Protocol of the Session on January 24, 2008

Ich will noch einen Punkt nennen, der mich wieder ein bisschen froh stimmt. Ich bin froh, Herr Czeke, dass ich in Ihnen zwar einen europakritischen Fundamentalisten der PDS gefunden habe, den ich schon seit Langem kennen gelernt habe, aber ich bin auch froh, dass es bei der LINKEN noch andere Vertreter gibt.

Wer bei dem gut besuchten Forum im Rathaussaal war, der hat Frau Sylvia-Yvonne Kaufmann kennen gelernt, die auch im Verfassungskonvent Mitglied war und sich dezidiert für den Abschluss des Vertrages ausgesprochen hat. Dies macht mich dann doch wieder etwas optimistisch und lässt hoffen, dass bei der LINKEN ein paar Leute sind, die auch die positiven Dinge des Vertrages sehen.

(Herr Gürth, CDU: Nicht viele!)

- Nicht viele, aber es gibt sie. Das stimmt mich wiederum positiv.

Wir werden die beiden Anträge und den Änderungsantrag der FDP-Fraktion ablehnen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Tögel. - Bevor ich dem Abgeordneten Herrn Kosmehl für die FDP das Wort erteile, möchte ich an dieser Stelle Herrn Bach und seine Gattin bei uns begrüßen, die auf Einladung des Landtages von Sachsen-Anhalt bei uns weilen. Herr Bach ist Generalstaatsanwalt und Richter a. D. am Obersten Gerichtshof in Israel. Er wird auf unserer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2008 hier im Plenarsaal sprechen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Kosmehl, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich die Debatte heute im Land

tag und auch die bisherigen Debatten zur Europapolitik im Landtag noch einmal Revue passieren lasse, dann wird mir gar nicht angst und bange. Wenn wir in die Diskussion um einen Volksentscheid eintreten würden, dann wäre mir nicht bange darum, dass das eine intensiv geführte, eine lebhafte Debatte würde, die dieses Parlament, wenn man den parlamentarischen Geschäftsführern glauben kann, so notwendig hat.

Ich bin mir auch darin sicher, dass wir mit guten Argumenten die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes Sachsen-Anhalt, aber auch die Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union davon überzeugen können, dass Europa eine richtige Sache ist, dass dieser Vertrag für die richtige Sache Europa der richtige Wegweiser ist, dass wir ein Stück weiter kommen mit Europa. Ich bin mir ganz sicher darin, dass wir auch die Bürgerinnen und Bürger auf diesem Weg mitnehmen könnten.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Dr. Klein, ich habe den Vertrag zur Änderung des Vertrages über die Europäische Gemeinschaft und die Europäische Union gelesen. Ich bin mir dessen bewusst, dass das keine einfache Lektüre ist, gerade weil es ein Änderungsvertrag ist und weil wir ein Stück weit wieder in eine - ich sage einmal - Zerfledderung von Paragrafen - auf europäischer Ebene sind es Artikel - kommen und es schwierig ist, solche Änderungsanweisungen nachzuvollziehen. Wer sich aber damit beschäftigt, wird viele positive Dinge feststellen können. Ich will an dieser Stelle drei ganz kurz benennen.

Das ist zum einen die Einführung der Mehrheitsentscheidung in vielen Bereichen, insbesondere der so genannten doppelten Mehrheit. Meine sehr geehrten Damen und Herren! 55 % der Mitgliedstaaten und 65 % der Bevölkerung der gesamten EU reichen für eine Mehrheit aus. Das gibt auch der Bundesrepublik Deutschland ein stärkeres Gewicht; denn wir können als bevölkerungsreichstes Land in Europa unser Gewicht einbringen.

Natürlich muss man anfügen: Es ist schade, dass wir dieses Verfahren nicht ab 2009, wenn der Vertrag ratifiziert und in Kraft getreten ist, haben werden, sondern erst ab 2014, endgültig vielleicht sogar erst ab 2017. Dass wir es aber endlich geschafft haben, den Vertrag von Nizza in diesem Punkt zu ändern, ist ein Riesenschritt. Ich bin auch dankbar dafür, dass man diese Teile aus dem Entwurf einer Verfassung für Europa übernommen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verkleinerung der Institutionen ist ein weiterer Punkt. Ich habe es in mehreren Diskussionen gesagt: Institutionen, die für sechs Mitgliedstaaten geschaffen worden sind, mussten am Ende für 27 Mitgliedstaaten ausreichen. Das führte zu der grotesken Ausformung, dass man für die beiden neu hinzugetretenen Mitgliedstaaten Bulgarien und Rumänien zwei neue Kommissare in der Europäischen Kommission einsetzen musste. Künftig werden es 18 Kommissare machen. Ich denke, das ist auch sinnvoll.

Natürlich gibt es an der einen oder anderen Stelle auch Dinge, bei denen wir in den unterschiedlichen Fraktionen oder politischen Richtungen mehr Verbesserungen gewollt haben. Ich kann gern darüber nachdenken, ob an

gesichts der Verkleinerung des Europäischen Parlaments, die für Deutschland nur - in Anführungszeichen - drei Abgeordnete betrifft, tatsächlich noch die repräsentative Vertretung der Bürger gegeben ist. Wenn 68 000 Bürger von einem maltesischen Abgeordneten und 858 000 Bürger von einem deutschen Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten werden, dann ist das ein Missverhältnis. Das kann man nicht von heute auf morgen ändern; aber wir müssen darüber nachdenken, wie etwas stärker repräsentativ gewirkt werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz auf meine Vorredner eingehen. Herr Kollege Czeke, ich glaube, Sie sollten sich noch einmal intensiver mit der Geschichte der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union beschäftigen, wenn Sie über die Vorteile der Bürger sprechen. Wir hätten heute nicht dieses Verbraucherschutzrecht, wir hätten kein Fernabsatzgesetz, wir hätten keine Regelung zum Reiserecht. Wenn es nicht Initiativen der Kommission, des Rates und des Parlaments gewesen wären, die Regelungen eingeführt haben, hätten wir heute noch in Deutschland eine Gewährleistungsfrist von sechs Monaten statt, wie es heute der Fall ist, von zwei Jahren, weil wir europäisches Recht umsetzen mussten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ein Vorteil für die Verbraucher und das können wir den Verbrauchern auch mitteilen. Dann sind auch sie ein Stück weit näher an Europa heran.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren der LINKEN, zu Europa gehört für die Bürger auch dazu, dass man Verantwortung übernimmt, auch militärische Verantwortung. Gerade wir Europäer haben auf dem eigenen Kontinent, auf dem westlichen Balkan immer noch einen Krisenherd, den es zu sichern gilt, den wir in gewisser Weise auch befrieden müssen und wo wir Sorge dafür tragen müssen, dass die Völker miteinander leben.

Das ist nicht durch Verhandlungen möglich. Das haben wir lange versucht. Das ist gescheitert. Nur durch die militärische Intervention ist es überhaupt gelungen, einen Genozid an den Kosovo-Albanern zu verhindern. Die Europäische Union und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union dürfen sich auch vor dieser Verantwortung nicht drücken. Deshalb ist auch an diesem Punkt eine Verantwortung notwendig.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine letzte Bemerkung. Herr Staatsminister, wir bleiben natürlich bei unserer grundsätzlichen Haltung, dass wir es richtig fänden, wenn über diesen weitgehenden Schritt eine Volksabstimmung stattfinden würde. Ich scheue mich auch nicht davor, mit den Bürgern in die Diskussion einzutreten. Ich scheue mich auch nicht davor, gegen linke bzw. rechte Ablehnungen zu argumentieren. - Herr Gallert, das war eine Aufzählung von Ablehnungsgegnern und nicht ein Gleichsetzen.

Ich scheue mich nicht davor, für diesen Vertrag zu werben. Wenn das die CDU/CSU, die SPD, die FDP und vielleicht auch Bündnis 90/DIE GRÜNEN machen, dann können wir den Bürgern mit guten Argumenten auch eine Zustimmung zu diesem Vertrag abverlangen. Das wird kommen, und dann könnten wir die Bürger ein Stück näher an Europa heranführen.

Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag, um diese Volksabstimmung noch zu ermöglichen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Danke, Herr Kosmehl. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Borgwardt. Doch zuvor können wir Herren vom Jugendklub Groß Quenstedt bei uns begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Borgwardt, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kommen nachher noch darauf: Ihren Wunsch, sehr geehrter Herr Kollege Kosmehl, können wir zwar aus Ihrer Sicht nachvollziehen, Ihrem Änderungsantrag können wir aber trotzdem nicht zustimmen. Die CDUFraktion teilt vollumfänglich die von Staatsminister Robra dargelegten Argumente. Deshalb möchte ich meinen Beitrag relativ kurz halten.

Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Erklärtes Ziel der Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Übernahme der deutschen Ratspräsidentschaft war es, eine positive Lösung in der festgefahrenen EU-Verfassungsfrage zu finden. Das war nicht nur angesichts der Probleme ein hohes Ziel, sondern auch aufgrund der kurzen Zeit der Präsidentschaft. Die Zahl der Skeptiker, die ein Scheitern vorausgesagt haben, war nicht gering. Doch durch überzeugendes und zielstrebiges Verhandeln mit den anderen EU-Partnern ist es gelungen, den Vertrag von Lissabon mit diesem Kompromiss zu erreichen.

Damit hat Bundeskanzlerin Merkel - so glauben wir - wesentlich zu einer Erhöhung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland beigetragen. Wir möchten uns von dieser Stelle aus ganz herzlich bei Angela Merkel, unserer Bundeskanzlerin, bedanken.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere grundsätzliche Auffassung zu Punkt 1 des Antrages der Linksfraktion unterscheidet sich nicht von den in der 31. Sitzung der vierten Wahlperiode dargelegten Argumenten, sodass ich jetzt im Großen und Ganzen nicht noch einmal darauf eingehen möchte. Wir sind überzeugt, dass ein Europa der Bürger in einer parlamentarisch-repräsentativen Demokratie eben nicht ausgeschlossen ist. Wir sind weiterhin überzeugt, dass das parlamentarische Verfahren, das sich in Deutschland bewährt hat, dem plebiszitären Verfahren überlegen ist, da es repräsentativ ist. Da - meine Vorredner sind schon darauf eingegangen - in der Regel die Beteiligungsquoten sehr niedrig sind, besteht zudem die Gefahr, dass das zu einer Minderheitsdemokratie führen könnte.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Die Beteiligung an den Wahlen zum Europäischen Parlament war sehr gering!)

- Das mag ja sein. Aber wenn Sie beispielsweise die Wahlergebnisse der Europawahl, die damals in Sach

sen-Anhalt und nicht nur in Sachsen-Anhalt gemeinsam mit den Kommunalwahlen durchgeführt wurden, betrachten, Herr Gallert, werden Sie feststellen, dass die Quoren wesentlich geringer waren als beispielsweise die Legitimation bei der Landtagswahl 2006.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Na ja!)

- Das ist so. Schauen Sie nach! Deshalb können wir dem Antrag der FDP nicht zustimmen.

Aber der Punkt 2 geht - das ist schon erstaunlich - doch wesentlich über Ihren in der vierten Wahlperiode eingebrachten Antrag hinaus. Sie fordern allen Ernstes den Landtag auf, zu beschließen, dass sich die Landesregierung im Bundesrat für eine Volksabstimmung einsetzen soll, wohl wissend, dass die Landesregierung allein gar nicht Herr des Verfahrens ist. Das ist so. Das muss sie dann nämlich mit den anderen 15 klären.

Sollte das Ansinnen der Linksfraktion nicht erreicht werden, wird die Landesregierung aufgefordert, gegen den Vertrag zu stimmen. Sie wissen, dass wir dann hinter all die erreichten Erfolge de facto auf den Stand von Nizza zurückfallen würden. Meine Vorredner sind bereits darauf eingegangen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zur Fraktion DIE LINKE sind die CDU-Fraktion und die übergroße Mehrheit dieses Hauses für den Verfassungsvertrag von Lissabon. Schon aus diesem Grund lehnen wir Ihren Antrag ab. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Borgwardt. - Herr Czeke, Sie können erwidern.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich habe geahnt, dass dieses Thema sehr unterschiedliche Sichtweisen aufeinander treffen lässt. Die Diskussion war lebhaft. Dafür kann ich mich nur bedanken.

Aber, Herr Staatsminister, ich weise das, was Sie gesagt haben, auch persönlich noch einmal entschieden zurück. Es ist nicht korrekt, nur weil jemand eine Kritik äußert, alle Kritiker von Links bis Ultrarechts in eine Reihe zu stellen. Das ist aus meiner Sicht nicht berechtigt.

Eine Frage sei mir nach Ihrem Vortrag noch gestattet. Sie haben gesagt, wir würden die Legitimation zur EUWahl 2009 testen können. Dann werden wir feststellen können, wie hoch die Wahlbeteiligung sein wird.

Auch dieser Vergleich ist doch nicht korrekt. Wir kritisieren Mängel und Defizite hinsichtlich eines demokratischen Vorgehens, behaupten aber nicht, dass die Regierungen zu Verhandlungen nicht legitimiert gewesen seien. Tatsache ist, dass zwei Drittel der Bevölkerung sagen, sie seien nicht mitgenommen worden. Ich bin gespannt, wie es uns bis zur Wahl zum EU-Parlament tatsächlich gelingen soll, diese Menschen zu überzeugen und sie mitzunehmen.