Protocol of the Session on December 13, 2007

Diese Frage, werte Kollegen der SPD, können Sie nur selbst beantworten. Für mich bleibt Ihr Verhalten rätselhaft. Die Begründung, die ich heute auch wieder gehört habe, man wolle all diese Probleme irgendwann einmal in einem großen Paket zusammen lösen, hört sich für uns bald so an wie das Warten auf die Weltrevolution und hat ungefähr genauso viel Rationalität.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich wissen auch wir, dass zu einem gerechten Zugang zur Bildung einige Dinge mehr gehören. Dazu gehört auch das kostenlose Mittagessen in Kindertagesstätten und Schulen. Dazu gehört ein gerechtes Schulsystem. Dazu gehört, jawohl, wie auch von der CDU

aufs Tapet gebracht, die Abschaffung der Elternbeiträge in den Kindertagesstätten. Dazu gehört noch viel mehr.

Was erwecken Sie denn für einen Eindruck, wenn Sie sagen: Wir haben so viele Aufgaben. Und weil das so viele Aufgaben sind, fangen wir am liebsten gar nicht mehr an, sondern lassen alles, wie es ist. Dann soll es so bleiben, wie es jetzt ist. - Das geht nicht. Damit eröffnen Sie den Menschen überhaupt keine überzeugende Perspektive.

Oder - und das ist die Alternative -: Wir verschieben das in die Zukunft kurz vor den Landtagswahlen. Dazu sage ich ausdrücklich: Nein, wir haben bei diesen Themen keine Zeit mehr. Jetzt lebt ein Drittel aller Kinder in Hartz-IV-Familien, jetzt fahren sie nicht zum Gymnasium, weil die Eltern sagen, wir können es uns nicht leisten. Jetzt haben wir die Bildungsangebote in den Kindertagesstätten für diese Kinder beschränkt. Das ist ein Thema, das jetzt ansteht und nicht im Jahr 2011.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Frau Feuß- ner, CDU)

Deswegen muss das Problem jetzt gelöst werden, statt es auf die lange Bank zu schieben. Leider passiert genau das nicht.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Nun wird immer behauptet, hier liege ein finanzielles Problem vor. Ich sage ausdrücklich: Nein, dem ist nicht so. Allein in den letzten Tagen der Finanzausschussberatungen sind noch Summen eingestellt worden, die erheblich sind, deren Bedeutung uns bis heute zum Teil verschlossen bleibt. Übrigens nicht nur wir, selbst die Vertreter der Regierungskoalition waren manchmal nicht mehr in der Lage, diese Aufwüchse zu begründen. Beispielsweise wurde in der Endphase der Haushaltsberatung allein für das Jahr 2008 zusätzlich zu den ohnehin schon geplanten IT-Mitteln, wirklich noch einmal oben drauf, eine Summe von 7,5 Millionen € für einen IT-Aufbaustab bereitgestellt. Auch im Jahr 2009 sollen dafür noch einmal 3,9 Millionen € bereitgestellt werden.

Wer sich in der Politik ein bisschen auskennt, der weiß, dass gerade Institutionen, die mit Begriffen wie Aufbaustab belegt werden, häufig eine sehr langfristige Lebensgarantie haben. Meistens werden sie dann auch wieder Abbaustab dieses Projektes.

Schon im Haushaltsbeschluss der Landesregierung tauchten darüber hinaus Kopfprämien für die Bildung von Einheitsgemeinden auf, immerhin eine Summe von 30 Millionen €. Diese werden jetzt um 12 Millionen € reduziert, weil sich die Koalition glücklicherweise nicht auf die vorgelegte Novelle zum FAG einigen konnte und 12 Millionen € den drei Oberzentren zur Verfügung stehen. Trotzdem bleiben in diesen beiden Jahren 18 Millionen € Kopfprämien für die Bildung von Einheitsgemeinden in einer freiwilligen Phase erhalten.

Solche zusätzlichen Mittel, die in einer freiwilligen Phase eingesetzt werden, sind innerhalb eines Landeshaushalts ausdrücklich Luxus. Wenn ich sie per Gesetz zwinge, irgendwann zusammenzugehen, dann haben sie einen Anspruch darauf, einen Ausgleich zu bekommen. Was wir jetzt machen, ist der pure Luxus - immerhin 18 Millionen € in diesen beiden Jahren.

In der letzten Sekunde wurde im Finanzausschuss deutlich, dass noch einmal 7 Millionen € aus dem Grundstock für das leidige Probleme Finanzamt Harz einge

stellt wurden - übrigens neben den 5,6 Millionen €, die dazu noch im Einzelplan 20 standen, also fast 13 Millionen € allein für dieses Projekt. Dieses ist im Übrigen eine Summe, die in etwa so groß ist wie die gesamten Einsparungen aus der Finanzamtsreform in einem Zeitraum von zehn Jahren.

Der Finanzminister hat kurz über 8 Millionen €, die im Brückenbereich aufgetaucht sind, geredet. Das geht weiter: In den letzten Sitzungen des Finanzausschusses war es möglich, dem Vorschlag der Landesregierung zuzustimmen, sage und schreibe 30 Millionen € aus dem Bereich Gebäudeunterhaltung und kleinere Erweiterungsbauten für große Baumaßnahmen umzusetzen - innerhalb von zwei Jahren zusätzlich 30 Millionen € für große Baumaßnahmen. Eine Woche vor dem Abschluss der Haushaltsberatungen fiel auf, dass man locker noch einmal 30 Millionen € rüberschieben kann.

Dann sage ich: Wenn wir das unter dem Strich zusammenzählen, dann kann mir keiner mehr sagen, dass die Fragen der Schülerbeförderung und der Kindertagesstätten am fehlenden Geld gescheitert sind. Sie sind am fehlenden politischen Willen gescheitert.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun gibt es wieder das Argument, das eine waren die Sahnehäubchen, die man innerhalb von ein oder zwei Jahren mal dazu bekommt, und die anderen Ausgaben sind langfristige Ausgaben. Ich sage, zumindest im KitaBereich stimmt das gar nicht. Nein, wir wissen doch, dass ab dem Jahr 2010 erhebliche Bundesmittel für die laufenden Ausgaben bereitgestellt werden. Diese werden immer noch nicht das ausfüllen, was wir fordern und was zum großen Teil die CDU gefordert hat, aber sie sind ein erheblicher Anteil. Dieser hätte zumindest im Kindertagesstättenbereich für zwei oder drei Jahrgänge das Geld bereitgestellt, um die Ganztagsbetreuung für alle Kinder anzubieten.

Das heißt, es ging in diesem Bereich von vornherein nur um eine Übergangsfinanzierung für die Haushaltsjahre 2008 und 2009 in einem ganz wesentlichen Maßstab. Aber da macht man lieber große Baumaßnahmen und IT-Aufbaustäbe und eben nichts für die Kindertagesstätten und eben nichts für die Schülerbeförderung. Das ist eine politische Schwerpunktsetzung, die wir kritisieren. Und ich glaube, wir kritisieren sie zu Recht.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine andere politische Schwerpunktsetzung lässt sich exemplarisch noch deutlicher an einem anderen, allerdings für die finanziellen Auswirkungen relativ kleinen Sachverhalt skizzieren. Im Haushalt des Innenministeriums standen ursprünglich für die Opferverbände vor und nach 1945 jeweils 10 000 € bereit. In beiden Bereichen bestehen Probleme, dieses Geld abzurufen, weil Eigenmittel nicht zur Verfügung stehen. Um darauf zu reagieren - das hat die Ausschussvorsitzende bereits gesagt -, wurden die 100 000 € für die Opferverbände für die Zeit nach 1945, die ursprünglich beim Landesbeauftragten für Staatssicherheitsunterlagen veranschlagt worden waren, nun in den Haushalt des Innenministeriums überführt.

Aber das reichte den Mitgliedern des Finanzausschusses offensichtlich noch nicht; denn aus der Koalition kam noch der mündliche Antrag, der inhaltlich nicht begründet gewesen ist, gleich noch einmal 100 000 € draufzupacken. Mit diesem Haushalt beschließen wir also, dass

bei Kapitel 03 02 der Titel 684 04 - Zuschüsse an Organisationen, die Opfer kommunistischer Verfolgungsmaßnahmen oder ehemalige Kriegsgefangene in der früheren DDR betreuen -, 210 000 € beträgt und der Titel 684 05 - Zuschüsse an Organisationen, die Opfer des NS-Regimes betreuen - bei 10 000 € bleibt.

210 000 € und 10 000 €, das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine überaus klare politische Aussage. Sie lässt an Deutlichkeit nichts vermissen und korreliert mit der aktuellen Diskussion um die Gedenkstättenstiftung, bei der man zugunsten der Verbände für die Zeit nach 1945 das Gesetz ändern will, während die Verbände für die Zeit vor 1945 offensichtlich uninteressant sind und man auf deren Mitarbeit verzichten kann.

Die Begründung dazu haben wir in der Rede des Fraktionsvorsitzenden der CDU in der letzten Sitzung zum Gedenkstättenstiftungsgesetz gehört: Schließlich gibt es da die richtige und die falsche Opfersicht.

(Herr Scharf, CDU: Quatsch!)

Die der Verbände der Zeit nach 1945 ist die richtige, die der Verbände der Opfer des Nationalsozialismus ist die falsche; deswegen muss man die einen fördern und die anderen nicht.

(Herr Scharf, CDU: Sie haben mich nicht richtig zitiert!)

- Gut, das können Sie so werten. Ich habe Ihre Rede noch einmal sehr genau nachgelesen. - Ich sage hier mit aller Deutlichkeit: Wir bewerten diesen Vorgang im Landeshaushalt zusammen mit Ihrer Bewertung, Herr Scharf, als eine skandalöse Fehlentwicklung. Wir fordern alle in der Koalition auf, über diese Dinge noch einmal nachzudenken. Das kann doch nicht wirklich Ihre Intention sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Neben diesen Dingen stand für uns ein zweites Thema im Mittelpunkt der Haushaltsberatungen: Der mögliche Einfluss der Landespolitik auf die demografische Entwicklung. Unsere Forderung zur Aufstockung der Hochschulbudgets hatte und hat folgenden Hintergrund:

erstens die Kapazitätsausweitung der Hochschulen in Sachsen-Anhalt in der Zeit, in der die letzten geburtenstarken Jahrgänge die Schulen verlassen,

zweitens die Entlastung der Studierenden von Kosten der Lern- und Lehrmittel sowie der Verzicht auf Studiengebühren,

drittens die Stärkung von Technologiefolgenabschätzung und Risikoforschung,

viertens die Verbesserung der Sachausstattung der Hochschulen und

fünftens die Ermöglichung des Angebots eines ausreichenden Quantums von Master-Studiengängen.

An diesen Zielen wird deutlich, dass sie zum übergroßen Teil durch die an sich lobenswerte Exzellenzinitiative nicht erreicht werden können und die geplante Zukunftsstiftung, wenn überhaupt, erst in vielen Jahren einen Beitrag dazu leisten wird. Deswegen bleiben wir dabei, dass die von uns geforderte Erhöhung der Hochschulbudgets im Doppelhaushalt 2008/2009 unbedingt nötig gewesen wären.

Wir würden damit zusätzliche Haltepunkte für junge und gut qualifizierte Menschen im Land schaffen, die wir

dringend benötigen. Auch das Argument, dass sie nach Abschluss des Studiums ohnehin das Land verlassen würden, trifft lange nicht mehr zu, da sich bereits jetzt ein dezidierter Fachkräftemangel in einigen Bereichen bemerkbar macht und heute schon absehbar ist, dass sich dieser bei uns deutlich zugespitzt haben wird, wenn die heutigen Studienanfänger fertig sein werden, nämlich etwa im Jahr 2013. Das Tragische an dieser Fehlentscheidung ist, dass sie irreversibel ist. Entweder wir machen es jetzt oder wir haben nicht mehr die Chance dazu, weil nach dieser Legislaturperiode nur noch geburtenschwache Jahrgänge die Schule beenden. Dann brauchen wir die Kapazitäten auch nicht mehr vorzuhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Aufstockung der Hochschulbudgets nach dieser Legislaturperiode, wie sie in den langfristigen Papieren des Finanzministeriums vorgesehen ist - es ist nicht so, dass sie nicht vorgesehen ist -, mag für die Betroffenen dann durchaus erfreulich sein. Nur, unser demografisches Problem hier in Sachsen-Anhalt und das große Problem, dass wir jetzt junge Leute haben, die wir hier halten müssen, löst man damit nicht.

Ein ähnliches Problem besteht im Bereich der Nachhaltigkeit des öffentlichen Dienstes in Sachsen-Anhalt. Wir werden nicht müde zu betonen, dass der extrem geringe Einstellungskorridor, der für die nächsten Jahre vorgesehen ist, das Problem der Überalterung und des Mangels an Fachkräften ab der nächsten Legislaturperiode in unzulässiger Weise verschärft. Genau in dieser Frage wird der Unterschied in der Schwerpunktsetzung zwischen kurzfristiger Konsolidierung auf der einen Seite und langfristig orientierter Politik auf der anderen Seite deutlich.

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Wir benötigen diese Neueinstellungen nicht für die Aufgabenerfüllung des öffentlichen Dienstes im Land in dieser Legislaturperiode; da kommen wir auch mit einem geringen Einstellungskorridor hin. Das Problem ist nur, wenn wir jetzt nicht anfangen, an dieser Stelle deutlich mehr zu machen, dann explodiert das Problem ab dem Jahr 2013, 2014, 2015. Dann bekommen wir die Leute nicht ran.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun kann man sagen: Wer von uns ist dann dafür noch verantwortlich? Aber das ist eben nicht die Perspektive, die wir anstreben sollten. Dass das Problem so deutlich sichtbar wird - das sage ich hier noch einmal ausdrücklich -, haben wir dem gleichen Finanzminister zu verdanken, der diesen kleinen Einstellungskorridor verteidigt. Nur durch diese langfristige Personalplanung ist überhaupt deutlich geworden, welchen Neueinstellungsbedarf wir in Sachsen-Anhalt für einen Zeitraum haben, indem wir die jungen Leute nicht mehr bekommen werden. Deswegen ist es doch logisch, daraus die Konsequenz zu ziehen und zu sagen, wir brauchen selbst dann vorgezogene Neueinstellungen, wenn der öffentliche Dienst jetzt nicht unbedingt unter der Last zusammenbricht, sondern dies erst in sieben Jahren tut.

Deswegen sagen wir ausdrücklich: Nein, wir brauchen in etwa 700 Neueinstellungen pro Jahr in dieser Legislaturperiode, weil wir nur so die Probleme der Zukunft dieses Landes lösen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass wir mit unserer Position durchaus einen gesellschaftlichen Bedarf widerspiegeln, belegt zum Beispiel der nunmehr neu zustande gekommene Lehrertarifvertrag. Ich fand es Klasse, dass der Kollege Finanzminister gerade den ausgeweiteten Neuseinstellungskorridor positiv erwähnt hat. Das finden wir auch richtig gut. Noch einmal: Der Tarifvertrag ist gekündigt worden. Danach stellt sich die Landesregierung hin: Unter diesen Bedingungen können wir überhaupt keinen neuen Lehrer einstellen. Selbst die 80 Lehrer pro Jahrgang sind aus dem entsprechenden Konzept gestrichen worden.

Ich sage ausdrücklich - das ist vielleicht als Opposition nicht üblich -: Ich bedanke mich ausdrücklich bei allen Beteiligten, die diesen Tarifvertrag erzielt haben. Er ist auf jeden Fall besser als der tariflose Zustand. Er ist besser als der Zustand, den wir vor der Kündigung des Tarifvertrages hatten, und er ist vor allen Dingen im Bereich der Zukunftssicherung bei den Neueinstellungen besser.

Wir haben am Ende der Legislaturperiode einen Einstellungskorridor von 150 Lehrern und eben nicht von 80 Lehrern. Das reicht trotzdem hinten und vorne nicht aus. Aber ich sage ausdrücklich: Damit haben wir wirklich einen Vertrag, der sich um die Zukunft dieses Landes kümmert. Ich kann nur denjenigen meinen Dank aussprechen, die gegen erheblichen Widerstand - das haben wir gemerkt - auch des Ministerpräsidenten diesen Vertrag realisiert haben.