Protocol of the Session on February 29, 2008

stammen, und zwar mit Papieren aus dem Jahr 2001. Dort haben Sie sehr nachdrücklich beschrieben, dass ein regional tätiges Unternehmen nur dann erfolgreich auch am regionalen Markt agieren kann, wenn es sozusagen so arbeitet, als würde es sich dem internationalen Wettbewerb stellen. Das haben Sie im Jahr 2001 geschrieben. - Das wollte ich der Ehrlichkeit halber gesagt haben.

(Zustimmung von Herrn Franke, FDP)

Wichtig ist also, dass wir im Wirtschaftsausschuss und im Bildungsausschuss diesen Fragenkatalog noch einmal gemeinsam definieren. Für mich ist nicht die Frage von Bedeutung, ob dabei 71, 648 oder 35 Seiten herauskommen. Für mich ist entscheidend, dass wir ein möglichst in sich geschlossenes Konzept haben, dass wir gemeinsam diskutiert haben, wie Innovation in diesem Land weiter vorangetrieben werden kann und wie wir es tatsächlich schaffen, diesen Prozess bis zum Jahr 2019 fest in Gang zu bringen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Thiel. Da ist einem wirklich nicht bange, wenn man den großen Beifall für Sie hört.

Meine Damen und Herren! Es gibt keine weiteren Wortbeiträge. Wir kommen zur Abstimmung über die Drs. 5/995 neu.

Beantragt wurde die Überweisung in den Wirtschaftsausschuss zur federführenden Beratung und in den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur zur Mitberatung. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Damit ist der Überweisung zugestimmt worden und wir können den Tagesordnungspunkt 10 verlassen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung

Konsultationsprozess zum EU-Haushalt aktiv mitgestalten

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/1130

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/1140

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Czeke von der Fraktion DIE LINKE. Für die Landesregierung nimmt danach Herr Staatsminister Robra das Wort. Herr Czeke, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Wenn etwas in den Landtag gehört, dann sind es wohl Debatten über den Haushalt. Zugegeben, nicht für alle das spannendste und leichteste Thema, aber eben wichtig, weil Haushaltsentscheidungen in der Kompetenz der Legislative liegen und über die Höhe und die spezifische Verteilung der Einnahmen und der Ausgaben grundlegende politische Inhalte gestaltet werden. Ja, auch in der Öffentlichkeit wird vonseiten der Exekutive immer wieder gern darauf hingewiesen, dass dieses

oder jenes doch der Wille des Haushaltsgesetzgebers, sprich des Landtages, gewesen sei.

Heute geht es uns um die Reform des EU-Haushaltes. Dieses Thema wird in erster Linie meine Kollegen aus dem Finanzausschuss, aber auch aus dem Europaausschuss interessieren. Für meine Fraktion, die LINKE, ist es Schwerpunkt der Arbeit dieses Jahres.

Unter dem doch unscheinbaren Label eines Konsultationspapiers hat die EU-Kommission im September 2007 das Dokument „Den Haushalt reformieren - Europa verändern“ veröffentlicht. Es geht um nicht weniger als um die Analyse der künftigen Einnahmen und Ausgaben und darum, was überhaupt noch gefördert werden soll. Das sind grundlegende politische Fragen, wie wir meinen.

Für Sachsen-Anhalt geht es wie bei den anderen neuen Bundesländern um die Zukunft der Struktur- und Agrarförderung eigentlich erst für die Zeit nach 2013. Aber der meiner Meinung nach unsägliche Health-Check im Agrarbereich gibt schon einmal einen Vorgeschmack darauf, dass die EU-Haushalte der Jahre 2008 und 2009 ff. trotz fester Vereinbarungen bis zum Jahr 2013 umgestrickt werden sollen.

Frau Wernicke hat sich als Fachministerin in Brüssel schon bemüht, die Kommissarin auf die Schwierigkeiten und die besondere Lage in den neuen Bundesländern hinzuweisen. Aber die Schwankungsbreite bezüglich der Sichtweise der EU-Kommission ist erheblich: Ist es eine Gesundheitskontrolle oder ist es doch eine Generalüberprüfung?

Die Exekutiven in Bund und Ländern haben die Brisanz des EU-Finanzreformpapiers sofort erkannt und interministerielle Arbeitsgruppen und Ad-hoc-Gruppen eingesetzt, um sich Positionen zu erarbeiten.

Viel Zeit ist nicht; denn am 15. April 2008 ist Einsendeschluss, neudeutsch Deadline, allerdings nur als technische Zeitsetzung für die erste Runde. Die Diskussion wird mit Konferenzen der Kommission und des Europaparlaments im Mai fortgesetzt werden. Ende des Jahres will die Kommission abschließend Stellung nehmen, während, wie gesagt, die Exekutiven arbeiten.

Am 8. Februar 2008 haben die Europaminister und Europaministerinnen beraten. Schon am 6. März 2008 wollen sich die Ministerpräsidenten - wohlgemerkt - abschließend positionieren. Daher ist die Organisation und Information der Legislative und der von den Haushaltsentscheidungen Betroffenen, darunter Hochschulen, KMU, Sozialeinrichtungen, Gewerkschaften usw., gelinde gesagt und äußerst diplomatisch formuliert, schwierig.

Unter dem Thema Europatauglichkeit hatten wir über die Problematik der Einbeziehung und Mitbestimmung in EU-Fragen hier schon einmal diskutiert. Nichtsdestotrotz haben wir in der Flut von Landtagsinformationen laut Vereinbarung - Ihnen allen als LIV bekannt - auch das Konsultationspapier gefunden und auf die Tagesordnung der Januar-Sitzung des Europaausschusses gebracht.

Die Landesregierung hat dort auch berichtet, aber noch keine eigenen landesspezifischen Positionen verraten. Auch wie der Diskussionsprozess in das Land getragen werden soll und wie sich die Landesregierung durch eine Meinungsbildung mit den Betroffenen den Rücken für ihre Positionierung stärken will, wurde uns leider nicht mitgeteilt. Deshalb wollen wir heute noch einmal einen An

lauf wagen. Die Landesregierung wird es auf höherer exekutiver Ebene schwer genug haben, spezielle Vorstellungen durchzubringen.

Laut Protokoll der Europaministerkonferenz im November 2007 wird eine abgestimmte Positionierung von Bund und Ländern zur EU-Finanzreform schwierig. Auch innerhalb der Länder grüßt die Föderalismusreform II. Im Januar 2008 meinte der baden-württembergische Europaminister Stächele, CDU, dass Deutschland zu viel an die EU zahle. Demzufolge solle auch die EU-Finanzreform durch weniger Einnahmen der EU gestaltet sein.

Welche Folgen das für die Empfängerregionen der EUMittel hat, dürfte klar sein. Die Einnahmefrage wird sich also massiv stellen. Dabei ist der Gesamtumfang des EU-Haushaltes schon so gering, dass damit eine für die Bürgerinnen und Bürger sichtbare Gestaltung der Union als wirtschaftliche, soziale und kulturelle Gemeinschaft nicht möglich ist.

Die Eigenmittel-Obergrenze von 1,24 % des EU-weiten Bruttonationaleinkommens für Zahlungen ist schon Mitte der 90er-Jahre festgeschrieben und seitdem beibehalten worden. Wohlgemerkt: Die EU ist seitdem um einige Nationen größer geworden. Die Mittel wurden überdies, wie die Kommissionsvorlage zeigt, nicht einmal ausgeschöpft. Diese Unterausschöpfung soll offensichtlich in Zukunft noch zunehmen. Die tatsächlich geleisteten Zahlungen lagen im Zeitraum von 2000 bis 2007 bei 0,92 %.

Die Philosophie des maximalen Sparens ist offensichtlich zur obersten politischen Priorität geworden und hat die Frage nach den politischen Zielen und Gestaltungsmöglichkeiten verdrängt, die mit dem Haushalt der EU verfolgt und umgesetzt werden sollen.

Wohlgemerkt: Die Lissabon-Strategie hat vorhin schon eine Rolle gespielt. Es geht dabei um die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Diese Spar-Haltung ist angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Probleme nicht nur in der EU völlig unangemessen und kontraproduktiv. Wenn der dramatische Verfall des Ansehens und der Legitimität der EU in den Augen doch einiger Menschen gestoppt werden soll, muss die EU auf diesen Problemfeldern aktiv und erfolgreich agieren.

Zu den besonderen Herausforderungen für die EU gehört in diesem Zusammenhang der Kampf gegen die alarmierende Zunahme der Armut, insbesondere der Kinderarmut in den meisten Ländern der EU. Dies ist auch in der Bundesrepublik Deutschland erkannt worden. Hier reichen nicht Appelle an die Mitgliedsländer, sondern die EU muss die Anstrengungen der Mitgliedsländer auch durch finanzielle Transfers unterstützen.

Das Argument der fehlenden Zuständigkeit der Europäischen Union für die Sozialpolitik kann durch den Hinweis relativiert werden, dass die EU in der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik, für die sie eigentlich auch nicht zuständig ist, durchaus über die „offene Methode der Koordinierung“ mit Erfolg politischen Druck auf die Mitgliedsländer ausüben kann.

Des Weiteren ist der Umbau der Industriegesellschaften zu einem ökologisch verträglichen Entwicklungsmuster anzugehen. Es ist zwar in der letzten Zeit viel von den Problemen und auch Bedrohungen durch den Klimawandel geredet worden, aber tatsächliche Maßnahmen

auf europäischer Ebene sind bisher weitgehend ausgeblieben.

Nachhaltiges Wachstum ist das erste der vier Prioritätsfelder in der finanziellen Vorausschau aus dem Jahr 2005. Dabei steigen die Mittel für die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit immerhin um 52 %, die für Kohäsion jedoch nur um 6 %. Die Mittel der Kategorie 2 - nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen - sinken zwischen 2007 und 2013 um 7 % und werden zu einem erheblichen Teil für den Ausbau der Atomenergie verwendet.

Weiterhin ist die mittelfristige Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung durch eine antizyklische Konjunkturpolitik anzugehen. Die EU ist besonders bei so genannten asymmetrischen Schocks gefordert, die jeweils nur einzelne Mitgliedsländer betreffen und aus deren eigenen Mitteln nicht wirksam bekämpft werden können.

Es ist daher zu überlegen, den Haushalt der EU mittelfristig auf ein Niveau von bis zu 3 % des EU-Bruttonationaleinkommens anzuheben. Es kann dabei den Mitgliedsländern durchaus überlassen bleiben, wie sie die Mittel zur Aufbringung dieser EU-Steuer refinanzieren. Das kann durch eine Erhöhung der bereits bestehenden Steuern, durch eine Abführung von Anteilen aus bestehenden Steuern oder durch eine Einführung von neuen Steuern geschehen.

Für Letzteres eignet sich insbesondere eine Steuer auf Transaktionen an den Finanzmärkten, zum Beispiel bei Derivaten. Eignen würde sich auch eine Steuer auf den Energieverbrauch. Da die einkommensärmeren Länder von der zweiten Variante erheblich profitieren, muss allerdings vereinbart werden, dass sie auf eine aggressive Konkurrenz bei Steuern auf Kapitaleinkommen und Unternehmensgewinne verzichten und Mindeststeuersätze auf einer harmonisierten Bemessungsgrundlage einführen.

Ich könnte mir vorstellen, dass der eine oder andere Debattenredner nachher bei harmonisierten Mindeststeuersätzen und Bemessungsgrundlagen ein wenig ein ungutes Gefühl hat. Ich denke zum Beispiel an Professor Paqué oder an den Kollegen Kosmehl.

(Herr Prof. Dr. Paqué, FDP, nickt mit dem Kopf)

- Ja, ich weiß, es hat alles immer mit Wettbewerbsvorteilen zu tun, auch unterschiedliche Steuern. Aber gerade die aktuelle Diskussion beim Thema Steuerhinterziehung zeigt uns, dass wir als Bundesrepublik diesbezüglich noch ein paar Schwierigkeiten zu meistern haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist für uns eine grundlegende politische Frage, ob die sich abzeichnende Ausrichtung der EU richtig ist, mehr Geld nur für die EU-Außenpolitik einzusetzen, also für Polizeieinsätze im Kosovo und im Tschad oder auch für das Satellitenprojekt Galileo, oder ob es nicht besser wäre, so wie wir meinen, die Mittel für die Bekämpfung von sozialer Ungleichheit und Armut in der Europäischen Union zu verwenden.

(Beifall bei der LINKEN)

In der Januar-Ausschusssitzung des Europaausschusses fehlten noch konkrete Aussagen der Landesregierung, was mit wem bis wann diskutiert werden sollte. Wir

haben heute diesen Antrag gestellt, um die Diskussion zu aktivieren. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Czeke, für die Einbringung. - Für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Staatsminister Robra das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Herr Czeke, es ist richtig, die Reform des EU-Finanzsystems ist sicherlich eine der größten Herausforderungen in der Europapolitik, weil sich für die Zeit nach dem Jahr 2013 damit natürlich die Gestaltungsmöglichkeiten der Europäischen Union und gegebenenfalls auch die Gestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten ganz entscheidend verändern werden. Wir stehen ganz am Anfang dieser Diskussion.

Sie haben durchaus Recht: Debatten zum Haushalt gehören in das Parlament. Aber wir sollten auch dabei genauer hinschauen; denn Parlament in diesem Sinne, Haushaltsgesetzgeber ist das Europäische Parlament.