Protocol of the Session on May 29, 2008

(Beifall bei allen Fraktionen)

Neben dem Landtag als Arbeitsparlament haben wir natürlich auch das Anliegen, unsere Entscheidungen in die Öffentlichkeit zu transportieren. Das ist der Punkt, über den in der Vergangenheit am heftigsten diskutiert worden ist.

Auch ich weiß, dass wir im Parlament immer wieder einmal den Eindruck erwecken, als ob es sehr unorganisiert zuginge. Ich weiß auch, dass die Gäste auf der Tribüne immer wieder darauf hingewiesen werden müssen, dass sie ruhig sein müssen. Dann aber stellen sie fest, dass wir hier unten uns oft ins Wort fallen, dazwischenreden oder miteinander sprechen.

Ich glaube, das wird keine Geschäftsordnung ändern. Ich habe festgestellt, dass dies in allen Parlamenten der Republik und wahrscheinlich auch in allen Parlamenten der Welt so ist. Wenn man sich einmal die Parlamente im anglikanischen Raum ansieht, dann stellt man fest: Dort geht es noch erheblich lauter zu.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Um dort ein „Hört, hört!“, das von der einen oder anderen Seite kommt, oder die Zwischenrufe zu übertönen, muss man sich ganz anders anstrengen, als es bei uns der Fall ist.

Ich möchte aber auch noch auf einen anderen Punkt hinweisen. Lebendiges Parlament bedeutet auch, dass wir im Parlament wirklich lebendig mit den eigenen Punkten umgehen.

(Zuruf von der CDU: Ach was!)

Ich glaube nicht, dass es so sehr daran liegt, ob hier vorn jemand eine Rede vorliest oder frei redet. Es kommt darauf an, wie er das macht. Wir hatten auch heute einige sehr schöne Beispiele dafür, dass man langweilig reden und dass man spannend vorlesen kann; das geht durchaus.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Frau Feußner, CDU - Heiterkeit bei der LINKEN)

Wir müssen uns in diesem Punkt schlicht und ergreifend selbst am Riemen reißen und, ich glaube, auch in den Fraktionen ein Stück Überzeugungsarbeit leisten. Wir alle wollen hier vorn keine Parlamentarier sehen, von denen wir den Eindruck haben, dass sie den Antrag oder die Rede erst in dem Moment sehen, in dem sie sie vortragen sollen. Das ist, glaube ich, nicht unser Anspruch.

Wir alle vertreten den Anspruch, dass ein Parlamentarier dezidiert weiß, worüber er redet, dass er darüber ordent

lich diskutieren kann und dass er das auch in diesem Parlament tun kann. Ich glaube, das ist der Anspruch, den wir in dieser Diskussion über unsere Geschäftsordnung formuliert haben wollen und dem wir alle zusammen gerecht werden sollten.

Dazu finden wir sicherlich den richtigen Rahmen; dessen bin ich mir ganz sicher. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Wochen die richtigen Wege finden, um dies umzusetzen. Ich möchte nicht, dass es pro Fraktion demnächst nur noch drei, vier Redner gibt, die sich noch nach vorn trauen.

(Frau Feußner, CDU: Genau!)

Das kann auch nicht sein. Ich bin mir ganz sicher, dass die Sitzungsleitung, der Präsident oder die Vizepräsidenten, entsprechende Regelungen und Anwendungen finden wird, dass wir beiden Aspekten Rechnung tragen, sodass hier kein Abgeordneter Sorgen haben muss, dass kräftige Schriftführer ihn plötzlich des Redemanuskripts berauben.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Ich glaube, das wird sicherlich nicht der Fall sein.

Vor dem Hintergrund, denke ich, können wir locker in die Beratungen im Ältestenrat gehen.

(Herr Tullner, CDU: Aber ernsthaft!)

- Aber ernsthaft. - Ich bin optimistisch, dass wir eine einstimmige Lösung hinbekommen. Ich glaube, das sollten wir wirklich versuchen; denn die Geschäftsordnung ist unser aller Instrument. Herr Gürth hat eingangs völlig zu Recht darauf hingewiesen: Die Opposition von heute kann die Regierung von morgen sein und umgekehrt. In diesem Sinne sollte die Geschäftsordnung auch tragen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Dr. Hüskens. - Nun hat Herr Gürth für die CDU-Fraktion noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt einige wenige Punkte, von denen ich glaube, dass auf sie noch einmal besonders hingewiesen werden muss, weil sie von großer Bedeutung für die Stellung des einzelnen Abgeordneten und des Parlaments insgesamt sind.

Einer dieser Punkte betrifft das Selbstverständnis des Parlaments im Verfassungsgefüge. In der letzten Wahlperiode haben wir eine Landtagsinformationsvereinbarung und vorgeschaltet ein Gesetz verabschiedet, das uns Informationsrechte, die wir aus der Verfassung abgeleitet haben, sichert, sodass wir von der Regierung insbesondere im Falle von Bundes- und Europaangelegenheiten nunmehr regelmäßig und frühzeitiger, als das zuvor der Fall gewesen ist, informiert und einbezogen werden.

(Beifall bei der FDP)

Gerade weil mehr und mehr Entscheidungen in Brüssel getroffen werden, die uns hier im Land allesamt betreffen - als Abgeordnete werden wir in den Wahlkreisen damit konfrontiert -, ist es wichtig, frühzeitiger Kenntnis davon zu bekommen und mitwirken zu können.

Die Wahrnehmung dieses Mitwirkungsrechtes bedarf einer besonderen Regelung hier bei uns. Diese haben wir gefunden. Das bedeutet, dass hierbei ein Ausschuss besondere Rechte besitzt. Das ist der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten. Ihm steht als einzigem Ausschuss das Recht zu, eine Stellungnahme für das gesamte Parlament abzugeben, wenn das Parlament anderweitig nicht mehr in der Lage wäre, fristgerecht Stellung zu nehmen.

Das bedeutet eine hohe Verantwortung für die Kolleginnen und Kollegen in diesem Ausschuss. Aber ich denke, das ist eine gute, vernünftige und sachdienliche Regelung, auf die es hinzuweisen gilt. Mit Blick auf das Selbstverständnis des Parlaments ist das eine richtige Regelung.

Darüber hinaus soll auch die Stellung des einzelnen Abgeordneten gestärkt werden. Ich bitte noch einmal hinsichtlich der Änderungen nachzulesen, die die Rechte der Abgeordneten in den Ausschüssen betreffen, wenn es darum geht, bestimmte Dinge zur Sprache zu bringen oder Anträge zu stellen. Damit wird die Stellung des einzelnen Abgeordneten insgesamt gestärkt.

Außerdem möchte ich für die CDU-Fraktion noch einmal zu dem Ansinnen Stellung nehmen, dass Ausschüsse öffentlich tagen sollten. Das ist immer wieder abgewogen worden. In der nunmehr 18-jährigen Parlamentspraxis haben wir festgestellt, dass sich die Arbeitsteilung, wie wir sie organisiert haben, bewährt hat. Hier im Parlament oder in Anhörungen oder auch in anderen Gremien tragen wir nach außen, welche Positionen die einzelnen Fraktionen zu den Sachfragen haben. Aber irgendwo muss es auch vernünftige Gremien geben, in denen man ganz ungeschminkt und ungehemmt auch einmal strittig die Argumente ausdiskutieren kann, die es pro und kontra zu den einzelnen Sachfragen geben mag.

Wenn die Ausschüsse in öffentlichen Sitzungen tagen sollten - es wäre kein Problem, das jetzt zu beschließen -, dann müssen wir auch die Folgen bedenken. In der Regel finden die strittigen Diskussionen in den Ländern, in denen die Ausschüsse ebenso wie das Parlament öffentlich tagen, nicht mehr in den Ausschüssen statt. Vielmehr werden sie in ein tertiäres Segment verlagert. Dann finden solche Diskussionen in Koalitionssitzungen oder in Klüngelrunden - so sage ich einmal - statt. Das dient nicht der Transparenz, sondern führt zu einer Verlagerung der an sich sachlich gebotenen strittigen Diskussion, des strittigen Austausches der Argumente aus den Ausschüssen als Teil des Parlaments in vielleicht sogar außer parlamentarische Gremien. Das wollen wir von der CDU-Fraktion nicht. Das ist der Grund, warum wir dieses Anliegen der Fraktion DIE LINKE ablehnen.

Last, but not least ist noch ein Punkt anzusprechen, der die Stellung des einzelnen Abgeordneten betrifft. Wir werden das im Herbst 2008 erproben. In der Zeitung stand „Heißer Stuhl“. Das nennt sich „semi-offene Regierungsbefragung“. Das betrifft die Mitglieder der Landesregierung. Ab Herbst 2008 wollen wir zumindest bis zum Jahresende Folgendes ausprobieren: Die Fraktionen haben ebenso wie bei Aktuellen Debatten ein Zeitkontingent und können kurzfristig Fragen an die Regierung richten. Der jeweilige Ressortminister oder die Ressortministerin muss sich dann kurzfristig den Fragen des Parlaments in einer offenen Debatte stellen.

(Minister Herr Bullerjahn: Gilt das auch umge- kehrt?)

- Sie können nicht alle Rechte für sich in Anspruch nehmen, Herr Kollege Finanzminister.

(Heiterkeit)

Ich denke, das ist eine gute Geschichte, die man zumindest einmal ausprobieren sollte.

Da sich unser geschätzter Herr Finanzminister von rechts in die Debatte eingemischt hat, möchte ich ausdrücklich die Ausführungen meiner Kollegin Frau Dr. Hüskens von der FDP-Fraktion unterstützen. Sie hatte auf die netzbasierte Mandatsausübung hingewiesen. In den zurückliegenden Zeiten sind wir immer wieder vertröstet worden, dass die technischen Voraussetzungen dafür im nächsten Quartal, im nächsten Quartal und wieder im nächsten Quartal geschaffen würden.

Nunmehr ist die Zuständigkeit aus dem Innenressort in das Finanzressort gewechselt. Ich weiß nicht, was das qualitativ bedeutet, aber zeitlich ist eine Straffung möglich. Wir bauen darauf, Herr Kollege Finanzminister. Es ist gut, dass Sie daran erinnert haben, dass Sie da sind.

(Heiterkeit)

Ich wünsche Ihnen eine glückliche Hand und uns allen eine vernünftige elektronische Unterstützung bei der Mandatsausübung. - Danke schön.

Danke sehr, Herr Kollege Gürth. Damit ist die Debatte beendet.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich lasse zunächst über die Drucksachen abstimmen, die die Geschäftsordnung betreffen. Danach folgt die Abstimmung über den Antrag, der die Grundsätze des Petitionsausschusses betrifft.

Einer Überweisung der fünf Anträge, die die Geschäftsordnung betreffen, stand nichts im Wege. Vorgeschlagen wurde, die Anträge an den Ältestenrat zu überweisen. - Gibt es dazu weitere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse also über den Vorschlag abstimmen, diese fünf Anträge an den Ältestenrat zu überweisen. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Damit ist das so beschlossen.

Wir kommen nun zur Ausschussüberweisung der beiden Drucksachen, die die Grundsätze des Petitionsausschusses betreffen. Vorgeschlagen war die Überweisung an den Petitionsausschuss. Gibt es weitere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall.

(Herr Bischoff, SPD: Ältestenrat! - Herr Gürth, CDU: Nein! - Herr Bischoff, SPD: Ich ziehe den Antrag zurück!)

Nachdem der Kollege seinen Antrag zurückgezogen hat, die Anträge auch an den Ältestenrat zu überweisen, bleibt nur noch der Vorschlag, die Anträge an den Petitionsausschuss zu überweisen. - Wer mit diesem Vorschlag einverstanden ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind wiederum alle Fraktionen. Damit werden die Änderung der Geschäftsordnung und die Änderung der Grundsätze des Petitionsausschusses die beiden Ausschüsse weiter beschäftigen.

Ich verlasse den Tagesordnungspunkt 10 und rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Zweite Beratung

Wachsende Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen in Sachsen-Anhalt bekämpfen

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/639