Protocol of the Session on January 24, 2008

Meine Damen und Herren! Ich würde mich freuen, wenn Sie dem Antrag der FDP-Fraktion Ihre Zustimmung geben könnten, damit wir dieses Phänomen der Intensivtäter im Ausschuss auf der Grundlage der vorgelegten

Studie der FH Polizei quantitativ beurteilen und daraus folgend auch qualitative Maßnahmen ableiten können, die, wenn sie noch nicht ergriffen wurden, künftig ergriffen werden müssen, damit wir mit diesem Phänomen der Intensivtäter richtig umgehen können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke sehr, Herr Kosmehl, für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht der Minister des Innern Herr Hövelmann. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Kosmehl, ich danke Ihnen und Ihrer Fraktion für die Einbringung dieses Antrages, weil er uns Gelegenheit bietet, ein hochemotional diskutiertes und offensichtlich aktuelles Thema mit dem besonderen Blick auf die aktuellen Ereignisse in Sachsen-Anhalt zu verknüpfen und die Diskussion zu versachlichen. Daher danke ich Ihnen ausdrücklich für diesen Antrag.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Einführung der landesweiten personenbezogenen Jungtatverdächtigendatei - so heißt das Teil - am 1. Februar 2006 hat die Landesregierung frühzeitig eine neue Arbeitsgrundlage für die Verfolgung von jugendlichen Straftätern in Sachsen-Anhalt geschaffen. Mit ihrer Hilfe soll die Polizei mögliche kriminelle Karrieren schneller erkennen und unterbinden können. Bis dahin war es in Sachsen-Anhalt aufgrund der lediglich deliktbezogenen Recherchemöglichkeiten nicht oder nur schwer möglich, einen aufgefallenen Jungtatverdächtigen als notorischen Straftäter frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten.

Obwohl der unmittelbare Nutzen einer erstmals personenorientierten Erfassungsdatei für die polizeiliche Jugendsachbearbeitung naheliegend ist, war es im Sinne guter Anwendungspraxis notwendig, auch zu evaluieren, ob die Jungtatverdächtigendatei alle in sie gesetzten Erwartungen erfüllt und im Sinne dieser Erwartungen auch mit ihr gearbeitet wird. Das Landeskriminalamt als für Landesdateien zuständige Stelle hat deshalb mit Schreiben vom 31. August 2006 bei der Fachhochschule Polizei in Sachsen-Anhalt eine Evaluationsstudie zur Jungtatverdächtigenstatistik in Auftrag gegeben. Dieser Auftrag sah vor, die Studie bis zum September 2007 abzuschließen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Rahmen dieses Auftrages, den die Fachgruppe 4 unter Leitung von Herrn Professor Asmus angenommen hat, wurde zunächst durch den wissenschaftlichen Mitarbeiter Herrn Dr. Enke eine Projektstudie über die Machbarkeit erstellt. Die Fachhochschule entschloss sich, eine formative Evaluationsstudie zur Jungtatverdächtigendatei durchzuführen. Dabei sollte ausschließlich die Zielgruppe der jungen Intensivtäter in den Blick genommen werden.

Ergebnisse dieser Studie werden insbesondere in Bezug auf die Erfüllung der folgenden Programmziele erwartet, die mithilfe der Datei erreicht werden sollen: das Erkennen krimineller Karrieren, die Unterstützung der polizeilichen Ermittlungsarbeit, die Ermöglichung von Lagebilderstellungen über besondere Merkmale und Entwicklungstendenzen in der Jugendkriminalität, die Erarbeitung einer Informationsgrundlage für personenbezogene

Maßnahmenvorschläge, zum Beispiel Einzelfallgespräche, und damit die Förderung einer frühzeitigen überbehördlichen Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendhilfe

(Herr Tullner, CDU: Das ist sehr wichtig!)

sowie die Unterstützung der vorrangigen Bearbeitung von Fällen mit Mehrfach- und Intensivtätern im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung. Als Forschungsmethoden sind Experteninterviews, schriftliche Befragungen, Dokumentenanalysen und statistische Analysen vorgesehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie merken an meiner Vorrede, ich kann die Zahlen noch nicht vorlegen. Zum Stand des Projektablaufs teilte die Fachhochschule meinem Haus auf Anfrage mit, dass die formative Evaluation der Jungtatverdächtigendatei als Arbeitsgrundlage für die polizeiliche Jugendsachbearbeitung tatsächlich im September 2006 begonnen hat

(Herr Tullner, CDU: Aber?)

und ursprünglich Ende 2007 abgeschlossen werden sollte. Die zwischenzeitlich erfolgte Strukturreform bei der Landespolizei führte zu einer Unterbrechung der Forschungsarbeiten.

(Herr Tullner, CDU: Das ist aber schade!)

Im Einvernehmen mit dem Landeskriminalamt, mit den Mitgliedern der damaligen Projektgruppe „Junge Intensivtäter“ und mit dem Leiter der Fachgruppe 4 der Fachhochschule Polizei Herrn Professor Asmus wurde deshalb zwischen den Beteiligten vereinbart, die Studie vorübergehend ruhen zu lassen und wieder aufzunehmen, wenn die Strukturreform abgeschlossen ist.

(Herr Tullner, CDU: Und wann ist das?)

Dieser Zeitpunkt ist nun gekommen. Durch das zuständige Fachreferat meines Hauses wurde veranlasst, dass die Fachhochschule die Evaluierung wieder aufnimmt und bis Ende März 2008 einen Zwischenbericht vorlegt, welcher die Ergebnisse der bereits durchgeführten Befragung der Koordinatoren für Jugendsachen zu den Nutzungserwartungen auswertet.

Ich bin natürlich gern bereit, in den Ausschüssen, die die antragstellende Fraktion auch vorgeschlagen hat, über die Ergebnisse zu berichten. Insofern bitte ich um Verständnis dafür, dass ich die Auswertung der Evaluation erst zu einem späteren Zeitpunkt vorlegen kann. Selbstverständlich will ich das aber gern tun. Aus meiner Sicht bestehen keinerlei Bedenken dagegen, dem Antrag der antragstellenden Fraktion zuzustimmen.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Herr Minister. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Reichert.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach Verabschiedung des Begleitgesetzes zur Gemeindegebietsreform und des Gesetzes zur Neustrukturierung der Gerichte soll hier in der Landtagssitzung offenbar ein neuer Schwerpunkt thematisiert werden, und zwar der der Jugendkriminalität. Die Fraktion DIE LINKE hat dazu eine Aktuelle Debatte beantragt, die wir morgen erleben dürfen, und der Antrag der FDP-Fraktion hat

das Ziel einer Berichterstattung über das Ergebnis einer Evaluationsstudie zur Jugenddelinquenz in SachsenAnhalt und deren Bekämpfung.

Nun kann man unterstellen, der Wahlkampf in Hamburg, Niedersachsen und Hessen habe diese Schwerpunktsetzung ermöglicht. Ich glaube, das wird auch so sein. Aber glauben Sie mir, wir in Sachsen-Anhalt werden an dem Wahlergebnis in diesen Bundesländern in keiner Weise etwas ändern und für Ihre Parteien, die dort kandidieren, wird es auch keine große Wahlkampfhilfe sein.

Die innere Sicherheit und die Bekämpfung der Kriminalität in allen Erscheinungsformen sind immer schon ein Schwerpunkt der politischen Arbeit der CDU. Wir haben auch kein Problem damit, dieses Thema der Jugendkriminalität hier zu thematisieren. Im Gegenteil: Wir sollten hier nicht die Augen davor verschließen; denn Jugendkriminalität gibt es auch in Sachsen-Anhalt.

Die Straftäter werden immer jünger, die Hemmschwelle, eine Straftat zu begehen, wird niedriger und die Gewaltbereitschaft immer größer. Darum ist es wichtig, jede zusätzliche vorbeugende Maßnahme im präventiven Bereich zu nutzen. Aber auch angemessen schnelle und wirksame Strafen sollen ausgesprochen werden. Ich bin immer der Meinung, dass die Strafe der Tat auf dem Fuße folgen muss. Das dient auch der Abschreckung. Wehret den Anfängen!

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Meine Damen und Herren! Leider ist es in unserer heutigen Gesellschaft so, dass diese jungen Menschen, die auf diesen schiefen Weg geraten sind, nicht mehr so richtig wissen, mit ihrer Zeit umzugehen. Statt in ein gedeihliches Zusammenleben zu investieren oder in ihre Bildung, Weiterbildung oder Ausbildung, wie es ja fast alle anderen Jugendlichen machen, bestreiten sie ihren Tag damit, zu stören, zu zerstören und andere zu verletzen. Das kann nicht sein! Deshalb möchte ich mich dafür aussprechen, keine Mühen zu scheuen, diesen jungen Leuten weiterzuhelfen, ihre kriminelle Karriere abzubrechen, und sie wieder auf den richtigen Weg zu bringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Blick darauf befürworte ich jede Art der Prävention. Wenn es durch eine Intensivtäterdatei möglich wird herauszufinden, welche Jugendlichen aus welchem Milieu welche Taten begehen, Straftaten damit wirksam entgegenzuwirken und gegebenenfalls für die Zukunft derartige Handlungen zu unterbinden, begrüße ich das und freue mich auf eine Berichterstattung dazu in den Ausschüssen für Inneres sowie für Recht und Verfassung. Wir werden dem Antrag der Fraktion der FDP zustimmen. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Reichert. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Frau von Angern.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Herr Reichert, ich habe schon das Gefühl, dass Sie hier bei der einen oder anderen Diskussion zum Thema Jugendstrafrecht nicht dabei gewesen sind.

(Herr Tullner, CDU: Warum?)

Das Thema Jugendkriminalität darauf zu verkürzen, dass die jungen Menschen in ihrer Freizeit nichts anderes zu tun hätten oder dass sie nicht wüssten, was sie mit ihrer Freizeit anfangen sollten, halte ich für mehr als bedenklich.

(Herr Tullner, CDU: Hat er gar nicht gesagt! - Frau Bull, DIE LINKE: Herr Tullner, also!)

Aber wir reden heute über die Intensivtäterdatei. Ich halte es für gut und richtig, dass sich Politik, bevor sie sich einem Thema inhaltlich widmet und vor allem bevor sie sich inhaltlich dazu in hoffentlich qualifizierter Weise äußert, intensiv auch mit dem Hintergrund auseinander setzt - und das vor allem bei einem sehr sensiblen Thema wie der Jugendkriminalität. Die Politik darf eben nicht mit den Ängsten der Menschen spielen, sondern muss sich sachlich und seriös damit auseinander setzen. Sie sollte Lösungsvorschläge erst unterbreiten, wenn das Gehirn vorher gearbeitet hat.

Eine Jugendtatverdächtigendatei kann dabei durchaus eine Hilfestellung sein. Es kommt allerdings maßgeblich darauf an, wie sie verfasst wird und welche Zielstellung dahinter beschrieben ist.

Zur Relativierung dieser gesamten Problematik möchte ich hervorheben, dass laut dem Jahresbericht des LKA zum Jahr 2006 nur 3,3 % aller Jungtatverdächtigen Intensivtäter waren, die an knapp einem Drittel der Straftaten im Jugendbereich beteiligt waren. Das war schon in den Jahren von 2000 bis 2004 so.

(Herr Borgwardt, CDU: Von diesen Intensivtätern ist das gar nicht viel!)

Des Weiteren möchte ich klarstellen, dass auch bei Intensivtätern gilt, dass die Strafbarkeit plötzlich beginnen und genauso plötzlich wieder abbrechen kann. Dass kriminelle Karrieren in der Jugendzeit ihren Ursprung haben, lässt nicht automatisch den Rückschluss zu, dass schon Jugendkriminalität zwangsläufig der Beginn einer kriminellen Karriere ist. Auch bei der Intensivtätergruppe kann es um das Austesten von Normen und um das Überschreiten von Grenzen gehen. Nichtsdestotrotz nehmen auch wir das Problem der Intensivtätergruppe sehr ernst.

Nun dürfen wir die Daten aber nicht um des Sammelns willen sammeln. Es geht hier um höchstpersönliche Daten einzelner Menschen. Auch jugendliche Straftäter haben ein Recht darauf, dass mit den Daten sorgfältig umgegangen wird. Hinsichtlich des sorgfältigen Umganges mit den Daten bei der Intensivtäterdatei ist daher die Zielorientierung von großer Bedeutung. Umso größer wird auch die Bedeutung des Ergebnisses der Evaluation sein.

Zunächst - in diesem Punkt gebe ich Herrn Kosmehl Recht - benötigen wir auch unserer Ansicht nach eine möglichst zielgenaue Definition des Begriffes Intensivtäter; denn - auch hierbei hat Herr Kosmehl Recht - noch immer wird der Begriff in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich verwendet. Unser Interesse sollte neben der Erhebung der Häufigkeit der Tatbegehung vor allem der Schwere des Deliktes gelten. Das ist in SachsenAnhalt schon der Fall und das ist gut so.

Sind diese Daten erfasst, bedarf es aber auch eines Umdenkens aller handelnden Personen. Polizei, Staats

anwaltschaft und Justiz müssen sehr eng zusammenarbeiten. Nach Möglichkeit sollte auch ein jugendlicher Intensivtäter immer mit den gleichen Personen zu tun haben. Anhand der persönlichen Erfahrungen mit dem jugendlichen Straftäter müssen Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz gemeinsam die bereits ausgesprochenen und durchgeführten Maßnahmen abgleichen, überprüfen und gegebenenfalls korrigieren.

Ich denke, in diesem Zusammenhang sollte gegebenenfalls auch die Anlage zu dem Runderlass des Innenministeriums zur Bearbeitung von Jugendsachen in Verbindung mit jugendlichen Intensivtätern überarbeitet werden. Auch darüber sollten wir im Ausschuss sprechen.

Alles in allem folgt die Fraktion DIE LINKE der Bitte der Fraktion der FDP gegenüber der Landesregierung hinsichtlich der Berichterstattung. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau von Angern. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Rothe.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich ganz kurz fassen. Der Herr Innenminister hat ausgeführt, was heute zum Sachstand zu sagen ist.

Der Antrag der FDP-Fraktion beinhaltet eine reine Berichterstattung. Wir werden dem Antrag zustimmen. Wir werden im Ausschuss ausführlich darüber diskutieren.