Protocol of the Session on April 17, 2008

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 37. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der fünften Wahlperiode. Dazu möchte ich Sie, verehrte Anwesende, auf das Herzlichste begrüßen. Ich begrüße auch Gäste der Landeszentrale für politische Bildung auf der Südtribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die Tagesordnung eingehe, möchte ich an ein dunkles Kapitel unserer Geschichte erinnern: Der Reichstag verabschiedete im März 1933 das so genannte Ermächtigungsgesetz.

Vor 75 Jahren erlebten Demokratie und Parlamentarismus in Deutschland ihre schwärzeste Stunde. Am 23. März 1933 verabschiedete der Reichstag in Berlin das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“. Das so genannte Ermächtigungsgesetz bildete die Grundlage für die formale Abschaffung der parlamentarischen Demokratie und die Auflösung des Rechtsstaates.

Dieser Tag markierte endgültige Schritte zur Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur, nachdem der nationalsozialistische Terror es den Abgeordneten des Deutschen Reichstages zuvor schwer gemacht hatte, ihr Mandat frei auszuüben. So steht der 23. März 1933 in den Geschichtsbüchern für das deutlich sichtbare Ende der ersten Demokratie in einer einheitlichen deutschen Republik, ein System, das von den gesellschaftlichen Eliten auch nie gewollt und akzeptiert wurde.

Für uns als frei gewählte Volksvertreter im Landtag von Sachsen-Anhalt sollte dieses Datum Mahnung sein, dass Freiheit und Demokratie keine Selbstverständlichkeit sind, sondern hohe Güter, für die wir uns immer wieder neu engagieren müssen. Eine Demokratie braucht in erster Linie engagierte Demokratinnen und Demokraten. Als Vorbilder können wir uns die Parlamentarierinnen und Parlamentarier nehmen, die sich 1933 ohne Rücksicht auf die eigene Person für die Demokratie eingesetzt und die Würde der Volksvertretung gegen die heraufziehende Diktatur verteidigt haben.

Erinnern wir uns an die Worte der letzten freien Rede im Reichstag. Sie wurde gehalten von Otto Wels. Der Sozialdemokrat, dem später von den Nationalsozialisten die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt wurde, hielt den braunen Machthabern entgegen - ich zitiere -:

„Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten.“

Meine Damen und Herren, tragen wir als frei gewählte Abgeordnete in Sachsen-Anhalt dazu bei, dass die Ideale von Demokratie und Freiheit für alle Bürgerinnen und Bürger lebendig und nachvollziehbar gestaltet werden. Natürlich lebt der parlamentarische Alltag von einer lebendigen Streitkultur, aber auch und vor allem vom Respekt vor anderen Meinungen und Überzeugungen.

(Beifall im ganzen Hause)

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest. Wir können also ordnungsgemäß tagen.

Ich komme zu Mandatsveränderungen. Wie Ihnen bekannt ist, hat Herr Professor Paqué sein Mandat niedergelegt und ist per 31. März 2008 aus dem Landtag ausgeschieden. Mit Schreiben vom 1. April 2008 hat der Landeswahlleiter mitgeteilt, er habe als nächste noch nicht für gewählt erklärte Ersatzperson aus dem Landeswahlvorschlag der FDP Herrn Uwe Schrader festgestellt. Herr Schrader habe die Wahl angenommen und damit sei der Sitz mit Wirkung vom 1. April 2008 auf Herrn Dr. Schrader übergegangen. - Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Unterrichtungen in den Drs. 5/1154 und 5/1187.

Herr Schrader, ich beglückwünsche Sie hiermit im Namen des Hohen Hauses zu Ihrer Wahl und begrüße Sie gleichzeitig wieder als Mitglied des Landtages. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Ausübung des Mandats.

(Beifall im ganzen Hause)

Gleichzeitig möchte ich nicht versäumen, Herrn Veit Wolpert zur Wahl als Fraktionsvorsitzender zu gratulieren. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Ich komme zu den Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung. Für die 20. Sitzungsperiode des Landtages liegen folgende Entschuldigungen vor:

Herr Minister Hövelmann nimmt heute und morgen an der Innenministerkonferenz in Bad Saarow teil. Herr Staatsminister Robra entschuldigt sich für beide Tage; er hat Urlaub. Herr Minister Dr. Daehre nimmt an der Verkehrsministerkonferenz in Brüssel teil; er entschuldigt sich ebenfalls. Herr Minister Dr. Haseloff entschuldigt sich für den morgigen Tag. Er nimmt an einer Sitzung der hochrangigen Expertengruppe Chemie als Präsident des Europäischen Netzwerks Chemie teil. - So viel zu den Entschuldigungen der Minister.

(Unruhe)

- Ich bitte auch um Aufmerksamkeit und um Ruhe. - Ich komme zur Feststellung der Tagesordnung. Die Tagesordnung für die 20. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Die Fraktion der SPD hat fristgemäß ein weiteres Thema für die Aktuelle Debatte eingereicht. Der Antrag trägt den Titel: Konsequenzen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Vergabegesetz Niedersachsen. Dieser liegt Ihnen in der Drs. 5/1212 vor.

In Anlehnung an die Vereinbarung im Ältestenrat schlage ich vor, den Antrag als Tagesordnungspunkt 1 b aufzunehmen, ihn aber erst nach dem Tagesordnungspunkt 2 zu behandeln, wie es im Zeitplan bereits vorgesehen worden ist.

Der Ausschuss für Recht und Verfassung beantragt die Behandlung von zwei Beschlussempfehlungen, die Ihnen in der Drs. 5/1213 und 5/1214 vorliegen. Es geht um Stellungnahmen zu Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bzw. vor dem Landesverfassungsgericht. Ich schlage vor, die Beschlussempfehlungen als Tagesordnungspunkt 19 a und b aufzunehmen und sie als letzten Tagesordnungspunkt am Freitag zu behandeln. Es ist vereinbart worden, dass dies ohne Debatte geschehen soll.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 16 als ersten Tagesordnungspunkt am morgigen Tag zu behandeln.

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das sehe ich nicht.

Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer der Tagesordnung zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Dies findet Zustimmung bei allen Fraktionen. Damit ist das unsere heutige Geschäftsgrundlage.

Zum zeitlichen Ablauf der 20. Sitzungsperiode: Wir werden die heutige Sitzung gegen 19 Uhr beenden, weil wir um 20 Uhr eine parlamentarische Begegnung mit dem BUND Sachsen-Anhalt haben, die im Landtagsgebäude stattfinden wird.

Meine Damen und Herren! So viel zur Tagesordnung und zu dem weiteren Ablauf.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Debatte

Hierzu liegen zwei Beratungsgegenstände vor. Wir haben vereinbart, nach der Behandlung des ersten Themas der Aktuellen Debatte zunächst den Tagesordnungspunkt 2 zu behandeln.

Wir kommen also zunächst zum ersten Thema:

Behördlicher Umgang mit Abfällen in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 5/1205

Für das Thema ist eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion - das gilt ebenfalls für die Landesregierung - vereinbart worden.

Die Rednerreihenfolge wird sein: FDP, SPD, DIE LINKE, CDU. Zunächst erteile ich für die Antragsstellerin, die FDP, dem Abgeordneten Herrn Gerry Kley das Wort. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Produktion von Abfällen ist wohl seit ewigen Zeiten untrennbar mit der menschlichen Tätigkeit verbunden. Von Zeit zu Zeit hören wir, dass die Archäologen jubeln, dass es ihnen gelungen ist, wieder Abfälle aus grauer Vorzeit zu finden und daraus Rückschlüsse auf die menschliche Tätigkeit zu ziehen.

Das heißt aber nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass jene Abfälle, um die es sich damals handelte, diejenigen sind, die heute zur Debatte stehen. Die Produktion von Abfällen hat sich deutlich verändert. Die Gefährdung der Umwelt durch falsch eingelagerte oder abgelagerte Abfälle ist aufgrund der Produktion von Stoffen gestiegen, die sich weit vom mineralischen Gehalt - wie vielleicht zu früheren Zeiten die Splitter von Steinkeilen und Ähnliches - entfernt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in diesem Landtag auch schon zu früheren Zeiten über die Themen Müllentsorgung, Kontrolle von Abfallentsorgern und Ähnliches diskutiert. Aber es verwundert umso mehr, dass wir vor diesem Hintergrund heute wieder über eine Sache debattieren, die offenkundig aufgrund von falschen Anerkenntnissen, Unkenntnis, Hilflosigkeit oder

was auch immer in den Mühlen der Verwaltung Sachsen-Anhalt zu einem Skandalort der Bundesrepublik hat werden lassen. Es betrifft mich stark, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich in der Zeitung lese, dass Sachsen-Anhalt die Kloake Deutschlands sein soll.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Das Ganze wird natürlich auch dadurch produziert, dass die Entsorger, die ordnungsgemäß Abfälle verwerten oder entsorgen, also die Müllverbrennungsanlagen und Ähnliches, feststellen, dass offenkundig deutschlandweit größere Mengen von Abfällen nicht dort ankommen, sondern in Tongruben oder Kiesgruben verschwinden.

Das Land Brandenburg hat sich vor längerer Zeit des Themas angenommen. Wir lesen immer wieder von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die intensiv in das Thema hineingehen und dementsprechend das Ganze aufarbeiten. In Sachsen-Anhalt war bisher Ruhe an dieser Stelle, obwohl die Medien schon seit Längerem darüber berichteten, dass sehr wohl der Verdacht besteht, dass auch hier falsch eingelagert wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen hier auch zwei Sachverhalte aufeinander packen: Zum einen ist es die Thematik, dass fehlerhafte Bescheide in Sachsen-Anhalt heute immer noch Gültigkeit haben, obwohl sie spätestens - ich sage „spätestens“, nicht „erst seit“, sondern „spätestens“ - seit dem so genannten Tongrubenurteil im April 2005 hätten geändert werden müssen. Das Tongrubenurteil, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat nicht die Rechtslage verändert. Es hat die Vollzugsbehörden nur noch einmal darauf aufmerksam gemacht, dass das Bodenschutzrecht sehr wohl anzuwenden ist, dass also auch für Anlagen, die dem Bergrecht oder ähnlichen anderen Genehmigungen unterliegen - naturschutzrechtlichen, immissionsschutzrechlichen oder was auch immer -, das Bodenschutzgesetz gilt.

Eine erstaunliche Feststellung, sollte man meinen. Wieso gilt das Gesetz überall? Das hätte doch eigentlich längst vollzogen sein müssen. Aber man hat hier aus falsch verstandener Gutmütigkeit oder was auch immer das Ganze offensichtlich ignoriert.

(Herr Gürth, CDU: Das ist Quatsch! Das ist Un- sinn, was Sie erzählen!)

Wir kennen die Entwicklung in den Deponien, meine sehr geehrten Damen und Herren. Mit der TA Siedlungsabfall seit dem Jahr 2000 und der Abfallablagerungsverordnung ist eine geordnete Schließung vollzogen worden. Die Abfälle, die dort vorher abgelagert wurden, gehen heute in die Verbrennung. In den Deponien herrschte auch schon vorher ein sehr strenges Kontrollregime.

Das ist wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das heißt, in dem eigentlichen Bereich wurde in Deutschland gehandelt. Aber nebenbei gab es offensichtlich noch einige Ablagerungsmöglichkeiten, die man nicht mit in den Fokus genommen hat.

Verfolgt man das Ganze nun weiter, so stellt man fest, dass fast ein Jahr nach dem Tongrubenurteil auch in Sachsen-Anhalt gehandelt wurde. Es gab im März 2006 einen Erlass des Landesverwaltungsamtes. Das sagte, man möge sich doch einmal die Bescheide angucken und abändern. Dann passierte lange nichts.

(Herr Gürth, CDU: Falsch!)

Im September 2007 gab es wieder eine Handreichung, wie denn das umzusetzen ist, und im Dezember 2007 möge man darüber Bericht erstatten.