeziehen.

Für mich bleibt eigentlich nur noch ein Punkt, über den wir auch mit dem Koalitionspartner diskutiert haben: Was machen wir mit Ihrem letzten Satz? Können wir eine Evaluierung der Existenzgründungsoffensive schon mit einbeziehen? Ich glaube, das wird uns nicht gelingen; denn das ist ein sehr kompliziertes Verfahren, weil sehr viele Partner dabei sind. Das wird sicher nicht zum Abschluss zu bringen sein.

Wir können - der Minister hat es eben angeboten - unter Umständen auf Kriterien Einfluss nehmen und bestimm

te Vorschläge fassen. Das sollten wir auch entsprechend machen. Ich bitte aber darum, in dem Antrag der FDPFraktion den letzten Satz zu streichen. Das betrifft die Einbeziehung der Evaluierung der Existenzgründungsoffensive. Dann können wir dem Antrag der FDP zustimmen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Tögel. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Herr Dr. Thiel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Franke, es war schon bemerkenswert, Ihren Einführungen zu lauschen, auch unter dem Aspekt, dass Sie betont haben, dass Unternehmen Arbeitsplätze schaffen. Das ist sicherlich richtig. Aber es gibt auch zahlreiche andere Institutionen, die ebenfalls Arbeitsplätze schaffen. Dabei denke ich auch an die öffentliche Hand. Wenn wir über Arbeitsplatzschaffung reden, dann gehört das nach meiner Auffassung dazu.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Jetzt stellen Sie bei Ihrer Einbringung fest, die Existenzgründungsoffensive lahmt. Was sind denn die Ursachen dafür? Liegt es vielleicht daran, dass das Wirtschaftsministerium nicht mehr von der FDP geführt wird? Denn wir hatten ja sozusagen einen Aufschwung in den Jahren 2003, 2004. Damals gingen die Zahlen nach oben.

Man kann es sich ganz einfach machen, wie man es der LINKEN immer zutraut, und sagen: Es sind eigentlich in den letzten Jahren Ursachen eingetreten, die die FDP immer gefordert hat, nämlich die staatlichen Programme zu reduzieren, die Bedingungen für Ich-AGs auszudünnen und vor allem die Konjunktur anzukurbeln.

Nun werden Sie sagen, was redet der da vorn? Konjunktur ankurbeln und Arbeitsplätze - was hat das mit Existenzgründung zu tun? - Es ist festzustellen, wenn man sich objektive Analysen anschaut, soweit sie objektiv sind, dass die anspringende Konjunktur tatsächlich dafür Sorge getragen hat, dass mehr Leute in Arbeit gekommen sind, die vielleicht vorher nicht in den Zwang kamen, als Ich-AG oder als Einzelunternehmer sozusagen durchs Leben zu streifen.

Was das für Bedingungen sind, unter denen die Leute momentan beschäftigt werden, dass in den letzten Jahren viele Arbeitsplätze über Teilzeitjobs und im Bereich der prekären Jobs geschaffen wurden, auch das gehört mit zu dieser Wahrheit. Aber darüber können wir uns vielleicht im Ausschuss trefflich streiten.

Auf jeden Fall liegt es nicht allein an der mangelnden Liquidität. Für mich persönlich ist es wichtig, an dieser Stelle zu sagen: Es liegt nach meiner Auffassung vor allem an der lahmenden Binnenkonjunktur in Deutschland,

(Beifall bei der LINKEN)

weil Existenzgründungen, wenn sie anfangen zu wirken, vor allem in den Dienstleistungsbereich, in den privaten Bereich gehen. An dieser Stelle hat man es oft damit zu tun, dass die Binnenkonjunktur nicht das hergibt, was einem den Mut geben würde, eine Existenz aufzubauen. Das ist das Problem, das dahinter steckt. Jeder, der Existenzgründer ist, hat auch den Mut zur Selbständig

keit. Dazu werde ich später noch etwas sagen. Diese Ursachen zu ergründen, halte ich für wichtig.

Ferner sollte man den Statistiken nicht ohne Weiteres glauben. Sie haben es gesagt, Herr Minister Haseloff; die Statistiken kann man nachlesen. Halle veröffentlicht fleißig jedes Jahr und jeden Monat Zahlen usw., an denen man nachvollziehen kann, wer wann weggegangen ist, wer insolvent geworden ist usw. Entscheidender ist, was dahinter steckt. Was sind denn die Ursachen für die Zahlen und dafür, wie sie sich entwickelt haben?

Wir sollten im Ausschuss vor allem über die qualitativen Faktoren reden, die zu diesen Existenzgründungen führen, und wie man diese bewertet. Eine Zahl alleine, eine Selbständigenquote von 9,2 % in Sachsen-Anhalt oder 19 000 Existenzgründungen im Jahr 2006 reichen nicht aus, weil Existenzgründung differenziert zu sehen ist. Das können Übernahmen, Neugründungen, Rechtsformwechsel oder Neben- und Zuerwerb sein, also eigentlich keine existenzbestimmenden Tätigkeiten. Das muss man genau analysieren.

Dabei kommt man auf Zahlen. Es hat mich erstaunt, dass das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn meint, dass es statt der 19 908 Existenzgründungen, die Sachsen-Anhalt im Jahr 2006 ausgewiesen hat, eigentlich nur 11 791 waren. Das muss man sich, denke ich, einmal anschauen.

Ich komme auf ein weiteres Problem zu sprechen. Man kann sicherlich über die Wertung der Existenzgründungsprogramme reden. Ich denke, darüber kann man auch im Ausschuss diskutieren. Das Wirtschaftsministerium wird dazu Aussagen treffen können. Dazu gibt es eine ganz Menge. Aber ich habe eigentlich keine große Lust - - Das ist für mich als Parlamentarier vielleicht der falsche Ausdruck; ich bitte darum, das zu entschuldigen. Die Zeit ist vielleicht nicht notwendig, das, was an Existenzgründungsprogrammen existiert, uns seitenweise zur Verfügung zu stellen, um das nachlesen zu können. Das kann man jederzeit machen.

Wichtiger für mich ist, wie die Motivation ist, die vor Ort passiert. Wie wird denn mit Existenzgründern vor Ort umgegangen? Wie macht man den Leuten Mut zur Selbständigkeit? Wie hilft man vor Ort, damit man die ersten Monate mit der eigenen Tätigkeit überwindet? Ob das regionale Initiativen sind, wie zum Beispiel aus dem Burgenlandkreis mit dem Preis „Zeitzer Michael“ der Stadt Zeitz - Herr Minister, Sie kennen das sicher -, mit dem so etwas jedes Jahr gewürdigt wird, oder andere Dinge. Ich denke, an dieser Stelle sollten wir einiges tun.

Eine letzte Bemerkung möchte ich noch anbringen. Ich weiß nicht, ob Sie die Zahl kennen, aber es gibt Aussagen, die besagen, in jedem zweiten Unternehmen in Ostdeutschland dauert ein Arbeitsverhältnis maximal dreieinhalb Jahre; dann ist er weg. Das heißt, wir haben es im Osten mit Bedingungen zu tun, die die Reproduktionsfähigkeit und die Nachhaltigkeit von Unternehmen stark beeinflussen. Das beginnt mit der Existenzgründung und den Fragen, wo ich meine Existenz gründe, welche Gebiete ich aufgreife. Man kann zwar über innovative Existenzgründungen reden und meint damit die Hochschulen und Univations, aber es gibt auch kreative Existenzgründungen im Bereich der Dienstleistungen, über die man nicht einfach hinwegsehen sollte.

Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen. Meine Redezeit ist um 22 Sekunden überschritten. Ich bitte um Entschuldigung.

Wir sollten festhalten, dass wir im Ausschuss vor allem die qualitativen Faktoren von Existenzgründungen, wie sie in den letzten Jahren in Sachsen-Anhalt passiert sind, betrachten. Es wäre sicherlich sehr hilfreich, wenn wir in der Analyse dieses Prozesses auch einmal genauer dahinter schauen, wie sich Männer und Frauen auf diesem Gebiet bewegen, um damit auch entsprechende Aussagen für unsere politische Arbeit treffen zu können. - Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Herr Dr. Thiel. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Gürth.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hat die Antragsmaschine angeworfen. Nun liegt auch ein Antrag zum Thema Förderung von Exstenzgründungen vor.