Protocol of the Session on February 29, 2008

Sie haben durchaus Recht: Debatten zum Haushalt gehören in das Parlament. Aber wir sollten auch dabei genauer hinschauen; denn Parlament in diesem Sinne, Haushaltsgesetzgeber ist das Europäische Parlament.

Wir als Landesregierung und als Landtag von SachsenAnhalt können zu dem Thema zwar Meinungen in die Debatte einbringen, aber letztlich haben wir - das müssen wir zunächst einmal anerkennen, wenn wir die Debatte führen - insoweit nichts zu entscheiden. Deswegen sollten wir im Hinblick auf die Frage, was wir uns in dieser Debatte wechselseitig zumuten können und was wir uns zutrauen sollten, fair miteinander umgehen.

Wer glaubt, die Debatte um die Reform des EU-Finanzsystems bereits im gegenwärtigen Stadium mit eigenen landesspezifischen Politikzielen untersetzen zu können, wer gar glaubt, die durchaus divergierenden nationalen Steuersysteme im gegenwärtigen Diskussionsstadium schon mit einspeisen zu können, der setzt unter Garantie auf das falsche Pferd; denn der Konsultationsprozess, den die Europäische Union bzw. die Kommission jetzt eingeleitet hat, bewegt sich noch auf der MetaEbene der künftigen EU-Finanzsysteme.

Dabei geht es um die Benennung der allgemeinen Ziele und Herausforderungen, vor denen die EU steht. Dabei geht es um die Frage: Was ist der spezifische europäische Mehrwert, der es rechtfertigt, die nationalen Mittel auf die europäische Ebene umzuschichten? Dabei geht es um die Fragen: Braucht die Europäische Union überhaupt ein Eigenmittelsystem? Wollen die Mitgliedstaaten ihr ein Eigenmittelsystem zugestehen, das das Steuergefüge, das Finanzaufkommensgefüge in der Europäischen Union natürlich erheblich verändern wird? Welche Korrektur- oder Ausgleichsmechanismen wird es geben müssen, um den vielfältigen Politikzielen, die sich in den Mitgliedstaaten ganz unterschiedlich auswirken können, jeweils gerecht werden zu können? Wie ist es am Ende mit der Verantwortlichkeit, der Transparenz und der Bürgernähe?

Dazu sind jetzt vielfältige Stellungnahmen bei der Europäischen Kommission eingegangen. Das Ganze ist eine internetbasierte Konsultation. Jedermann, jeder Abgeordnete und nicht nur diejenigen aus institutionell verfassten Strukturen können sich an dieser Diskussion beteiligen, was, wie man im Internet erkennen kann, auch geschieht. Daraus wird die Kommission dann

Schlüsse ziehen. Entscheidungen fallen vor der Europawahl, das heißt vor Mitte 2009, sicherlich nicht.

Das Ganze wird jetzt weiter zusammengefasst und verdichtet werden. Nach der Wahl des Europäischen Parlaments und der Neubildung der Kommission wird sich die nächste Kommission unter dem neuen Präsidenten oder der neuen Präsidentin mit den Fragen beschäftigen müssen, die sich aus diesem ersten Konsultationsprozess ableiten lassen.

Wir werden uns in der Gemeinschaft der Länder in diesen Diskussionsprozess einbringen. Natürlich geht es bei der weiteren Verdichtung der Meinungsbildung dann auch um die Dinge, die Sie schon angesprochen haben: Wie geht es mit der gemeinsamen Agrarpolitik weiter? Dabei handelt es sich um ein Politikfeld, das als solches wichtig genug ist, um nicht nur unter dem Blickwinkel der europäischen Haushaltsstrukturen betrachtet zu werden, wie Sie sehr wohl wissen; denn Sie als Agrarpolitiker bringen sich mit Recht in diese sehr spezifische Fachfrage ein, in der die Entscheidungen möglicherweise schon etwas früher als auf der Haushaltsebene der Europäischen Union fallen werden.

Die Frage, wie es mit der Kohäsionspolitik weitergeht, interessiert uns natürlich in ganz besonderer Weise. Wir haben darüber hier im Parlament schon gesprochen.

Am Ende geht es für die Bundesrepublik Deutschland natürlich auch um die Frage, wie es sich mit der Nettozahlerposition der Bundesrepublik Deutschland insgesamt verhält. Das ist ein Thema, vor dem wir als diejenigen, die von den Rückflüssen der Europäischen Union in besonderer Weise profitieren, nicht die Augen verschließen können; denn auch wir tragen maßgeblich zu den Mitteln bei, die von der Bundesrepublik Deutschland in diese große Politikgestaltungsaufgabe der Europäischen Union eingebracht werden.

Diesen Diskussionsprozess über die nächsten Jahre zu begleiten, ist aller Ehren wert. Dabei kommt es darauf an, immer die übergeordneten Aspekte im Blick zu behalten und nicht zu glauben, dass wir die Diskussion nach den Titeln und Kapiteln des Landeshaushalts werden strukturieren können. Damit würden wir auf der europäischen Ebene nicht durchdringen. Das bleibt dann in der Tat die haushaltsgesetzgeberische Herausforderung für den Landtag von Sachsen-Anhalt.

Wir werden uns also mit den übergeordneten Aspekten in der Gemeinschaft der 27 Mitgliedstaaten und der mehr als 300 Regionen, die sich in diesen Prozess einbringen, in denen wir über den Ausschuss der Regionen natürlich auch gut vernetzt sind, beschäftigen.

Natürlich werden wir auch prüfen, mit welchen Regionen wir uns in diesem Meinungsbildungsprozess assoziieren können bzw. mit welchen wir koalieren können. Das wird uns, wie gesagt, in den nächsten Monaten und Jahren immer wieder aufs Neue und unter den unterschiedlichsten Vorzeichen beschäftigen.

Wir sind gern bereit, den Landtag insbesondere über das Ergebnis der Konsultation, die am 15. April 2008 beendet sein wird, zu unterrichten. Ich gehe davon aus, dass Sie die Chance nutzen, das über die Kommunikationsangebote, die die Europäische Kommission dafür zur Verfügung stellt, selbst zu verifizieren.

Ansonsten freue ich mich auf die Debatte, die in erster Linie im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien geführt werden wird. Ich gehe da

von aus, dass Sie sich auch in den übrigen Fachausschüssen des Landtages unter den jeweiligen unterschiedlichen Aspekten zu den relevanten Fragestellungen Ihre Meinung bilden werden.

Lassen Sie uns in diesem Sinne - wie man immer so schön sagt - am Europäischen Haus weiter bauen, auch und gerade unter dem Blickwinkel der Reform des EUFinanzsystems. - Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Robra. - Wir treten jetzt in die Fünfminutendebatte ein. Als erstem Debattenredner erteile ich dem Abgeordneten Herrn Borgwardt von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat mit dem vorliegenden Antrag einen bedeutsamen Diskussionsprozess innerhalb der Europäischen Union angesprochen, dessen Ergebnis Auswirkungen - man könnte auch sagen: große Auswirkungen - auf unser Land haben wird.

Die Koalitionsfraktionen waren sich daher einig, diesen Antrag nicht, wie es unsere Kollegen in MecklenburgVorpommern getan haben - Herr Czeke, daher stammt der Antrag offensichtlich -, nur abzulehnen, sondern ihn mit dem vorliegenden Änderungsantrag in die richtigen Bahnen zu lenken.

Zunächst ist die Frage: Worum geht es eigentlich in diesem Konsultationsprozess zum EU-Haushalt? - In einem ersten Schritt zur Umsetzung der vom Europäischen Rat im Dezember 2005 beschlossenen Überprüfung des EU-Finanzsystem eröffnete die Europäische Kommission im September 2007 unter dem Titel „Den Haushalt reformieren - Europa verändern“ ein Konsultationsverfahren, um eine offene Debatte über die EU-Finanzen anzuregen. Hierzu soll eine vollständige Überprüfung sämtlicher Aspekte des EU-Haushalts einschließlich einer Überprüfung der gemeinsamen Agrarpolitik und einer Überprüfung der Eigenmittelbeschaffung der Europäischen Union vorgenommen werden.

Der Konsultationsprozess, dessen Ende auf den 15. April 2008 terminiert ist, bietet damit Gelegenheit für eine Bewertung des EU-Haushalts und seiner Finanzierung. Die Überprüfung selbst wird Gegenstand einer Grundsatzdebatte in den EU-Organen und in den Mitgliedstaaten sein. Die Konsultation richtet sich dabei - das hat die LINKE offensichtlich übersehen - an alle Interessierten auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene. Eine Initiative der Landesregierung, wie unter Punkt 2 des Antrages der Fraktion DIE LINKE gefordert, ist daher nicht notwendig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass eine Überprüfung und Reform des EU-Haushalts erforderlich ist, dürfte mittlerweile nicht mehr ernsthaft bestritten werden, da sich die Ausgabeprioritäten der Europäischen Union im Laufe der Jahre erheblich verschoben haben. Betrachtet man die Ausgabenstruktur der Europäischen Union von 1988 bis 2013 näher, so fällt deutlich auf, dass sich beispielsweise die Ausgaben für die gemeinsame Agrarpolitik bis 2013 halbieren werden. Auf der anderen Seite verdoppeln sich die Ausgaben für die Kohäsionspolitik. Eine Umverteilung von reicheren in

ärmere EU-Länder ist erforderlich, um die fortschreitende wirtschaftliche Integration zu unterstützen.

Seit 1988 wurden insgesamt 480 Milliarden € in die benachteiligten Regionen investiert. Aber auch die Haushaltsmittel für andere Politikfelder, wie die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit oder der Maßnahmen für ländliche Entwicklung innerhalb der Europäischen Union, sind über die Jahre erheblich gestiegen. Im Jahr 1988 machten sie lediglich einen Anteil von 7 % am Haushalt aus. Hingegen werden sie im Jahr 2013 rund 26 % des Haushalts umfassen.

Die Europäische Kommission ist deshalb beauftragt, dem Europäischen Rat bis Anfang 2009 einen umfassenden Bericht vorzulegen, auf dessen Grundlage Beschlüsse zur Reform des EU-Finanzsystems gefasst werden sollen. Bei der Vorbereitung der nächsten finanziellen Vorausschau für die Zeit nach 2013 werden die Beschlüsse Berücksichtigung finden.

Da die Finanzreform auch die Überprüfung der gemeinsamen Agrarpolitik und der Kohäsionspolitik umfasst, wird hiervon auch Sachsen-Anhalt betroffen sein; denn auf beiden Politikfeldern fließen erhebliche Mittel in unser Land.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus diesen Gründen ist es für die CDU-Fraktion von erheblicher Bedeutung, den Prozess der Reform des EU-Finanzsystems von Beginn an aktiv zu begleiten. Der eingeforderte Bericht der Landesregierung über ihren Beitrag zum Konsultationsprozess ist hierbei als Auftakt zu verstehen. Von weit größerer Wichtigkeit wird die sich anschließende Berichterstattung über die Ergebnisse des Konsultationsprozesses zur Überprüfung des EU-Haushalts und über andere mögliche Folgen für SachsenAnhalt sein.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

(Zustimmung bei der CDU und von Staatsminis- ter Herrn Robra)

Herzlichen Dank, Herr Borgwardt, für Ihren Beitrag. - Für die FDP-Fraktion erteile ich jetzt dem Abgeordneten Herrn Kosmehl das Wort. Bitte schön, Herr Kosmehl.

Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich einige Aussagen zum Thema EU-Haushalt und Konsultationsverfahren machen möchte, will ich an dieser Stelle nicht versäumen, meine Kritik an der Fraktion DIE LINKE im Landtag von SachsenAnhalt loszuwerden, dass sie einen Antrag übernommen hat, ohne die tatsächlichen Gegebenheiten in der Diskussion im Parlament in Sachsen-Anhalt zu berücksichtigen.

Herr Kollege Czeke, Sie haben wortgleich einen Antrag aus Mecklenburg-Vorpommern übernommen, der dort im November 2007 diskutiert worden ist.

(Herr Gürth, CDU: Was? Die haben keine eige- nen Ideen! Das ist ja ein Ding!)

Nun kenne ich die Informationspolitik der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns gegenüber dem dortigen Landtag nicht. Aber sie muss sich sehr stark davon

unterscheiden, was wir in diesem Parlament von der Landesregierung oder auch von unseren Vertretern im Ausschuss der Regionen an Informationen bekommen. Dass Sie in Ihren Begründungen dennoch teilweise das Gegenteil unterstellen und die Notwendigkeit begründen, dass Sie Informationen haben wollen, kann ich nach dem Informationsstand, den auch Sie aus mehreren Sitzungen des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten haben, nicht nachvollziehen.

Ich habe nichts dagegen, wenn man auch einmal Anträge aus anderen Ländern übernimmt, weil sie gute Ansätze bieten. Dann sollte man aber bitte überprüfen, ob es hier überhaupt sinnvoll ist, einen solchen Antrag einzubringen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Herr Gürth, CDU: Hat Herr Czeke nicht aufgepasst oder hat er es nicht verstanden?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz einige Punkte zu dem Konsultationsverfahren sagen. Es ist ein Konsultationsverfahren, das fast - mit einer Verschiebung von einem halben, Dreivierteljahr - mit dem vierten Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in Europa zusammentrifft. Wir haben also eine Fortschreibung der Kohäsionspolitik und wir haben jetzt neu eine in Aussicht stehende Reform des EU-Haushalts.

Dass dieser EU-Haushalt, die Aufstellung und die Verteilung, insgesamt reformbedürftig ist, wird hier niemand bestreiten. Ich sage ganz klar: Es hat in den letzten Jahren - darauf hat mein verehrter Kollege Borgwardt hingewiesen - eine massive Verschiebung weg von der gemeinsamen Agrarpolitik gegeben, von einem Anteil am EU-Haushalt, der im Jahr 1988 noch 60 % ausgemacht hat, hin zu einem etwa 30-prozentigen Anteil im Jahr 2013.

An dieser Stelle, Herr Kollege Czeke, hätte ich von Ihnen als Fachpolitiker aus dem Bereich Agrar erwartet, dass Sie für Ihren Fachbereich einmal konkret sagen, wie Sie sich die Mittelverteilung in diesem Bereich vorstellen könnten. Sie haben nur davon gesprochen, dass Sie mehr Geld haben wollen. Sie wollen auf eine Obergrenze von 3 % kommen. Dann haben Sie wieder versucht, das Steuerrecht zu bemühen, und sagen: Wir müssen das Steuerrecht harmonisieren. Darauf haben Länder wie Estland, Slowenien oder Irland gewartet, dass sie sozusagen harmonisierte Steuern in Europa bekommen. - Das ist der falsche Weg.

(Zustimmung bei der FDP - Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Das sind nun wirklich nicht nur linke For- derungen!)

Vielleicht haben Sie Gelegenheit, Herr Kollege Czeke, in den vielen Debatten, die wir auch künftig im Ausschuss führen werden, einmal eigene Vorschläge dazu zu machen, wie wir die Mittel in der gemeinsamen Agrarpolitik sinnvoll verwenden können. Ich bin mir ganz sicher, dass darin noch einiges an Luft ist. Das sollte man auch einmal deutlich ansprechen, auch wenn man aus diesem Fachbereich kommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß - das habe ich bereits mehrfach in den Debatten auch in der letzten Legislaturperiode gesagt -:

(Herr Tullner, CDU: Das wissen wir! - Herr Borg- wardt, CDU, lacht)

Die Diskussionen, die wir als Abgeordnete aus den neuen Ländern in unseren Bundesparteien zu führen haben, sind nicht immer einfach. Natürlich gucken die Parteifreunde aus den alten Ländern ganz genau hin, was mit den Mitteln passiert, ob es sich für Deutschland lohnt, diesen hohen Anteil zum EU-Haushalt beizutragen, und ob eine sinnvolle Mittelverwendung garantiert ist. Dabei müssen wir alle zusammenstehen.

Ich bin mir ganz sicher, liebe Kollegen der Fraktion DIE LINKE - Sie sind jetzt auch in mehrere westdeutsche Parlamente eingezogen -: Sie werden diese Diskussion auch bekommen. Ich bin mir ganz sicher, dass die Kollegen in Hessen und in Niedersachsen sagen werden, nein, wir zahlen lieber weniger, als dass mehr Geld in die neuen Länder fließt.

(Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Diese Diskussion haben wir seit vielen Jahren. Wir werben dafür anzuerkennen, dass es sinnvoll ist, dass Deutschland einen so hohen Beitrag zahlt, weil die Mittel richtig verwendet werden, weil sie uns helfen voranzukommen und weil unser Vorankommen als neue Länder gut für Deutschland und für Deutschlands Stellung in Europa und in der Welt ist.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von Herrn Graner, SPD)