Ich weise aber auch darauf hin, dass die Sozialhilfesätze de facto nicht von den Ländern festgelegt werden. Das sage ich auch in die Richtung der FDP. Die Sätze beruhen auf den Vorgaben des Sozialgesetzbuches XII und der entsprechenden Regelsatzverordnung des Bundes. Regionale Abweichungen gibt es allein in Bayern, und zwar auf der Grundlage einer gesetzlich vorgeschriebenen, sehr aufwendigen und regional nicht überall machbaren Datenerhebung.
Im Übrigen fallen die Abweichungen in Bayern nun gar nicht zugunsten der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger aus. Bayern zahlt derzeit 341 €, während im übrigen westdeutschen Gebiet 345 € die Regel sind.
Ich will noch anfügen, dass nach der EVS 2003 die erforderlichen Anpassungen in einem Änderungsgesetz zum Sozialgesetzbuch XII verankert werden sollen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales strebt ein InKraft-Treten dieses Änderungsgesetzes und der dann entsprechend geänderten Regelsatzverordnung zum 1. Januar 2007 an. Noch in diesem Jahr soll also das Gesetzgebungs- und Verordnungsverfahren auf den Weg gebracht werden.
Eine Erhöhung des Eckregelsatzes bereits in den nächsten Monaten oder vielleicht zum 1. Juli 2006, wie es Ihnen möglicherweise vorschwebte - es ist in dem Antrag nicht direkt genannt, aber ich habe es als Andeutung so verstanden -, ist nicht möglich. § 28 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches XII bietet zwar die Möglichkeit, regionale Regelsätze zu bestimmen. Das setzt aber eine vorherige regionale Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe voraus. Zum einen müsste eine solche jetzt praktisch noch auf der Basis der EVS 1998 erfolgen, wäre also überholt. Zum anderen ist eine solche regionale Auswertung nur bei größeren Bundesländern verlässlich. Für Sachsen-Anhalt allein ist eine solche regionale Auswertung nicht möglich.
Dem zentralen Anliegen des Antrages dürfte aber mit der bundeseinheitlichen Regelsatzfestsetzung ab dem 1. Januar 2007 entsprochen werden.
Ich will an dieser Stelle eine Bemerkung einflechten, die mit dem Antrag nicht unmittelbar, aber mittelbar zu tun
hat. Ich will für die Koalition, für die Landesregierung den von Ihnen, Herr Gallert, gestern für diese Regierung verwendeten Begriff von der „sozialpolitischen Lehrstelle“ ausdrücklich zurückweisen. Wir widmen uns im Sinne einer solidarischen Leistungsgesellschaft dem Schutz der Bevölkerung vor sozialen Risiken genauso wie der Ermöglichung von Entwicklungs-, Bildungs- und Teilhabemöglichkeiten. Das ist unser erklärtes Ziel und daran werden wir im Sinne einer Weiterentwicklung gemeinsam arbeiten.
Zurück zum Antrag. Eine Änderung des Finanzausgleichsgesetzes - ein spannendes Thema - aus Anlass der Anpassung der Sozialhilferegelsätze halte ich nicht für erforderlich. Ich will das begründen.
Die Belastung der Kreise und kreisfreien Städte aufgrund der Sozialhilfeausgaben ist durch das Sozialgesetzbuch II seit dem 1. Januar 2005 geringer geworden. Wie Sie sich erinnern werden, gab es Anfang 2005 erhebliche Diskussionen darüber, dass die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt infolge des Wechsels von zahlreichen Leistungsberechtigten in die Zuständigkeit des Sozialgesetzbuches II teils um 90 % - manchmal darunter, manchmal wurden sogar darüber liegende Zahlen angegeben - gesunken war. Genaue Zahlen für 2005 werden uns vom Statistischen Landesamt im August dieses Jahres vorliegen.
Trotz der erheblichen Abnahme der Zahl der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger sind aber die Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes über den Ausgleich der kommunalen Sozialhilfeausgaben nicht geändert worden. Das heißt, der hierfür nach § 4 Abs. 1 des Finanzausgleichsgesetzes zur Verfügung stehende prozentuale Anteil der Finanzausgleichsmasse ist nicht gesenkt worden. Damit haben sich die Zuweisungen an die Kommunen im Rahmen des Finanzausgleichs, gerechnet pro Sozialhilfeempfängerin und -empfänger, quasi als ungeplante Folge von Hartz IV bereits erheblich erhöht. Es besteht deshalb kein Erfordernis, die Zuweisungen wegen der voraussichtlich zum 1. Januar 2007 anstehenden Regelsatzanpassung erneut zu erhöhen.
Zusammenfassend kann ich deswegen feststellen, dass das Hauptanliegen des Antrages, die Anpassung der Sozialhilferegelsätze, mit hoher Wahrscheinlichkeit zum 1. Januar 2007 erfüllt werden wird und dass eine Erhöhung der Finanzausgleichsmasse aus diesem Anlass nicht gerechtfertigt ist. - Ich danke Ihnen.
Frau Ministerin, herzlichen Dank für Ihren Beitrag. - Es gab zwei Wortmeldungen zu Nachfragen, zunächst von Frau Dr. Paschke und anschließend von Herrn Gallert. Sind Sie bereit, diese Nachfragen zu beantworten? - Das ist der Fall.
Ich schicke voraus: Ich bin keine Sozialexpertin und muss deshalb noch einmal nachfragen, ob ich Sie richtig verstanden habe. Wenn das Land auch wollte, dass die Sätze für beide Gruppen zeitgleich angepasst werden, könnte das Land das zum 1. Juli nicht tun, weil dafür
notwendige unterschiedliche regionale Erhebungen nicht möglich sind. So ungefähr? - Das stimmt also. Sie nicken.
Verstehe ich es richtig, dass diese Anpassung dann ab 1. Januar 2007 fast automatisch erfolgt, dass es also keiner Beschlussfassung der Landesregierung oder des Parlaments bedarf? - Stimmt auch. Es geht also, obwohl wir als Land eine Regelungszuständigkeit haben, de facto doch automatisch.
Das wären meine Fragen, aber ich hänge jetzt noch etwas dran: Ich würde Sie sehr bitten, dass die zuständigen Sozialämter eine belastbare Information darüber bekommen, wie das in unserem Land gehandhabt wird. Ich war in der vergangenen Woche im Sozialamt meines Landkreises. Die Mitarbeiter haben sozusagen in den Startlöchern gesessen und dachten, sie könnten die Bewilligungsbescheide herausschicken, weil zu ihnen Leute kommen, die jetzt schon sagen: Oh, ich bekomme ab 1. Juli ca. 14 € - ich weiß die Höhe der Summe nicht ganz genau - mehr. - Die Sozialamtsleiterin - ich denke, sie ist informiert und ist auch fachlich kompetent - hat dafür keine Erklärung gehabt und hat mich gefragt: Wird denn angeglichen?
Es kommt noch ein weiterer Fakt hinzu. Wir haben nach meiner Meinung jetzt in allen Landkreisen einen Anteil von Menschen, die von der Arbeitsgemeinschaft wieder in die Sozialhilfe eingestuft werden, weil sie nicht drei Stunden arbeiten können. In unserem Landkreis sind das von 950 Ausgangsfällen jetzt 270, die alle wieder zurückgestuft wurden. Wenn diese Menschen im Juli zurückgestuft werden würden, sodass sie wieder Sozialhilfeempfänger würden, dann müsste man ihnen auch sagen: Sie bekommen jetzt wieder den geringeren Satz. - Das verstehe ich alles richtig?
Es ist in der Tat so: In diesem Jahr gilt der Regelsatz; er gilt auch in den Fällen, die Sie eben beschrieben haben.
Grundsätzlich - das will ich noch einmal sagen - hat aber jedes Land die Möglichkeit, einen eigenen Sozialhilfesatz zu bestimmen. Die Möglichkeit eröffnet das Sozialgesetzbuch XII, allerdings unter großen Restriktionen. Die Auflagen sind sehr hart. Bis jetzt hat nur Bayern von dieser Möglichkeit, einen auf Bayern begrenzten eigenen Sozialhilfesatz zu definieren, Gebrauch gemacht. Man muss da ganz harte Auflagen erfüllen.
Die Einschätzung der Fachleute lautet: Das Land Sachsen-Anhalt ist nicht in der Lage, die Kriterien des Sozialgesetzbuches XII für die regionale Erhebung bzw. die regionale Auswertung dieser Einkommens- und Bedarfsstichprobe vorzunehmen. Deshalb gehen wir davon aus, dass wir an die Sozialhilferegelsatzverordnung des Bundes gebunden sein werden.
Das würde dann bedeuten, dass mit der entsprechenden Entschließung und mit dem entsprechenden Beschluss zum SGB XII, was Sie jetzt antizipieren - das ist noch nicht passiert -, eine entsprechende Anhebung ab 1. Januar 2007 gelten würde und Handlungsrelevanz unsererseits nicht gegeben ist. Das würde bedeuten, dass sich die Regelsätze für Sozialhilfeempfänger ab dem 1. Januar 2007automatisch auf 345 € erhöhen.
des Bundes vorliegt, die entsprechende Anpassung für das Land Sachsen-Anhalt beschließen. Aber wir haben im Wesentlichen - das will ich noch einmal betonen - keinen Spielraum, um davon abzuweichen.
Nichts anderes will übrigens unser Antrag, den wir hier gestellt haben. Wir weisen im Grunde genommen nur darauf hin, dass wir natürlich auch die Folgen berücksichtigen müssen.
Vielleicht geht, Frau Kuppe, aus der Passage, dass wir sehr wohl über Haushaltsvorkehrungen gegenüber den Kommunen nachgedacht haben, auch hervor, dass wir uns natürlich ein Stück weit auf das Jahr 2007 kapriziert haben; denn vorher wäre das nicht möglich gewesen, es sei denn, der Finanzminister hätte jetzt schon einen Nachtragshaushalt eingebracht. Aber das hat er ja nicht.
Ich wollte an dieser Stelle nur noch kurz Folgendes sagen: Frau Kuppe, woher kommt eigentlich Ihre Erkenntnis, dass die Kommunen eine Nettoentlastung bekommen? Kurz danach sagten Sie, es gibt keine belastbaren Zahlen. Wir wissen aus vielfältigen Schrift- und E-MailVerkehren der kommunalen Spitzenverbände, dass genau dieser Tatsache oder, besser gesagt, dieser Meinung widersprochen wird.
Ich entnehme die Entlastung der Kommunen erst einmal der Wanderungsbewegung, so wie sie sich bisher dargestellt hat, nämlich aus dem Sozialhilfebereich, also der Zuständigkeit des Sozialgesetzbuches XII, hin zur Zuständigkeit des Sozialgesetzbuches II. Da gibt es mittlerweile Verschiebungen; aber alles deutet darauf hin, dass es dennoch eine Nettoentlastung für die Kommunen gegeben hat.
Aber ich habe ja darauf hingewiesen, dass das genaue statistische Material erst im August dieses Jahres vorliegen wird. Dann werden wir es genau wissen und in den Ausschüssen ordentlich darüber debattieren können, wie es denn tatsächlich aussieht.
Aber nach unserer bisherigen Kenntnis ist in der Tat auf kommunaler Ebene eine Entlastung bei den Sozialhilfekosten, also bei den Hilfen zum Lebensunterhalt, erfolgt.
Vielen Dank. - Frau Bull, wollen Sie noch Ihre Frage stellen? - Das hat sich erledigt. - Danke schön für Ihren Beitrag, Frau Ministerin.
Ich eröffne damit die Debatte. Als erstem Debattenredner erteile ich dem Abgeordneten der CDU Herrn Kurze das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Nachdem Frau Ministerin Dr. Kuppe soeben inhaltlich sehr ausführlich zu dem Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS Stellung genommen hat und damit aus meiner Sicht alle Aspekte dieses Antrages beleuchtet und bewertet hat, will ich Sie nicht mit ähnlichen Ausführungen langweilen.
Es würde mich auch reizen, eine Grundsatzdebatte über Hartz IV zu führen. Aber da sind wir ja nicht. Wir sind ja ein Stück weit bei einem anderen Thema.
Aber Sie haben ja auch versucht, einen Schwenk in diese Richtung zu machen, Frau Bull. Es würde mich reizen. Aber die Zeit haben wir leider nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Linkspartei.PDS, in Abwandlung eines bekannten Liedes könnte ich meine Rede mit den Worten beginnen: Alle Legislaturperioden wieder oder alle Landtagssitzungen wieder versuchen Sie, mit Anträgen wie dem vorliegenden den Eindruck zu vermitteln, als seien Sie allein diejenigen, die sich der Interessen der bedürftigen und benachteiligten Menschen in unserem Land annehmen.