Nun ist es nicht gerade die Rolle und die Aufgabe der Opposition, die Arbeit eines Ministers punktuell gutzuheißen, zumal er mit seiner Arbeit, wenn ich das einmal so ausdrücken darf, noch in den Kinderschuhen steckt; aber das Vorhaben des Innenministers hinsichtlich der Bildung einer Arbeitsgruppe zur Feuerwehrstruktur, der das Innenministerium, die Funktionsträger der Feuerwehr und der Landesfeuerwehrverband angehören sollen, findet unsere ausnahmslose Unterstützung.
Allerdings würde ich mir wünschen, dass auch Vertreter der Feuerwehrunfallkassen und kommunale Vertreter in dieser Arbeitsgruppe mitarbeiten könnten.
Aber sollte diese Arbeitsgruppe nicht zunächst die Chance haben, eine breit getragene Konzeption zur künftigen Feuerwehrstruktur und damit eine sachgerechte Grundlage für die künftige Organisation des Brandschutzes in den Städten und Gemeinden zu erarbeiten und vorzulegen? Ein intensiver Dialog mit der Feuerwehr über Neuregelungen ist dabei unbedingt Voraussetzung und zu gewährleisten. Dann, aber auch erst dann, kann und sollte die Politik darüber debattieren und Klarheit, wie in der Aktuellen Debatte verlangt, einfordern.
Für die Mitglieder meiner Fraktion ist vor allem entscheidend, dass die Feuerwehren vor Ort und die Verantwortlichen in den Städten und Gemeinden gemeinsam darüber entscheiden können, wie sie die Feuerwehr aufstellen, betreiben und ausrüsten. Dabei sollten nicht starre Einwohnergrenzen entscheidend sein, sondern eine flexible Einsatzbereitschaft der Feuerwehren, abgesicherte Hilfsfristen und eine adäquate Ausrüstung auf der Grundlage konkreter standortbezogener Gefährdungsanalysen.
Wichtig ist, dass jedes Haus in der gesetzlich definierten Zeit von zwölf Minuten von einer einsatzbereiten Feuerwehr erreicht werden kann. An dieser Regelung darf sich nichts ändern. Ich formuliere es einmal etwas überspitzt: Nicht jede Ortsfeuerwehr braucht eine Drehleiter.
Das dogmatische und undifferenzierte Anheben der Mindestgrenze würde unweigerlich dazu führen, dass auch gut funktionierende, einsatzbereite Feuerwehren aufgelöst werden müssten. Das hätte verheerende Folgen, zum Beispiel in der Altmark. Es bedarf also einer sorgfältigen Prüfung; es muss nach Alternativen gesucht werden.
Das Personalproblem, das es nachweislich in vielen Feuerwehren gibt, wird jedoch durch die Anhebung der Mindestzahl nicht gelöst werden. Ferner sollte und muss die zu bildende Arbeitsgruppe Strategien entwickeln, wie das inzwischen immer größer werdende Problem der Mitgliederverluste in den freiwilligen Feuerwehren gelöst werden kann.
Ich möchte hierbei nur zwei Dinge ansprechen. Zum einen wird die Tatsache beklagt, dass es nicht genug weibliche Mitglieder in den Feuerwehren gibt. Nun will ich nicht verhehlen, dass so mancher Feuerwehrmann befürchtet, die letzte reine Männerdomäne gehe nun auch noch an die holde Weiblichkeit über.
(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS - Herr Madl, CDU: So ein Quatsch! - Zurufe von Herrn Gürth, CDU, und von Herrn Tullner, CDU)
Nachdem dies im Fußball schon lange der Fall ist - da machen die Frauen den Männern schon lange etwas vor, aber nicht nur da -, gibt es auch in dieser Richtung Befürchtungen. Aber die Sicherheit der Bevölkerung sollte doch allemal Grund genug dafür sein, dass über diese Eitelkeiten hinweggesehen werden muss.
Zum anderen sollte uns Folgendes zu denken geben: Olaf Braun, Stadtwehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr Dessau, schrieb dazu in der Zeitschrift „Feuerwehren in Sachsen-Anhalt“ - ich zitiere -:
„Die heutige freiwillige Feuerwehr ist in Ost und West schon längst kein Spiegelbild aller Berufsgruppen mehr. Je höher jemand auf der beruflichen Karriereleiter klettert, desto seltener ist er in unseren Reihen anzutreffen. Dabei wäre dessen Know-how, nicht nur das des Akademikers, in der Einsatzabwicklung nur von Vorteil. Leider findet man Akademiker viel zu selten in unseren Reihen. Diese Zielgruppe, die sich mit unterschiedlichen, manchmal fadenscheinigen Argumenten entschuldigt, gilt es verstärkt zu umwerben, fehlt sie doch der Feuerwehr.“
Wenn Sie Ihre Feuerwehr vor Ort betrachten, dann werden Sie feststellen, dass dies uneingeschränkt auch auf Ihre Feuerwehr zutrifft.
Immer wieder wird die Frage des Herabsetzens des Mindestalters bei Kindern, um in die Jugendfeuerwehr aufgenommen zu werden, mit einer sehr differenzierten Bewertung diskutiert. Auch Herr Madl sprach das heute an. Mit zehn Jahren sind die meisten Kinder schon fest in Sportvereine eingebunden und schwer von einem Wechsel zu überzeugen.
Auch an dieser Stelle sollte ein Umdenken erfolgen, und erste örtliche freiwillige Feuerwehren praktizieren dies bereits mit gutem Erfolg. So wurden aus meiner Sicht erste gute Ansätze im Landkreis Aschersleben-Staßfurt in die Praxis umgesetzt, die unter dem Motto „Nur die Gesamtheit der Maßnahmen und ein engagiertes Team sind der Garant für einen Erfolg“ stehen. Drei Schwerpunkte sind dabei hervorzuheben, wobei diese nicht nur typisch für den Landkreis Aschersleben-Staßfurt sind, sondern auch zu verallgemeinern sind.
Dabei geht es um die Gewinnung neuer Mitglieder. Im Landkreis Aschersleben-Staßfurt wird insbesondere viel Wert auf das direkte Ansprechen von jungen Menschen bei den vielfältigsten Veranstaltungen der Feuerwehren gelegt. Ausgebildete Kameraden aus anderen Feuerwehren, die in Staßfurt arbeiten, fahren in Staßfurt Einsätze mit. Das bedurfte natürlich der Absprache mit den Wehrleitern, der Feuerwehrunfallkasse und den Geschäftsführern der jeweiligen Betriebe; aber es hat funktioniert. Mit Presseaktivitäten, mit Werbemaßnahmen in den ortsansässigen Betrieben wurde versucht, arbeitslosen Mitgliedern der Feuerwehr Arbeitsplätze zu vermitteln.
Nicht ganz so erfolgreich waren bislang Foren mit den Geschäftsführern der örtlichen Unternehmen, da die Teilnahme mehr als dürftig war. Allerdings zeigt sich eine steigende Tendenz, sodass diese Form der Sensibilisierung für die Belange der Feuerwehr weiter verfolgt werden sollte.
All dies sind unabdingbare, aber auch mühselige Schritte, um die Einsatzbereitschaft der freiwilligen Feuerwehren zu gewährleisten. Funktionsfähige Feuerwehren brauchen eine gezielte Förderung und somit eine ausreichende finanzielle, personelle und technische Ausstattung. Veränderungen der Strukturen der freiwilligen Feuerwehren funktionieren jedoch nur in enger Zusammenarbeit mit den Kameradinnen und Kameraden vor Ort und nicht gegen sie; denn ansonsten kann es äußerst brenzlig werden. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Tiedge. - Zum Abschluss der Debatte hören wir den Beitrag der SPD-Fraktion. Es spricht Herr Doege. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich meine Ausführungen mit einem Presseartikel vom 21. November 2003 beginnen, bei dem die „MZ“ Halle titelte: „Verletzte warten lange auf Hilfe“.
Was war der Hintergrund der Geschichte? - Im Saalkreis waren zwei Pkw zusammengestoßen. Die beiden Fahrerinnen waren schwer verletzt. Eine der beiden war in ihrem zerstörten Fahrzeug eingeklemmt. Kurze Zeit später erging der Notruf an die Leitstelle Halle. Es war sehr schnell klar, dass schweres Bergungsgerät nötig ist. Deshalb wurde die Feuerwehr A alarmiert. Allerdings konnte diese Feuerwehr nicht ausrücken, weil nicht genügend Einsatzkräfte erschienen. Daraufhin alarmierte die Leitstelle die Feuerwehr B. Diese verfügte allerdings nicht über das notwendige schwere Bergungsgerät. Während dessen wartete die Verunfallte eingeklemmt in ihrem Fahrzeug auf Hilfe. Letztlich wurde die Berufsfeuerwehr Halle alarmiert, die die Verletzte befreite.
In dem gleichen Artikel wird der damalige Vorsitzende des Landesfeuerwehrverbandes Günter Siebers mit der Äußerung zitiert - das war im Oktober 2003 -, dass zwei Drittel der Feuerwehren in Sachsen-Anhalt werktags von 6 bis 18 Uhr nicht einsatzbereit seien. - Insofern, Herr Kosmehl, stellt sich natürlich schon die Frage nach der Aktualität der heutigen Debatte.
Meine Damen und Herren! Das Thema Feuerwehr hat diesen Landtag schon häufiger beschäftigt. Das der heutigen Aktuellen Debatte zugrunde liegende Thema der künftigen Feuerwehrstrukturen ist dabei von besonderer Bedeutung.
Die Problematik der mangelnden Einsatzbereitschaft, insbesondere werktags in der Zeit von 6 bis 18 Uhr, ist seit Jahren bekannt. Es stellt sich an dieser Stelle schon die Frage, welche Aktivitäten seitens der FDP in der Vergangenheit in anderer Verantwortung diesbezüglich unternommen worden sind.
Viele Kameradinnen und Kameraden sind leider nicht mehr an ihrem Wohnort beruflich tätig, und es gibt er
hebliche Probleme mit Arbeitgebern, wenn während der Arbeitszeit Kameraden ausrücken müssen. Immer häufiger tritt das von mir eingangs geschilderte Szenario ein, dass Wehren mangels Erreichung der vorgeschriebenen Einsatzstärken nicht mehr ausrücken können.
Dieses Problem betrifft dabei nicht nur die Wehren kleinerer Gemeinden, sondern selbst in kleineren und größeren Städten fehlt es gelegentlich an einsatzbereiten Kameraden. Oft müssen mehrere Wehren alarmiert werden, um die notwendige Einsatzstärke zu erreichen. Die demografische Entwicklung, auf die verschiedene Vorredner hingewiesen haben, verschärft dieses Problem in den kommenden Jahren weiter. Die Schreckensvision, dass eines Tages niemand mehr da ist, wenn es brennt, scheint insofern nicht mehr allzu fern.
Ich weiß, wovon ich rede; denn ich bin selbst Mitglied der freiwilligen Feuerwehr in meiner Heimatstadt.
Wir haben in unserer Stadt neben der Stadtwehr auch eigene Ortswehren in drei Ortschaften, die wir vorhalten mit allen Problemen, die heute schon geschildert worden sind.
Herr Kollege Kosmehl, ich persönlich fühle mich von den Äußerungen des Innenministers nicht verunsichert. Das gilt, soweit ich weiß, auch für die Bürgermeister, die ich aus vielen Gesprächen kenne.
Ich denke, das ist ein Problemfeld, das die Koalition angepackt hat. Letztlich - das muss ich an dieser Stelle auch sagen - hat kommunale Selbstverwaltung auch Licht- und Schattenseiten. Dies darf man an dieser Stelle allerdings nicht beklagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Feuerwehr hat in den vergangenen Jahren in ihrem Einsatzprofil erhebliche Veränderungen erfahren. Die klassische Brandbekämpfung ist zunehmend hinter Hilfeleistungen aller Art zurückgetreten: Bergung Verunfallter, Beseitigung von Sturm- und Hochwasserschäden und in den letzten Jahren, zumindest seit dem Jahr 2002, in zunehmendem Umfang Einsatz der Feuerwehr insbesondere in den Bereichen, die regelmäßig vom Hochwasser heimgesucht werden.
Die Feuerwehren sind aber nicht nur ein wichtiger Sicherheitsgarant, sondern sie sind auch ein gutes Stück Lebensqualität. Vielfach ist die Feuerwehr insbesondere in kleinen Gemeinden der Träger der dörflichen Gemeinschaft. Zahlreiche Feuerwehrkameraden leisten im ganzen Land neben ihrer eigentlichen Aufgabe des vorbeugenden und abwehrenden Brandschutzes eine vorbildliche Jugendarbeit und sorgen somit für die Gewinnung des eigenen Nachwuchses. Bei der Organisation und Durchführung von Stadtfesten, Dorffesten, Osterfeuern, Festumzügen, Kinderfesten sind die Kameraden vielfältig präsent. Der Feuerwehr kommt insofern eine hohe gesellschaftspolitische und integrative Bedeutung für unser Gemeinwesen zu.
Hiervon unabhängig ist jedoch die Frage, ob die Gemeinden im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung auch eine andere Organisation ihres Feuerwehrwesens vornehmen können. Selbstverwaltung, meine Damen und Herren, hat notfalls auch das Treffen unpopulärer Entscheidungen zum Inhalt.
Meine Damen und Herren! Der Innenminister hat im Rahmen der Delegiertenversammlung des Landesfeuerwehrverbandes am 6. Mai 2006 den im Koalitionsvertrag festgeschriebenen und von meinem Kollegen Thomas Madl bereits vorgestellten Handlungsbedarf festgestellt und die im Koalitionsvertrag enthaltenen notwendigen Handlungsfelder beschrieben. Ich möchte auf eine erneute Benennung verzichten.
Meine Damen und Herren! Die Feuerwehr muss sich den demografischen Veränderungen und den sich daraus ergebenden Herausforderungen stellen. Die sich zunehmend verschlechternde Haushaltslage vieler Kommunen einerseits, die Notwendigkeit, die Ausrüstung der Kameraden an die sich ändernden brandschutztechnischen Anforderungen anzupassen, andererseits sowie notwendige Investitionen in Fahrzeugtechnik, Lösch- und Bergungstechnik, aber auch in den berühmten Digitalfunk erfordern zukünftig eine Überprüfung der bisherigen Strukturen.
Was nützt es, wenn kleine Gemeinden unter Aufbietung aller Kräfte für die notwendige Schutzausrüstung - in diesem Zusammenhang stehen immerhin ca. 1 500 € pro Feuerwehrmann in Rede - und die notwendige Löschtechnik sorgen, diese aber infolge fehlender Einsatzbereitschaft von montags bis freitags letztlich nicht zum Einsatz kommen kann?
Künftig muss es uns gelingen, die vorhandenen Kräfte und die vorhandene Technik noch effizienter einzusetzen. Der Innenminister hat allen Beteiligten einen intensiven Dialog über die konkrete Umsetzung zugesagt.
In der Berichterstattung über die Veranstaltung in Heyrothsberge ist der Vorsitzende des Landesfeuerwehrverbandes mit durchaus kritischen Einschätzungen zu dem Vorhaben wiedergegeben worden. Unter anderem sah er das Problem, dass insbesondere in den Ortsteilen der Fall eintreten kann, dass Löschtrupps zu spät zu einem Brand kommen. Was der Chef des Feuerwehrverbandes damit anspricht, ist vielfach bereits bittere Realität vor Ort. Es hilft uns also kein Jammern, sondern wir müssen Lösungen suchen, damit sich das Problem im Zuge der demografischen Veränderungen nicht weiter verschärft.
Meine Damen und Herren! Wir nehmen das Anliegen der heutigen Debatte sehr ernst; aber die Sorgen, die Sie, meine Damen und Herren von der FDP, in Ihrem Antrag formulieren, sind völlig unbegründet. Die Grundproblematik ist seit Jahren bekannt. Es stellt sich schon die Frage, weshalb Sie hierzu heute eine Aktuelle Debatte beantragt haben.
Meine Damen und Herren! Die erste Aufregung über die von der Koalition beabsichtigten Änderungen hinsichtlich der Feuerwehrstruktur hat sich zwischenzeitlich gelegt. Bei einem am 20. Mai 2006 durchgeführten Treffen des Innenministers mit den Bezirks- und Kreisbrandmeistern wurden den anwesenden Fachleuten noch einmal ganz deutlich die Grundzüge des Vorhabens erläutert. Der Innenminister gab die Einrichtung der Arbeitsgruppe bekannt.
Die Fachleute werden nunmehr gemeinsam an dem Konzept arbeiten, wie die Strukturen der Feuerwehren in Sachsen-Anhalt künftig aussehen werden. Einigkeit bei allen Beteiligten - so habe ich es aus dieser Veranstaltung entnommen - herrscht darin, dass die demografische Entwicklung hier zwingend zu Handlungen anregt.
Wie der Innenminister bereits ausgeführt hat, werden künftig nicht starre Einwohnergrenzen, sondern abge
sicherte Hilfsfristen, eine lokal differenzierte Risikoanalyse und eine adäquate Ausrüstung Grundlage der Entscheidung sein. Die Hilfsfristen, wie sie derzeit bestehen, werden an dieser Stelle nicht angetastet.
Die Feuerwehren sind bei den Koalitionsfraktionen der CDU und der SPD in guten Händen. Wir stellen die Existenz der gemeindlichen Feuerwehren und der Ortswehren nicht infrage. Gemeinsam mit dem Innenminister werden wir dafür sorgen, dass die Feuerwehren sowohl personell als auch technisch in der Lage sind, sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen und den sicheren Schutz der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.
In diesem Sinne möchte ich mich auch im Namen der SPD-Fraktion bei allen Kameradinnen und Kameraden für ihr selbstloses Engagement beim Schutz der Bürgerinnen und Bürger bedanken. Ich wünsche allen aktiven Kameradinnen und Kameraden, dass sie stets wohlbehalten von ihren Einsätzen zurückkehren. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.