Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin lange genug Parlamentarierin, um zu wissen, dass man nach dem Abstimmungsverfahren zu einem so spannenden und wichtigen Gesetz selten die Aufmerksamkeit des Parlaments für einen scheinbar harmlosen Antrag bekommt.
Aber, meine Damen und Herren, täuschen Sie sich nicht! Das ist auch eine Zeitbombe. Wenn wir nicht zeitig genug über diese Dinge sprechen,
dann werden wir, sofern es denn einen Entwurf der Landesregierung für ein Zweites Funktionalreformgesetz jemals geben wird, genauso hier sitzen und ein Konfliktpotenzial haben, das über alle Fraktionen hinweg reicht.
Der vorliegende Antrag soll dazu dienen, dass wir uns unter den gegebenen Bedingungen rechtzeitig - eigentlich ist es fast schon zu spät - mit dem Problem befassen.
Als ich mit meiner Fraktion darüber gesprochen habe, ob und zu welchem Zeitpunkt wir diesen Antrag einreichen, war uns durchaus das Risiko bewusst, dass der Antrag
eventuell von der Mehrheit im Haus abgelehnt wird und wir dann wieder ein Jahr lang nicht über dieses Thema sprechen.
Deshalb muss ich ausdrücklich sagen: Ich war dem MP sehr dankbar, als ich gelesen habe, dass er zu dieser Fragestellung sprechen wird. Ich gehe davon aus, dass uns der MP unabhängig davon, ob der Antrag in abgeschwächter Form eine Mehrheit findet, einige klarstellende Worte sagen wird, wie weit die Landesregierung in der Frage der Kommunalisierung, der konzeptionellen Vorbereitung der Kommunalisierung ist.
Da der Ministerpräsident nicht zu Unrecht die „Heiße Kartoffel“ verliehen bekommen hat, hat er auch diese Problematik angefasst und sie in der Kabinettssitzung im November thematisiert. Das, was wir am 19. November 2007 darüber in der Presse gelesen haben, lässt den Schluss zu, dass der Punkt 1 unseres Antrages sehr wohl zutreffend beschreibt, wie es um die Kommunalisierung von Landesaufgaben steht, nämlich dass wir auf diesem Gebiet noch nicht weitergekommen sind.
Wenn die Landesregierung sagt, das Thema muss im Jahr 2008 ein Schwerpunkt sein, aber keinerlei Aufgaben nennen kann, wie weit wir gekommen sind, dann sage ich: Die Kabinettssitzung im November war für mich ein Achtungzeichen des Ministerpräsidenten, dass auf diesem Gebiet weiter gearbeitet werden muss. Wenn mein Eindruck trügt, dann kann der Ministerpräsident dies darstellen. Ich bin sehr dankbar, wenn er dann Hinweise gibt, in welcher Weise Landesregierung und Parlament weiter arbeiten können.
Meine Damen und Herren! Einerseits thematisierte die Landesregierung in der Kabinettssitzung im November dieses Thema, andererseits tagte am 22. Oktober der Innenausschuss. In dieser Sitzung stand zum dritten Mal nach gut einem Jahr das Thema Kommunalisierung und Funktionalreform auf der Tagesordnung. Der Herr Staatsminister sollte dazu referieren. Das tat er auch.
Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Mitglieder des Innenausschusses meinten, dass die Darstellung des Staatssekretärs dokumentierte, dass wir bei diesem Thema einen mächtigen Schritt weitergekommen sind. Nein, gerade meine geschätzten Kollegen der SPD wiesen noch einmal darauf hin, dass der Innenausschuss endlich Druck machen und die Landesregierung ihrer Lenkungsfunktion endlich nachkommen müsse.
Staatsminister Robra hielt es nicht für wichtig, dass man sich wenige Tage später in der Kabinettssitzung mit diesem Thema befasste; denn er hielt es nicht für notwendig, dies dem Innenausschuss mitzuteilen, der mit der Mehrheit des Parlaments dazu berufen worden ist, dieses Thema konsequent zu verfolgen. Wer im letzten Jahr und gerade in den letzten Monaten im Innenausschuss gesessen hat, der weiß, wie konsequent der Innenausschuss dieses Thema begleiten kann. Wir haben es tatsächlich geschafft, uns dreimal unter dem Tagesordnungspunkt Posemuckel berichten zu lassen.
Ich halte es auch - das wiederhole ich - für eine Zeitbombe, wenn wir hier in der gemeinsamen Diskussion darüber nicht weiterkommen, was zu schaffen ist. Was ist im Parlament passiert, als man in der Kabinettssitzung im November sozusagen versucht hat, den Patienten Kommunalisierung aus dem Koma zu erwecken?
Meine Damen und Herren! Wir werten es so, dass nicht nur nichts passiert ist, sondern dass in den letzten Monaten und Wochen jedes kleine Pflänzchen, das auch nur ansatzweise in Richtung Kommunalisierung gegangen ist, mit einer Mehrheit im Parlament abgelehnt worden ist.
Das muss uns einmal in das Bewusstsein gerückt werden. Ich sage das nicht, weil ich es total kritisiere. Man muss darüber reden, welche Gründe es dafür gibt. Darauf komme ich noch zu sprechen. Aber wir haben es getan. Ich will nur einiges aufführen.
Die Kommunalisierung der Familienförderung ist im Parlament nicht erwünscht. Der Antrag zur Einführung einer kommunalen Sozialpauschale wurde beerdigt. Eine Modellregion Harz zur Kommunalisierung von Aufgaben wird es nicht geben.
Nun kann man sagen, das waren Anträge der Opposition. Das ist deren Schicksal. Das ist regelhaft. Aber nein: Im Beschluss über den Doppelhaushalt 2008/2009 sind alle Ansätze weg, die die Landesregierung noch in ihren Entwurf zum Doppelhaushalt hineingeschrieben hat.
Der schulpsychologische Dienst verschwand über einen Änderungsantrag, indem man ihn aus der Titelgruppe 96 herausgenommen hat. Das Asylbewerberleistungsgesetz ist aus dem Finanzausgleich herausgenommen worden und ein Teil der Verantwortung ist von den Kommunen übernommen worden. Der Umzug der Sozialagentur wurde von 2008 auf 2009 verschoben. Die Suchtberatung musste, um überhaupt finanziert werden zu können, in letzter Minute aus dem FAG-Entwurf gerettet werden. Fachpolitiker haben aber bereits in der Öffentlichkeit gesagt, dass die Suchtberatung auf keinen Fall dorthin kommen wird.
Bezüglich der ALF, über die wir schon sehr lange reden, hat uns Staatsminister Robra gesagt, dass der Landesrechnungshof dazu einen Brief geschrieben hätte, dass er das jetzt prüft, und die Angelegenheit so lange verschoben wird. Der Staatsminister hat gesagt, er möchte uns den Brief einmal zeigen. Ich habe ihn noch nicht bekommen. Vielleicht haben ihn die regierungstragenden Fraktionen erhalten.
Meine Damen und Herren! Gestern, bei der Beratung über das Gesetz zur Gemeindegebietsreform und den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen ist ein wesentlicher Gedanke, der Zusammenhang von Gemeindegebietsreform und interkommunaler Funktionalreform, nicht einmal erwogen worden, obwohl die kommunalen Spitzenverbände genau darauf abzielen.
Diese Tatsachen kann man kritisieren. Ich habe mir von vielen Fachpolitikern sagen lassen, dass alles das, was auch im Zusammenhang mit dem Haushalt passiert ist, wirklich fachpolitische Begründungen hat. Nun kann der eine zwar darüber schimpfen, dass wir nicht weiterkommen, und der andere kann sagen, dass es richtig ist, dass die ALF beim Land bleiben. Um weiterzukommen, müssen wir aber einmal nach den Gründen fragen, warum wir auf diesem Gebiet nicht weiterkommen. Ist es vielleicht von keinem der Akteure de facto böse Absicht, dass sie das klammern? Ich will einige Gründe nennen.
Erstens. Es muss für eine so schwierige Aufgabe der politische Wille vorhanden sein, und zwar zunächst der politische Wille im Grundsatz. Ich muss Kommunalisierung, wenn ich sie im Einzelnen umsetzen will, tatsächlich als einen Wert verstehen, diesen Grundsatz, nicht jede einzelne Aufgabe. Darüber kann man sich verständigen. Ich muss aber die Kommunalisierung als einen Demokratiegewinn verstehen.
Ich hole Aufgaben dichter an Betroffene heran. Ich schaffe eine Vernetzung vor Ort. Ich kann es regional in einem bestimmten Spielraum steuern. - Ich könnte noch viele andere Dinge erwähnen, aber das lässt die Zeit nicht zu.
Meine Damen und Herren! Über diesen Grundsatz, dass Kommunalisierung ein Wert an sich ist, gab es in diesem Parlament einmal eine Mehrheit. Ich bin mir derzeit nicht sicher, ob diese Mehrheit noch da ist. Wenn wir aber nicht klären, ob es diese Mehrheit gibt, dann können sich die Landesregierung oder die unterschiedlichsten Kämpfer für die Kommunalisierung einsetzen, wie sie wollen. Es wird für jede Aufgabe Begründungen dafür geben - wie es jetzt im Innenausschuss der Fall war -, warum man es absolut nicht könne.
Zweitens. Was ist eine weitere Voraussetzung? - Dieser politische Wille muss wirksam institutionalisiert sein. Nun können Sie sagen: Was? Will sie jetzt wieder ihren Antrag stellen, einen zeitweiligen Ausschuss einzurichten? - Nein, ich will das nicht. Es ist mit Mehrheit beschlossen worden, dass es der Innenausschuss parlamentarisch begleitet.
Aber wenn wir in dieser Hinsicht nicht aus den Schuhen kommen, dann wird das recht kriminell. Exekutiv wird es durch die Lenkungsgruppe betreut. Nun sage ich: Die Verbindung zwischen Exekutive und Legislative ist Staatsminister Robra, der diese Gruppe leitet. Wenn ich sage, dieses Bindungsglied ist ganz, ganz locker, dann drücke ich das so vornehm und so nett wie möglich aus.
Die Lenkungsgruppe, so verstehe ich das, hat auch eine Vorbildfunktion auszuüben. Ich frage mich, ob diese Vorbildfunktion tatsächlich wahrgenommen werden kann. Der Finanzminister, der in der Lenkungsgruppe ist, hat auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu drängen. Er macht es nicht immer, aber auf diesem Gebiet muss er das tun.
wenn er es an zwei Stellen schaffe könnte, nämlich was die Planungshoheit und was die Straßenbauämter betrifft. Aber da geht es auch in die andere Richtung. Dann kann ich keinen glaubhaft davon überzeugen, dass ein anderer Minister Aufgaben abzugeben hat.
Der Innenminister wird in der nächsten Zeit mit der Gemeindegebietsreform noch ein Aufgabenpaket zu bewältigen haben. Dazu sage ich ganz deutlich: Es geht nicht, dass er eine neue Flanke aufmacht, nämlich ganz konsequent um die Kommunalisierung zu kämpfen.
Also die beiden subjektiven Voraussetzungen sind für mich institutionalisiert nicht vorhanden. Deswegen hatten wir auch in Punkt II des Antrage formuliert, dass man
Meine Damen und Herren! Drittens. So eine Kommunalisierung muss in Gesetzesform gegossen werden. Das eine Gesetz hat mit dem vorletzten Regierungswechsel sozusagen den Friedhof aufgesucht. Jetzt gilt das Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz. Man muss fragen, ob das passend für unser jetziges Vorhaben ist. - Nein. Ich habe es mir noch einmal ganz genau angeguckt. § 2 - Aufgabenkritik. Diese sollte bis zum 30. Juni 2003 abgeschlossen werden. Ist nie gekommen. Kurz vor dem Regierungswechsel wurde, soweit ich das weiß, aus dem Innenministerium ein Papier vorgelegt. Ich habe es nie gesehen, aber es wurde mir gesagt.
Es wurde von der Staatskanzlei aber in Grund und Boden gestampft. Haben wir eine Aufgabenkritik? Ist diese notwendig für die Kommunalisierung? - Natürlich. Also: § 2 erfüllen, und zwar sofort. Das gehört auch zur Vorlage im ersten Quartal, wenn die Regierung über diesen Stand berichtet.
§ 4 sagt: Aufgabenbündelung auf kommunaler Ebene. Das schreibt das Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz vor. Neben vielen anderen Dingen steht dort auch, dass nachgewiesen werden muss, dass die Übertragung der Aufgabe wirtschaftlicher - nicht nur wirtschaftlich, sonder wirtschaftlicher - und zweckmäßiger ist. Nun frage ich mich wirklich von den objektiven Bedingungen her - -
- Ich habe es so gehört. - Nun frage ich mich wirklich: Wenn ich unter den gegebenen Bedingungen, die auch noch eine Weile so bleiben werden, in 14 Gebietskörperschaften zum Beispiel den psychologischen Dienst, wo noch sechs Menschen sind, vielleicht noch in die Jugendämter drücken will - - Ich kriege die Aufgaben bei 14 Gebietskörperschaften nicht wirtschaftlicher in die Kommunen hineingedrückt. Dieses Gesetz kann so, wie es jetzt gestrickt wird, gar nicht erfüllt werden.