Im Übrigen wurde die Fortschreibung der Abwasserbeseitigungsplanung immer zu einem Zeitpunkt getätigt, an dem nach Kommunalwahlen der alte Kreistag nicht mehr zuständig, der neue Kreistag aber gerade erst konstituiert war. Damit wurde eine Einflussnahme durch die gewählten Mandatsträger faktisch ausgeschlossen.
Nunmehr, also nach 14 Jahren, ist festzustellen, dass die Gebühren- und Beitragsspreizungen zwischen den einzelnen Zweckverbänden nicht ab-, sondern zugenommen haben. Dies führt zu erheblichen Ungleichgewichten in der Belastung der Bürgerinnen und Bürger, aber auch zu Standortnachteilen für die Ansiedlung neuer und die Sicherung des Bestandes bestehender Unternehmen.
Meine Damen und Herren! Das eben Geschilderte ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Die zweite Seite der Medaille besteht im Gebühren- und Abgabenrecht, also in der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Finanzierung kommunaler Infrastruktur in diesem Bereich.
Um gegenteilige Annahmen gleich von Anfang an auszuschließen, möchte ich betonen, dass sich die LINKE nicht gegen eine Beitragsbeteiligung der Bürgerinnen und Bürger ausspricht. Was wir fordern, ist jedoch eine hohe Transparenz der Gebühren- und Beitragskalkulation, eine aktive Bürgerbeteiligung und eine verlässliche und bestandskräftige Bescheidung sowie eine stärkere fachaufsichtliche und betriebswirtschaftliche Betreuung der Zweckverbände.
Im Rahmen zahlreicher Petitionen sowie Veranstaltungen mit Bürgerinnen und Bürgern vor Ort mussten wir feststellen, dass die Transparenz der Entscheidungen und Berechnungsgrundlagen in vielen Fällen nicht gegeben ist, dass das Kommunalabgabengesetz nicht ein am Vorteil des Einzelnen ausgerichtetes Gesetz ist, sondern in erster Linie als Einnahmenbeschaffungsgesetz - man kann auch Steuergesetz sagen - zum Ausgleich einer fehlenden Refinanzierung der Kosten staatlicher Aufgaben der Kommunen durch das Land missbraucht wird.
Einige Beispiele dafür: Die Grundgebühr beträgt in vielen Fällen schon mehr als zwei Drittel der tatsächlichen Gebühr. Es werden Mindestverbräuche festgelegt, die dem ressourcensparendem Verhalten der Bürger entgegenstehen, zum Beispiel 30 m³ bis 100 m³ pro Jahr und Bürger, obwohl festzustellen ist, dass die Abgabe
mengen im Abwasserbereich im ländlichen Raum teilweise unterhalb von 25 m³ pro Jahr und Person liegen.
Es werden Gebührennacherhebungen, wie im WWAZ, dem Wolmirstedter Wasser- und Abwasserzweckverband, für das Jahr 2006 von 25 Cent bis 27 Cent erlassen - die Portogebühr pro Brief ist mit 55 Cent doppelt so hoch -, ganz zu schweigen von der Einrechnung der Verwaltungsaufwendungen, die bei der Erstellung der entsprechenden Bescheide entstehen. In diesem Zweckverband scheint es offensichtlich Bagatellgrenzen nicht zu geben.
Weiterhin werden im Rahmen von Haushaltskonsolidierungen und Verfügungen der Kommunalaufsichten Nacherhebungen rückwirkend bis zum Juni 1991 für Abwasseranschlussbeiträge erhoben.
Zudem brüsten sich Zweckverbände in Einwohnerversammlungen - hiermit meine ich insbesondere den Zweckverband „Ostharz“ und den Abwasserzweckverband „Mittlere und Untere Selke“ auf einer Veranstaltung am 1. März 2007 in Nachterstedt - damit, dass bereits fünf Eigentümer aufgrund von Zahlungsunfähigkeit ihr Eigenheim aufgeben mussten. Es werden Sicherungshypotheken in die Grundbücher eingetragen, Konten gepfändet und somit Eigentümer zur Aufgabe ihres Eigentums genötigt.
Der Grundsatz der Einnahmenbeschaffung nach § 91 Abs. 1 der Gemeindeordnung, auf die Wirtschaftskraft der Abgabepflichtigen Rücksicht zu nehmen, wird nicht nur schlicht ignoriert, nein, es wird so getan, als ob er gar nicht existiert; denn spätestens im Rahmen der Haushaltskonsolidierung wird den Kommunen durch die Kommunalaufsicht auferlegt, entsprechende Beiträge nachträglich zu erheben.
Meine Damen und Herren! Ich möchte diese aufgrund der von mir erlangten Erkenntnisse und Erlebnisse vor Ort aufgestellte Liste nicht noch weiter verlängern. Das könnte ich gern tun, und ich denke, das wäre dem Thema auch angemessen.
Ich möchte mich jedoch hier noch zu der Frage äußern, warum wir diesen Antrag gestellt haben. Mit dem Antrag auf Berichterstattung sollten die Fragen im Bereich der Wasserver- und Abwasserentsorgung betriebswirtschaftlich langfristig geklärt werden. Dabei sollte der Grundsatz des sparsamen Ressourcenverbrauchs und der Sicherung annähernd gleichwertiger Lebensverhältnisse berücksichtigt werden. Dafür ist aus der Sicht der LINKEN eine klare Analyse des Istzustandes vorzunehmen.
Gegenstand der Analyse sollten unter anderem die planungsrechtlichen, betriebswirtschaftlichen, aber auch die beitrags- und gebührenrechtlichen Belange sein. Diese sind im Kontext der demografischen Entwicklung der zukünftigen Gemeinde bzw. der vorhandenen neuen Kreisgebietsstruktur neu zu ordnen. Das ist eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen. Jedoch ist auch darzustellen, wie durch fach- sowie kommunalaufsichtliche Tätigkeit und verstärkte Rechnungsprüfung die Handlungsfähigkeit der Zweckverbände langfristig gesichert werden kann.
Ein weiterer und für die Bürger unseres Landes wichtiger Schritt wäre aus unserer Sicht eine Überarbeitung des
Kommunalabgabengesetzes. Ich denke, dass die Erfahrungen der Länder Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern durchaus geeignet wären, Nachjustierungen in der sachsen-anhaltischen Gesetzgebung anzustreben. Für die Bürger und Eigentümer sind hierbei insbesondere Regelungen der aktiven Einflussnahme, der Transparenz der Planungs- und Gebührenunterlagen sowie der Bestandssicherheit von Bescheiden sehr wichtig.
Hierbei geht es nicht allein um die betroffenen Eigentümer, sondern es geht auch um die zukünftigen Entwicklungschancen für die Ansiedlungs- und Standortsicherheit.
Auf den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD werde ich in meiner zweiten Rede eingehen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Grünert, ich gebe zu, dass es sehr laut war und dass deshalb das, was Sie gesagt haben, schwer zu verstehen war. Eine Passage habe ich überhaupt nicht verstanden. Vielleicht könnten Sie sie wiederholen. Dabei ging es um den Zwangsmindestverbrauch von 35 m³ bis 100 m³. Können Sie bitte einmal nachsehen, was Sie diesbezüglich gesagt haben? Denn ich konnte das überhaupt nicht nachvollziehen.
Es wird im Prinzip im Rahmen der so genannten Grundgebühr ein Mindestverbrauch von 35 m³ bis 100 m³ pro Jahr und Person unterstellt. Es gibt verschiedene Zweckverbände, die genau das gemacht haben. Damit habe ich als Bürger nicht die Chance, über eine Ressourceneinsparung unterhalb dieser Verbräuche zu bleiben und Überzahlungen zurückgezahlt zu bekommen.
Ihre Argumentation verstehe ich schon. Ich verstehe die Zahlen nicht. Der Verbrauch von 35 m³ pro Person und Jahr ist bundesweit gesetzt. Aber bis 100 m³? Es ist das erste Mal, dass ich diese Zahl überhaupt höre. Sie haben zweimal gesagt: 100 m³ pro Person und Jahr. Können Sie mir den Verband nennen, in dem dies gemacht wurde?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Das wäre sehr nett; denn die Abwassergebühren und die Abwassersituation sind schon ein spannendes Thema.
Bevor ich jedoch zu dem Thema komme, sei ein Wort an Sie, Herr Grünert, gerichtet. Ihr Antrag spiegelt meines Erachtens die insbesondere in Ihrer Partei doch noch weit vorherrschende Haltung wider, dass der Staat alles vorgeben muss, der Staat alles regeln muss, der Staat alles wissen muss und der Staat alles dafür tun muss zu vergleichmäßigen. Im Zeitalter der kommunalen Selbstverwaltung, welche auch kommunale Selbstverantwortung heißt,
ist das allerdings - das gebe ich zu -, auch je näher die Kommunalwahlen kommen, eine sehr populäre These, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Nun zum Thema, meine sehr verehrten Damen und Herren. Der Vorschlag, eine Kostenanalyse bei den Wasser- und Abwasserunternehmen vorzunehmen, ist an sich begrüßenswert; aber die Untersuchung nur des Gebührenniveaus würde ein Zerrbild der wirtschaftlichen Lage der Aufgabenträger und auch der realen Kostenbelastung der Bürger ergeben. Es ist nicht sinnvoll, die Untersuchung mit einer ausschließlichen Betrachtung der Trink- und Abwassergebühren vorzunehmen; denn sämtliche Entgelte der Aufgabenträger müssten mit einbezogen werden, da auch Beiträge und Baukostenzuschüsse letztlich die Bürger belasten.
Mein Haus hat bereits für den Bereich Abwasserbeseitigung eine solche Erhebung veranlasst. Die Analyse kann kurzfristig vorgelegt und, ich denke, auch im Ausschuss diskutiert werden.
Im Bereich der Trinkwasserversorgung wäre die Analyse zumindest schwieriger in kurzer Zeit zu erstellen, weil viele private Wasserversorgungsunternehmen in Sachsen-Anhalt existieren. Die Daten müssten dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, auf freiwilliger Basis erhoben werden. Da etwa die Hälfte der Gemeinden die Trinkversorgung von der Abwasserbeseitigung entkoppelt hat, müssten die Untersuchungen auch getrennt voneinander vorgenommen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wissen, dass die Abwasserbeseitigung gemäß § 151 des Wassergesetzes eine örtlich begrenzte kommunale Pflichtaufgabe ist. Deshalb sind Preisunterschiede ganz selbstverständlich. Es ist grob betrachtet festzustellen, dass in den Ballungsgebieten die Belastung deutlich geringer ist als im ländlichen Raum. Dazu gehören auch die Betrachtung des Kreditmanagements, die Topografie, die demografische Entwicklung, die kommunalpolitischen Vorgaben. All das sind weitere Ursachen für die Unterschiede. Auch die Abwasserbeseitigungskonzepte können an diesen Faktoren nichts ändern. Deshalb würde die in Punkt 2 des Antrages gewünschte Untersuchung meines Erachtens zu keinem brauchbaren Ergebnis führen.
Dennoch ist es sinnvoll, die Ursachen für die Preisunterschiede genauer zu untersuchen und auch der Umweltaspekt darf dabei nicht vergessen werden; denn die wasserrechtlichen Genehmigungen sind auch oft ursächlich dafür verantwortlich, welches Konzept, welche Planung und welches Modell der Entsorgung gewählt werden muss.
Sie stellen fest, dass in einigen Verbänden Missstände bzw. Defizite aufgetreten sind. Diesbezüglich sind uns einige Beispiele gegenwärtig. Gerade diese Defizite haben auch bedeutsame Auswirkungen auf die Höhe der Gebühren. Wir wissen, dass in einigen Fällen dringend erforderliche Beschlüsse der Verbandsversammlung zu Unrecht und, ich will auch sagen, teilweise bewusst verzögert worden sind.
Hierbei ist die Kommunalaufsicht angehalten, individuell und am konkreten Fall auf die Abstellung von Missständen hinzuwirken und nach pflichtgemäßem Ermessen rechtmäßige Zustände durchzusetzen. Es können geeignete kommunalaufsichtliche Maßnahmen bis hin zur Ersatzvornahme oder zur Bestellung eines Beauftragten ergriffen werden, wiewohl ich weiß, dass die Hürden für solche Maßnahmen sehr hoch sind.
Kommunalaufsichtliches Handeln hat sowohl der geschützten Selbstverwaltung des Verbandes als auch dem Interesse der Allgemeinheit an der Durchsetzung der Gesetze Rechnung zu tragen. Darüber hinaus steht die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Möglichkeiten immer für Auskünfte, für Informationen und Beratung zur Verfügung.
Zudem erfolgte entsprechend den rechtlichen Vorgaben jährlich die Rechnungsprüfung durch das zuständige Rechnungsprüfungsamt. Aber einzelne Rechnungsprüfungsergebnisse sind dem Landesverwaltungsamt oder gar dem Innenministerium nicht mitzuteilen. Nur grundsätzliche oder allgemeine Probleme von übergeordnetem Interesse werden an die oberen Aufsichtsbehörden herangetragen. An dieser Stelle erfolgt schon eine enge Abstimmung zwischen dem zuständigen Ministerium des Innern sowie dem Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt.
Unzutreffend ist die Aussage in Ihrer Antragsbegründung, dass das Kommunalabgabengesetz in einer Interpretationsweite ausgelegt werde, die dem eigentlichen Gesetzeswortlaut entgegenstehe. So sind die aufgeführten Beispiele, wie rückwirkende Beitragserhebung oder die Bemessung von Grund- und Mindestgebühren, von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung des Landes Sachsen-Anhalt regelmäßig als mit dem Kommunalabgabengesetz in Einklang stehend bezeichnet worden. Also, die Rechtsprechung gibt auch diesen von Ihnen aufgeführten Beispielen Recht.
Die Grundsätze der Einnahmenbeschaffung einerseits und die Vorgabe, auf die Wirtschaftskraft der Abgabepflichtigen Rücksicht zu nehmen, andererseits können nur im Gesamtzusammenhang mit der gemäß § 5 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes bestehenden Verpflichtung der Zweckverbände, kostendeckende Gebühren zu erheben, gesehen werden.
Ich will auch die Behauptung zurückweisen, der Verband Bode-Wippe habe in eigenen Publikationen auf das Ergebnis verwiesen, Eigentümer zur Aufgabe ihres Eigentums bewegt zu haben. Das trifft nicht zu; dem Verband sind derartige Vorgänge nicht bekannt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meines Erachtens ist der Vorschlag in Punkt 1 des Antrages der LINKEN deshalb so nicht geeignet, einen aussagefähigen Überblick über die Situation der Abwasserbeseitigung und Wasserversorgung zu erhalten. Der Änderungsvorschlag der Regierungsfraktionen ist besser geeignet, sich diesem Thema zu nähern. Das gilt auch für Punkt 2 des Antrages. Zu Punkt 3 des Antrages: Die Zielstellung ist bereits rechtlich gegeben und praktizierte Realität.
In diesem Sinne bitte ich um Unterstützung des Änderungsantrages und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.